Die Meister des Kirchen- und Klosterneubaus, soweit bekannt
von bis
ca.1708 ca.1725
ca.1712    1721
1769 1769
1769 1769

Maler von Altarblättern

1710 1710
1719 1719
1731 1731
1787 1787
1792 1792

Attel
Ehemalige Benediktinerabtei und Stiftskirche St. Michae

 

Klostergeschichte

Lage
Die südlich von Wasserburg über dem rechten Steilufer des Inns gelegene Benediktinerabtei Attel (Attl)[1] liegt weithin sichtbar an der Spitze eines zungenförmigen, oben abgeflachten Moränensporns. Geformt wird dieser nach der letzten Eiszeit durch den Alpenfluss Inn und durch zwei hier einströmende Gewässer, nämlich dem namensgebenden Flüsschen Attel und dem Bach Ebrach. Einzelfunde und der Verlauf einer Römerstrasse westlich der Geländezunge deuten auf frühe Siedlungsnutzung hin.[2]
Gründung
807 wird der Ort als Besitzstand des Bischofs von Freising genannt. Vielleicht befindet sich hier schon früh eine Michaelszelle.[3] Im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts gründet ein Mitglied der Diessener Grafenfamilie auf dem Hochplateau nahe seiner Stammburg Limburg ein Kloster.[4] Das monastische Leben der Neugründung erlischt bis 1100 fast vollständig, sodass es um 1125 zu einer Wiedererrichtung durch den Hallgrafen Engelbert von Wasserburg kommt. Er überträgt das Kloster dem Benediktinerstift Admont. Trotz der Lage im Bistum Freising wird Attel anschliessend Eigenkloster des Bischofs von Salzburg. Eine am Ende des 12. Jahrhunderts gefälschte Gründungsurkunde stellt später die Gründungsdaten auf den Kopf und verwirrt bis in die neueste Zeit.[5]

  Die Innlandschaft 1568 zwischen Rosenheim und Wasserburg in der Tafel 18 der «Bairischen Landtafeln» von Philipp Apian. Die Abtei Attel (Attl) ist im oberen Teil des Ausschnittes auf dem Sporn der dem Inn zufliessenden Gewässer bei Wasserburg zu sehen. Am gegenüberliegenden rechten Innufer die Dominikanerinnenabtei Altenhohenau (Alten Hohenaw). In der Bildmitte liegt die Abtei Rott (Rot). Ausschnitt  . Quelle: Bayerische Staatsbibliothek.

Der Inn als Bedrohung
Das nur eineinhalb Wegstunden stromaufwärts gelegene Nachbarkloster Rott (Rot) ist ebenfalls eine im späten 11. Jahrhundert gegründete Benediktinerabtei. Sie liegt im Gegensatz zu Attel in geschützter Entfernung vom Inn, während der Klosterberg von Attel bei Hochwassern der Erosion ausgesetzt ist. Der Inn, hier in seiner Fliessrichtung abgelenkt, bedroht das Steilufer unter dem Kloster. Wegen seiner Hochwasser wird der Inn von beiden Benediktinerabteien als andauernde Bedrohung und nicht als wichtiger Verkehrsweg betrachtet, den er für den Wassertransport ab Hall im Tirol ist. Gleichzeitig bildet der Fluss die Grenze zwischen dem Bistum Freising und dem Bistum Salzburg. Beide Klöster liegen im Bistum Freising, hingegen ist das am rechten Innufer in Sichtweite bei Attel gelegene Dominikanerinnenkloster Altenhohenau bis 1803 dem Bistum Salzburg zugehörig. Mit dieser Frauenabtei liegt Attel wegen den Uferverbauungen vor allem im 16. Jahrhundert im Dauerstreit. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verzehren die Aufwände für immer neue Sicherungen durch Archen und Holzwehre bedeutende Summen der eher bescheidenen Klostereinnahmen.[6]
Auch für die Wallfahrtskirche «Unser Herr im Elend» unterhalb des Klosters, gebaut 1654-1658 durch den Münchner Baumeister Constantin Pader,[7] sind die Hochwasser eine andauernde Bedrohung. Der architektonisch und kulturell bedeutende Sakralbau wird 1786 wegen Wasserschäden abgebrochen. Die Wallfahrtskirche ist auf dem Wening-Stich von 1701 abgebildet.[8]

Die Abtei vom Mittelalter bis zum Dreissigjährigen Krieg
Nach der 1125 erfolgten Wiedereinrichtung bleibt Attel nicht lange Salzburger Eigenkloster. Schon 1145 ist es wieder selbständig. Bis zu ihrem Aussterben 1259 sind die Wasserburger Klostervögte. Dann kommt die Vogtei an die bayerischen Herzöge des Hauses Wittelsbach. Das Kloster bleibt klein. Der Konvent von Attel verzeichnet in den ersten Jahrhunderten kaum je mehr als 10 Mitglieder.[9] 1452 wird die Melker Reform eingeführt. Nach einem Tiefpunkt von nur vier Konventualen im Jahr 1573 beginnt ein bescheidenes Wachstum. Vor dem Dreissigjährigen Krieg erholt sich das Kloster dank gut wirtschaftenden Äbten wieder. Dem Kloster sind in Wasserburg 2 Pfarreien und das Heilig-Geist-Spital sowie die Pfarreien in Eiselfing, Griesstädt, Edling und Ramersberg inkorporiert. Nicht nur in der bescheidenen Konventgrösse, auch wirtschaftlich bleibt Attel unbedeutend. Der Verlauf des Dreissigjährigen Krieges ist für das Kloster stark widersprüchlich dokumentiert. Ein Brand des Maierhofes 1646 und Zerstörungen durch die Schweden 1648 werden zwar genannt.[10] Entsprechende Wiederaufbauten nach dem Dreissigjährigen Krieg sind aber in keiner Quelle erwähnt.[11]

Attel in der Bayerischen Benediktinerkongregation
Mit den ersten Äbten nach dem Dreissigjährigen Krieg beginnt auch der barocke geistige Aufschwung in Attel. Der 1646 gewählte Abt Benedikt Eisenhardt,[12] vorher Professor am Akademischen Gymnasium der Universität Salzburg (Attel ist 1617 Gründungsmitglied) kann nach dem Krieg aufgrund der positiven Finanzsituation Grundstücke erwerben und schon sechs Jahre nach Friedensschluss die neue Wallfahrtskirche zum «Herrn im Elend» bauen lassen. Der 1669 gewählte Abt Engelbert Fischer[13] übernimmt das wieder auf zwölf Konventualen gewachsene Kloster mit einem geordneten Haushalt.[14] Er setzt die Bauinvestitionen mit dem Bau der Sakristei und des Psallierchors 1675 fort, für den er auch das hochstehende Chorgestühl fertigen lässt. 1684 führt er die kleine Abtei in die neu gegründete Bayerische Benediktinerkongregation, deren Schwerpunkt in der Ausbildung des Ordensnachwuchses liegt.[5] Die Beiträge der einzelnen Klöster an die Kosten des gemeinsamen Noviziat und an das Studium commune werden nach ihrem Finanzvermögen berechnet. Hier liegt das immer als ärmlich geschilderte Attel 1688 mit 50 Gulden noch vor vier Abteien, die überhaupt nichts bezahlen müssen.[16]

«Closter Attl» von Michael Wening (del. et sc.) in:«Historico-topographica descriptio. Das ist: Beschreibung, dess Churfürsten- und Hertzogthumbs Ober- und Nidern Bayrn, Thail 1» (1701). Vogelschauansicht des Klosters aus Süden vor den grossen Neubauten ab 1708. Erläuterung des Stiches im Text unten. Bildquelle: ETH Bibliothek Zürich.

