Abt Benedikt II. Lutz von Lutzenkirchen, erwählt 1757, resigniert 1776. Erbauer der neuen Klosterkirche in Rott am Inn. Ölbild im Pfarrhof zu Fieberbrunn in Tirol.
Aus: «Fieberbrunn, Geschichte einer Tiroler Landgemeinde» 1979.
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Abt Benedikt II. Lutz ist heute vor allem durch seinen Neubau der Klosterkirche von Rott am Inn bekannt. In der Wahl der ausführenden Baufachleute hat er eine glückliche Hand. Die Kirche des Baumeisters Johann Michael Fischer, des Stuckateurs Jakob Rauch, des Freskanten Matthäus Günther und des Bildhauers Ignaz Günther wird zum letzten Höhepunkt der süddeutschen Barockarchitektur. Abt Benedikt II. ist aber, im Gegensatz zu den beiden Vorgängern und den meisten Bauäbten der Barockzeit, kein ökonomisch denkender Klostervorsteher. Weder er noch sein Konvent kümmern sich um finanzielle Realitäten. Bauabt Benedikt II muss deshalb 1776 auf Druck des mitverantwortlichen Konvents zurücktreten und stirbt schon 1777 in seiner Tiroler Heimat.
Lutz Benedikt
Land 18. Jahrhundert
Tirol
Regierungszeit
1757–1776
Land 18. Jahrhundert
Kursfürstentum Bayern
Biografische Daten
Kurzbiografie
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Bildlegende
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Benedikt II. Lutz von Lutzenkirchen (1720–1777), Abt in Rott am Inn

Benedikt II. Lutz von Lutzenkirchen (1720–1777)

Abt OSB in Rott am Inn 1757–1776

Herkunft
Der spätere Abt von Rott wird am 25. Januar 1720 in Kitzbühel als erstes Kind der Eheleute Balthasar Lutz (Luz) und Maria Schueller geboren. Sein Taufname ist Johann Nepomuk. Der Vater ist Prokurator und Schreiber am Landgericht Kitzbühel der Grafschaft Tirol. Er wird von Kaiserin Maria Theresia 1742 in den erblichen Adelsstand mit dem Prädikat «von Luzenkirchen zu Grueb» erhoben. Die Mutter stammt aus einer angesehenen und mit kaiserlichen Privilegien versehenen Wirtefamilie in Schwaz.[1] Bis 1727 folgen dem ersten Sohn noch weitere zwölf Kinder, von denen aber nicht alle das Erwachsenenalter erreichen.

Rott am Inn
1737 tritt Johann Nepomuk Lutz in die Benediktinerabtei Rott am Inn ein, nachdem er vorher die sechs Klassen des Gymnasiums am Jesuitenkolleg von Hall im Tirol erfolgreich absolviert hat. Die Wahl von Rott hängt sicher auch mit der Bekanntheit der Abtei dank ihrer nah bei Kitzbühel gel egenen Herrschaft Pillersee zusammen.
Das Noviziatjahr leistet der 17-jährige Lutz im Kloster Prüfening bei Regensburg. Hier befindet sich das gemeinsame Noviziat der Bayerischen Benediktinerkongregation. Am 15. November 1738 legt er in Rott unter dem Ordensnamen Benedikt die Profess ab. Abt in Rott ist seit 1726 Korbinian Gräz.[2]
Die weiterführenden Studien kann der junge Frater Benedikt noch in Rott beginnen, weil das «Studium commune»[3] im Jahr seiner Profess hier beheimatet ist. 1739 wird der philosophische Teil nach Weihenstephan bei Freising transferiert. Nach sechs Jahren Studium in Rott und Weihenstephan wird Frater Benedikt im September 1743 mit erst 23 Jahren zum Priester geweiht. Ein Gesuch des Abtes Korbinian bei den zuständigen kirchlichen Stellen in Freising, in welchem er den akuten Priestermangel im Kloster Rott anführt, ermöglicht die frühe Weihe.
Im Kloster muss der Jungpriester, wie dies Usanz ist, vorerst im Hausstudium angehende Kleriker unterrichten und übernimmt 1745–1749 das Amt des Küchenmeisters. 1743–1750 ist er auch Präsides und Prediger der lokalen Rosenkranzbruderschaft. Ungewöhnlich ist 1749 seine Einsetzung als Monitor durch die Visitatoren, einem Amt, das üblicherweise vom Konvent einem älteren und erfahrenen Pater, meist dem Subprior übertagen wird.[4] Er kann dieses Amt nicht lange ausüben, denn im Herbst 1751 versetzt ihn Abt Korbinian als Seelsorger nach Fieberbrunn, der nahe bei seinem Heimatort Kitzbühel gelegenen Rotter Aussenstation im Priorat Pillersee.

