Baumeister, Stuckateure und Bildhauer, soweit bekannt
von bis
1718 1718
1718 1726
1720 1720
1759 1763
1759 1763
1760 1760
1760 1763
1760 1763
1760
1761 1763
1760
1761
Maler von Altarblättern, soweit bekannt
von bis
1763 1763
1763 1763
1763 1763
1783 1783
1787 1787


Das Kloster von 1081–1803

Gründung
An die Gründung der Benediktinerabtei Rott am Inn erinnert das Stifter-Hochgrab in der Vorhalle der Barockkirche. Auf der spätgotischen Rotmarmor-Deckplatte sind Graf Kuno I. von Rott und sein Sohn im Hochrelief zu sehen, wie sie als Stifter das Modell der doppeltürmigen Kirche hochhalten.[1] Das Gründungsjahr ist mit dem gefälschten Datum 1073 in der Gründungsurkunde überliefert. Diese Fälschung wird 1226 Grundlage eines kaiserlichen Schutzprivilegs des Staufers Friedrich II. und damit auch Grundlage aller späteren Kloster- und Ortsjubiläen. Tatsächlich erfolgt die Gründung aber vermutlich 1081, dem Todesdatum von Kuno II., sicher aber spätestens 1086, dem Todesdatum seines Vaters Kuno I.[2]
Legendenbehaftet sind auch die Vorgänge der Gründung. Die Gründungsurkunde nennt die Errichtung des neuen Klosters am Altar der Heiligen Marianus und Anianus.[3] Es müsste also bereits eine Kirche bestanden haben. Über den Gründungskonvent und das Mutterkloster ist nichts überliefert. Dass es der Benedikts-Regel unterstellt ist, wird indirekt in einer ersten sicheren Urkunde bestätigt. Sie wird 1142 in Rom ausgestellt und nennt einen Abt Bertricus, der als Professe der Benediktinerabtei St. Peter in Salzburg nachgewiesen ist.
In der gleichen Urkunde wird auch Graf Heinrich II. von Lechsgemünd, der Stifter von Kaisheim, als Klostervogt ermahnt. Die Grafen von Lechsgemünd sind 1086 Erben des Klostergründers. 1226 sterben sie aus. Mit dem Schutzprivileg von Kaiser Friedrich II. kann die Abtei deren Erben, die Wittelsbacher, noch bis 1247 als Vögte fernhalten, wird aber anschliessend dauerhaft ein landsässiges Kloster im Territorialstaat der bayerischen Herzöge und späteren Kurfürsten, die nun auch die Vogteirechte besitzen.
Der Besitz des Klosters ist schon zur Gründungszeit gross. Schwerpunkte liegen um Rott und im Bayerischen Wald, hier um die Herrschaft Kötzting. Auch am Pillersee im Tirol und bei Bozen im Südtirol hat das Kloster grösseren Grundbesitz.

  Lage
In Tafel 18 der Landtafeln des Philipp Apian von 1568 liegt Rott (hier «Rot») erhöht über dem westlichen Steilufer des zwischen Rosenheim und Wasserburg noch frei fliessenden Inns. Der Klostername kommt vom Flüsschen Rott, das südlich des Klosters beim klostereigenen Wallfahrtsort Feldkirchen in den Inn mündet. Kurz vor Wasserburg liegt das nur eineinhalb Wegstunden entfernte Nachbarkloster Attel am Steilufer über dem Inn. Attel ist eine ebenfalls im späten 11. Jahrhundert gegründete Benediktinerabtei. Im Gegensatz zum Kloster Rott, das in geschützter Entfernung vom Inn liegt, ist das Steilufer von Attel bei Hochwassern der Erosion ausgesetzt. Der Inn wird wegen diesen Hochwassern von den beiden Benediktinerabteien eher als andauernde Bedrohung und nicht als wichtiger Verkehrsweg betrachtet, den er für den Wassertransport ab Hall im Tirol ist. Gleichzeitig bildet der Fluss die Grenze zwischen dem Bistum Freising und dem Bistum Salzburg. Beide Klöster liegen im Bistum Freising, hingegen ist das am rechten Innufer bei Wasserburg gelegene Dominikanerinnenkloster Altenhohenau bis 1803 dem Bistum Salzburg zugehörig.
  Die Innlandschaft zwischen Rosenheim und Wasserburg mit der Abtei Rott (Rot) in der Mitte. Ausschnitt aus der Tafel 18 (1568) der «Bairischen Landtafeln» von Philipp Apian .
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek.

Das Kloster bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
Trotz vieler Urkunden ist von der Geschichte des hoch- und spätmittelalterlichen Klosters Rott wenig bekannt. Der Konvent zählt im 13. und 14. Jahrhundert kaum je mehr als zwölf Mitglieder. Schon zu dieser Zeit sind im Tiroler Priorat St. Ulrich am Pillersee immer zwei Konventualen als Prior und Kooperator tätig. Im frühen 12. Jahrhundert folgt Rott dem Beispiel Attels und wendet sich der Hirsauer Reform zu. Die zweite Klosterkirche zur Zeit des Abtes Lothar, der 1151 erstmals erwähnt ist, zeigt jedenfalls die Merkmale der Hirsauer Schule. Abt Heinrich Kolb und seinen Nachfolgern werden 1390 vom Papst die Pontifikalien verliehen. Einem im 15. Jahrhundert beginnenden wirtschaftlichen und innerklösterlichen Verfall begegnet der 1447–1459 regierende Abt Heinrich Varcher mit der Einführung der Melker Reform. Gegen Ende des Jahrhunderts hat sich die Abtei erholt und geht gefestigt in die Jahre der Reformation. 1560 verzeichnet die Konventliste 20 Mitglieder, davon fünf in den Herrschaften Pillersee und Kötzting. Nach den überstandenen Reformationswirren führt eine ökonomisch unkluge Führung von fünf Äbten ab 1575 zu einem erneuten Niedergang, der erst 1615 mit der Absetzung des regierenden Abtes durch Fürstbischof und Herzog endet. Der nun postulierte Abt Johannes Agricola (Bauer), ein Konventuale von Scheyern, regiert 1615–1639. Er kann das Kloster noch vor dem Übergreifen des Dreissigjährigen Krieges in die oberbayerische Region wieder erneuern, was sich nebst weiteren Baumassnahmen in der frühbarocken Renovierung der Stiftskirche ab 1624 zeigt. Er beteiligt sich 1618 an der Gründung der Salzburger Universität.[4] 1634 muss er sich mit einigen Konventualen in St. Ulrich am Pillersee in Sicherheit bringen. Das Kloster bleibt aber bis zum Tod des Abtes 1639 von Zerstörungen verschont. In diesem Jahr zählt das Kloster 23 Konventualen. Zwar flüchtet der Konvent 1648 nochmals nach St. Ulrich, auch tauchen nun erstmals Meldungen von Plünderungen auf,[5] aber trotz des Dreissigjährigen Krieges setzt sich der wirtschaftliche Aufschwung unter Abt Simon Hermann, der nur kurz regiert, und dem 1641 gewählten und Abt Roman Stöger[6] fort. Während der langen Friedenszeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts führen seine beiden Nachfolger Christoph Widmann[7] und Rupert Lex[8] die begonnene Aufbauarbeit in Herrschaft und Kloster fort. Hauptverdienst von Abt Rupert Lex ist der Eintritt von Rott in die erst 1684 gegründete Bayerische Benediktinerkongregation, deren Gründungsmitglied er ist.[9] Am Ende seiner Regierung zählt die Abtei Rott 31 Konventmitglieder, davon sechs auf den Aussenstationen in St. Ulrich am Pillersee, Kötzting und Fieberbrunn.

Michael Wening veröffentlicht den Stich mit der Vogelschau-Ansicht des Klosters Rott aus Südwesten in der ersten Ausgabe (1701) der «Historico-Topographica Descriptio», Rentamt München. Das Kloster ist im Bestand des 17. Jahrhunderts dargestellt. Alle Konventgebäude sind zweigeschossig. Die Vorgängerkirche hat basilikale Bauform ohne Querschiff. Nach dem Kirchenneubau sind 1763 nur die beiden Chorflankentürmen mit den Spitzhelmen erhalten. Alle anderen Gebäude sind zu diesem Zeitpunkt ebenfalls abgebrochen. Nur die Lage der von Johann Michael Fischer gebauten neuen Kirche und des westlichen und östlichen Konventflügels bleibt unverändert. Im Vordergrund ist die 1763 abgebrochene Pfarrkirche (heute Friedhof) zu sehen. Zwischen ihr und der Klosterkirche liegt die gleichzeitig abgebrochene zweigeschossige Marienkapelle. Oben links das Wappen der Abtei und des 1681–1698 regierenden Abtes Rupert Lex (von zwei Sternen begleitete drei Ähren auf Dreiberg). Wening hat das Kloster also noch im 17. Jahrhundert gezeichnet. Bildquelle: ETH-Bibliothek Zürich.

Rott im 18. Jahrhundert
Von 1698 bis 1726 ist Aemilian Oetlinger Abt.[10] Er ist der erste der beiden grossen Bauäbte der späten Barockzeit in Rott. Der Spanische Erbfolgekrieg, der für Bayern die zehnjährige, bis 1715 andauernde österreichische Administration zur Folge hat, bringt auch für Rott grössere finanzielle Lasten. Die Herrschaft Pillersee wird schon 1703 durch bayerische Truppen verwüstet. 1718 kann Abt Aemilian aber dank guter Finanzlage mit dem grossen Klosterneubau beginnen. Er beauftragt, offenbar nach einem Projekt von Fr. Philipp Plank,[11] den Grafinger Baumeister Thomas Mayr.[12] Fresken und Stuckaturen im ehemaligen Speisesaal (1937 zerstört) sind zudem als Werke von Johann Baptist Zimmermann[13] erkannt worden, dessen Werktrupp offenbar um 1720 in Rott tätig ist. Mit Ausnahme der doppeltürmigen Klosterkirche fallen den Klosterneubauten alle bei Wening (1701) dargestellten Konvent- und Ökonomiebauten zum Opfer. Die südlich parallel stehende Pfarrkirche bleibt ebenfalls erhalten.[14] Die nun dreigeschossigen drei Konventflügel liegen wie bisher im Norden der Kirche. Neu ist vor der 80 Meter langen Klosterwestfront eine symmetrische Dreihofanlage geplant. Sie wird nie vollständig verwirklicht. Als der Bauprälat Aemilian 1726 stirbt, ist vielleicht erst der Nordflügel dieser Höfe mit dem westlichen Maierhof gebaut. Die Baukosten betragen 28 236 Gulden. Trotz ähnlich hohen Ausgaben für Erwerb von Rechten und Grundbesitz hinterlässt der Abt dem Nachfolger keine Schulden. Dieser, Abt Korbinian Gräz,[15] wird als Vollender des Klosterneubaus dargestellt, obwohl völlig unklar ist, wie viele der geplanten Bauten noch immer fehlen. Er hätte vielleicht auch den Kirchenumbau begonnen, wenn ihn nicht ein erneut ausgebrochener Krieg daran gehindert hätte.[16] Der Krieg, in dem der Abt 1742 für Lösegeldforderungen sogar nach Wasserburg verschleppt wird, kostet die Abtei allein an Kontributionen 40 000 Gulden. Als 1757 Benedikt Lutz von Lutzenkirchen[17] zum Nachfolger gewählt wird, sind noch immer 10 000 Gulden Schulden (bei 35 950 Gulden Guthaben), aber nur 1200 Gulden Barbestand vorhanden. Für die Erneuerung der Klosterkirche herrscht zwischen dem neuen Abt und dem Konvent trotz der prekären Finanzlage Konsens. Nachdem 1758 Modelle und Kostenaufstellung für einen Umbau vorliegen, zieht der Abt noch im gleichen Jahr den Münchner Baumeister Johann Michael Fischer[18] bei, der einen Neubau empfiehlt. Im Gegensatz zum Klosterneubau ist die Planungs- und Baugeschichte des 1759 beschlossenen Neubaus der Klosterkirche ausführlich dokumentiert und unten im Kapitel «Klosterkirche» beschrieben.[19] Die Kirche, ein Höhepunkt barocker Baukunst, kann 1763 geweiht werden. Mit der Wahl des Baumeisters Fischer und der besten Künstler für die Innenausstattung zeigt der Abt grosses Kunstverständnis. Gleichzeitig führt er die Abtei in eine hohe Verschuldung. 1772 betragen die Schulden 115 736 Gulden. Die Abtei Oberalteich als Hauptgläubiger setzt jetzt eigene Konventualen als Administratoren in Rott ein. Der am Debakel mitschuldige Konvent drängt auf Absetzung des Abtes. Dieser reicht 1775 die Resignation ein, die vom päpstlichen Nuntius 1776 genehmigt wird. 1777 stirbt der umstrittene Abt. Seinem Nachfolger Gregor Mack,[20] der bis 1801 regiert, gelingt der weitgehende Schuldenabbau. Der auch wissenschaftlich interessierte Abt kann zudem noch die Ausstattungen der Kirche vervollständigen und lässt 1786 die 21 Meter hohe Sternwarte über dem westlichen Hofabschluss bauen. Der letzte Abt Aemilian II. Müller kann kaum zwei Jahre wirken. 1803 werden die Abtei Rott am Inn und ihre Herrschaften vom bayerischen Staat in Besitz genommen. Abt und 34 Konventualen (davon sieben in Kötzting und sechs in Pillersee) verlassen das Kloster oder nehmen Pfarr- oder Lehrstellen an ihrem bisherigen Wirkungsort an.

