Die Meister des Kloster- und Kirchenneubaus
von bis
1723 1726
1763 1766
1765 1768
1766 1768
1765 1769
1765 1767
1766 1767
   
1766 1767
1766 1770
1768 1768
1768 1770


Altomünster

Ehemaliges Birgitten-Doppelkloster mit Kirche St. Alto und St. Birgitta

 

Altomünster im Mittelalter

Die Konvente bis 1488
Die mittelalterlichen Ereignisse um das Kloster Altomünster stossen allgemein auf weniger Interesse als die Geschichte der 1496 erfolgten Neubesiedlung durch den Birgittenorden, obwohl Altomünster zu diesem Zeitpunkt eine schon 700-jährige Vergangenheit hat. Sie beginnt mit dem im 8. Jahrhundert am Ort wirkenden Alto. Bei der Zelle des schnell als Heiligen verehrten Einsiedlers soll der mächtige Adelsstamm der Huosi ein erstes Kloster errichtet haben, das aber nach den Ungarnstürmen 955 nicht mehr besteht. Noch im 10. Jahrhundert gründen die schwäbischen Welfen an der Wirkungsstätte des hl. Alto ein Benediktinerkloster. Der Klostername ist nun Altomünster, von lateinisch «monasterium S. Altonis» oder Kloster des hl. Alto. 1046 wechselt der Benediktinerkonvent von Altomünster in ein bestehendes Kloster auf dem Welfenstammsitz im schwäbischen Altdorf, während die dortigen Adelsdamen in das Kloster Altomünster ziehen. Die Benediktiner nennen ihren neuen Klostersitz Weingarten. Er erlebt schnell eine kulturelle Blüte und wird noch zur Stauferzeit eine der mächtigen freien Reichsabteien. Gleichzeitig bleibt Altomünster ein kleines, adeliges Frauenkloster ohne Bedeutung und ohne Geschichte. Zwar baut der Frauenkonvent noch im 13. Jahrhundert eine grosse spätromanische Basilika. Vom Wirken der adeligen Klosterfrauen in Altomünster ist wenig bekannt. Schon im 15. Jahrhundert ist ihr Kloster heruntergewirtschaftet und verlassen. 1488 löst es der Papst auf und überträgt den Besitz dem nordischen Birgittenorden für eine Neugründung.

Mehr zur Klostergeschichte vom 8. bis zum 15. Jahrhundert siehe im Anhang I

  Lage und Marktbildung
Altomünster liegt in der hügeligen Landschaft am Oberlauf der zur Donau zustrebenden Ilm. Nur zwei Wegstunden südöstlich, im Tal der Glonn, ist das 1120 gegründete Stift Indersdorf zu finden. Das nördlich gelegene Städtchen Aichach an der Paar ist drei Wegstunden entfernt. Die Lage Altomünsters abseits von wichtigen Verkehrswegen entspricht nicht der Regel der frühen Klostergründungen des 8. und 9. Jahrhunderts. Sie liegen meist an den schon zur Römerzeit bekannten Verkehrswegen. Die Gründung von Altomünster kann deshalb nicht mit der Verkehrsanbindung, sondern entsprechend der Überlieferung nur mit der Lage der Einsiedlerzelle des hl. Alto erklärt werden. Zwar könnte eine Altstrasse schon sehr früh Friedberg über Altomünster mit Indersdorf verbunden haben,[1] aber noch im 18. Jahrhundert liegt die Chaussée von München nach Aichach und Donauwörth eine halbe Wegstunde westlich. Noch weiter westlich, in einer Wegstunde Entfernung, verläuft bei Irchenbrunn die vielleicht römische Altstrasse von Wels nach Augsburg. In der beiliegenden topographischen Karte von 1812 sind diese Strassen markiert.
Im 13. Jahrhundert entsteht zu Füssen des Klosters ein kleiner Marktort. Eine Bestätigung des Marktrechts durch den Bayernherzog 1391 zeigt aber, dass die bestehenden Rechte der Klostergrundherrschaft nicht angetastet werden. Auseinandersetzungen der Marktbürger mit den Äbtissinnen sind damit vorprogrammiert. Zwar erreichen die Bürger die Selbstverwaltung, ihre wirkliche Selbständigkeit folgt aber erst Jahre nach der für den Ort wirtschaftlich verheerenden staatlichen Inbesitznahme des Klostereigentums von 1803.