Abtwahl 1757
1757 stirbt Abt Korbinian Gräz. Die Neuwahl findet am 18. Oktober statt. Vorsitz hat der Präses der Benediktinerkongregation, Abt Beda Schallhammer von Wessobrunn. Die 28 wahlberechtigten Konventmitglieder finden keine Einigung, sodass in einer Kompromisswahl der Wunschkandidat des Präses, P. Benedikt Lutz zum neuen Abt gewählt wird. Er übernimmt als Abt Benedikt II. die Leitung eines Konventes, zu dem nebst 28 Patres noch 5 Fratres, drei Novizen, aber nur ein Laienbruder zählen. Die Finanzlage hat sich nach den für die bayerischen Klöster finanziell verheerenden Kriegen der beiden Kurfürsten Max Emanuel I. und Karl Albrecht gebessert. Rott ist nach dem erfolgreichen Schuldenabbau durch Abt Korbinian zwar fast schuldenfrei, aber für grössere Ausgaben noch nicht gewappnet.[5] Eine der ersten Handlungen des neuen Abtes zeugt nicht von grossem Verständnis für das Engagement des Vorgängerabtes in das Studium commune der Benediktinerkongregation. Obwohl er seine Studien ausschliesslich dieser Institution verdankt, erreicht er noch 1757 eine Entfernung des Studiums aus Rott nach Prüfening.

Bauabt Benedikt II.
Abt Benedikt II. Lutz von Lutzenkirchen ist heute vor allem durch seinen Neubau der Klosterkirche von Rott bekannt. Er beginnt den Bau mit einer Irreführung des Geistlichen Rates in München, indem er 1759 wegen dessen strengen Vorgaben für einen Kirchenneubau mit drastischen Schilderungen der Baufälligkeit lediglich die Genehmigung für einen sanften Umbau der noch 1624 barockisierten Klosterkirche einreicht. Nur der Dachstuhl und ein Ersatz der Flachdecke durch eine gewölbte Gipsdecke seien geplant.[6] Die Täuschung gelingt. Wie alle heutigen Historiker wollen auch die Geistlichen Räte nicht an den Ausführungen zum Zustand der Kirche zweifeln und erteilen die Genehmigung.[7] Noch im März 1759 beginnen die Abbrucharbeiten am Vorgängerbauwerk und 1763 kann die vollendete Kirche eingeweiht werden. Abt Benedikt II. hat in der Wahl der ausführenden Baufachleute eine glückliche Hand oder wird gut beraten. Die Kirche des Baumeisters Johann Michael Fischer, des Stuckateurs Jakob Rauch, des Freskanten Matthäus Günther und des Bildhauers Ignaz Günther wird zum letzten Höhepunkt der süddeutschen Barockarchitektur. Dies verdanken wir dem zielbewussten Abt Benedikt II. Lutz von Lutzenkirchen.
Gleichzeitig mit dem Kirchenneubau in Rott lässt er 1760–1762 in seiner Tiroler Wirkungsstätte Fieberbrunn die neue Kapelle Johann Nepomuk mit den Fresken von Matthäus Günther bauen.[8] Noch 1767 baut er dort auch den neuen Pfarrhof.
Bauabt Benedikt II ist aber, im Gegensatz zu den beiden Vorgängern und den meisten Bauäbten der Barockzeit, kein ökonomisch denkender Klostervorsteher. Wo bisher mit wenigen Ausnahmen[9] ein Kloster mit dem Neubau erst beginnt, wenn auch die Finanzierung gesichert ist, kümmert sich weder der Abt noch der Konvent von Rott um solche Realitäten. Die Fahrlässigkeit rächt sich. Zwar liegen die Gebäudekosten mit rund 65 000 Gulden im Rahmen der für Neubauten dieser Grösse zu erwartenden Summe.[10] Der Neubau allein kann deshalb nicht die alleinige Ursache der 1772 festgestellten Schulden von 115 736 Gulden sein. Allein der Zinsendienst beläuft sich jetzt auf über 24 000 Gulden oder 80 Prozent der Jahreseinnahmen. Hoffnungslos ist er Versuch des Abtes, ausstehende Guthaben beim Staat einzufordern. Erst mit der Entsendung zweier ökonomisch erfahrenen Administratoren durch den Hauptgläubiger, der Abtei Oberalteich, und mit der von der Bayerischen Benediktinerkongregation beschlossenen Verlegung des Noviziats nach Rott beginnt eine Besserung der Finanzsituation. Erst unter dem nachfolgenden Abt Gregor Mack gelingt der Schuldenabbau.[11]