Die Klosteranlage am Ende des 17. Jahrhunderts
Michael Wening veröffentlicht 1701 in der «Historico-topographica descriptio» des Rentamts München seinen Stich «Closter Attl» mit dem Begleitbeschrieb von Ferdinand Schönwetter SJ. Wening sticht die Klosteranlage nach einer Zeichnung um 1697 an Ort. Seine Vogelschau aus Süden ist die einzige Gesamtansicht, die Attel zur Klosterzeit verlässlich würdigt.[17]
Er zeichnet das Kloster vor den Veränderungen des frühen 18. Jahrhunderts. Der doppelte Wappenschild enthält das Klosterwappen mit den drei blauen Rauten im silbernen Schild und das Wappen des Abtes Joseph Mayr.[18] Dem üblichen Klosterschema entsprechend bildet die Kirche den nördlichen Abschluss einer dreiflügeligen Konventanlage.[19] Ihr Turm trägt bereits eine barocke Zwiebelhaube. Der weit nach Osten vorstehende gotische Bau ist eine bei den Neubauten des 18. Jahrhunderts abgebrochene Kapelle. Die noch mittelalterlichen, zweigeschossigen Konventflügel sind teilweise mit barocken Turmerkern des 17. Jahrhunderts versehen. Mit Helmzwiebeln sind auch die vielen Türme der westlich vorgelagerten Hofgruppen versehen. Hier liegt auch ein ummauerter Ziergarten. Im frühen 18. Jahrhundert weichen diese Bauten dem kompakteren Vierflügel-Kirchenvorhof mit den Werkstätten und der Brauerei.
Der östlich liegende, grosse vierflügelige Ökonomie- oder Maierhof wird auch bei späteren Umbauten des 18. Jahrhunderts in seiner Grundform beibehalten.
Unter dem Kloster liegt am Innufer die 1658 geweihte und 1786 abgebrochene Wallfahrtskirche zum «Herrn im Elend» von Constantin Pader. Ihre Darstellung im Stich Wenings entspricht der Zeichnung des Baumeisters. Heute steht dort eine kleine Kapelle des 19. Jahrhunderts.

 
Die Wallfahrtskirche zum «Herrn im Elend» ist nicht nur im Wening-Stich oben dokumentiert, zwei Bilder der Prozessionen anlässlich der Hundertjahrfeier 1728 hängen in der Kirche. Sie zeigen die Kirche von Süden und Osten. Oben ist das schon fertiggestellte dreigeschossige Kloster zu sehen. Zu ihm führt ein steiler Prozessionsweg hinauf. Fotos: Bieri 2023.

Das 18. Jahrhundert
1703 wird Cajetan Scheirl (Scheyerl),[20] ein Professe aus Weihenstephan, unter dem Vorsitz des Kongregations-Präses Eliland von Benediktbeuern zum Abt von Attel postuliert. Wenige Monate zuvor eröffnet Kurfürst Max II. Emanuel mit der Einnahme der Reichsstadt Ulm den Krieg gegen das Reich und seine Alliierten. Er muss 1704 in französische Obhut fliehen und hinterlässt das Land den Siegern, die es zehn Jahre verwalten und hohe Steuerlasten durchdrücken. Dass Abt Cajetan während dieser Jahre einen Kirchen- und Klosterneubau durchführen kann, erstaunt auch deshalb, weil er gleichzeitig zu grösseren Erneuerungen der kostspieligen Wasserverbauungen am Inn gezwungen ist. Am Chorbogen ist 1713 als Jahr der Fertigstellung der Klosterkirche festgehalten. Abt Cajetan wird von späteren Chronisten als Entwerfer der Kirche bezeichnet. Damit sind wohl seine unterstützende aktive Mitplanung und die Oberleitung des Bauvorhabens gemeint. Über den Bauverlauf sind keine Informationen vorhanden. Abt Cajetan lässt um 1715 noch alle Langhausaltäre aufstellen. Den Hochaltar übernimmt er provisorisch aus der Vorgängerkirche. Er beginnt auch den Neubau der nun dreigeschossigen Konventflügel. Der Krieg und seine Finanzbelastungen, die Neubauten und die Ausgaben für die Innverbauungen belasten den Abteihaushalt über Gebühr. Zudem brennt die offenbar nach 1646 wiederaufgebaute Maierhof-Anlage 1722 erneut. Beim Ableben des grossen Bauabtes 1723 ist deshalb eine Negativbilanz von 1700 Gulden vorhanden.
Abt Nonnosus Moser,[21] der 1723–1756 regiert, gilt als Vollender der Klosteranlage. Gleichzeitig mit der Fertigstellung der Konvent- und Gästeflügel fällt auch der Wiederaufbau des Maierhofs in seine ersten Regierungsjahre.[22] Er ist Vollender der Kirchenausstattung. Der Hochaltar wird 1731 aufgerichtet. Offenbar kann er die vierflügelige Kirchenvorhof-Anlage erst spät decken, denn der Dachstuhl ist mit 1756 ddatiert. Trotz der bisherigen grossen Bauausgaben und der erneuten, auch finanziell belastenden Kriegszeit von 1740–1745[23] hinterlässt er die Abtei in «blühendem Zustand».[24] Attel zählt jetzt 18 Konventualen.
Die beiden letzten Äbte Dominikus Gerl[25] und Dominikus Weinberger[26] statten vor allem die Kirche weiter aus. 1769 finden bildhauerische Rokokoergänzungen der Altäre statt und eine neue Orgel kommt auf die Empore. 1786 muss der Hochaltar der hochwassergeschädigten Wallfahrtskirche «Zum Herrn im Elend» in die Klosterkirche versetzt werden. Noch 1787 und 1792 kommen weitere Altarblätter in die Kirche.

Vermutete und bekannte Meister
Als Baumeister der Kirche wird Thomas Mayr vermutet.[27] Anzunehmen ist, dass er auch den Klosterneubau ausführt. Meister der raumprägenden Stuckaturen könnte Gabriel Zöpf sein,[28] der 1714–1721 archivalisch in Attel nachweisbar ist. Die Altarbauer und Bildhauer der unter Abt Cajetan neu gebauten Langhausaltäre sind unbekannt. Erst 1769 ist mit Ignaz Günther[29] ein Bildhauer erwähnt. Aus seiner Werkstatt könnte der Rokokoschrein mit der Immaculata am Rosenkranzaltar stammen. Im gleichen Jahr fertigt der Orgelbauer Anton Bayr[30] die Emporenorgel. Einige Maler von neuen Altarblätter sind aufgrund ihrer Signaturen bekannt. Schon 1710, also noch vor dem Umbau, signiert Johann Baptist Untersteiner zwei Altarblätter.[31] Johann Degler[32] signiert 1719 ein weiteres Blatt. Um 1731 malt der Klosterbruder Leander Laubacher[33] das Altarblatt des Hochaltars. Drei Nebenaltar-Blätter malt um 1787 der Klosterbruder Sebastian Zobl.[34] Zwei letzte Altarblätter liefert 1792 Franz Nikolaus Streicher.[35]

Säkularisation 1803
Wie alle Klöster in Kurbayern fällt auch Attel 1803 der lange vorbereiteten, entschädigungslosen Auflösung der Klöster und ihres Besitzes zum Opfer. Der 20-köpfige Konvent verliert seine Wohnstätte. Der übliche Abtransport des wertvolleren Inventars und die Verschleuderung der als wertlos eingestuften Gemälde und Bücher beginnt sofort. Ein Papierfabrikant kauft den Grossteil der Bibliothek als Makulatur. Die vorgängig erhobenen Finanzdaten belegen, dass die Auflösung ein wirtschaftlich gesundes Kloster mit einem Schätzwert von 277 097 Gulden trifft. In den sechs Jahren vor der Säkularisation erzielt Attel 17 189 Gulden Jahreseinnahmen, denen 15 677 Gulden Ausgaben gegenüberstehen. Zur gleichen Zeit betragen die Schulden des räuberisch vergrösserten Staates bei Einnahmen von 5 Millionen Gulden beachtliche 118 Millionen Gulden. Kein Wunder, dass der Staat den ganzen Klosterbesitz möglichst schnell versteigern lässt. Die riesige Masse an Versteigerungsgut, die 1803 in Süddeutschland anfällt, verzögert mangels Interessenten die Veräusserung des staatlichen Enteignungsgutes auch in Attel und erreicht selten den Schätzwert von 1802.