 

Säkularisation und Gebäudeschicksale

Die Liquidation 1803
Die Vermögensverhältnisse der Abtei 1802 strafen diejenigen Autoren Lügen, welche noch heute eine bleibende Verschuldung von Rott aufgrund des Kirchenneubaus behaupten. Der Gesamtbesitz wird von den kurfürstlichen Schätzungskommissären mit 318 134 Gulden berechnet. Dem Kapitalbesitz aus Obligationen und Barbeständen von 63 300 Gulden stehen Verbindlichkeiten von 35 000 Gulden gegenüber. Rott weist damit einen Kapitalaktivsaldo von rund 30 000 Gulden aus.
Die Liquidation von Rott am Inn unterscheidet sich wenig von anderen bayerischen Klöstern. Alle den Funktionären wertvoll erscheinenden Einrichtungen, Sammlungen und Instrumente (auch die Sternwarte), die literarischen Seltenheiten der Bibliothek (der Rest wird im Klosterhof verbrannt) und sicher auch die wertvolleren Teile des Archivs werden sofort nach München transportiert, wo sie immerhin noch erhalten sind.
Der grosse Landwirtschafts- und Grundbesitz geht an den Staat. Das Priorat am Pillersee und die Weinberge im Südtirol kommen, mit einem Unterbruch 1806–1814 wegen der bayerischen Besetzung, in österreichischen Besitz. Der Vieh- und Gebäudebestand wird ab 1803 versteigert. Als ein verschwundener «ehemaliger Kloster Realitäten-Besitzer» 1812 vom Staat gebeten wird, sich zu melden,[21] sind am grossen Klosterhof schon der Südflügel mit der Sternwarte und der Ostflügel mit dem Marstall abgebrochen. Noch stehen aber die Konventflügel [C] [D]. Wann diese Flügel abgebrochen werden, scheint offenbar nicht von Interesse, denn ihr Abbruch ist nicht dokumentiert.

«Kaiserbräu»
1850 erwirbt Braumeister Georg Kaiser die noch stehenden «Klosterrealitäten». Er nutzt für die neue Brauerei den Konvent-Südflügel [Gastflügel E], den Nordflügel [E] des Klosterhofs und stockt den vorherigen Pfisterei- und Brauereiflügel [F] [G] auf vier Geschosse auf. Südlich anschliessend, vor der Kirche, setzt er ein neues, tiefes und zweigeschossiges Gebäude. 1928 übernimmt Max Zwicknagl, Schwiegervater von Franz Josef Strauss, die Brauerei. Die Gebäude fallen 1937 einer Brandstiftung, vermutlich durch NS-Sympathisanten, zum Opfer. Die Brauereibauten fallen 1937 einer Brandstiftung, vermutlich durch NS-Sympathisanten, zum Opfer. Nur der ehemalige Gästeflügel [E1] überlebt die anschliessenden Abbrüche. Hier wird der Brauereibetrieb bis 1975 fortgeführt. Dieser Flügel [E1] erfährt 1987/88 einen Totalumbau zum Rathaus. Im zweiten Obergeschoss sollen noch Freskenreste der ehemals reichen Speise- und Festsaalausstattung vorhanden sein. Wie mit dem Kulturgut umgegangen wird, zeigt eine Photographie von 1905, in der im Saal unter Stuckaturen und Fresken von Johann Baptist Zimmermann die Bierfässer lagern.[22] An die Brauereiperiode erinnert noch heute das Haus von 19,5 x 39 Meter Grundfläche vor der Kirchenfassade[23] und die Bezeichnung des ehemaligen Klosterareals als Kaiserhof. Vom ehemals stolzen Kloster stehen noch die Kirche, der nördliche ehemalige Gästeflügel (heute Rathaus Kaiserplatz 3) und der südliche ehemalige Prälaturflügel [A]. Auch dieser Flügel (Kaiserplatz 1), der erst 1763 begonnen wird, ist nur als Gebäudehülle erhalten.[24] Wer heute in Rott am Inn eine ehemalige Klosteranlage erwartet, findet nur noch die Kirche und eine innen völlig umgebauten ehemaligen Kloster-Westfront vor. Kein Wunder, dass unter Rott am Inn deshalb ausschliesslich die ehemalige Abteikirche verstanden wird.

    1: Der Festsaal im 2. Obergeschoss des Westflügels (heute Rathaus) mit den reichen Régence-Stuckaturen und den Fresken von Johann Baptist Zimmermann in einer Fotografie um 1900, in seiner damaligen Funktion als Fasslager einer Brauerei. Stuck und Fresken sind inzwischen zerstört.
Bildquelle: Baugeschichte Blumentritt 1905.

2: An die Brauereiperiode des 19./20. Jahrhundert erinnert das grosse Gebäude vor der Kirchenfassade.
Dieses Haus (Marktplatz 2) liegt in der Flucht des geplanten, aber nie verwirklichten Querflügels in Fortsetzung des Pfisterei- und Brauereiflügels (im Lageplan G und F), von dem im Vordergrund ein Erdgeschoss-Rest der Ostmauer zu sehen ist.
Foto: Bieri 2023.
1   2  

Die ehemalige Klosterkirche nach 1803
Die ehemalige Abteikirche ist seit 1803 Pfarrkirche mit Baupflicht durch den Staat. Sie ist seit 1763 Kloster- und Pfarrkirche, nachdem das Patrozinium der alten Pfarrkirche St. Peter und Paul demjenigen der Klosterkirche zugefügt wird. Die alte Pfarrkirche wird noch 1763 abgebrochen.[25] Widersprüchlich wie diesen Kirchenabriss behandeln Historiker auch das Schicksal der nach 1763 unverändert belassenen mittelalterlichen Chortürme. Sicher ist nur, dass sie spätestens nach einem Blitzschlag 1827 ungleich hoch sind und die heutigen ungleichen Helme tragen, der niedere Nordturm ein flaches Pyramidendach, der erhöhte Südturm eine welsche Haube.[26]
Schon 1867 erfolgt eine erste «Grossrestauration» der nunmehrigen Pfarrkirche. 1962/63 wird die Kirche nochmals in die Kur genommen. Die letzte umfassende Gesamtrestaurierung erfolgt 1999–2002. Sie erreicht das Ziel, den Innenraum dem Gesamteindruck von 1763 näher zu bringen, hervorragend. Dabei werden der Scholastika- und der Annaaltar wieder an ihren ursprünglichen Ort in den östlichen Diagonalnischen versetzt.[27] Bei dieser letzten Restaurierung erhalten auch die Fassaden ein neues, auf Befunden beruhendes Farbkleid.

 

 

Der Kirchenneubau

Planungs- und Baugeschichte 1758–1765

Planung[28]
Planungen 1757–1759
1718 beginnt der erste grosse Bauabt Aemilian Oetlinger den Klosterneubau, der im Ökonomiebereich um 1750 noch immer nicht vollständig fertiggestellt ist. Zu diesem grossen Bauunterfangen siehe die Ausführungen unter «Rott im 18. Jahrhundert». Die Erneuerung der noch bestehenden basilikalen Klosterkirche ist sicher mitgeplant, kann aber wegen des Krieges 1741–1745 mit seinen grossen Kostenbelastungen durch Kontributionen nicht weiterverfolgt werden. Als 1757 Benedikt Lutz von Lutzenkirchen zum neuen Abt gewählt wird, herrscht im Konvent Einigkeit mit dem neuen Abt, dass nun auch die Klosterkirche eine Erneuerung verdient hätte. Für ein erstes Projekt zieht der Abt 1758 die Wessobrunner Franz Xaver Feichtmayr[29] und Jakob Rauch[30] bei. Sie werden in Rott «gypsarius simul et architectis», also Stuckateure und Baumeister genannt. Die beiden liefern Planung und Modelle für den Umbau der schon in den 1620er-Jahren frühbarock veränderten Kirche. Obwohl das Umbauprojekt Anklang findet, holt der Abt noch eine Zweitmeinung ein und sucht Baumeister Johann Michael Fischer in München auf, der noch im Herbst 1758 die Kirche inspiziert und diese im Gegensatz zu Feichtmayr und Rauch als nicht mehr umbauwürdig taxiert. Schon am 10. Januar 1759 reichen Abt und Prior beim Kurfürstlich-Geistlichen Rat ein Gesuch für einen als dringend notwendig geschilderten Dach- und Gewölbeneubau ein, nachdem sie Fischer und seinem Palier Melchior Streicher[31] den Auftrag für einen vollständigen Neubau bereits zugesagt haben. Die notwendige Täuschung gelingt, denn schon am 17. Januar erteilt der Geistliche Rat die Zusage.[32] Am 5. März 1759 beginnen die Abbrucharbeiten unter Aufsicht des Paliers Streicher. Inzwischen werden die Gottesdienste in der Pfarrkirche St. Peter und Paul südlich der Klosterkirche abgehalten. Erst sieben Wochen später, am 26. April 1759, bringt Fischer Modell und Pläne nach Rott und offeriert den Neubau für 13 000 Gulden. Der Akkord wird am 2. Juni unterzeichnet.[33]

Planung der Ökonomiehof-Fertigstellung durch Johann Michael Fischer?
An der Klosteranlage wird seit 1717 gebaut. Zum Zeitpunkt des Kirchenneubaus ist sie im Südteil des Ökonomie- und Kirchenvorhofes noch immer unvollendet. Der Neubau des an die Kirchenfassade anschliessenden Abteiflügels ist erst nach dem Abbruch der alten Pfarrkirche St. Peter und Paul möglich. Im Akkordvertrag ist dieser Kirchenabbruch noch enthalten, nicht aber der Neubau der «Neuen Abtei». Mit ihr wird durch den Fischer-Palier Melchior Streicher nach dem Abbruch der Pfarrkirche im Frühjahr 1763 begonnen. Er beendet den Rohbau noch im gleichen Jahr.[34] Mit diesem Bau ist die Kirchenfassade in eine mit drei Fensterachsen nur wenig verlängerte Westfront eingebunden. Denn in sehr kurzem Abstand ist der neue Abteiflügel übereck mit dem dreigeschossigen südlichen Eingangsflügel des Ökonomie- und Klosterhofes verbunden. Die heutige Erscheinung des ehemaligen Abteiflügels mit sieben Fensterachsen oder 28,6 Meter Länge vermittelt ein falsches Bild. Vor 1803 sind von ihm  hofseitig nur ein Drittel oder zwei Fensterachsen sichtbar. Ob dies einer Planung Fischers entspricht oder ob 1764 die barocke und wahrscheinlich streng symmetrische Drei-Höfe-Planung von 1717 weitergeführt wird, kann heute wegen der prekären Quellenlage nicht mehr beantwortet werden.[35]

Die Bauausführung 1759–1763
Fischers Bautrupp beginnt den Neubau nach dem Teilabbruch der alten Klosterkirche im April 1759. Noch im gleichen Jahr ist der östliche Altarraum mit Psallierchor und Sakristei unter Dach. Im August 1760 beendet Zimmermeister Johann Prandstetter[36] mit dem Setzen der Richttanne über dem Oktogon den Grossteil der Dachstuhlarbeiten. Noch im Herbst kann die grosse Mittelkuppel geschlossen werden. Im August 1761 ist, nach dem Bau des letzten Gebäudeteils mit der Empore, die Kirche vollständig gedeckt. Baumeister Fischer kann nach dieser fast vertragsgemässen Fertigstellung im Dezember 1763 die letzte Abschlagszahlung in Empfang nehmen. In diesem Jahr beenden auch Stuckateur Jakob Rauch und Freskant Matthäus Günther[37] die Arbeiten im Innenraum. Rauch arbeitet seit 1760, Günther seit 1761 in Rott.[38]
Früh schliesst der Abt auch die Verträge mit den Altarbauern und Bildhauern. Es sind Ignaz Günther[39] aus München und Joseph Götsch[40] aus Aibling, die er schon 1759 beauftragt. Ignaz Günther ist Entwerfer dreier Altäre und führt bis 1762 die Bildhauerarbeiten des Hochaltars mit den freistehenden Assistenzfiguren aus. Anschliessend stellt er auch die westlichen Seitenaltäre fertig. Die beiden grossen Querachsenaltäre und die sechs Diagonalnischen-Altäre im oktogonalen Mittelraum sind Werke von Joseph Götsch, der die Altäre ebenfalls bis 1763 vollendet. Er fertigt auch die Kanzel, die Beichtstühle und die Wangen der Kirchenbänke. Die Schreinerarbeit aller Altäre leistet Korbinian Badhauser aus Rott,[41] der den Hochaltar schon 1760 aufstellen kann. An den Fassungen der Altäre arbeiten 1762 und 1763 fünf Fassmaler.[42]
Am 23. Oktober 1763 findet die Einweihung der fertiggestellten Kirche statt. Sie ist nun auch Pfarrkirche. Nach 1765 brechen alle Baunachrichten ab. So kennt man weder den Orgelbauer noch die Disposition der Emporenorgel, die erst unter Abt Gregor Mack nach 1776 gebaut wird. Zur gleichen Zeit setzt der einheimische «Laubschnitzer» Franz Offner[43] die Holzgitter der umlaufenden Emporen.