Resignation und Tod
Mit der Feststellung des Schuldenstandes beginnen auch die noch 1759 an der Finanzfrage desinteressierten (und anschliessend für alle Bauentscheide beigezogenen) Konventmitglieder zu rebellieren. Hauptopponent ist der Prior, der zur Zeit des Kirchenneubaus im Amt des Kellerers und Kastners als eigentlicher Klosterökonom die Hauptübersicht der Finanzen gehabt hätte. 1775 reicht Abt Benedikt die Resignation ein, die vom päpstlichen Nuntius 1776 genehmigt wird. Während seiner Regierung kann die Abtei 28 Neueintritte verzeichnen, der Konvent umfasst bei der Wahl des neuen Abtes noch immer 34 Mitglieder.
Der resignierte Abt bleibt zurückgezogen im Kloster. Im Herbst 1777 reist er für Verwandtenbesuche in seine Heimat. Hier stirbt er am 5. Oktober 1777 im Alter von 57 Jahren an einem Schlaganfall. Sein Grab findet er in der Kirche von Fieberbrunn. Hier ist ein einfacher Grabstein erhalten.
Im Pfarrhof von Fieberbrunn ist auch ein Porträt von Abt Benedikt II. erhalten.

Das Wappen

 

Das persönliche Wappen des Abtes ist an der Fassade der ehemaligen Klosterkirche Rott am Inn angebracht. Es ist geviertet. Feld 1 und 4 zeigen in Blau einen goldenen Kometen über grünem Dreiberg, in Feld 2 und 3 ist das rote Feld oben links und rechts in Silber rund beschnitten, im roten Feld ein silberner steigender Löwe.

Das Wappenschild an der Kirchenfassade zeigt heraldisch rechts das gevierte Wappen des Abtes, heraldisch links das legendäre Stifterwappen und unten das Klosterwappen. Zum Stifter- und Klosterwappen siehe den Beschrieb in «Rott am Inn»


Pius Bieri 2023

 

Literatur

Birkmaier, Willi: Benedikt Lutz von Lutzenkirchen. Abt, Bauherr und «Heiliger Verschwender», in: Rott am Inn. Weissenhorn 1983, Seite 68–85.
Ruf, P. Martin OSB: Professbuch des Benediktinerstifts Rott am Inn. St. Ottilien 1991.

Anmerkungen

[1] Maria Schueller (1698–1762) aus Schwaz, heiratet 1719 Balthasar Luz (Lutz). Dieser stirbt 1754 in Kitzbühel.

[2] Korbinian Gräz (1686–1757) aus Erding. Gymnasium in München. Studium Commune in Benediktbeuern (Philosophie) und in Weihenstephan (Theologie), juristische Studien in Salzburg. 1715 Professorenstelle am Freisinger Lyzeum und 1717 im Stift Kladrau (Böhmen). Ab 1720 Professor für kanonisches Recht am Studium Commune in Michelfeld. Abt in Rott am Inn 1726–1757.

[3] Das Studium commune ist eine theologische Lehranstalt der Bayerischen Benediktinerkongregation, in der Philosophie und Theologie in wechselnden Klöstern der Kongregation gelehrt wird. Für das Studium der Rechte oder der Mathematik müssen die angehenden Kleriker aber weiterhin ihre Universität in Salzburg oder die Jesuiten-Universitäten besuchen. Dieses gemeinsame Studium findet in Bayern seit 1687 statt und endet mangels genügend finanziellem Engagement der Mitglieder 1768, nur fünf Jahre nach der Aufhebung des Lehrordens der Jesuiten. In Rott ist Abt Korbinian grosser Förderer, auch gegen den Widerstand des Konventes, der zwar vom Studium commune profitiert, aber finanziell nichts beitragen will.