Gebäudeschicksale nach der Aufhebung

Ehemalige Klostergebäude und Ökonomiehof
Neuer Besitzer wird 1806 interessanterweise der für seine Bibliotheksbeschlagnahmungen berühmt-berüchtigte Freiherr Johann Christoph von Aretin. Schon 1807 verkauft er die «Realitäten» wieder. Die Besitzer wechseln in kurzer Folge mehrfach. 1860 kommen die Gebäude an einen Bierbrauer. 1873 kaufen die Barmherzigen Brüder von Neuburg alle verbliebenen Klostergebäude und Grundstücke zur Errichtung einer «Anstalt für männliche Unheilbare».
Zu dieser Zeit sind grössere Teile des talseitigen Südflügels und der ganze Ostflügel bereits abgebrochen. 1905 baut die Leitung der Pflegeanstalt den Ostflügel an alter Stelle wieder auf. Der Südflügel wird in abgeknickter Richtung und mit dominantem Mittelbau bedeutend verlängert, die übrigen alten Räume modernisiert. Die heutige Ansicht des zum Inn gerichteten Klosterflügels ist um 32 Meter länger als zur Klosterzeit und verläuft nur bis zum mittleren Risalitbau an alter Stelle. Erhaltene Innenräume im Ostflügel oder im erhaltenen Teil des Südflügels dürfen nicht mehr erwartet werden.
Die Pflegeanstalt existiert bis 1970. Heute sind die ehemaligen Klosterliegenschaften und die im Laufe von 150 Jahren zusätzlich entstandenen Gebäude im Besitz der innovativen «Stiftung Attl» für betreutes Wohnen.

Ehemalige Klosterkirche
Sie ist seit 1803 Kirche der Pfarrei mit Baupflicht des Staates. Die ehemalige Klosterkirche dient offenbar schon vorher auch als Pfarr- und Taufkirche mit Betreuung durch die Benediktiner. Der nun erforderliche Pfarrhof für den weltlichen Geistlichen wird im ehemaligen Brauhaus vor der Kirchenwestfassade eingerichtet. Diese Hofanlage wird 2007–2010 sorgfältig renoviert. 1880 wird für die Kirche eine erste «Restauration» gemeldet. 1977–1978 kommt sie erneut in die Kur. Die Restaurierungsbeschriebe sind nicht veröffentlicht.
2013 erfolgt die Neueinrichtung des Liturgiebereichs durch Sina Wagner in München. Der Bildhauerin Elke Härtel gelingt 2012 eine schöne Neuinterpretation der Immaculata von Ignaz Günther im Rokokoschrein des Rosenkranzaltars.

 

Die Kirche und ihre Architektur

Das Vorgängerbauwerk
Die Vorgängerkirche wird in der Regel als basilikales romanisches Bauwerk des 12. Jahrhunderts «nach Hirsauer Schema» bezeichnet. Dies, weil Attel nach seiner Neugründung um 1125 für zehn Jahre Eigenkloster des Hirsauer Reformstifts Admont ist. Das Baujahr 1137 und die Hirsauer Bauweise sind allerdings reine Historikerspekulationen.[36] Wening stellt die Kirche 1701 mit mächtigem Dach und grossen Fenstern dar, was auf eine vielleicht schon mittelalterliche Hallenkirche oder einen frühen Umbau einer älteren basilikalen Anlage hindeutet.[37] Vielleicht ist diese Hallenkirche eine Freipfeilerhalle und in allen drei Schiffen noch flachgedeckt. Der barocke Baumeister übernimmt von diesem Vorgängerbau die Aussenwände, die unteren Geschosse des Turms, die Chorseitenwände mit der Sakristei und dem Psallierchor, aber auch das «Westwerk» mit beiden Geschossen. Die alte Chorbreite von 8,4 Meter wiederholt sich in der Vorhalle und im darüberliegenden Orgelraum. Dafür sprechen auch zwei Seitentüren im Orgelraum mit der Jahreszahl 1685. Die Chor-, Vorhallen- und Orgelraumbreite entspricht der alten Mittelschiffsbreite, die Seitenschiffbreite des Vorgängerbauwerks ergäbe damit ungefähr 4,8 Meter.

Das barocke Bauwerk
Abt und Baumeister gehen sparsam mit Abbrüchen der Altsubstanz um. Aus der vielleicht sechsjochigen Hallenkirche formen sie eine fünfjochige Wandpfeiler-Emporenhalle mit bestehender West-Vorhalle. Das sechste Joch zählt bereits zum stark eingezogenen Chor. Es bildet ein Vorjoch vor dem alten Chor und besitzt beidseitig Treppenaufgänge zu den Emporen und zum Winter- oder Psallierchor (1675) über der Sakristei, einem weiteren vom Vorgängerbauwerk übernommenen Bauteil. Langhaus und Chor sind mit Längstonnen gewölbt, die mit Gurtbögen gegliedert sind. Die Wandpfeiler des Langhauses haben die übliche Versteifung mit Quertonnen, deren Arkadenbögen im Hauptgewölbe Stichkappen bilden. Die Seitenemporen sind leicht vom Wandpfeilerkopf zurückgesetzt. Mit den nun ausgeprägt durchgehenden Pilaster und der grosszügigen Langhaushöhe entfernt sich Attel weit von den älteren Wandpfeiler-Emporenhallen in Au und Gars am Inn.[38] Dies zeigt sich auch in der Belichtung. Hohe nordseitige Rundbogenfenster in beiden Wandpfeilergeschossen sorgen für eine ausgewogene Raumbelichtung. Im ersten Joch zieht der Baumeister die Seitenemporen schräg zur alten Orgelnische über der Vorhalle hinüber. Mit der neugestalteten Wandpfeiler-Emporenhalle erweist er sich nicht nur als guter Gewölbebauer, er erstellt auch einen ausgewogenen neuen Kirchenraum mit grösstmöglicher Nutzung alter Bausubstanz.

Raumstuck
Alle Gewölbe und auch die Emporenbrüstungen weisen Stuckaturen floralen Charakters eines guten Wessobrunner Stuckateurs auf. Blüten- und Früchtebänder betonen die Tektonik, als Girlanden hängen sie über dem Choreinzug frei und rahmen in den Jochgewölben Ovalfelder. Ausgeprägte freie «Bildfelder» sind im von Akanthusranken belegten Chorgewölbe markiert. Dichte vegetabile Ranken mit Akanthus und Laubwerk prägen auch die Kreuzgewölbe unter den Seitenemporen. Alle Stuckaturen sind (ursprünglich?) zartgrün flächig hinterfangen. Fresken sind in den vielen gerahmten Feldern des Langhauses wahrscheinlich nie geplant, auch im Chor wird aus Kostengründen auf sie verzichtet. Die feine Stuckarbeit ist von grosser Qualität und wertet den Raum auf.


Die Ausstattung

Der Hochaltar von 1731
Zwei grosse Rundbogenfenster der abschliessenden barocken Chorapside beleuchten den Hochaltar seitlich. Sein Ädikularetabel von 1731 füllt die dahinterliegende Apsidenrundung in ganzer Breite und Höhe. Je zwei leicht vorstehende Säulen und ein abschliessender Pilaster bilden die hintere Ebene und rahmen das Altarblatt. Dominierende, blau gelüsterte Spiralsäulen sind als weiteres Säulenpaar zum Raum geöffnet. In den Interkolumnien stehen die Statuen des Ordensgründers Benedikt und seiner Schwester Scholastika. Das kräftige, vergoldete Säulengebälk ist mit zwei zusätzlich aufgesetzten Sprenggiebel-Elementen überbetont. In der Strahlenglorie vor der vergoldeten Apsismuschel im Oberstück stürzt der Erzengel Michael seinen Widersacher (der hier bereits ein halber Ziegenbock ist) vom Himmel. Altarbauer, Bildhauer und Fassmaler des Hochaltarretabels sind unbekannt. Nur der Klosterbruder Leander Laubacher ist als Maler des Altarblattes überliefert. Es ist dem Thema der Apokalyptischen Frau gewidmet.[39] Bruder Leander nimmt dazu das Rubens-Hochaltargemälde im Dom von Freising zum Vorbild.[40]
Der Tabernakel in Spätrokokoformen kann zeitlich nicht eingeordnet werden. Frei vor das Hochaltarretabel hinter die Mensa gestellt, nimmt er fast die Breite des Retabels ein. Seine vergoldeten und versilberten Elemente werden durch eine blaue Draperie hinterfangen und verdecken das barocke Hochaltarretabel im unteren Teil. Erstaunlich, dass dieses dominierende Ausstattungsstück in keinem Kunstführer erwähnt ist.[41]

Der Wallfahrtsaltar von 1658/62
In die Nordarkade des Chor-Vorjochs ist der Gnadenaltar der 1786 abgebrochenen Wallfahrtskirche «Zu unserem Herrn im Elend» eingefügt. Die Arkade wird dafür in der unteren Hälfte unschön erweitert. Der ursprünglich frei im oberen Chor der Wallfahrtskirche stehende Doppelaltar ist in der oberen Hälfte noch immer von hinten belichtet. Das Retabel des Baumeisters und Bildhauers Konstantin Pader ist eine viersäulige Ädikula mit gesprengtem Segmentgiebel. Alle Säulen stehen in der Art manieristischer Schreineraltäre auf auskragenden Volutenkonsolen. Die inneren Sprialsäulen sind leicht vorgesetzt. Beidseits ist das Retabel mit geschnitzten Knorpelwerk-Seitenbärten erweitert. Das Retabel beherbergt in seiner Mitte das 1628 vom Inn angeschwemmte Gnadenbild, ein spätromanisches Kruzifix. Veränderungen, vielleicht im Zusammenhang mit der einengenden Versetzung von 1786, sind die auf Konsolen an die äusseren kannelierten Säulen gehängten Statuen der hll. Johannes und Magdalena, der Tabernakel und wahrscheinlich auch die Verglasung.