«Topographischer Atlas vom Königreiche Baiern diesseits des Rhein» 1812, Blatt 69 Augsburg, Ausschnitt mit eingetragener Bistumsgrenze (blau gestrichelt) und mit hervorgehobenen Altstrassen und Chausséen des 18. Jahrhunderts in der Region Altomünster.
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek.
 

 

Altomünster als Birgitten-Doppelkloster

Die Neugründung 1496
Die Neubesiedlung Altomünsters ist ein Werk des Wolfgang von Sandizell zu Grosshausen und seines Dienstherrn, des in Landshut residierenden Wittelsbachers Georg von Bayern-Landshut, auch Herzog Georg der Reiche genannt. Dieser erwirbt 1487 die Grafschaft Oettingen-Wallerstein mit dem Birgittenkloster Maihingen. Hier haben Wolfgang von Sandizell und seine Ehefrau schon 1481 Aufnahme als Laienmitglieder gefunden. Wolfgang von Sandizell ist gleichzeitig auch im Dienste des Herzogs Georg tätig, hat schon 1485 in Rom die Stiftung eines neuen Birgittenklosters erreicht und ist 1488 wieder in Rom, um die Einkünfte von Altomünster für die Neugründung zu sichern. 1496 erklärt Herzog Georg in einem Stiftungsbrief, im Kloster des Alto ein Birgitten-Doppelkloster einzurichten und es dem Kloster Maihingen zu unterstellen. Er  bestätigt darin ausdrücklich die Übertragung aller Besitzungen der alten Klosterherrschaft Altomünster an die Birgitten.

Der Birgittenorden
Die Ordensregel des von der schwedischen Adeligen Birgitta 1346 gegründeten Ordens fordert nicht nur ein Doppelkloster im Verhältnis von 60 Nonnen («sorores») zu 25 Mönchen («fratres»), sondern auch eine absolute Trennung, die Klausur für die Nonnen und, protofeministisch anmutend, die Leitung des Gesamtkonventes durch die Äbtissin des Frauenkonvents.
Die von der Regel gewünschte Konventgrösse kann in Altomünster allerdings nie erreicht werden. Die Einnahmen hätten für den Unterhalt von 60 Nonnen auch nie gereicht. 1772 erreicht die Konventgrösse mit 46 Nonnen und 21 Mönchen den Höchstbestand. Das Konzept des Doppelklosters ist zu dieser Zeit in Altomünster an der Unvereinbarkeit mit dem Lebensgefühl des Barocks bereits gescheitert, wie die gleichzeitigen Ereignisse zeigen.