[4] Das Amt des Monitors («Director fratrum») entspricht den Statuten der Bayerischen Benediktinerkongregation. Der Monitor muss dem Präses der Kongregation jährlich Bericht über die Einhaltung der Kongregationsstatuten im Kloster erstatten. Normalerweise wählt der Konvent diesen Vertreter. Präses der Kongregation ist 1747–1760 Abt Beda Schallhammer von Wessobrunn, der auch den Entscheid verantwortet.

[5] Die Schulden betragen 10 000 Gulden, die Guthaben 35 000 Gulden. Die Guthaben sind Anleihen an das beinahe bankrotte Kursfürstentum und schon deshalb wertlos. Tatsächlich begleicht der Staat die Schulden nie.

[6] Vielleicht beschreibt er damit das 1758 vorliegende Umbauprojekt von Feichtmayr und Rauch.

[7] In fast jedem Beitrag zum Abt Benedikt II. und seinem Kirchenneubau wird das Gejammer über den schlechten Zustand der alten Klosterkirche fast wörtlich wiederholt. Abt Benedikt II. ist aber nicht der erste, und vor allem nicht der letzte Bauherr, der einen Bau nur mit Täuschung der Genehmigungsbehörden durchführen kann. Noch heute gehört diese Irreführung zum Repertoire jedes Politikers, der ein grosses Projekt durchziehen will. Die Genehmigungsinstanzen, sei es die Verwaltung oder das Volk, sind immer völlig überforderte Laien. Auch die Beratung durch Baufachleute, dass ein altes Bauwerk nicht mehr zu retten sei, beruht meist auf Eigeninteresse.

[8] In Fieberbrunn ist er zwar Bauherr, Stifter des Bauwerks ist aber Hofschreiber Simon Millinger.

[9] Die wenigen Ausnahmen betreffen ausschliesslich kurbayerische Klöster im späteren 18. Jahrhundert. Im schwäbischen und schweizerischen Bereich sind die Klöster generell wohlhabender und werden finanziell nicht vom Staat gegängelt. Im Vergleich mit Rott am Inn wird in der Regel das Beispiel der Bauäbte von Steingaden mit dem Neubau der Wieskirche aufgeführt. Dort ist es der unbekümmerte Abt Marian Mayr, der 1745–1773 regiert, welcher für das Finanzdebakel wegen der Wies verantwortlich gemacht wird. Völlig falsch ist aber der dauernd in der bayerischen Literatur immer wieder auftauchende Vergleich mit der Wallfahrtskirche Steinhausen der Reichsabtei Schussenried. Die Kostenüberschreitung in Steinhausen ist für Schussenried nie ein Problem und Grund der erzwungenen Resignation des Abtes Didakus ist nicht die Ökonomie. Mehr dazu siehe https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Steinhausen.html

[10] Vergleiche: Rheinau, Stiftskirche 1704–1732: 63 000 Gulden (ohne Türme). Vierzehnheiligen, Wallfahrtskirche 1740–1775: 163 000 Gulden. Wies, Wallfahrtskirche 1745–1759: ca. 170 000 Gulden. Die relativ niederen Kosten von Rott am Inn sind interessanterweise ein Verdienst des als «heiliger Verschwender» bezeichneten Abtes, der alle Arbeiten im Pauschalakkord vergibt. Die Gegner des Abtes im Konvent, offenbar noch weniger bewandert in der Baupraxis als der Abt, bemängeln später genau diese Akkordvergabe.

[11] Daten zu den Vermögensverhältnissen sind erst für 1802 wieder greifbar. In den Jahren davor ist die Klosterrechnung ausgeglichen und Rott zählt nicht zu den verschuldeten Klöstern. (Quelle: Dietmar Stutzer). Die entspannte Finanzlage zeigt sich auch in den Fertigstellungen der Kirchenausstattung nach 1776, dem Bau der Sternwarte 1786 mit den wissenschaftlichen Sammlungen, den Neubauten in der Herrschaft Pillersee und Baufertigstellungen im Ökonomiebereich.