Die Wandpfeileraltäre von 1715
Die in den Wandpfeilerkapellen beidseits des Mittelraums in die Wandpfeilerachse gestellten acht Nebenaltäre sind zum Eingang orientiert. Die beliebte kulissenartige Hinführung zum Hochaltar als «theatrum sacrum» wird in Attel nicht angestrebt, dazu stehen sie zu weit zurück und sind zu uniform. Allerdings wirken sie im Gegensatz zu den beiden Choraltären wie edle Stuckmarmorarbeiten.[42] Sie werden mit 1715 datiert. Alle Altäre sind viersäulige Ädikula-Retabel, deren innere Säulen vorstehen. Ihr gerades Gebälk ist über hochrechteckige Altarblätter gelegt. Die Blätter weisen ein einheitliches Rahmenverhältnis im Goldenen Schnitt auf. Mit Ausnahme des Rosenkranz-Altars, der ein Baldachin-Oberstück trägt, sitzen auf dem Gebälk Putti im Dialog mit den dahinterliegenden ovalen Oberblättern, welche in eingerollte Attika-Voluten eingefügt sind. Die Altarblätter sind zum grossen Teil spätere Arbeiten. Nur drei der acht Blätter sind Werke der Erbauungszeit. Von einiger Qualität sind vor allem die klassizistischen Blätter der beiden ersten Joche.
Alle Retabel enthalten auch ein Ovalbild vor der Predella, welches beim Rosenkranz- und Benediktusaltar zur Rokokozeit durch grössere Aufbauten ersetzt wird. Speziell ist diese Rokoko-Bildhauerarbeit am Rosenkranzaltar. Hier steht seit 1760/65 ein Schrein mit zwei adorierenden Engeln für die wahrscheinlich von Ignaz Günther geschaffene Immaculata, die heute im Freisinger Diözesanmuseum steht.[43] An ihrer Stelle sitzt jetzt eine weisse Neuinterpretation der Bildhauerin Elke Härtel.
Alle Altäre, ihre Lage, ihre Thematik und ihre Künstler sind im Kirchengrundriss dieser Webseite erläutert.
 
Die Kanzel
Die Kanzel hängt am südlichen Wandpfeiler des fünften Joches. Sie wirkt in ihrer kistenförmigen Gestaltung wie aus der Zeit gefallen, obwohl sie in spätbarocker Zeit um 1730 entstanden sein soll.[44] Ihre Brüstungsfelder enthalten sechs fein gemalte Bildnisse von Kirchenlehrer, die dem seit 1718 im Kloster wirkenden Br. Leander zugeschrieben werden. Auf dem mächtigen Schalldeckel steht eine ausdrucksstarke hochbarocke Michaels-Statue mit Flammenschwert und Waage, die wie die Kanzel selbst nicht erst 1730 geschaffen worden sein kann.
Als Pendant zur Kanzel ist am nördlichen Wandpfeilerkopf ein Kruzifix mit der Schmerzhaften Muttergottes angebracht. Die Gruppe könnte noch von Tobias Baader sein und muss aus der Vorgängerkirche stammen.[45]

Das Chorgestühl des Psallierchors von 1675
Über der Sakristei liegt der Psallierchor. Er ist mit zwei grossen Fenstern zum Altarraum geöffnet und enthält ein Chorgestühl von 1675, das Sybe Wartena als hochwertiges Gestühl mit Knorpelwerk beschreibt. Es ist auf beiden Längsseiten mit je 13 Stallen noch vorhanden. Weil der Raum in der Regel unzugänglich ist, verweise ich hier auf die ausführliche Beschreibung in der Dissertation Sybe Wartena https://edoc.ub.uni-muenchen.de/7999/ (Seite 318 und 319) und der Westseiten-Ansicht 11.10.a im Anhang zur Dissertation (ZIP 1,35 GB).

Der Orgelprospekt von 1769
Das ursprünglichen Orgelwerk mit 16 Registern (II/P/16) wird 1912 durch ein pneumatisches Werk ersetzt. Der Neubau von 2013 mit 22 Registern (II/P/22) gilt in Disposition und Mechanik als Rekonstruktion der Barockorgel.[46] Erhalten ist das Prospektgehäuse der Orgel. Diese steht frei, vom Gegenlicht hinterleuchtet, im tonnengewölbten Mittelteil der Empore über dem Eingangsvorraum. Ihr elegant geschwungener, fünfteiliger und mittenbetonter Prospekt lagert vor- und zurückschwellend auf einem schmäleren Unterbau. Die Verdachungen der Seitentürme steigen geschweift zur Mitte auf, vom runden Mittelturm durch je zwei übereinanderliegende Felder getrennt. Auf den Verdachungen der Türme tummeln sich musizierende Putti. Eine vergoldete Vase bekrönt die Mitte. Kräftige und vergoldete Schleierbretter mit Rocaillen betonen die Aufschwünge. Die Farbfassung wechselt von einer rötlichen Marmorierung der Verdachungen zu einer Blaumarmorierung des Unterbaus.

  Grabsteine und Stiftertumba
Einige bemerkenswerte Grabsteine und Epitaphien der Renaissance sind, wenn auch nicht am ursprünglichen Ort, noch immer erhalten. Alle sind in Rotmarmor gearbeitet und heute in den beiden Wandpfeilernischen («Kapellen») des ersten Jochs eingelassen oder aufgestellt. Ihre Lage ist mit dem Beschrieb 1902 nicht mehr identisch, die Gründe für die Veränderungen sind nicht ersichtlich. Aktuell sind im ersten Joch Nord die Epitaphe der Äbte Leonhard Klamperer (†1535 West), Benedikt Hohentanner (†1569 Ost) und auch der bescheidene Grabstein des Bauabtes Cajetan Scheyerl (†1723 Nord) in die Wände eingelassen. Im ersten Joch südlich sind es die Grabmale des Conrad Zeller zu Zellerreith (†um 1450, West), des Wilhelm Zierer zu Imolkham (†1618 Süd), des Abtes Sebastian Adler (†1547 Ost) und eines weiteren (des gleichen?) Zierers († 1618 Ost). Das vierte und nun schon barocke Epitaph eines Abtes befindet sich an der Nordwand im Altarraum. Abt Conrad Zupfius lässt sich 1623 dieses hohe Grabmal bereits zu Lebzeiten errichten. Auf den Äbte-Epitaphen sind die Wappenschilde der Abtei (in Silber drei blaue Rauten) in Allianz mit den persönlichen Schilden der Äbte plastisch hervorgehoben.
In der südlichen Nische des ersten Jochs steht mittig, derart abseits allerdings erst seit der Barockzeit, die Stiftertumba von 1509. Abt Leonhard Klamperer lässt das Hochgrab zu Ehren der Klosterstifter durch den Wasserburger Bildhauer Wolfgang Leb ausführen. Auf der Deckplatte liegt der Hallgraf Engelbert von Wasserburg und seine Gemahlin, die Erneuerer des monastischen Lebens in Attel 1125.
       
 
Oben links: Epitaph des Abtes Benedikt Hohentanner (reg. 1547–1569) von Bildhauer Jakob Men. Der Abt kniet links unter dem lebensgrossen Christus als Schmerzensmann.
Oben rechts: Epitaph des Abtes Leonhard Klamperer (reg. 1508–1535), ebenfalls ein Werk von Bildhauer Jakob Men. Es zeigt den Abt fast lebensgross in der von einer Fraktur-Schrift umrahmten Nische.
Unten: Nördliche Längsseite der Stiftertumba von 1509. Die fünf Masswerk-Nischen enthalten Reliefs von geistlichen und weltlichen Personen, diejenigen der mittleren drei Nischen sind Wappenschildhalter.
Fotos: Bieri 2023.