Mehr zum Birgittenorden im Anhang II

Das Birgitten-Doppelkloster Altomünster von 1497–1803
15 Frauen und 12 Männer, darunter fünf Patres aus Maihingen, bilden den Gründungskonvent. Unter der Leitung von Wolfgang von Sandizell werden bis zu ihrem Einzug 1497 die Kirche und die Konventgebäude für die neuen Ordensvorschriften hergerichtet. Für die Frauen lässt Sandizell nördlich der Kirche einen Neubau errichten. In das südliche alte Konventgeviert des ehemaligen Frauenklosters um den Altobrunnen ziehen die «Herren» ein.
Am Anfang des 16. Jahrhunderts sind die Konvente von Altomünster bereits unabhängig von Maihingen und können die Äbtissin und den Prior selbst wählen.
Wie alle bayerischen Klöster setzt sich auch in Altomünster dank der rigorosen Religionspolitik des herrschenden Wittelsbacher Herzogs Wilhelm IV. die Reformation nicht durch. Zwar ist der Aderlass vor allem im Männerkonvent gross. Der erst 1520 in Altomünster eingetretene Humanist Oekolampadius bekennt sich zu Luther und flieht 1522 nach Basel.[2] Neun Mitglieder des Männerkonvents und auch eine Nonne verlassen das Kloster. Eine einzige, offenbar belesene Nonne bleibt trotz ihrer Überzeugung im Kloster und stirbt nach über 40 Jahren Kerkerhaft 1566.
Altomünster im Bistum Freising sowie Marienforst und Marienbaum im Erzbistum Köln sind die einzigen Birgittenkloster im Alten Reich, die die Reformation überleben. Für den bis 1596 auf 26 Frauen gewachsenen Konvent wird schon 1589 bis 1593 anstelle des vor 100 Jahren gebauten Klosters nördlich der Kirche ein Neubau errichtet. Er lässt die Schuldenlast trotz der Förderung des Landesfürsten auf 12 000 Gulden steigen.

1653, kurz nach dem Ende des Dreissigjährigen Krieges, zeichnet der Benediktiner P. Gabriel Bucelin als Begleiter des Abtes von Weingarten auf der Reise zum Reichstag nach Regensburg die Vogelschau-Ansicht des Klosters Altomünster aus Westen. Bucelin ist ein genauer Beobachter, wie dies auch die rund vier Jahrzehnte später entstandene Wening-Vogelschau (unten) bestätigt. Bildquelle: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart.

Das Kloster ist um 1612 wieder schuldenfrei.[3] Dann trifft auch der Dreissigjährige Krieg die beiden Konvente von Altomünster hart. 1632 bis 1634 und nochmals 1648 flüchten die Frauen nach München. Das Kloster wird mit Ausnahme einiger Ökonomiegebäude nicht zerstört. Aber schon 1635 ist die Bevölkerung durch Pest und Hunger stark dezimiert. Ein Indiz der verzweifelten Lage ist die regierende Äbtissin Anna Mayr, die sich 1635 erhängt. Nach Friedensschluss zählt man wieder 52 Konventmitglieder, davon 39 Frauen.
Die bis Anfang des 18. Jahrhunderts ein halbes Jahrhundert andauernde Friedenszeit bedeutet auch für das Kloster Altomünster eine kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit. 1697 zählt der Konvent wieder 67 Mitglieder. Zu dieser Zeit werden erstmals grössere Einnahmenüberschüsse erwirtschaftet.

Die 1701 von Michael Wening veröffentlichte Vogelschau-Ansicht des Klosters Altomünster zeigt gegenüber der Bucelin-Ansicht ein neues Hofgebäude östlich des Frauenkonventes und das neue Mesnerhaus an der Kirchentreppe. In der Gesamtanlage des Klosters hat sich, wie der Lageplan zeigt, seither nur wenig verändert. Bildquelle: ETH Zürich.