Die Architektur der Kirche

Klarheit und Ebenmass
Die Kirche von Rott ist ein Beispiel ausgewogener symmetrischer Regularität. Der Innenraum ist von klassischer Klarheit. Wie bei vielen seiner grossen Kirchenbauten muss Fischer bei der Raumdisposition die Masse der Vorgängerkirche berücksichtigen. Ihre beiden Chorflankentürme müssen belassen werden. Die nördlich angebauten barocken Konventflügel bestimmen die Breite. Auch die Westfront ist an die alte Stelle gebunden, vorgegeben durch die barocke Planung mit dem längsrechteckigen Vorhof, von dem die Brauerei im Abstand von 27 Meter bereits gebaut ist. Fischer, der mit solchen Einschränkungen immer souverän umgeht, nutzt die freie Mitte zwischen den beiden nördlichen Konventflügeln für den Bau eines grossen Oktogons und kann so anstelle der längsbetonten alten Basilika einen Zentralbau verwirklichen. Zwischen die beiden Osttürme legt er, wahrscheinlich an alter Stelle, die vom Hauptraum abgetrennte Sakristei mit dem Psallierchor im Obergeschoss. Den Westabschluss bildet in absoluter Symmetrie die Vorhalle mit der Empore. Damit reduziert Fischer den erlebbaren Innenraum auf 36 Meter Länge. Das Arkaden-Oktogon mit der Hängekuppel von 14,8 Meter Durchmesser ist damit beherrschender zentraler Bauteil. Ihre Querschiffbreite entspricht der Kuppelhöhe von 18,10 Meter. Diesem Zentralraum fügt Fischer in der Kirchenlängsachse zwei weitere, identisch gestaltete quadratische Kuppelräume an. Das Quadrat ist auch im doppelt so grossen Oktogon mit orthogonalen Pfeilerstellungen präsent.
Die geometrische Klarheit und die Betonung des Zentralbaugedankens wird durch die umlaufenden Emporen der oberen Ebene betont, wie der Blick auf den Grundriss des Emporengeschosses zeigt. Gleichzeitig belegen sie die Gebrauchsfähigkeit oder Zweckmässigkeit der Planung. Die untere Ebene dient der Liturgie und der Gemeinde, die obere Ebene ausschliesslich dem Kloster. Von den beiden Konventflügeln im Norden und aus dem Abteistock im Süden ist der gesamte Kirchenraum in einem Ringsystem zugänglich, das gleichzeitig eine Verbindung der Prälatur im südlichen Abteistock zu den nördlichen Konventflügeln ermöglicht.
Grosse Bedeutung wendet Fischer auch der Funktion des Lichtes zu. Die grossen Fenster über und unter den Emporen, durch diese an der störenden Direktbelichtung gehindert, betonen den klaren Aufbau der drei Haupträume.
Wenn der Architekturtheoretiker Vitruv betont, dass die Bauten so ausgeführt werden müssen, dass dabei der Festigkeit, der Zweckmässigkeit und der Schönheit Rechnung getragen werden, hat Johann Michael Fischer dies in Rott am Inn voll erfüllt.

Die Fassade
Fischer baut die Westfassade erstaunlich zurückhaltend. Ein wichtiger Grund dafür dürfte ihre Lage am äussersten Südrand eines damals langgezogenen Klosterhofs sein. Sie hätte in reicherer Ausführung, wäre der Hof entsprechend der Planung fertiggestellt worden, ihre Wirkung nie entfalten können. Die flache, dreiteilige und mit Lisenen gegliederte Fassade trägt über dem Gebälk einen eingerollten Schweifgiebel. Sie setzt über einer hohen Sockelzone an. Ihr ist eine mittlere Ädikula vorgestellt, die über gekuppelten Pilastern toskanischer Ordnung mit einem Dreiecksgiebel geschlossen ist. Das Ädikulamotiv ist auch im Schweifgiebel mit der Mittelnische präsent. In ihr steht eine Nachbildung des hl. Benedikts, die ursprünglich von Ignaz Günther sein soll, aber viel zu klein wirkt. Im darunterliegenden Frontispizgiebel ist eine Wappenkartusche mit den Wappen des Abtes Benedikt, des Stifters und der Abtei zu sehen.

Raumstuck von Jakob Rauch
Der Stuckateur Jakob Rauch respektiert die Tendenz des Baumeisters zu klassischer Klarheit. Er betont mit seinen Stuckaturen die Architektur. Rott wird zu seinem Hauptwerk. In Rott sind, vielleicht auf Anregung Fischers, die Fresken strikt auf die drei Kuppeln beschränkt. Die im Spätbarock noch übliche Tendenz, die Seitengewölbe und die Pendentif-Zwickel mit Kleinfresken zu bemalen, wird in Rott zugunsten der architektonischen Reinheit umgangen. Anstelle der Fresken übernimmt der Stuckateur diese Felder. Die Arbeiten Rauchs sind deshalb umfangreicher als sonst, was sich auch im hohen Akkord von 3000 Gulden ausdrückt (Günther erstellt die Fresken für 1700 Gulden). Gross ist deshalb auch die Anzahl der thematischen Stuckarbeiten. Trotz dieser Ausdehnung drängen sich die Stuckaturen mit ihrer heute wieder ursprünglichen, sanften Farbfassung nicht auf. Smalteblau herrscht bei den Rocaille-Kartuschen und den Rahmungen vor, die Felder sind manchmal gelblich getönt und die Putti mit einer ockertönigen Stuckmasse geformt. Nur der Stuckrahmen der Kuppelfresken, punktuell auch die Felder der Kapitelle und Apostelleuchter werden mit einer Vergoldung betont. Diese Zurückhaltung ist wohltuend und für den Raumeindruck von entscheidender Bedeutung. Auf den ersten Blick fallen nur die grossen Rokokokartuschen mit ihren darin tummelnden Putti ins Auge. Die Rocaillen greifen teilweise noch in die Kuppelbilder ein. Die begleitenden thematischen Relieffelder, etwa die Erdteilallegorien im Auflager der Oktogonkuppel, können aber leicht übersehen werden.
1905 beschreibt Günther Blumentritt in seiner bisher unerreichten Baugeschichte von Rott am Inn auch die Stuckaturen.
Gehe zum Beschrieb der Stuckaturen von Günther Blumentritt

Kuppelfresken von Matthäus Günther
Matthäus Günther malt 1761 das Fresko der Chorkuppel, 1762 folgt die Mittelkuppel und im Frühjahr 1763 die Westkuppel. Die Ikonographie wird ihm vom Abt vorgegeben.
In die Mittelkuppel malt Günther das barocke Thema eines Heiligenhimmels, der die Glorie des hl. Benediktus zum Thema hat. Kreiskonzentrisch halten sich die Benediktinerheiligen auf Wolken um Maria und den lichten Mittelpunkt mit der Dreifaltigkeit  auf. Dieser «Rotter Himmel» setzt die Tradition der Allerheiligenhimmel des Früh- und Hochbarocks fort, die noch bis zum Ende des Barocks weiterlebt.[44]
Was aber am grossen Kuppelfresko von Rott das spezielle Interesse weckt und in manchen Beiträgen vergessen lässt, dass Günther noch zwei weitere Kuppeln in Inn bemalt hat, ist die Abkunft des «Rotter Himmels» vom Kuppelfresko in Münsterschwarzach. Günther kennt dieses Hauptwerk des berühmten Augsburger Malers Johann Evangelist Holzer aus seinem Arbeitsaufenthalt in Münsterschwarzach.[45] Günther muss die Werke seines Malerkollegen sehr schätzen und kann nach dem Tod von Johann Holzer den Nachlass erwerben. Sein 1761 in Rott am Inn gemaltes grossartiges Kuppelfresko kann als Hommage an Holzer verstanden werden.
Günther übernimmt im Mittelfresko von Rott vor allem das Bildkonzept Holzers, das wir allerdings nur aus zeitgenössischen Beschrieben und von zwei Modelli kennen, weil Münsterschwarzach nach der Säkularisation abgebrochen wird.
Das grosse Kuppelfresko wird 1927 bereits von Adolf Feulner umfassend beschrieben
Gehe zum Textauszug zum Fresko der Mittelkuppel von Adolf Freulner

In die östliche Chorkuppel malt Günther Marter und Glorie des hl. Marinus in erzählender Weise. In der Bildmitte schwebt der Heilige, getragen von Engeln, zum Himmel. Unten ist sein Martyrium, seitlich sind weitere legendäre Begebenheiten zu sehen.
Ähnlich ist der Bildaufbau in der Westkuppel. Im Zentrum schwebt auch hier der hl. Anianus dem Himmel entgegen. Drei Personifikationen der göttlichen Tugenden führen und begleiten ihn. Der soeben selig entschlafene Heilige sitzt vor seiner Einsiedlerzelle. Engel mit einer Blumengirlande rahmen die Szene kreisförmig.

 

Ausstattung

Der Hochaltar und die beiden ersten Seitenaltäre des westlichen Kuppelraums sind nach Entwürfen von Ignaz Günthers gefertigt, auch die bildhauerische Ausführung stammt von ihm. Der Aiblinger Bildhauer Joseph Götsch fertigt die acht Altäre des Oktogons. Die architektonische Nähe der beiden grossen Querachsenaltäre zur Hochaltararchitektur, verbunden mit der hohen Qualität der Bildhauerarbeiten von Joseph Götsch, lassen Kunsthistoriker noch heute einen Einfluss von Ignaz Günther auf diese Werke vermuten. Es ist dies aber die übliche Bevorzugung grosser Namen in der Kunstgeschichte. Wie im bayerischen Rokoko üblich, sind alle Altäre Schreiner- und Bildhauerarbeiten in Holz, für deren Oberflächentextur Fassmaler sorgen. Die einheitlich wirkende Altarausstattung in Rott, vor allem aber die meisterhafte bildhauerische Arbeit der Stand- und Altarfiguren Günthers werden mit Recht als Höhepunkte der Bildhauerkunst des Rokoko in Bayern beschrieben.