Texte: Pius Bieri 2023


Literatur

Bezold, Gustav von; Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern, 2. Teil.
Seiten 1918–1925, bearbeitet durch Philipp Maria Halm. München 1902
Schinagl, Paul: Die Abtei Attel in der Neuzeit (1500–1803). St. Ottilien 1990.
(Standardwerk zur Geschichte von Attel, aber ohne Informationen zu den Bauvorhaben des 18. Jahrhunderts)
Heimatverein Wasserburg am Inn: Heimat am Inn. Jahrbuch 26/27. Wasserburg 2007.
Altmann, Lothar: Pfarrkirche St. Michael Attel am Inn. Kleiner Kunstführer Nr. 13. Regensburg 2014.


Anmerkungen

[1] Schreibweise von Attl zu Attel ändert erst im 19. Jahrhundert.

[3] Eine Michaelszelle im Zusammenhang mit der Schenkung von 807 wird zwar nicht genannt. Michaelspatrozinien sind allerdings im Mittelalter für Sakralbauten in Höhenlagen üblich, es könnte also schon in karolingischer Zeit eine Kapelle bestanden haben.

[4] Die Burgstelle «Limburg» liegt 15 Minuten nördlich auf dem Hochplateau. Die Burg verfällt nach dem Bau eines neuen Grafensitzes in Wasserburg am Inn.

[5] Die Fälschung wird wahrscheinlich von einem Schreiber der Abtei Seeon verfasst. Sie legt die Neugründung ins Jahr 1087 (MLXXXVII) und nennt Eigengüter von Attel, die selbst im späteren korrekten Privileg des Papstes Alexanders III. von 1177 noch nicht enthalten sind. Weil das Jahr 1087 zudem nicht zu den Lebenszeiten der vorgeblichen Aussteller passt, kommt die Historikergemeinschaft anstelle einer Prüfung des Dokumentes auf Echtheit noch bis in die 1990er-Jahre auf die Idee, dass die Jahreszahl MCXXXVII (1137) heissen müsse. Noch heute wird 1137 (etwa im «Dehio» 2006) als Gründungsjahr genannt. Die spannende Geschichte dieser harmlosen Fälschung ist im Aufsatz «1137 – oder die Magie einer erfundenen Zahl» von Elisabeth Noichl zu lesen.

[6] Die Nachrichten zu den Wehren und ihren Kosten sind im bayerischen Hauptstaatsarchiv erhalten, weil Attel und Altenhohenau zu diesem Thema hauptsächlich mit der weltlichen Gewalt in München korrespondieren. Die ausschliessliche Konsultation dieser Akten ergibt naturgemäss ein einseitiges Bild der Finanzsituation von Attel. Denn es wäre seltsam, wenn ein bayerisches Kloster des 18. Jahrhunderts seine Finanzen gegenüber dem verschuldeten Kurfürstentum offengelegt hätte. Zur wahrscheinlich besser informierten Benediktinerkongregation und ihrer Einschätzung von Attel siehe die Anmerkung 16. Zur Geschichte der Wehre siehe den interessanten Beitrag «Kloster Attel und der Inn» von Gerhard Leidel in «Heimat am Inn», abrufbar unter www.wasserburg.de/Leidl_Kloster.pdf

[7] Constantin Pader (um 1597–1681) aus München, bedeutender Bildhauer und Baumeister von Sakralbauten. Siehe zum ihm die Biografie in dieser Webseite unter Pader_Konstantin.html.

[8] Die Wallfahrtskirche «Zu unserem Herrn im Elend» wird von Constantin Pader in einer aquarellierten Federzeichnung selbst vorgestellt und beschrieben. Stolz vermeldet der spätere Baumeister von Maria Birnbaum zu seinem Werk in Attel: «In disem 1658.jar hab ich dises gotshauß bei unssem hemi im Ellend / bei dem closter Ädl gantz völlig mit allen gewölbern ehrpaut, und obzwar dise khupehl wol hoch und praidt und weidt ist, hab ichs doch mit der hilf gottes soliches gewölb ohne seihlen gericht, und ist alles biß auf daß außgipßen und außpraiden khommen». Die Kirche ist ein kreuzförmiger, zentralisierter Längsbau mit Mittelkuppel. Sie wird wegen des Pilgerzustroms zu einem wunderwirkenden romanischen Kruzifix erbaut. Der Doppelaltar mit dem Gnaden-Kruzifix wird nach dem Abbruch in der Klosterkirche aufgerichtet. Anstelle der Wallfahrtskirche befindet sich heute im «Elend» beim Restaurant Fischerstube eine kleine Kapelle.

[9] Jahr und Zahl der Konventualen:
1232 > 9 / 1255 > 8 / 1497> 6 / 1547> 8 / 1573> 4 (Quelle: Stalla 1992). 1635> 6 (Quelle: Altmann).

[10] Ein von (kaiserlichen?) Soldaten gelegtes Feuer soll 1641 durch die Fürbitte beim hl. Florian nicht auf das Kloster übergriffen haben. Es ist dies die einzige Mitteilung von Schönwetter (in Wening 1701) und von Zimmermann (1754) über Brände während des Dreissigjährigen Krieges in Attel. Beide Autoren unterlassen in der Regel Berichte von Kriegszerstörungen nie. Die aktuelle Literatur nennt 1646 einen Brand des Maierhofs mit Verschonung von  Kloster und Kirche. Der Klosterchronist notiert, dass man die Brandursache nicht kenne. 1648 wiederholt sich ein Brand der Ökonomie. Der Schwedenüberfall von 1648 ist sicher Tatsache, die Brandschatzung dürfte eine Historiker-Phantasie sein. Die Gräuel des Dreissigjährigen Krieges mit Pest und Soldateska-Barbareien werden gerne unreflektiert mit Bandschatzungen verbunden. Eine Brandzerstörung des Klosters ist schon unwahrscheinlich, weil die Bibliothek mit 2056 Bänden intakt bleibt. Wie sich der Dreissigjährige Krieg im nahen Wasserburg abspielt ist im Wikipedia-Beitrag unter www.historisches-lexikon-wasserburg.de geschildert.

[11] Von Bauvorhaben sofort nach Friedensschluss 1648 ist ausser der neuen Wallfahrtskirche «Zu unserem Herrn im Elend» 1654/58 nirgends die Rede. Kriegsschäden werden vielleicht behoben, aber ein «Wiederaufbau des Klosters» muss nur im organisatorischen, sozialen und geistlichen Sinne verstanden werden. Baulich besitzt das Koster Attel noch 1715 das Aussehen eines zweigeschossigen Klosters des 16. und frühen 17. Jahrhunderts.

[12] Benedikt Eisenhardt (†1669). 1644–1645 Professor der Humanistae in Salzburg. Abt in Attel 1646–1669. Zu diesem Abt fehlen wie für die meisten vorangehenden Äbte von Attel weitere relevanten Lebensdaten. Von ihm dürfte das Konzept zum aussergewöhnlichen Bau der Wallfahrtskirche im «Elend» stammen.

[13] Engelbert III. Fischer (1635–1687) aus Attel. Jesuitengymnasium und -Lyzeum München. Abt in Attel 1669–1687.

[14] Bei Guthaben von 3187 Gulden und 1220 Gulden Schulden resultiert bei der Bestandesaufnahme 1669 ein Überschuss von 1967 Gulden.

[15] Die Bayerische Benediktinerkongregation (mit später 18 Mitgliedern in Kurbayern und in der Oberpfalz) ist eine Gründung nach dem Vorbild der schon seit 1602/03 bestehenden Schweizerischen und Schwäbischen Benediktinerkongregation. Im Gegensatz zu diesen ist sie aber keine freie Gründung, sondern untersteht kurfürstlicher Kontrolle. Der Zusammenschluss ist trotzdem auch für die bayerischen Benediktinerabteien von grosser Bedeutung. Hauptsächlich der gemeinsamen höheren Bildung und dem gemeinsamen Noviziat dienend, soll die Kongregation auch die Visitationen selbst durchführen, was die Gegnerschaft der Fürstbischöfe einbringt. Ein weiterer Zweck des Bündnisses liegt in der Unterstützung der schwächeren durch die grossen Abteien.