Der Spanische Erbfolgekrieg, in den Kurfürst Max II. Emanuel sein Land hineinzieht, beendet die lange Friedenszeit 1702 abrupt. Nach dem Friedensschluss 1714 scheint sich die Klosterwirtschaft wieder erholt zu haben, was sich auch im Teil-Neubau des Herrenkonvents zeigt.
Schon 1740 trägt der nach der Kaiserkrone strebende Kurfürst Karl Albrecht wieder einen unnötigen Krieg nach Bayern. 1740/41 und 1742–1745 ist Kurbayern deshalb erneut von Österreich besetzt. Nach grossen finanziellen Belastungen durch Kriegskontributionen schreibt das Kloster am Kriegsende wieder rote Zahlen. Bis um 1760 hat es sich wieder einigermassen erholt. 1763 wagen Äbtissin und Prior den Neubau der grossen Klosterkirche, der 1767 fertig ist und 1773 geweiht wird. Die Endabrechnung lautet auf 43 368 Gulden.[4] Dank rigorosen Sparmassnahmen des leitenden und bauverantwortlichen Priors bleibt die Klosterrechnung trotz des Neubaus bis 1769 ausgeglichen. Erst durch die erneut steigende Zahl der Konventmitglieder, die inzwischen auf 70 gewachsen ist, werden 1770 Schulden in der Höhe von 2000 Gulden verzeichnet. Zu dieser Zeit beginnt auch eine offene Rebellion von 11 Patres und Laienbrüder gegen den Prior. Trotz Unterstützung durch den zunehmend klosterfeindlichen kurfürstlichen Geistlichen Rat wird die Rebellion 1774 nach Intervention des Fürstbischofs von Freising vorläufig beendet. Die Affäre wirf ein schlechtes Licht auf die geistlichen Mitglieder des Konvents, die den Streit 1784 nochmals neu aufleben lassen und den Kurfürsten Karl Theodor um Unterstützung bitten. Es muss ihnen bekannt sein, dass dieser im gleichen Jahr auch die ersten Klöster auflöst. Offenbar ist ihnen ihr Wohlergehen wichtiger als die inzwischen bereits bekannten Vorbereitungen zur Liquidation der Klöster. Jedenfalls beginnt der Verfall von Altomünster, der auch mit dem von den Beteiligten nicht mehr bewältigenden Doppelcharakter des Klosters zusammenhängt, spätestens zu diesem Zeitpunkt und schnell nach der Einweihung der letzten grossen Barockkirche in Bayern.

Säkularisation und Neubeginn
1803 wird die schon lange geplante Säkularisation auch in Altomünster durchgeführt. Der Gesamtkonvent zählt noch 50 Mitglieder, nämlich 27 Chorfrauen, 10 Schwestern, 9 Patres und 4 Laienbrüder. Seit 1802 halten sich zudem sechs aus München vertriebene Paulanerinnen im Frauenkonvent auf. Chorfrauen und Schwestern können vorläufig im Kloster verbleiben. Ihre Behausungen werden geschont. Hingegen wird das Herrenkloster mit der Bibliothek von den Aufhebungskommissären in der üblichen Weise geplündert. Die Kirche bleibt als Pfarrkirche bestehen. Ihre Unterhaltspflicht trägt jetzt der Staat. Mit Ausnahme der Frauenkonvent-Flügel kann bis 1806 aller Forst-, Landwirtschafts- und Gebäudebesitz des Klosters versteigert werden. Im Vergleich zu anderen Klöstern zerstören die Käufer wenig. Die Einrichtung einer Textilmanufaktur im ehemaligen Herrenkonvent scheitert und auch das Frauenkloster findet keinen Käufer.
1842 leben noch drei Frauen des aufgelösten Klosters in den alten Gebäuden. Obwohl bisher nur Frauenklöstern von Schulorden eine Wiedereinrichtung erlaubt wird, kann in diesem Jahr trotz seines rein kompletativen Zweckes auch Altomünster wieder besiedelt werden. Das Doppelkloster ist Vergangenheit und der Neuanfang ist als kompletatives Frauenkloster mangels Einnahmen und Besitz sehr schwierig. Trotzdem kann sich der neue Frauenkonvent halten und erreicht 1937 mit 56, nun generell als Schwestern bezeichneten Frauen einen neuen Höchststand. 2017 lebt nur noch eine Schwester im Kloster. In diesem Jahr wird das Kloster von den kirchlichen Obrigkeiten endgültig aufgelöst. Die Gebäude gehen in den Besitz der Diözese über. Sie will ein Nutzungskonzept ausarbeiten und «die Zukunft Altomünsters als einen kirchlichen Ort entwickeln».