Hochaltar von Ignaz Günther
Baumeister Fischer baut in die Abschlusswand des östlichen Kuppelraums (Altarraum, Chor) eine Rundbogennische für den Hochaltar. Ignaz Günther füllt diese Nische beidseits des Altarblattes mit leicht vorstehenden Säulen und mit zwei abschliessenden Pilastern. Ein weiteres Säulenpaar steht zum Raum geöffnet vor der Nische. Das Hochaltar-Retabel füllt damit optisch den Chorabschluss in ganzer Breite und Höhe. Wie der spätbarocke Altar von Diessen, der offenbar Vorbild ist, ist auch das Retabel von Rott am Inn eine Säulenädikula mit einem reichplastischen Oberstück der Dreifaltigkeit, welche zum darunterliegenden Altarblatt mit den in den Himmel aufsteigenden beiden Kirchenpatronen in Bezug stehen. Das Altarblatt ist vom Augsburger Maler Joseph Hartmann[46] 1761 signiert. Zwischen dem inneren und äusseren Säulenpaar stehen die polierweiss gefassten, überlebensgrossen Stauen der hll. Bischöfe Korbinian und Ulrich (oder Benno[47] . Seitlich des Altars stehen frei auf Sockeln die fälschlicherweise als Stifterfiguren bezeichneten Statuen des Kaisers Heinrich II. (mit dem goldenen Modell des Bamberger Doms in den Händen) und der Kaiserin Kunigunde. «Die sensible Verfeinerung des Rokoko erreicht in diesen Stifterfiguren den Endpunkt» schreibt Adolf Feulner 1927.
Zur Kaiserin schreibt er:
«Die Kaiserin Kunigunde ist dargestellt in einer momentanen Aktion, wie sie eben die Feuerprobe besteht. Zum Gottesurteil hat sie reichen, königlichen Schmuck angetan; das Krönlein und vergoldete Perlenketten zieren das hoheitsvolle Haupt, ein elegantes Mieder umschliesst die Brust, reich bestickte Gewänder umfliessen die graziöse Gestalt. Mit zierlicher Gebärde rafft die heilige Dame den faltigen Mantel an der Hüfte auf, die rechte Hand vorgestreckt, die kokett mit den Fingerspitzen das Zepter hält; würdevoll und zugleich fraulich zart tritt sie auf die glühende Pflugschar. Mit unsäglicher Vornehmheit gleitet sie ruhig dahin, wie schwebend, mit zurückweichendem Oberkörper und gezierter Wendung des Kopfes, der Mund in leichter Erregung halb geöffnet, die grossen Augen fast geschlossen, dass die schräge Öffnung der schweren Lider träumerischen Schatten gibt, der lange Hals umrahmt von Locken, die sich auf die Schulter ringeln. Kostüm, Haltung und Ausdruck pretiös und in der gesuchten Eleganz eben Rokoko. Es ist überflüssig, da nach den Mitteln der plastischen Organisation zu forschen, wo die ganze Figur Ausdruck ist».


Altäre von Joseph Götsch im oktogonalen Zentralraum
Seit 2003 sind im Oktogon wieder alle sechs Altäre am ursprünglichen Ort aufgestellt. Ihre Bildhauerarbeiten sind zum grossen Teil Werke des Aiblinger Bildhauers Joseph Götsch. Seine Querachsenaltäre mit der Kanzel sind wertvolle und grosse Leistungen der Bildhauerkunst des Rokoko. Zu Unrecht finden die Werke von Joseph Götsch, im Gegensatz zu denjenigen von Ignaz Günther, wenig Aufmerksamkeit.

Querachsenaltäre
In der Querachse steht nördlich der Petrusaltar und südlich der Rosenkranzaltar. Beide Altäre sind dominierende, nach aussen öffnende Säulenretabel mit einem dem Hochaltar ähnlichen Aufbau. Von ihm unterscheiden sie sich vor allem im Oberstück. Hier tragen kräftige, hochbarock anmutende und blumenbesetze Volutenspangen einen Reif mit aufgesetzter Strahlenglorie. Die Figuralplastik von Joseph Götsch ist wie am Hochaltar polierweiss gefasst und ebenfalls durchgehend hochstehende Rokoko-Bildhauerarbeit.

Diagonalaltäre im oktogonalen Zentralraum
Die Retabel der vier Nebenaltäre in den Diagonalnischen verzichten auf jeden architektonischen Aufbau. Sie sind Rokoko-Rahmungen der Altarblätter (H: 3,30 m; B: 2,00 m), belebt durch jeweils zwei Assistenzfiguren auf der erhöhten Sockelzone hinter der Mensa. Im Unterschied zu den grossen Altären ist die Figuralplastik farbig gefasst. Die Arbeiten sind von unterschiedlicher Qualität. Sehr schwach sind die Altarblätter von Heinrich Karth.[48]
Achtung: Die Assistenzfiguren und Predella-Bilder und Figuren sind teilweise vertauscht und entsprechen nicht mehr den älteren Kirchenführern.


Seitenaltäre von Ignaz Günther
Seit 2003 befinden sich der Leonhard- und Franz-Xaver-Altar von Ignaz Günther wieder an der überlieferten Stelle im westlichen Kuppelraum. Ihre Assistenzfiguren sind offenbar schon früh verwechselt worden, denn zum Bauernheiligen Leonhard gehören eher die beiden in ländlicher Tracht gehaltenen Notburga und Isidor, zum Missionar Franz Xaver die Statuen von Papst und Kardinal. Die beiden Blätter stammen vom Rosenheimer Maler Joseph Anton Höttinger.[49] Zu diesen Altären hat Adolf Feulner 1927 eine erfrischende Wertung geschrieben.
Gehe zum Textauszug von Adolf Freulner


Altäre der Vorhalle
Die Altäre beidseits der Eingangs- oder Vorhalle werden erst während der Regierungszeit des Abtes Gregor Mack in den 1780er-Jahren erstellt. Es sind vermutlich Arbeiten von Martin Offner aus Rott.[50] Klassizistisch geprägt sind die Blätter der Kreuzigungsszene des Innsbrucker Malers Liebherr[51] und der büssenden Magdalena von Höttinger.


Kanzel
«Die prächtige Kanzel mit der Volutenbekrönung will mit dem danebenstehenden Altar zusammen gesehen sein. Den Aufsatz zieren die graziösen Figuren der Fama, die wir von der profanen Allegorie her kennen, und schöne Putten, den geschweiften Korpus, die Evangelistensymbole» (Adolf Feulner 1927). Die Fassung ist dem Petrusaltar angeglichen. Wie dort ist die Figuralplastik polierweis gefasst. Die von Freuler erwähnte Fama zeigt auf die Gesetzestafeln, die über den Voluten von Putti gehalten werden.

Beichtstühle, Orgel
Vier Beichtstühle mit Schnitzereien von Joseph Götsch stehen in der Vorhalle. Sie sind ungewöhnlich nieder in der Art einer Chorgestühl-Stalle gebaut. Rocaillen und mit Totenköpfen abwechselnde Putti bilden die Dorsalbekrönungen, die schon Blumentritt 1905 in einer Illustration festgehalten hat.
Die Künstler Götsch und Badhauser erstellen bis 1763 auch die Chororgel, die aber ebenso wie das Chorgestühl nach 1803 verschwindet.
Die Emporenorgel wird erst unter Abt Gregor Mack, der 1776–1801 regiert, erbaut. Über diese Orgel und ihr Schicksal im 19. und 20. Jahrhundert ist wenig bekannt. Ihre Vorgängerin, die Brandenstein-Orgel von 1729 mit 14 Registern, wird vielleicht um 1763 neu aufgestellt. Das heutige Orgelwerk ist ein vollständiger Neubau von 2012. Der Prospekt der Klosterorgel des 18. Jahrhunderts ist aber erhalten. Er ist zweigeteilt. Beidseits des grossen Westfensters ordnet der damalige Orgelbauer einen zweitürmigen und fünfteiligen Halbprospekt an, der zur Seite ansteigt. Eine Volutenspange, geschmückt mit Kartusche und Blumengehänge, verbindet die beiden niederen inneren Felder. Ein vergoldetes Rokoko-Schnitzwerk am Prospekt ist in reicher Ausführung vorhanden. Es verbindet optisch mit dem Brüstungsschnitzwerk von Martin Offner. Grosse Rocaille-Kartuschen mit zusätzlichen Blumengebinden bekrönen die vier Türme. Von einer Abkehr vom Rokoko und Hinwendung zum Klassizismus, wie es das kurfürstliche Mandat von 1770 fordert, ist an diesem Orgelprospekt nichts spürbar.

Klosterwappen
Früh, erstmals auf einem Siegel von 1358, tritt das eigentliche Abteiwappen mit den zwei Kirchtürmen auf. Seit dem 17. Jahrhundert stehen die Türme auf einem Dreiberg. Abt Korbinian ergänzt 1726 das Wappen mit einem Laubbaum zwischen den Türmen. An der Kirchenfassade ist dieses Abteiwappen, das in Blau zwei silberne Kirchtürme über einem grünen Dreiberg und zwischen den Türmen einen grünen Baum zeigt, im unteren Feld des geteilten Schildes ablesbar. Im oberen Teil sind anstelle einer Spaltung die ovalen Schilde von Stifter und Abt eingefügt.
Das Stifterwappen wird erst im 18. Jahrhundert dem Abteiwappen beigestellt. Es soll das Wappen der Grafen von Rott darstellen und ist ursprünglich, so auch auf der Stiftertumba von 1485, ein steigender, herschauender Löwe (in der Heraldik auch gelöwter Leopard genannt, wie etwa das Stammwappen der Grafen von Sayn). Das erst spät in Rott geführte Stifterwappen ist aber vom Schild der Grafen von Wasserburg abgeleitet. In Rott wird daraus ein aufrechter Löwe in einem von Rot zu Silber geteilten Schild mit verwechselten Farben.

Text: Pius Bieri 2023


Literatur

Bezold, Gustav von; Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern, 2. Teil. Seiten 2030–2043. München 1902.
Blumentritt, Günther: Das ehemalige Benediktinerkloster Rott am Inn und seine Stiftskirche, in: Zeitschrift für Bauwesen, Vol. 65, Seiten 2–44, Berlin 1905.
Scheglmann, Alfons Maria: Geschichte der Säkularisation im rechtsrheinischen Bayern. Dritter Band. Zweiter Teil. Seiten 729–740. Regensburg 1908.
Feulner Adolf: Rott am Inn. Deutsche Kunstführer Band 11. Augsburg 1927.
Lieb, Norbert: Barockkirchen zwischen Donau und Alpen. München 1953.
Birkmaier, Willi (Hrsg.): Rott am Inn. Weissenhorn 1983.
Mit Beiträgen zum barocken Kirchenneubau von:
Bernhard Schütz, Hermann Bauer, Robert Stalla, Sixtus Lampl und Gerhard P. Woelkel.            
Mit Beitrag zur Säkularisation von Dietmar Stutzer.
Birkmaier, Willi: «Extract der Unkosten 1781». Aus der Bauzeit der Rotter Kirche, in: Heimat am Inn, Jahrbuch 10. Wasserburg 1990.
Ruf, P. Martin OSB: Professbuch des Benediktinerstifts Rott am Inn. St. Ottilien 1991.
Dischinger, Gabriele und Peter, Franz (Hrsg.): Johann Michael Fischer, Bd. I, Tübingen 1995
Dischinger, Gabriele (Hrsg.): Johann Michael Fischer, Bd. II. Tübingen / Berlin 1997.
Staatliches Hochbauamt Rosenheim (Hrsg.): Ehem. Klosterkirche Rott am Inn. Dokumentation der Restaurierung 1994–2002

Web

The Warburg Institute Iconographic Database
https://iconographic.warburg.sas.ac.uk/
Panoramabetrachtung der Kirche, ideal für die zusammenhängende Betrachtung der Ausstattung.
https://panorama.erzbistum-muenchen.de/PV-Rott/st-marinus-st-anianus-rott-inn.html

Anmerkungen

    [1] Die Stifter-Tumba ist ein Werk des Steinhauers Franz Sickinger aus Burghausen von 1485. Die auf der Deckplatte «stehenden» Stifter sind Kuno I. (†1086) und sein Sohn Kuno II., der 1081 in einer Schlacht als Parteigänger des Königs Heinrich IV. gegen den Gegenkönig Hermann von Salm fällt.
Die dritte Stifterperson ist Elisabeth von Lothringen, Ehefrau von Kuno II. Ihr gilt die östliche Stirnseite der Grabtumba, wo sie zwischen den Wappen Rott und Lothringen kniet.

Links: Deckplatte der Stiftertumba in einer Fotografie von 1860 (!). Bildquelle: Bildersammlung des Historischen Vereins von Oberbayern
Rechts: Die Siftertumba mit der Stirnseite Ost (Elisabeth von Lothringen) aus der Webseite von Tibor Hlozanek.

[2] Urkundenfälschungen in Kloster-Schreibstuben sind im Hochmittelalters üblich. In Rott am Inn betrifft es aber nur das Gründungsjahr. Das Datum wird vom Kloster deshalb gefälscht, weil die beiden Stifter Parteigänger des Salierkaisers Heinrich IV. sind, der 1076 von Papst Gregor VII. mit allen seinen Parteigängern exkommuniziert wird. Dass Rott die Gründung durch kirchlich gebannte Stifter verdankt, wird von den Mönchen mit der gefälschten Gründungsurkunde geschickt negiert.