[16] Tegernsee: 300 Gulden /Andechs, Benediktbeuern, Scheyern und Wessobrunn: je 200 Gulden / Rott, St. Emmeram und Weihenstephan: je 150 Gulden / Attel: 50 Gulden / Frauenzell, Oberalteich, Thierhaupten und Weltenburg: Keine Beiträge. Dies heisst, dass Attel von der Kongregation durchaus als zahlungsfähig betrachtet wird.

[17] Im Gegensatz zum Wening-Stich ist der Stich von Johann Ulrich Kraus im Chur-Bayerischen Atlas von Johann Wilhelm Ertl (1690 und 1705) wie viele der Ertl-Stiche nicht mit der Realität übereinstimmend und völlig unbrauchbar. Eine dem Wening-Stich gleichwertige Ansicht des umgebauten Klosters im 18. Jahrhunderts ist nicht bekannt. Auf Votivgemälden und im Altarblatt von 1731 ist nur der dreigeschossige Südflügel über der Wallfahrtskirche im Elend sichtbar. Einzig Planaufnahmen der Säkularisation von 1803 sind in München erhalten, aber wie üblich im Hauptstaatsarchiv (noch?) nicht digital abrufbar.

[18] Das Wappen des 1687–1702 regierenden Abtes Joseph Mayr zeigt auf einem Dreiberg drei mehrblätterige Stengel mit Blumenkelchen.

[19] Wening zeichnet die Kirche nicht als Basilika mit schmalem Mittelschiff, sondern mit dem Dach einer Hallenkirche. Dies fällt auf, weil er in seinen gleichzeitigen Stichen die Kirchendächer über dem Mittelschiff bei basilikalen  Anlagen immer korrekt schmal zeichnet. Das vermeintliche «Seitenschiff» ist eine zweigeschossige Gangverbindung. Die Fenster der Westfassade entsprechen bereits dem heutigen Bau. Die Fenster des Obergeschosses sind barock vergrössert. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Vorgängerkirche unter dem Kapitel «Baugestalt».

[20] Cajetan Scheirl (1653–1723) aus Vötting bei Freising. Er leistet 1673 in Weihenstephan Profess, feiert 1678 Primiz, ist Kellerer, Vikar in Tünzhausen, und 1686–1691 auch Prior in Weihenstephan. Mit 50 Jahren wird er als Abt nach Attel postuliert. Er regiert in Attel 1703–1723. Die frühere Schreibweise des Namens Scheirl ist heute Scheyerl. Er trifft in Attel auf ein Kloster mit inzwischen 16 Konventualen, welches 34 Knechte und Diener besoldet. Die Finanzlage beim Antritt der Regierung ist ausgeglichen. Den «Schulden hinaus» (Schulden, Kreditoren) von 6500 Gulden stehen  «Schulden herein» (Guthaben, Debitoren) von 6750 Gulden gegenüber (Quelle: Schinagel 1990). Das heisst, das Abt Cajetan einen ausgeglichenen Haushalt antrifft.

[21] Nonnosus Moser (1694–1756) aus Wasserburg, Profess 1715, Primiz 1720. Abt in Attel 1273–1757. Er ist vorher Professor für Grammatik am Lyzeum von Freising.

[22] Die gemeldeten Brände des Maierhofs (1646 und 1722) dürften einzelne Flügel der grossen Vierflügelanlage verschont haben. Brandmeldungen der Barockzeit sind vielfach ebenso übertrieben wie die Beschreibungen der Baufälligkeit der Altbauten vor jedem geplanten Ersatzbau, eine Usanz, die noch heute Hochblüte hat.

[23] Im Österreichischen Erbfolgekrieg (ausgelöst durch den bayerischen Kurfürsten) ist die Region von Wasserburg Kriegsgebiet. Die 600 Mann starke bayerische Besatzung von Wasserburg flüchtet im Juni 1743 in das Kloster Attel.

[24] «Statistische Beschreibung des Erzbisthums München-Freising»(1884) S. 523. Damit könnte natürlich auch der innere Zustand und die blühende literarische Kultur gemeint sein. Andere Historiker beschreiben vor allem die Bauschulden, ohne die Einnahmen und Ausgaben zu beachten, die sich offensichtlich im Gleichgewicht halten. Aber selbst die Bilanz ist 1756 mit 3153 Gulden wieder positiv. Bei 17 189 Gulden Guthaben betragen die Schulden 14 036 Gulden (Quelle: Schinagl 1990).

[25] Dominikus I. Gerl (1725–1789) aus Bruckdorf bei Deggendorf. Profess 1742. Primiz 1749. Abt in Attel 1757–1789.

[26] Dominikus II. Weinberger (1754–1831) aus Mallersdorf. Profess 1773. Primiz 1778. Abt in Attel 1789–1803.

[27] Thomas Mayr (um 1660/65–1733) aus einer bekannten Baumeisterfamilie in Grafing. Er ist vielbeschäftigter Kloster- und Kirchenbaumeister der Region (Kirchen in Grafing 1692, Berghofen 1700, Frauenreuth 1702, Attel 1712/15, Rettenbach 1716, Vogtareuth 1720, Zorneding 172, Schönau 1723, Ebrach 1724, Halfing 1727, Pfaffing 1731). Er ist 1718–1723 auch für den Klosterneubau in Rott am Inn tätig.

[28] Gabriel Zöpf (1686–nach 1728) aus Wessobrunn, Sohn des Georg I Zöpf. Gemäss Lothar Altmann (2014) ist er nach Wasserburg zugezogen und hier 1714–1721 archivalisch nachgewiesen, was die Zuschreibung fundiert. Ein Gabriel Zipf (Zöpf) ist als Wessobrunner Stuckateur 1727/28 in St. Johann im Tirol tätig. Es dürfte sich um den gleichen Meister handeln. Im Lexikon der Wessobrunner 1988 bleibt er unerwähnt. Sixtus Lampl nennt 2006 im «Dehio» Benedikt Zöpf (3?). Alfred Kaiser wagt 1994 die Zuschreibung an Nikolaus Lichtenfurtner (1671–1742), der zu dieser Zeit in Freising tätig ist.

[29] (Franz) Ignaz Günther (1725-1775) aus Altmannstein ist seit 1753 in München selbständig tätig, wo er schon als Geselle bei Johann Baptist Straub von 1742/43 bis 1749/50 tätig ist. 1763 hat er die grosse Arbeit im Nachbarkloster Rott am Inn beendet. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter Guenther_Franz_Ignaz.html

[30] Anton Bayr (1716–um 1792) aus Heidingsfeld bei Würzburg, Orgelbauer in München. Er ist auch Schöpfer der Orgel in der abgebrochenen Wallfahrtkirche zum Herrn im Elend, die heute in Schwindkirchen steht.  

[31] Johann Baptist Untersteiner (um 1661–1713), kurbayersicher Hofmaler ab 1703, auch als «Rubens von Tölz» bezeichnet. Er ist Schüler von Nikolaus Prugger in München.

[32] Johann Degler (1666–1729) aus Villnöss im Südtirol. Ausbildung bei Hofmaler Johann Wolf in München. Meistergerechtigkeit 1698.

[33] Br. Leander Laubacher OSB (1687–1740) aus Muri im Aargau. Profess als ausgebildeter Maler 1718 in Attel.

[34] Br. Sebastian Zobl OSB (1726–1801) aus Tannheim im Tirol. Profess als ausgebildeter Maler 1758 in Attel.

[35] Franz Nikolaus Streicher (1738–1811) aus Trostberg im Chiemgau. Arbeitet als Maler und Freskant im Salzburgischen. Hauptwerk um 1765 in der Klosterkirche Höglwörth.

[36] Bauwerke der Reform von Hirsau und Cluny des 11. und 12. Jahrhunderts zeichnen sich immer durch Querschiffe mit Vierung und meist mit einer Vielzahl von Apsiden aus. Es existiert keine Quelle zum Bautypus oder zur Grösse der mittelalterlichen Kirche von Attel.

[37] Michael Hartig (Die oberbayerischen Stifte, 1935) vermutet einen Umbau zur Hallenkirche im 15. Jahrhundert. Auch für diese These fehlen die Baunachrichten. Zum Typus der Freipfeilerhalle siehe den Beitrag in dieser Webseite unter Exkurs_Hallenkirchen.html

[38] Diese beiden Wandpfeilerhallen werden unmittelbar nach dem Dreissigjährigen Krieg durch Mitglieder der Familie Zuccalli aus Roveredo errichtet. Der Bautypus der Wandpfeiler-Emporenhalle ist allerdings um 1700 derart verbreitet, dass diese beiden Kirchen nicht Vorbild sein müssen. Sicher falsch ist die wiederholte Aussage «Vorbild war die Kirche St. Michael in München» (Schinagl 1990). Mit der Jesuitenkirche St. Michael hat eine Wandpfeilerhalle nichts gemein. Zum Typus der Wandpfeilerhalle siehe das Glossar in dieser Webseite, Buchstabe W.