[3] Die hll. Marinus und Anianus sind legendäre Glaubensboten des 7. Jahrhunderts, die aus Rom kommend am Irschenberg bei Aibling ein Einsiedlerdasein führen. Am Sterbeort des Marinus, Wilparting, entsteht eine Wallfahrt zu den beiden Heiligen. Über die Frage, ob diese nun in Wilparting oder in Rott am Inn begraben sind, wird bis ins 18. Jahrhundert gestritten. 1776 entscheidet das Freisinger Ordinariat zugunsten Wilparting. (Die Wallfahrtskirche Wilparting am Irschenberg liegt sechs Wegstunden südlich von Rott am Inn).

[4] Schon 1626 kann Abt Johannes mit P. Joseph Hagel einen Professor an das akademische Gymnasium der Universität senden. Dieser unterrichtet bis 1630. 1637/38 ist der spätere Abt Roman Stöger Professor der Philosophie an der Universität Salzburg und Fr. Maximilian Bonaventura ist 1639 Professor am akademischen Gymnasium.

[5] Die Meldung, dass sich noch 1649, lange nach Friedensschluss, plündernde Söldner in den Klostermauern aufhalten (Martin Ruf, Professbuch 1990), mag auf zeitgenössischen Quellen basieren. Zwar meldet schon Schönwetter auf Seite 118 in Wening (1701) eine starke Verwüstung durch die Schweden, ohne das Jahr zu nennen, was aber auch nur Plünderung bedeuten kann. Zerstörungen 1648 oder 1649 sind durch keine Quelle belegt.

[6] Roman Stöger oder Steiger (1600–1669) aus Stans oder Georgenberg im Tirol. Er studiert in Ingolstadt und ist nach einer Professur am Rotter Hausstudium von 1637–1639 Professor der Philosophie an der Universität Salzburg. 1641 wird er zum Abt gewählt und resigniert 1661.

[7] Christoph Virgil Widmann (1603–1684) aus München. Studium in Salzburg. Abt von 1661–1681 (Resignation).

[8] Rupert Lex (1638–1698) aus Teisendorf. Studium in Salzburg. Abt 1681–1698.

[9] Die Bayerische Benediktinerkongregation umfasst 18 Abteien in Kurbayern und der Oberpfalz. Vorbilder sind die Schweizerische Kongregation (9 Mitglieder, 1602 gegründet) und die Schwäbische Kongregation (8 Mitglieder, 1603 gegründet). Die Kongregationen fördern mit ihrem Zusammenschluss vor allem den internen Austausch in Bildungs- und Baufragen, übernehmen zum Ärger der Fürstbischöfe und des Landesherrn die Visitationen und führen ein gemeinsames Noviziat und gemeinsame philosophische und theologische Studien («Studium Commune») durch.

[10] Aemilian Oetlinger (1665–1726) aus Wasserburg am Inn. Abt in Rott 1697–1726. Siehe zu ihm die Kurzbiografie in dieser Webseite.

[11] Fr. OFM Philipp Plank (um 1660–1720) aus Kelheim. Er ist als gesuchter Klosterbaumeister 1714–1718 in Weltenburg tätig, wo er die Ausführung der von ihm geplanten Klosteranlage leitet.
Zu ihm siehe: https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/h-r/Plank_Philipp_OFM.html

[12] Thomas Mayr (um 1660/65–1733) aus einer bekannten Baumeisterfamilie in Grafing. Er ist vielbeschäftigter Kloster- und Kirchenbaumeister der Region (Kirchen in Attel 1712/15, Berghofen 1700, Ebrach 1724, Frauenreuth 1702, Grafing 1692, Halfing 1727, Pfaffing 1731, Rettenbach 1716, Schönau 1723, Vogtareuth 1720, Zorneding 1721). Anm.: Im Dehio Bayern IV (2006) wird Thomas Mayr für die obigen Kirchen als Baumeister genannt, nicht aber für den Klosterneubau in Rott. Quelle für Plank und Mayr in Rott: Professbuch 1991, dort nach P. Wolfgang Dullinger (†1731).

[13] Johann Baptist Zimmermann (1680-1758) aus Wessobrunn, Hofstuckateur in München. Siehe zu Zimmermann: https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Zimmermann_Joh_Baptist.html

[14] Bezold / Riehl / Hager schreiben in den «Kunstdenkmale des Regierungsbezirks Oberbayern II» 1902 von einer 1355 südlich der Kirche gebauten doppelgeschossigen Kapelle. Ist mit dieser Kapelle vielleicht das zwischen der Pfarrkirche St. Peter und Paul und der Klosterkirche liegende Sakralbauwerk gemeint? Diese Kapelle fällt sicher dem Kirchenneubau 1760 zum Opfer.

[15] Korbinian Gräz (1686–1757) aus Erding. Gymnasium in München. Studium Commune in Benediktbeuern (Philosophie) und in Weihenstephan (Theologie), juristische Studien in Salzburg. 1715 Professorenstelle am Freisinger Lyzeum und 1717 im Stift Kladrau (Böhmen). Ab 1720 Professor für kanonisches Recht am Studium Commune in Michelfeld. Abt in Rott am Inn 1726–1757.

[16] Der Krieg gegen Österreich wird von Kurfürst Karl Albrecht, Sohn des für die bayerische Unterjochung 1704–1714 verantwortlichen Fürsten, gemeinsam mit den Franzosen im Herbst 1741 eröffnet. Seine Truppen stossen über Oberösterreich nach Böhmen vor. In Prag lässt er sich zum Kaiser krönen. 1742 sind die siegreichen Österreicher wieder in Bayern und besetzen München. Erst mit dem Tod des Kurfürsten und Kaisers Anfang 1745 endet der Krieg. Seinem Sohn bürdet er Schulden von 35 Millionen Gulden auf, mehr als das 8-fache des Staathaushaltes.

[17] Benedikt Luz von Luzenkirchen (1720–1777) aus Kitzbühel, heute «Lutz von Lutzenkirchen» geschrieben. Abt in Rott am Inn 1757–1776. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[18] Johann Michael Fischer (1692–1766) aus Burglengenfeld, Baumeister («Maurermeister») seit 1723 in München, wo er als Palier bis 1723 bei Johann Mayr tätig ist. Fischer hat soeben die Klosterkirche der Benediktiner-Reichsabtei Ottobeuren fertiggestellt. Mehr zu Johann Michael Fischer siehe in der Biografie dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Fischer_Muenchen.html

[19] Die ausführlichen Informationen zum 1763 fertiggestellten Kirchenneubau sind allerdings nur der Tatsache zu verdanken, dass er mit grossen Kostenüberschreitungen endet und der Geistliche Rat in München 1770 alle Rechnungen seit 1758 einfordert. Baurechnungen werden zwar in den Klöstern immer archiviert, die meisten werden aber 1803 von ignoranten Aufhebungskommissäre als Altpapier entsorgt. Die Baugeschichte von Kloster und Kirche vor 1759 und nach 1770 liegt noch immer im Dunkeln.

[20] Gregor Mack (1730–1801) aus Landau an der Isar. Als er 1776 zum Abt gewählt wird, ist er Prior in Kötzting.

[21] «Der ehemalige Besitzer der Kloster-Realitäten zu Rott am Inn, Titl. Karl von Götz, beliebe seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort ehbäldigst anzuzeigen». 13.3. und 1.7.1812 in Münchener Politischen Zeitung.

[22] Drastisch schildert Günther Blumentritt 1902 den Umgang der Brauereibesitzer mit Kulturgut: «Der westliche Flügel blieb zwar bestehen, aber die ehemaligen, zu Aufnahme von Gästen bestimmten Räume, besonders der grosse Saal, erlitten eine beklagenswerte Verwüstung. Die Fussböden wurden entfernt, die reich furnierten und eingelegten Türen und was sonst übrigblieb, wurde mutwillig zerstört oder verfiel. Der grosse Saal musste als Fasshalle dienen, die eine Schmalwand wurde zu dem Zwecke ganz herausgebrochen.» Blumentritt kann auch noch die Deckenfresken von Johann Baptist Zimmermann detailliert beschreiben. Sie sind seit dem Brand von 1937 zerstört.

[23] Die Gebäude-Ostfassade des Hauses (Marktplatz 2) ist identisch mit dem geplanten, aber nie verwirklichten Querflügel in Fortsetzung des Pfisterei- und Brauereiflügels (im Lageplan F und G, die EG-Ostmauer ist erhalten).

[24] Nach Norbert Lieb (1953) wird dieser Flügel erst 1770 gebaut und innen nicht ausgebaut. Dies trifft nicht zu. Gemäss der Raumbeschreibung von P. Paulin Schuster um 1800 ist nur der westlich angebaute Stichflügel (vor 1812 abgebrochen) nicht ausgebaut.

[26] Die bei Wening 1701 dargestellte Kirche ist ein Saalbau mit Frontturm. Sie wird nach Scheglmann (Säkularisation im rechtsrheinischen Bayern 1906) und Mayer (Statistische Beschreibung des Erzbisthums München-Freising 1884) anlässlich der Säkularisation abgebrochen. Dass P. Paulin Schuster die Pfarrkirche im Idealprospekt (1800) und im Plan (1801) «vergisst», irritiert deshalb. Er stellt die Situation aber richtig dar, denn die Pfarrkirche St. Peter und Paul wird schon 1763 abgebrochen. Sie weicht damit dem erst damals begonnenen Abteiflügel.

[26] Norbert Lieb in «Barockkirchen zwischen Donau und Alpen» (1953) nennt für das Jahr 1802: «Der nördliche Turm wird abgetragen» und für 1827: «Südlicher Turm durch Blitzschlag getroffen, abgetragen, dann erhöht und mit neuer Haube geschlossen. Nordturm mit flachem Blechdach gedeckt.» So repetiert es noch der «Dehio» (2006). Der sorgfältige erste Bauforscher des Klosters Rott, Architekt Günther Blumentritt (1859–1941), weiss 1905 hingegen nichts von einem Abtrag des nördlichen Turms noch im letzten Klosterjahr 1802. Nach ihm sind beide Türme 1827 durch die staatliche Bauinspektion Rosenheim umgeformt worden. Offenbar umgeht man mit dem Abtrag des damals noch unzerstörten Nordturms die Auseinandersetzung mit einer Rekonstruktion des Südturms und gleichzeitig kann der staatliche Unterhalt für die Doppeltürme einer Pfarrkirche minimiert werden.

[27] Leonhard- und Franz-Xaver-Altar (Ignaz Günther 1763) sind seither wieder als Seitenaltäre im westlichen Kuppeljoch aufgestellt. Weitere Umstellungen, etwa der Silberbüsten der hll. Anianus und Marinus oder der Ersatz der Statuen der hll. Martin und Gemanus (Benediktus-Altar) durch Engel sind bisher in Kirchenführern nicht aktualisiert. Offensichtlich wird die Wertung von Adolf Feulner (1927), der die Günther-Seitenaltar-Statuen als «Dekorationsstücke ohne Zusammenhang mit der Architektur, die frei auf ihrem Sockel stehen, die ihren Platz auch ebensogut wechseln könnten» beschreibt, allzu wörtlich genommen. .

[28] Ich folge hier dem Aufsatz «Geschichte einer Kirchenplanung» von Gabriele Dischinger in: Johann Michael Fischer, Bd. II. (1997).

[29] Franz Xaver I Feichtmayr (1705–1763) aus Wessobrunn, wohnhaft in Augsburg. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Feichtmayr_Franz_Xaver_I.html. Er ist Mitverfasser des abgelehnten Umbauprojektes der alten Kirche und auch der 1758 eingelieferten Modelle, wird aber in Rott weder für die Stuckaturen noch für den ebenfalls projektierten Hochaltar beigezogen. Nach Beginn der Bauarbeiten in Rott wird nur noch Jakob Rauch erwähnt oder bezahlt. In der Literatur taucht Feichtmayr aber noch immer als Leiter und Entwerfer der Stuckaturarbeiten auf.