[39] Die Offenbarungen des Johannes (12,1–9,14) beschreiben die Erscheinung Mariens als auf dem Mond stehende Lichtgestalt. Vom siebenköpfigen Drachen bedroht, werden sie und ihr Kind von Gottvater in die Wüste entrückt. Das Thema steht in Bezug zur Gegenreformation. Maria, unter Kurfürst Maximilian I. zur Schutzpatronin Bayerns berufen, tritt auf eine Schlange, Symbol der Ketzerei. In der Exegese wird das Apokalyptische Weib als Sinnbild der von Gottvater beschützten Kirche gedeutet.

[40] 1623 liefert Peter Paul Rubens das Altarblatt der Apokalyptischen Frau für den Mariendom in Freising. Bruder Leander muss das dort 370,5 cm (B) x 554,5 cm (H) messende Gemälde vom Verhältnis 2:3 in einen Rahmen von ungefähr 230 cm (B) und 420 cm (H) übersetzen, was ein Verhältnis von ungefähr 2:3,6 ergibt (Grobschätzung der Bildgrösse in Attel mangels Angaben in den kunsthistorischen Veröffentlichungen!).

[41] Schon im Kunstdenkmälerband von 1902 wird der Tabernakel vergessen. Lediglich der Beitrag von Alfred Kaiser zur Ikonologie der Kirche (in «Heimat am Inn» 1994) nimmt Bezug auf den «prächtigen zweigeschossigen Tabernakel aus der Schule von Ignaz Günther». Das verstörende Werk ist Plastiken von Ignaz Günther nachempfunden, etwa den adorierenden Engeln von Rott am Inn (1762). Eine Zuweisung an eine Werkstatt ist bisher nicht gelungen. Der Tabernakel stammt, wie alle vor der Predella der Seitenaltäre aufgestellten Rokoko-Bildhauerarbeiten, aus der Regierungszeit des Abtes Dominikus Gerl um 1770.

[42] Im Führer 2014 benennt sie Lothar Altmann als marmorierte Holzretabel von 1715. 1902 bezeichnet sie Philipp Maria Halm als «in Holz und Stuck ausgeführt, wenig nach der Erbauungszeit der Kirche entstanden», was wohl korrekt sein dürfte. Als Stuckmarmorretabel könnten sie Arbeiten des bis 1721 tätigen Wessobrunners  Gabriel Zöpf sein.

[43] Die Immaculata aus Attel ist (mit Sockel) 85 cm hoch. Die Zuschreibung an Ignaz Günther erfolgt allein aus stilkritischen Gründen. Die Gründe für die Entfernung aus dem für die Figur geschaffenen Schrein sind im Zeitalter der Alarmsicherungen nicht ganz nachvollziehbar. Die Neuinterpretation der Bildhauerin Elke Härtel ist zwar nur halb so gross, aber ein würdiger Ersatz der Günther-Immaculata.

[44] Die Datierung 1730 im Führer 2014. Im Kunstdenkmälerband von 1902 wird die Kanzel mit keinem Wort erwähnt. Die aufgesetzten Akanthus-Friesverzierungen sind für 1730 ebenso wie die Kanzelform derart aus der Zeit gefallen, dass eine Datierung um 1700 eher verständlich wäre. Stammt die Kanzel vielleicht noch aus der Vorgängerkirche? Die Zuschreibung der Felderfüllungen an Br. Leander ist nicht belegt, diese könnten aber auch erst nach 1720 in die Kanzel eingefügt worden sein.

[45] Tobias Bader (um 1620–um 1690) ist seit 1651 Bildhauermeister in München. In diesem Jahr liefert er das Kruzifix mit der Schmerzensmutter für die Herzogspital-Kirche in München. Die Arbeit in Attel wird von F. J. Lipowsky im Bayerischen Künstlerlexikon (1810) als Arbeit des gleichen Künstlers beschrieben.

[46] Siehe dazu die Webseite von Orgelbau Linder: http://www.orgelbau-linder.de/Attel.htm

 



Ehemalige Benediktinerabtei und ehemalige Stiftskirche St. Michael in Attel
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Attel bei Wasserburg Kurfürstentum Bayern
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Freising Kirche  ~ 1708
Kloster 1715
Bauherr und Bauträger der Barockzeit
Abt OSB Cajetan Scheyerl (reg. 1703–1723)
Abt OSB Nonnosus Moser(reg. 1723–1756)
Der Innenraum der ehemaligen Stiftskirche Attel. Die Wandpfeiler-Emporenhalle, gesehen vom Eingang  mit Blickrichtung zum Chor. Foto: Bieri 2023.
Die Kirche vom nördlichen Klosterzugang (entlang der Friedhofsmauer) gesehen. Foto: Bieri 2023.
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Im Lageplan ist das Kloster und die Ökonomie im Zustand und den Gebäudenutzungen um 1800 eingetragen. Die Erweiterungen ab 1902 sind rot, die abgebrochenen Gebäude gelb hinterlegt. Für die Legende bitte anklicken und vergrössern.
Die ehemalige Abtei auf dem Klosterberg von der Innebene gesehen. Die heutige Südfassade des ehemaligen Klosters wird durch die Osterweiterung von 1902 geprägt. Nur die linke (westliche) Hälfte ist Kloster-Altbestand. Siehe dazu auch den Lageplan. Foto: Bieri 2023.
Der Durchgang vom Kloster zum Kirchenvorhof. Er führt durch den ehemaligen Pfisterei- und Gästeflügel, der zweigeschossigen Verlängerung der Klosterkirche. Ehemals ist es auch der Weg zur Wallfahrtskirche im Elend. Foto: Bieri 2023.
 