[30] Joseph Rauch (1718–nach 1785) aus Unterpeissenberg. Er ist wichtigster Mitarbeiter von Franz Xaver I Feichtmayr. Als dessen Schwiegersohn übernimmt er 1763 die Werkstatt. Rauch ist Altarbauer, ausgezeichneter Zeichner und Grafiker, vor allem aber Figuralplastiker. Schon früh ist er auch als selbständiger Stuckateur tätig, so 1751 in der Clemenskirche von Münster. Er arbeitet 1757/58 in der Benediktinerabtei Seeon, woher wahrscheinlich die Empfehlungen für Rott stammen. Die Projekte für den Kirchenumbau in Rott werden zwar nicht weiterverfolgt, aber 1760 erhält er den Auftrag für die Stuckierung der Klosterkirche Rott. Sie wird sein Hauptwerk. Dazu unten mehr.

[31] Melchior Streicher (1700–1772) aus Au vor München ist seit den 1730er-Jahren Palier bei Fischer. Er leitet in den 1750er-Jahren die Kirchenbauten in Benediktbeuern und Schäftlarn.

[32] Der Geistliche Rat ist zu dieser Zeit unter dem Eindruck der riesigen Staatsverschuldung ein Gremium, das bei Neubaugenehmigungen von Kirchen recht zurückhaltend ist. Zudem müssten aufgrund des kurfürstlichen Mandats vom 5. August 1757 für Neubaugesuche über 500 Gulden Pläne, Kostenvoranschlag, auch die Aktiven und Passiven des Klosters eingereicht werden, und vor allem muss die Zustimmung des Konventes vorhanden sein. Das Gesuch aus Rott für eine Dach- und Gewölbeerneuerung mit drastischen Schilderungen des ruinösen Zustandes der Kirche ist deshalb eine Irreführung, die der Rat durchschauen müsste. Dass er trotzdem schon wenige Tage später die Zusicherung gibt, weist auf gute Beziehungen des Klosters nach München hin und ist vielleicht auch dem guten Ruf des Baumeisters Fischer zu verdanken.

[33] Fischer liefert insgesamt drei Modelle. Im Akkord ist auch der Dachstuhl, die Bedachung und der Aussenputz enthalten. Das Kloster muss demgegenüber alle Baumaterialien bereitstellen.

[34] Die Kosten der «Neuen Abtey» werden ausserhalb der Kirchenrechnung aufgelistet. 1764 betragen sie 644 Gulden. Letzte Rechnungen für Materiallieferungen erfolgen 1765. 

[35] Vielleicht sind der Süd- und Westflügel des südlichen Ökonomiehofs mit dem späteren Observatorium 1764 noch nicht fertig gebaut. Gabriele Dischinger (1997) nimmt aufgrund einer stark laienhaft gezeichneten Titel-Vignette von 1764 an, dass Fischer schon früh auch diesen Teil des Ökonomiehofs als repräsentative Neufassung der Klostersüdflanke plant und dass er zur Freistellung der Kirchenfassade die Achse des Ökonomie-Südflügels nach Süden verschiebt. Der Pferdestall oder Marstall [K] mit dem Eckrisalit und die unteren Geschossen des Flügels [I] hätten dann frühestens in den 1760er-Jahren gebaut werden können. Allerdings sind über den Neubau des Abteiflügels nur für die Jahre 1763/65 Baunachrichten vorhanden und über den Zeitpunkt des Marstallbaus fehlen alle Informationen. Gegen eine Achsverschiebung durch Fischer spricht vor allem, dass die geplante (und nie verwirklichte), völlig symmetrische Dreihofanlage vor der Klosterwestfront mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Konzeptplanung von 1717 ist. Denn, dass der barocke Planer von 1717 nicht alle Höfe im gleichen Raster (hier 7:8) plant, ist ebenso schwer vorstellbar, wie weitere Neubauten von repräsentativen Klosterflügeln nach der finanziellen Katastrophe des Kirchenneubaus. Vergleiche dazu den Lageplan.

[36] Johann Prandstetter (†1776), Zimmermeister in Attel.

[37] Matthäus Günther (1705–1788) aus Peissenberg. Er bewirbt sich 1759 mit einem Modell in Rott am Inn. Gleichzeitig mit den Arbeiten in Rott arbeitet er 1762 auch in Fieberbrunn im Rotter Priorat Pillersee im Tirol. Zu ihm die Biografie in dieser Webseite unter Guenther_Matthaeus.html

[38] Jakob Rauch arbeitet für 3000 Gulden, Matthäus Günther für 1700 Gulden.

[39] (Franz) Ignaz Günther (1725-1775) aus Altmannstein ist seit 1753 in München selbständig tätig, wo er als Geselle bei Johann Baptist Straub von 1742/43 bis 1749/50 arbeitet. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Guenther_Franz_Ignaz.html

[4o] Joseph Götsch (1728–1793) aus Längenfeld im Öztal, Holzbildhauer, seit 1759 mit Werkstatt in Aibling (damals Markt Aibling, heute Bad Aibling). In der Pfarrkirche von Markt Aibling ist er 1759/60 Bildhauer der Ausstattung, auch am Hochaltar (dieser soll ein Entwurf von Ignaz Günther von 1756 sein).

[41] Korbinian Badhauser, dessen Lebensdaten unbekannt sind, ist Kistler und hat die Werkstatt auf dem Gartnergütl in Rott. Er arbeitet 1760–1765 in der Klosterkirche. Seine Arbeiten: Die Schreinerarbeiten an den Altären, in Zusammenarbeit mit den Bildhauern und nach dem Entwurf Günthers, sowie die entsprechenden Schreinerarbeiten an Beichtstühlen, Kanzel, Kirchenstühlen und Chororgel.

[42] Es sind Joseph Hepp aus Haisterkirch, der während der Arbeit am Hochaltar 1762 stirbt; Johann Jakob Feichtmayr (1704–1767) aus Söflingen; Augustin Demmel (1724–1789), Maler in München; Johann Georg Leyerer und ein N. Mitterdorfer, beide in München tätig.

[43] Franz Offner (1729/30–um 1800) stammt wie Abt Benedikt II. aus Kitzbühel. Er ist schon 1761 als Laubwerkschnitzer für die Chororgel erwähnt. Anschliessend nimmt er in Rott Wohnsitz im «Quirin» (siehe Lageplan). Norbert Lieb ((1953) schreibt ihm auch die beiden Vorhallenaltäre um 1787 zu, er dürfte auch das Schnitzwerk der Orgel gefertigt haben.

[44] In Stift- und Domkirchen, und selbst in Wallfahrtskirchen ist die illusionistische, kreisförmige Anordnung von Personengruppen um die Dreifaltigkeit im lichten Zentrum schon im 17. Jahrhundert üblich. Sie ist italienischen Ursprungs. Die illusionistische und kreiskonzentrische Öffnung in den Himmel beginnt im italienischen Manierismus. Frühes Beispiel ist der Gigantensturz des Giulio Romano von 1534 im Palazzo del Te von Mantua. Erste derartige Darstellungen als Allerheiligenhimmel in Kuppeln sind nördlich der Alpen im 17. Jahrhundert bekannt. Im Passauer Dom malt Carpoforo Tencalla 1679 einen kreiskonzentrischen Allerheiligenhimmel. 1681 freskiert Carlo Nuvolone, genannt Panfilo, die Kuppel der Wallfahrtskirche Son Martegn in Savognin (Graubünden). Dann folgt in Tegernsee 1690 mit Georg Asam der erste deutsche Maler. 1696 malt Johann Jakob Stevens von Steinfels einen Zisterzienserhimmel in die Kuppel von Waldsassen. Ein bekanntes derartiges Werk von Cosmas Damian Asam ist die Glorie des hl. Benedikt in Weingarten (1719). 1737 malt Johann Evangelist Holzer die berühmte Kuppel von Münsterschwarzach, die dann von Matthias Günther in Rott am Inn übernommen wird. 1747 folgt die Kuppel von Ettal, ein Werk von Johann Jakob Zeiller. Und noch 1770/75 malt Martin Knoller den berühmten Benediktinerhimmel von Neresheim. Zu den erwähnten Orten siehe die entsprechenden Beiträge in dieser Webseite.

[45] Zu Johann Evangelist Holzer siehe die Biografie in dieser Webseite unter Holzer_Joh_Evangelist.html.
Zu Münsterschwarzach siehe: Muensterschwarzach.html

[46] Joseph Hartmann (1721–1789) aus Tiengen bei Waldshut. Er erwirbt 1741 durch Heirat die Meistergerechtigkeit in Augsburg. Sein Werdegang ist bisher nicht erforscht. Er liefert 1763 auch die Altarblätter des Anna-Altars und des Rosenkranzaltars.

[47] Früher wird aufgrund des Fisch-Attributes die Statue als hl. Bischof Benno von Maissen, des Patrons von Altbayern, bezeichnet. Die Umbenennung um 1980 in den hl. Bischof Ulrich von Augsburg (sein Attribut ist ebenfalls ein Fisch, meist aber mit Buch) wird von Robert Stalla mit einem Ulrichsaltar in der abgebrochenen Marienkapelle und mit einem fehlenden Attribut, dem Schloss im Maul des Fisches bei Benno begründet. Dies mag zutreffen. Weil aber die Kombination des hl. Korbinian von Freising und des hl. Benno als Landespatron an bayerischen Altären Tradition hat, und zudem fehlende Attribute im Rokoko nicht ungewöhnlich sind, ist die Umbenennung in einen Augsburger Bischof zumindest unnötig. Falsch ist sicher die Aussage von Robert Stalla in seiner Argumentation (1983), Rott habe erst 1759 das Patrozinium St. Marinus und St. Anianus angenommen.

[48] Heinrich Karth ist Hofmaler in München. Von ihm ist nichts bekannt.

[49] Joseph Anton Höttinger (1722–1798) aus Schwaz im Tirol, Maler in Rosenheim.

[50] Vermutung von Norbert Lieb (1953). Die Zuschreibung an den beim Kloster wohnhaften Bildhauer und Laubschnitzer ist nachvollziehbar. Sixtus Lampl schreibt sie im «Dehio» 2006 einem Wasserburger Bildhauer zu.

[51] Joseph Thomas Liebherr (1719–1803) aus Imst, Maler in Innsbruck.





Altarblätter von Joseph Hartmann (1721–1789) in der ehemaligen Klosterkirche, 1761–1763

   
1. Hochaltar: Apotheose der beiden Kirchenpatrone Marinus und Anianus. Die beiden heiligen Eremiten schweben, begleitet von einer Engelschar, auf Wolken zur Dreifaltigkeit. Diese sitzt als Figurengruppe von Ignaz Günther über dem Altarblatt im Retabel-Oberstück. Unten im Bild malt Hartmann einen räuberischen und einen kriegerischen Vandalen, dieser wird vom Knochenmann bedrängt.

2. Rosenkranzaltar: Hartmann malt für dieses Altarblatt die Rosenkranzspende von Muttergottes und Kind an den hl. Dominikus und an die hl. Katharina von Siena. Die Rosenkranzspende ist ein beliebtes Thema des Barocks. Diejenige von Rott (B 2,08 m / H 3,70 m) ist in ihrer kompositorischen und malerischen Qualität ein beachtenswerter spätbarocker Beitrag.

3. Anna-Altar: Das Altarblatt (B 2,00 m / H 3,30 m) hat die Unterweisung Mariens durch die Mutter Anna zum Thema. Im Mittelpunkt sitzt Anna. Sie trägt Maria, darüber malt Hartmann in einer Engelsgruppe die Taube des Hl. Geistes mit Gottvater. Auch dieses Werk Hartmanns verdient Beachtung. Fotos: Bieri 2023..

 

 

 

 

 

 




Ehemaliges Benediktinerkloster und Kirche St. Marinus und St. Anianus in Rott am Inn
Innenraum
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Rott am Inn Kurfürstentum Bayern
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Freising

1718 Klosteranlage
1759 Kirche
Bauherr und Bauträger
Oetlinger  Abt OSB Aemilian Oetlinger
      (reg. 1697–1726)
      Abt OSB Korbinian Gräz (reg. 1726–1757)
Luz  Abt OSB Benedikt Luz von Luzenkirchen
      (reg. 1757–1776)
Innenraum der ehemaligen Klosterkirche. Im Vordergrund der westliche Kuppelraum, gefolgt vom  Arkaden-Oktogon und dem östlichen Kuppelraum mit dem Hochaltar. Foto: Bieri 2023.
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Die in den Westflügel eingebundene Kirchenfassade. Foto: Bieri 2023.
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Plan
Im Lageplan ist die grosse Klosteranlage, das Werk des Abtes Aemilian Oetlinger, vor den Zerstörungen des 19. und 20. Jahrhunderts festgehalten. Grundlage dieses Lageplanes bildet die heutige topographische Vermessung, das Ortsblatt 1812, vor allem aber die präzisen Planbeschriebe des P. Paulin Schurter von 1801. Für Vergrösserung und Erläuterung bitte anklicken..
Ein instruktiver, geometrisch korrekter und künstlerisch anspruchsvoller Lageplan ist aus dem Jahre 1801 erhalten. Der Verfasser, P. Paulin Schuster, widmet ihn dem damaligen Abte Gregor zum 25-jährigen Regierungsjubiläum. Der Plan ist ostorientiert. Alle Gebäude der Klosteranlage sind mit ihrer Nutzung beschrieben. Nur der nördliche Westhof ist mit dem Pfisterei - und Brauereiflügel [F, G] zum Kirchenvorhof getrennt, die Fortsetzung fehlt noch immer. Die Kirchenfront liegt deshalb frei gegenüber der Sternwarte [I]. Erhalten sind heute nur noch die Kirche [B], die Prälatur [A] und der westorientierte Gastflügel [E], wie der Vergleich mit dem heutigen Lageplan (oben) zeigt.
Bildquelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv.
Eine Vogelschauansicht aus Westen stellt das Kloster entsprechend dem Lageplan von 1801 dar. Die  Federzeichnung, vielleicht auch von P. Paulin Schuster. Im Sinne einer Idealdarstellung ist hier der Kirchenvorhof auch in der Südhälfte vom Ökonomiehof getrennt, was auf den Willen zur Fertigstellung der Gesamtanlage noch am Ende des 18. Jahrhunderts hindeutet. Quelle: Scan aus Literatur. Original: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Plansammlung 9213a/.
Längsschnitt und Grundriss der ehemaligen Klosterkirche. Bildquellen: G. Blumentritt 1905 (Schnitt) und Max Hauttmann 1921 (Grundriss).
Die Querschnitte der ehemaligen Klosterkirche in der Baugeschichte 1905 von G. Blumentritt.
Kirche und Kloster aussen
Das Ädikula-Motiv ist bei der erstaunlich zurückhaltenden Kirchen-Westfassade von Johann Michael Fischer vorherrschend. Die Schlichtheit der Fassade erklärt sich aus dem beginnenden Klassizismus, aber auch aus ihrer Orientierung auf einen geplanten schmalen Kirchenvorhof und dem seitlichen Hauptzugang. Foto: Bieri 2015.
Im Dreiecksgiebel der vorgestellten Ädikula ist eine Wappenkartusche zu sehen. Oben enthält sie das Wappen des Abtes Benedikt und des Stifters, unten das Wappen der Abtei. Darüber, in der Giebelnische, steht eine Staue des hl. Benedikt. Zu den Wappen des Stifters und der Abtei siehe das letzte Kapitel des nebenstehenden Textes. Zum Wappen des Abtes siehe dessen Biografie in dieser Webseite.
Foto: Bieri 2007.
Nur noch mit Phantasie kann man heute die barocke Anlage aus Osten erahnen. Die beiden mittelalterlichen, 1763 mit barocken Obergeschossen versehenen Türme werden 1827 durch die staatliche Bauinspektion Rosenheim umgeformt. Mit dem Abtrag des damals noch unzerstörten Nordturms umgeht sie die Auseinandersetzung um eine Rekonstruktion des abgebrannten Südturms und kann gleichzeitig den staatlichen Unterhalt für die (unnötigen) Doppeltürme einer Pfarrkirche minimieren (Quelle: Bauerntritt 1905). Schon vor 1812 erfolgt der Abbruch der Ost- und Nordflügel der Konventanlage. Foto: Bieri 2023.
Die Kirche und der ehemalige Prälaturflügel (1763) aus dem südlichen Friedhofsteil gesehen. Foto: Bieri 2023.
Das Wandgemälde «Christus am Kreuz» an der Südfassade der ehemaligen Klosterkirche ist ein Werk von Matthäus Günther (1763).
Foto: Bieri 2023.
Das «Braustüberl» Marktplatz 8 ist das einzige Baurelikt des grossen Ökonomiehofes. Es handelt sich um den Nordteil des zweigeschossigen «Mayrhaus»-Westflügels (im Lageplan: H2). Foto: Bieri 2023.
Innenraum der ehemaligen Klosterkirche
Der Innenraum Richtung Hochaltar von einem Standpunkt im dritten Joch (von Westen) gesehen. Foto: Bieri 2022.
Der Innenraum mit Durchblick zum Hochaltar, als Mittelausschnitt des Titelbildes oben. Bedeutend besser als auf den zweidimensionalen Fotografien lässt sich der Raum in der Panoramabetrachtung von Tibor Hlozanekerforschen. Foto: Bieri 2023.
Matthäus Günther malt das dominierende Kuppelfresko des Zentralraumes 1762. Im barocken Thema eines Heiligenhimmels, der die Glorie des hl. Benediktus zum Thema hat, übernimmt er das Bildkonzept des (zerstörten) Kuppelfreskos von Johann Evangelist Holzer in Münsterschwarzach. Kreiskonzentrisch halten sich die Benediktinerheiligen auf Wolken um Maria und den lichten Mittelpunkt mit der Dreifaltigkeit  auf. Dieser «Rotter Himmel» setzt die Tradition der Allerheiligenhimmel des Früh- und Hochbarocks fort, die noch bis zum Ende des Barocks weiterlebt. Siehe zum Kuppelfresko den Beschrieb von Adolf Feulner im Textauszug. Foto: Bieri 2023.
In der Rundkuppel des an den Mittelraum anschliessenden Chorraums malt Günther Marter und Glorie des hl. Marinus in erzählender Weise. In der Bildmitte schwebt der Heilige, getragen von Engeln, zum Himmel. Unten ist sein Martyrium, seitlich sind weitere legendäre Begebenheiten zu sehen. Foto: Bieri 2023.   
Das Fresko des westlich anschliessenden Kuppelraums malt Günther für die Blickrichtung des hinausschreitenden Besuchers. Es hat den gleichen Bildaufbau wie die Ostkuppel und stellt Marter und Glorie des hl. Anianus dar. Im Zentrum schwebt auch hier der hl. Anianus dem Himmel entgegen. Drei Personifikationen der göttlichen Tugenden führen und begleiten ihn. Der soeben selig entschlafene Heilige sitzt vor seiner Einsiedlerzelle. Engel mit einer Blumengirlande rahmen die Szene kreisförmig. Foto: Bieri 2023.
Auf den ersten Blick fallen nur die grossen Rokokokartuschen mit ihren darin tummelnden Putti ins Auge. Die Rocaillen von Jakob Rauch greifen teilweise noch in die Kuppelbilder ein. Die begleitenden thematischen Relieffelder, etwa die Erdteilallegorien im Auflager der Oktogonkuppel, können aber leicht übersehen werden. Im Bild ein an der östlichen Kartusche des Mittelraums hängender Engel mit Posaune. Foto: Bieri 2023.
Die südöstliche Zwickelkartusche mit darin spielenden Putti und seitlichen allegorischen Relieffeldern. Foto: Bieri 2023.
Altäre
«Den Hauptakzent im Zentralbau tragen die Altäre. Sie sind durch den architektonischen Aufbau hervorgehoben und haben architektonische Funktion im Raum» (Feulner 1927).
Die Altarausstattung von Rott ist ein gleichzeitiges, aber nicht gemeinschaftliches Werk der Bildhauer Ignaz Günther aus München und Joseph Götz aus Aibling.
Hochaltar (1762), nach Entwurf und mit polierweiss gefassten Figuralplastik von Ignaz Günther. Zum Altarblatt von Joseph Hermann siehe das Bild am Ende dieses Baubeschriebes. Foto: Bieri 2023.
Im Baldachinaufbau des Hochaltars ist über dem Altarblatt die polierweisse Figuralplastik der Dreifaltigkeit in Erwartung der beiden Titularheiligen Marinus und Anianus zu sehen. Die Hl. Dreifaltigkeit ist vor goldener Glorie um eine goldene Erdkugel gruppiert. Auf den seitlichen Volutenaufsätzen der vorderen Säulen dominieren grosse, adorierende Engel. «Der eine stürmt von der Seite herein, anbetend, mit gefalteten Händen, der andere hält im Fluge nach vorn inne, zieht den Flügel ein und wendet in unendlich feiner Bewegung das Köpfchen devot zurück» (Feulner 1927). Foto: Bieri 2023.
 
Zwischen dem linken Säulenpaar steht der hl. Bischof Korbinian von Freising mit dem Bär, ein Werk des Bildhauers Ignaz Günther.
Im rechten Interkolumnium steht ist ein heiliger Bischof von Ignaz Günter, der bis 1980 als der hl. Benno (Patron Altbayerns) und seither als der hl. Ulrich von Augsburg bezeichnet wird. Siehe dazu die Anmerkung 47. Fotos: Bieri 2023.
 
Seitlich des Altars stehen frei auf Sockeln die fälschlicherweise als Stifterfiguren bezeichneten Statuen des Kaisers Heinrich II. (mit dem goldenen Modell des Bamberger Doms in den Händen) und der Kaiserin Kunigunde. «Die sensible Verfeinerung des Rokoko erreicht in diesen Stifterfiguren den Endpunkt» schreibt Adolf Feulner 1927. Zu seiner Beschreibung der Kaiserin Kunigunde siehe den nebenstehenden Text. Fotos: Bieri 2023.
Der Petrus-Altar in der nördlichen Querachse des Oktogons ist ein Werk von Joseph Götsch, vermutlich nach Vorentwürfen von Ignaz Günther. Nicht nur die Grösse, auch die Altararchitektur ist dem Hochaltar nachempfunden. Das Altarblatt von Matthäus Günther (1763) stellt die Kreuzigung des Apostels Petrus dar. In den Figuralplastiken der blumenbesetzen Volutenspangen des Oberstücks ist mittig der Apostel Paulus mit Schwert zu sehen. Foto: Bieri 2023.
Um 1780 wird vor die Predella der «Heilige Leib» des Katakombenheiligen Constantinus versetzt. Foto: Bieri 2023.
 
In den Säulen des Petrus-Altars stehen die hll. Johannes der Täufer und Sebastian, beide sind polierweiss gefasste Rokokoplastiken des Bildhauers Joseph Götsch. Fotos: Bieri 2023.
Auch der südliche Rosenkranzaltar im Oktogon ist im Aufbau dem Hochaltar nachempfunden, auch er ist ein Werk von Joseph Götsch. Das Altarblatt der Rosenkranzspende von Joseph Hartmann (1763) wird am Schluss des nebenstehenden Textes gezeigt. Vor der Predella liegt hier der «Heilige Leib» des Katakombenheiligen Clemens. In den Figuralplastiken der blumenbesetzen Volutenspangen des Oberstücks ist mittig der hl. Joseph mit den  Zimmermannsattributen zu sehen. Foto: Bieri 2023.
 
Die beiden Assistenzfiguren in den Säulen des Rosenkranzaltars, der hl. Florian mit dem brennenden Haus und der hl. Georg mit dem Drachen sind ebenfalls Werke von Joseph Götsch. Foto: Bieri 2023.
 
In den östlichen Diagonalnischen des oktogonalen Zentralraumes stehen die Altäre der hl. Anna und der hl. Scholastika.
Der nördliche Anna-Altar enthält ein Blatt von Joseph Hartmann (1763), das am Schluss dieses Baubeschriebes vorgestellt wird. Zu den Assistenzfiguren eleganter Rokokodamen des Anna-Altars von Joseph Götsch schreibt Feulner 1927 «Die hl. Katharina rafft den schweren Mantel mit gespreizten Fingern und zeigt demonstrativ das riesige Schwert, mit dem sie enthauptet wurde. Die hl. Elisabeth wirft mit reizender Hand den Obolus in den gefransten Hut, den ihr ein Putto vom Boden her entgegenstreckt, und legt die andere Hand kokett beteuernd an die Brust, weil dadurch der weiche Arm und der spitzenbesetzte Ärmel sichtbar werden». Foto: Bieri 2023.
Der südliche Scholastika-Altar enthält ein Altarblatt von Heinrich Karth (1783) mit den beiden Assistenzfiguren der hll. Äbtissinnen Irmengard  und Ottilia. Sie «schlagen den einfarbigen Nonnenhabit zurück, damit der fromme Beter die spitzengesäumten Ärmel, die brokatenen Röcke und schimmernden Unterkleider sehen kann. So sieht das volkstümliche Rokoko seine Heiligen». Foto: G. Freihalter 2017.
 