Einziges sehenswertes Element in der Kirchenfassade ist das barocke Portal. Die nüchterne Fassade ist seit  einer vergangenen Restaurierung mit hilflosen Felderteilungen versehen worden. Komisch wirken die zwei kräftigen Säulengebälke über wandebenen Scraffito-Pilastern. Fotos: Bieri 2023.
Die Kirche
Kirchengrundriss mit Altarbeschrieb. Für Vergrösserung und Legende bitte anklicken!
Der Innenraum
Blick zur Orgelempore über die nördlichen vier Wandpfeiler-Emporen-Joche. Die natürliche Belichtung erfolgt vorwiegend über diese Nordseite, wobei die hohen Rundbogenfenster der Emporen wichtige Lichtquellen sind. Im ersten Joch zieht der Baumeister die Seitenemporen schräg zur alten Orgelnische über der Vorhalle hinüber. Foto: Bieri 2023.
Die Nordseite der Wandpfeiler-Emporenhalle mit dem Blick zum Hochaltar. Foto: Bieri 2023.
Die Deckenstuckaturen, hier die beiden ersten Joche mit den zur Orgelempore hinübergezogenen Untersichten der Seitenemporen des ersten Jochs. Die Stuckaturen sind wahrscheinlich Arbeiten des Wessobrunners Gabriel Zöpf, der noch bis 1721 in Attel arbeitet. Foto: Bieri 2023.
Am Chorbogen sind Blüten- und Früchtebänder, Girlanden und Akantusranken, die Elemente der Raumstuckatur, in einer Kartusche vereinigt. In ihrem Spruchband ist die Inschrift «Providentia Dei aedificavit sibi hanc domum» (Die Vorsehung Gottes erbaute sich dieses Haus) mit der Jahreszahl 1713 zu sehen. Diese Jahreszahl bedeutet eher den Rohbauabschluss des Kirchenbauwerks als dessen Baubeginn. In der Kartusche ist auch das einzige Gewölbefresko der Kirche enthalten. Es stellt die dreigesichtige Dreifaltigkeit (tricephalus) dar, eine Darstellung, die eigentlich seit 1628 kirchlich nicht mehr erlaubt ist. Foto: Bieri 2023.
Die Altarräume der Wandpfeilerjoche weisen an den Kreuzgewölben reiche vegetabile Ranken mit Akanthus und Laubwerk auf. Stark plastische Blüten- und Früchtebänder betonen die Tektonik. Foto: Bieri 2023.
Das vegetabile Rankenwerk setzt sich an den Brüstungen der Emporen fort. Die weissen Stuckaturen heben sich schön vom grünen Erdfarbenton ab. Foto: Bieri 2023.
Hochaltar und Elend-Altar
Erst 1731, 20 Jahre nach Baubeginn, folgt der majestätische Hochaltar. Er wird von zwei grossen Rundbogenfenstern der Chorapside seitlich beleuchtet. Die Altarbauer, Bildhauer und Fassmaler des Meisterwerks sind unbekannt. Mehr dazu siehe im nebenstehenden Textbeschrieb. Foto: Bieri 2023.
Nur der Maler des Altarblattes ist bekannt. Der Klosterbruder Leander Laubacher malt die Erscheinung Mariens als apokalyptische Frau. Br. Leander nimmt dazu das Rubens-Hochaltarblatt im Dom von Freising zum Vorbild. Der Vergleich mit dem über hundert Jahre älteren Rubensgemälde (unten) zeigt, das Br. Leander das grosse Freisinger Blatt gut für den schmäleren Bildrahmen in Attel übersetzt hat. Anstelle des Freisinger  Domberges malt er rechts unten den Klosterberg von Attel. Foto: Bieri 2023.
Das Rubens-Altarblatt von Freising hängt heute als Säkularisationsgut in der Pinakothek. Das Werk wird vom Museum wie folgt erläutert: «Die Offenbarungen des Johannes (12,1–9,14) beschreiben die Erscheinung Mariens als auf dem Mond stehende Lichtgestalt. Vom siebenköpfigen Drachen bedroht, werden sie und ihr Kind von Gottvater in die Wüste entrückt. Das Thema steht in Bezug zur Gegenreformation. Maria, unter Kurfürst Maximilian I. zur Schutzpatronin Bayerns berufen, tritt auf eine Schlange, Symbol der Ketzerei. In der Exegese wurde das Apokalyptische Weib als Sinnbild der von Gottvater beschützten Kirche gedeutet. 1623 wurde das Gemälde für den Hochaltar des Mariendomes in Freising bestellt, der unten rechts zu sehen ist.». Bildquelle: Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Alte Pinakothek München.
Der 1757–1789 regierende Abt Dominikus I. lässt nachträglich den prächtigen Spätrokoko-Tabernakel eines unbenannten Meisters aufstellen. Der beidseits von adorierenden Engeln begleitete Tabernakel steht frei vor dem Hochaltar. Die Ausführung ist von den Werken der Bildhauer Johann Baptist Straub und Ignaz Günther inspiriert. Foto: Bieri 2023.
In die Nordarkade des Chor-Vorjochs ist der frühbarocke Gnadenaltar (1658/62) der 1786 abgebrochenen Wallfahrtskirche «Zu unserem Herrn im Elend» eingefügt. Er ist ein Werk von Constantin Pader. Mehr zu diesem Altar siehe im nebenstehenden Text. Foto: Bieri 2023.  
Kanzel , Kreuz, Kirchenpatron und Orgel
 
Am vierten südlichen Wandpfeiler ist die Kanzel angebracht. Ihr gegenüber hängt das grosse Kruzifix mit der Schmerzensmutter. Dieses Werk aus der Vorgängerkirche wird Tobias Baader zugeschrieben, der um die Mitte des 17. Jahrhunderts in München wirkt. Die Kanzel enthält Brüstungsfelder mit Gemälden von Br. Leander. Vielleicht deshalb wird ihre Erstellung in die spätbarocke Periode um 1730 verlegt, obwohl ihr kistenförmiger Bau und ihre Michaelsstatue auf dem Schalldeckel gegen diese späte Datierung sprechen. Foto: Bieri 2023.
 
Der Erzengel Michael ist Kirchenpatron von Attel. Im Oberstück des Hochaltars von 1731 stürzt er mit Schild und Flammenschwert den bockbeinigen Luzifer in die Tiefe. Auf dem Schalldeckel der Kanzel steht er beherrschend, mit Flammenschwert und Seelenwaage in den Händen, in bester hochbarocker Bildhauerqualität und kaum im gleichen Jahr 1731 geschaffen, wie es uns die Kirchenführer weismachen wollen. Er könnte noch aus der Vorgängerkirche stammen. Fotos: Bieri 2023.
Der Orgelbauer Anton Bayer, der die Orgel 1769 liefert, dürfte auch den Rokokoprospekt entworfen haben, was auch die einige Jahre später von Bayer für die Wallfahrtskirche im Elend gebaute Orgel (heute in Schwindkirchen) mit dem fast gleichen Prospekt bestätigt. Die beiden Prospekte sind noch erhalten. Mehr zur Orgel in Attel siehe im nebenstehenden Beschrieb. Foto: Bieri 2023.
Wandpfeileraltäre
Zur Lage dieser Seitenaltäre im Langhaus siehe den Grundrissplan der Kirche (oben). Die Nummerierung der Altäre entspricht diesem Plan (N=Nord. S= Süd). Alle Altäre sind Werke um 1715. Sie wirken wie Stuckmarmoraltäre. Zu ihrer Architektur siehe den nebenstehende Beschrieb. In fünf der acht Altäre werden zu klassizistischer Zeit die barocken Altarblätter ersetzt. Fotos: Bieri 2023.
 
Links: Rosenkranzaltar N5. Altarblatt der Rosenkranzspende von Br. Sebastian Zobl 1787. Mehr zu diesem Altar mit dem Rokoko-Predellaschrein unten.
Rechts: Kreuzaltar S5. Altarblatt der Kreuzigung (Maria Magdalena unter dem Kreuz) von Johann Degler 1719. Es ist eines der drei noch vorhandenen barocken Altarblättern.
Frontalansicht des Rosenkranzaltars mit dem späteren Rokokoschrein vor der Predella. Das Oberstück des Altarretabels erhält wahrscheinlich zur gleichen Zeit einen Baldachinaufsatz (hinter ihm ist noch das alte Oberblatt vorhanden). Mehr zum Predellaschrein der Immaculata siehe unten.
Der Schrein mit den beiden adorierenden Engeln in der Art von Ignaz Günther. Ihm wird eine bis vor wenigen Jahren noch im Schrein stehende Immaculata zugeschrieben. Sie ist heute durch eine interessante moderne Interpretation der Bildhauerin Elke Härtel ersetzt..
 
Links: Benediktusaltar N4, mit dem Altarblatt «Tod des hl. Benedikt», 1787 von Br. Sebastian Zobl.
Rechts: Josefsaltar S4 mit Altarblatt «Hl. Familie», 1787 von Br. Sebastian Zobl.
Das Altarpaar in Joch 3 zeigt noch das unveränderte Erscheinungsbild der Erbauungszeit und enthält noch die schon 1710 gelieferten Altarblätter von  Johann Baptist Untersteiner.
Links: Sebastiansaltar N3 mit Altarblatt «Glorie des hl. Sebastians».
Rechts: Floriansaltar S3, mit Altarblatt «Glorie des hl. Florian».
 
Das erste Altarpaar im zweiten Joch enthält in fast unveränderten Säulenretabel der Erbauungszeit  Altarblätter von 1792 des Malers Franz Nikolaus Streicher. Es sind schon deutlich klassizistisch geprägte Werke des Rokokomalers aus Trostberg.
Links: Katharinenaltar N2 mit Altarblatt «Enthauptung der hl. Katharina».
Rechts: Magdalenenaltar S2 mit Altarblatt der hl. Magdalena als Büsserin.
 
Das Altarblatt des Katharinenaltars wird von Philipp Maria Halm 1902 als einziges der acht Blätter mit dem Zusatz «Manierierte Zeichnung, aber gut in der Farbe» gelobt. Es hat die Enthauptung der hl. Katharina von Alexandrien zum Thema. Ihr Attribut, das zerbrochene Wagenrad, steht rechts unten. Der nun schon klar klassizistische Bildaufbau strahlt zwar grosse Ruhe aus, aber lässt die bewegte Dramatik des gleichen Themas im barocken Altarblatt von Knoller 1763 in Ettal vermissen. Links: Franz Nikolaus Streicher 1792. Rechts: Martin Knoller 1763. Anmerkung: Im vergrösserten Bild der Katharina von Attel ist unten als Vorstellbild die hl. Ursula von Köln (Pfeil, Krone) zu sehen.