In den westlichen Diagonalnischen des oktogonalen Zentralraumes stehen die Altäre des hl. Johannes-Nepomuk und des hl. Benedikt.
Für den nördlichen Nepomuk-Altar malt Matthäus Günther 1763 den Tod und die Verklärung des Heiligen. Assistenzfiguren sind der hl. Ambrosius und der hl. Augustinus. Foto: Tibor Hlozanek..
Im südlichen Altar des hl. Benedikt malt 1783 Heinrich Karth den Tod des Ordensgründers. Foto: Pius Bieri 2023
 
Vor der Predellazone des Nepomuk- und Benediktaltars stehen zwei wertvolle Silberbüsten der hll. Marinus und Anianus. Die Büste des hl. Marinus als Bischof stammt von einem unbekannten Bildhauer (um 1720), während die Büste des hl. Anianus als Werk von Ignaz Günther (um 1762) gilt. Fotos: Bieri 2023.
 
Die Assistenzfiguren des Schutzengels und des Engels mit der Schriftrolle am Benedikt-Altar sind zwar den berühmten Werken Ignaz Günthers nachempfunden, aber sie stammen aus der Werkstatt von Joseph Götz. Sie sind gegenüber den berühmten Vorbildern derber und lassen deren leichte Eleganz vermissen. Trotzdem sind sie wertvolle Bildhauerarbeiten des Rokoko. Foto: Bieri 2023.
 
Die beiden Seitenaltäre im westlichen Kuppelraum sind Werke von Ignaz Günther, ihre Altarblätter vom Joseph Anton Höttinger. Für den nördlichen Leonhard-Altar malt er den Bauernheiligen über Rott schwebend, Volk und Ort beschützend. Im südlichen Franz Xaver Altar malt er den Heiligen über seiner indischen Wirkungsstätte schwebend, im Hintergrund sein Schiff im Seesturm. Die grossen Predellabilder stellen den hl. Wolfgang (N) resp. den hl. Bonifatius (S) dar. Fotos: Bieri 2023.
 
     
 
Oben: Die Assistenzfiguren des Leonhardaltars, Papst Leo der Grosse und Kardinal Petrus Damianus.
Unten: Die Assistenzfiguren des Franz-Xaver-Altars, die hl. Notburga und der hl. Isidor.
Zu diesen Werken von Ignaz Günther sollte der hier angehängten Textauszug von Adolf Feulner gelesen werden. Darin ist auch ersichtlich, dass die Statuen trotz der kürzlichen Altar-Umplatzierung wieder am falschen Altar stehen. Zum Leonhardi-Altar gehören eindeutig die beiden Bauernheiligen Notburga und Isidor. Fotos: Bieri 2023.
 
Die Altäre der Vorhalle, der nördliche Kreuz-Altar und der südliche Magdalena-Altar sind Werke der 1780er Jahre. Ihr Bildhauer ist unbekannt. Die Blätter sind von Joseph Liebherr (Kreuzigung) und  Joseph Anton Höttinger (büssende Magdalena). Fotos: Tibor Hlozanek.
Orgal, Kanzel, Beichtstühle
Die Emporenorgel wird vermutlich um 1780 neu gebaut. Ob dies auch auf den noch erhaltenen zweigeteilten Rokokoprospekt zutrifft, ist völlig unklar. Der Bildhauer ist, wie auch der Orgelbauer, bisher nicht erforscht. Das Schnitzwerk lässt an Franz Offner, den gleichzeitig in Rott tätigen Bildschnitzer der Emporenbrüstungen denken. Mehr zum Orgelprospekt, der mehr Beachtung verdient hätte, siehe im nebenstehenden Text.
Foto: Tibor Hlozanek.
Die Kanzel ist eine weiteres Rokokojuwel des Aiblinger Bildhauers Joseph Götsch. Seitlich seines nördlichen Querachsenaltar hängend ist sie von hinten aus der Diagonalnische NO zugänglich. Am geschweiften Korpus tragen die Symbole der Evangelisten ein Schriftstück mit ihrem Namen, der Mensch des Matthäus ist hier ein Putto. Auf dem Schalldeckel zeigt die Fama auf die Gesetzestafeln, die auf der Volutenbekrönung von Putti gehalten werden. Foto: Bieri 2023.  
Beichtstuhlkoepfe
Beichtstuhl
Von Joseph Götsch sind auch die ungewöhnlich niederen, offenen Beichtstühle (1765). Schon Blumentritt hat 1905 auf ihre, heute nur noch in Nachbildungen vorhandenen Dorsalbekrönungen als symbolische Darstellungen der «vier letzten Dinge» hingewiesen. Fotos: Rufus46 (2022).
In der Sakristei steht diese reich furnierte Barockkredenz. Foto: Bieri 2023.
Die romanische Apside im Erdgeschoss des Nordturms. Ehemals ist sie das Ende des Seitenschiffes. Die freigelegte Malerei der thronenden Himmelskönigin mit Kind in einer von Engeln gehaltenen Mandorla weist in die Bauzeit der mittelalterlichen Kirche.
Foto: Bieri 2023.

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Textauszüge

Blumentritt, Günther: Das ehemalige Benediktinerkloster Rott am Inn und seine Stiftskirche, in: Zeitschrift für Bauwesen, Vol. 65, Berlin 1905.
Textauszug Seite 33–34 zu den Stuckaturen von Jakob Rauch
«Aus dem Halbdunkel der dämmernden Halle tritt man in das lichtdurchflutete Schiff mit seiner festlich heiteren Dekoration. Kartuschen, eigenartig in der Zeichnung und reizvoll im Einzelnen mit Putti und Blumen zieren die Gewölbezwickel und Bogenscheitel. Allegorische Darstellungen im zartesten Flachwerk bedecken die Zwickel der Hauptkuppel. Alle Bogenleibungen tragen Kartuschen- und feines Leistenwerk. Überall die gleiche zarte und treffliche Durchbildung. Alles, Figürliches wie rein Ornamentales, selbst die kleinsten Teile zeigen dieselbe Meisterschaft und Frische im Auftrag. Sie scheinen wie aus einer einzigen Hand hervorgegangen zu sein. Wir stehen bewundernd und staunend vor dieser Fertigkeit und gründlicher Schulung der Stukkatoren des Rokoko. Von besonderer Schönheit sind die korinthisierenden Kapitelle der Pilaster, entzückend die Dekoration der in weicher Kurve gegen das Schiff sich ausbiegenden Brüstung der Orgelempore mit den beiden reizenden musizierenden Putten im Mittelfeld. Eine wahre Perle intimster zierlichster Rokokodekoration ist die obere Sakristei, der ehemalige Psallierchor der Patres. Zwischen feinem Rahmen- und Leistenwerk, von allerlei Blatt- und Muschelformen begleitet, Blumengehängen, geflügelten Engelsköpfchen auch hier wieder jene feinen figürlichen Darstellungen im zartesten Flachwerk, anscheinend Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt».

Feulner Adolf: Rott am Inn. Deutsche Kunstführer Band 11. Augsburg 1927
Textauszug Seite 11 zum Benediktinerhimmel von Matthäus Günther in der Mittelkuppel

«Die Deckengemälde von Matthäus Günther begnügen sich schon mit ihrem eigenen Rahmen. Das Überfluten der Malerei in Stuckdekor und Wand ist vermieden. In den Vorjochen ist der Rahmen an den Ecken noch ausgebuchtet, in der Mittelkuppel ist er bereits streng kreisförmig. Immer wieder begegnen wir den Spuren einer neuen Phase des Entwicklungsprozesses, dessen Absicht gesetzmäßige Beruhigung und Ausgleich ist, im Gegensatz zur irrationalen Bewegung und zum ungebundenen Leben der Rokokozeit. Auch die Fresken sind formal schon ein Kompromiss. Dargestellt ist in den kleineren Kuppeln die Verklärung der beiden Klosterpatrone. Im Chor der hl. Marinus, der von den Vandalen im 7. Jahrhundert verbrannt worden ist, im Orgeljoch der hl. Anianus, der zur gleichen Stunde vor seiner Klause selig entschlafen ist. Ist bei den älteren Deckengemälden der Illusionismus, die Durchbrechung der Wand durch die Perspektive, die Raumsteigerung und die ekstatische Stimmung der hauptsächliche Zweck, hier erhält die Rücksicht auf die Fläche wieder ihr Recht und in dem Zug der musizierenden Engel, deren Linie dem Rand der Kuppel angepasst ist, tritt die dekorative Absicht mit Deutlichkeit hervor. Am meisten vom ekstatischen Charakter hat das grosse Fresko der Mittelkuppel, die Apotheose des Benediktinerordens, die Darstellung der Verdienste des Ordens und die Verehrung der Immaculata. Die Rosenkranzverleihung und der Sturz der höllischen Drachen sind bekannte Themen, die in Günthers Werk öfters vorkommen. Sie sind hier eingeflochten in die Kette der Ordensheiligen, die in konzentrischen Kreisen nach oben leitet zu einem Engelreigen, der die strahlende Glorie mit der Dreifaltigkeit im Scheitelpunkt der Kuppel umrahmt. Einzelne Partien sind aus Holzers Skizze zum Kuppelfresko in Münsterschwarzach (jetzt Museum in Augsburg) fast wortwörtlich entlehnt. Trotzdem ist das Fresko eines der Hauptwerke Günthers mit allen Vorzügen, die Günthers gute Fresken auszeichnen, der kühlen Buntheit der Farben, der anmutigen Weichheit der Zeichnung, der zierlichen Bewegtheit der Formen, mit den zugespitzten Gebärden der Figuren, die in ihrer fast mondänen, kapriziösen Vornehmheit sich ebenso dem Charakter des ganzen Raumes anpassen, wie die noch ausgesprochener «rokokohaften» Altarfiguren von Ignaz Günther».

Feulner Adolf: Rott am Inn. Deutsche Kunstführer Band 11. Augsburg 1927
Textauszug Seite 20 zur farbig gefassten Figuralplastik von Ignaz Günther

«Die Figuren stehen unvermittelt auf dem Sockel, unverbunden mit dem Rahmen und durch die naturalistische Bemalung noch mehr im Eigenwert betont. Von Günther ausgeführt sind die Figuren der nordwestlichen Diagonalkapelle (Anm.: heute am nördlichen Seitenaltar St. Leonhard im westlichen Kuppelraum), St. Gregor, der hl. Papst in der violetten Ordenstracht mit dem weissen Chorrock, der müden Blickes herabschaut und Zwiesprache hält mit seinem Attribut, dem Hahn. Sein lebensprühendes Pendant ist der hl. Kardinal Petrus Damianus in der zinnoberroten Ordenstracht. Er steht selbstbewusst da, den Oberkörper leicht zurückgeneigt, das linke Spielbein fest vorgestellt. Ungemein lebendig, modern das bartlose, schmale Gesicht, mit den deutlichen Spuren von Lebenserfahrung, mit dem blasierten Lächeln auf den Lippen, dem kalten Ausdruck der Augen. Der Typus des feinen Prälaten der Aufklärungszeit. Der hochmütige Blick über die vorgeschobene Schulter hinweg und das zurückgebogene Haupt sind Schema des absolutistischen Herrscherporträts seit Bernini. Günther hat sich bestimmt an solche Vorbilder erinnert. Die beiden anderen Gegenstücke Günthers am Leonhardi-Altar (Anm.: heute am südlichen Seitenaltar Franz Xaver) verkörpern die Idylle. St. Isidor mit dem Ährenbündel und dem Dreschflegel, der etwas heroische Bauer in der bunten Tracht des 16. Jahrhunderts, und St. Notburga, das dralle Bauernmädchen in der Zeittracht, das etwas melancholisch verzückt nach oben blickt. Die weiche Sentimentalität gehört zum Stil. Von einer plastischen Organisation im Sinne der herkömmlichen, malerischen Barockplastik kann man auch bei diesen Holzfiguren kaum mehr sprechen. Sie wirken in der reichen Detaillierung mit den Spitzen, Maschen, Krausen, den geblümten und gestickten Stoffen, in der kalten, bunten, naturalistischen Bemalung wie vergrößerte Porzellanfiguren, wie Dekorationsstücke ohne Zusammenhang mit der Architektur, die frei auf ihrem Sockel stehen, die ihren Platz auch ebenso gut wechseln könnten, die eben durch ihre blumenhafte Beziehungslosigkeit den Eindruck des Liebenswürdigen, Heiteren, des Zufälligen hervorrufen, den der Raum fordert.»

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