 

Baugeschichte

Das 16. und 17. Jahrhundert

Frauenkonvent
Für den gewachsenen Frauenkonvent wird schon 1589 bis 1593 anstelle des 100 Jahre vorher gebauten Kloster nördlich der Kirche ein grosser Neubau errichtet.[5] Er verschlingt 16 000 Gulden[6] und lässt die Schuldenlast trotz der Förderung des Landesfürsten auf 12 000 Gulden steigen. Als Baumeister und Zimmermeister werden die Wessobrunner Christoph Schmuzer und Thoman Vogel genannt.[7]

Frühbarocker Kirchenumbau
Äbtissin Anna Diether und Prior Johannes Günther[8] beginnen 1613 mit dem frühbarocken Kirchenumbau. Von ihm zeugt der 23 Meter lange Chorneubau noch heute. Der Chor wird als Verlängerung und Erhöhung des spätromanischen Chors gebaut. Mit der neuen Stuckierung des alten Kirchenlanghauses ist der Umbau 1617 beendet. 1619 folgen noch die Neubauten des äussern Chorumgangs (nach 1869 abgebrochen) und der Sakristei. Zu diesem Kirchenumbau fehlen alle Quellen. Frühbarocke Stuckfragmente deuten auf einen weissen Innenraum.

Kloster- und Kirchenneubau im 18. Jahrhundert

Neubau des Herrenkonvents
1723 beginnen die Äbtissin Candida Schraivogl und der Prior Karl Schmidhammer mit dem dreigeschossigen Teilneubau des südlich der Kirche gelegenen Herrenkonvents. Neu gebaut werden der Südflügel, der talseitig viergeschossig in Erscheinung tritt, und der Ostflügel. Baumeister ist Johann Mayr aus München.[9] Auch für diesen Bau fehlen die Quellen. Den Abschluss der Bauarbeiten, eher nach drei als nach sechs Jahren,[10] bildet 1730 die Tausendjahr-Feier der legendären und vorgelegten Klostergründung.

Der letzte Kirchenneubau von Johann Michael Fischer
Seit 1758 regiert Äbtissin Viktoria Huber[11] Ihr steht seit 1760 als Prior Simon Böck zur Seite.[12] Sie beginnen 1763 mit dem gewagten Neubau der Klosterkirche. Für die Planungs- und Baumeisterarbeiten ziehen sie den inzwischen 71-jährigen Johann Michael Fischer aus München bei.[13] Der Kostenvoranschlag Fischers lautet auf 18 623 Gulden für den Rohbau.[14]
Massgebender und sachverständiger Partner seitens der Bauherrschaft ist der Prior. Grundsteinlegung ist am 7. Juni 1763. Als Palier wird Thomas Schmidt genannt. Nach einer Untersuchung des romanischen Frontturms wird Ende 1763 festgestellt, dass dieser wegen schlechter Bausubstanz ab dem ersten Geschoss neu aufgeführt werden muss. Anfang Mai 1765 richtet der Werktrupp von Zimmermeister Joseph Mahl[15] den Dachstuhl auf. Am 9. Mai 1766 stirbt Baumeister Fischer. Zu dieser Zeit sind alle gemauerten Gewölbe erstellt und auch die Hauptkuppel kann im Juni geschlossen werden. 1766 und 1767 erfolgen, mit Ausnahme der Arbeiten am Kirchturm und an der Fassade, die Ausbau- und Ausstattungsarbeiten. Die Baumeisterarbeiten übernimmt jetzt Baltasar Trischberger.[16] Ende 1767 ist die Ausstattung weitgehend fertiggestellt. Erst 1773 wird die Kirche geweiht.

Ausbau und Ausstattung 1765–1769
Nach drei Sommertätigkeiten des Werktrupps Fischer ist Ende 1765 der Innenraum weitgehend gewölbt. Für «Stukkatorbuben», im November auch für den Hochaltar erfolgen bereits Zahlungen. Altarbauer ist der Bildhauer Johann Baptist Straub aus München,[17] der bis 1769 für die Kirche acht Altäre entwirft und zum grossen Teil auch deren Bildhauerarbeiten ausführt. Im September 1766 werden die Altäre des Hochchors («Obere Kirche» oder Herrenchor) bereits hergeführt. Offenbar ist zu diesem Zeitpunkt die «Obere Kirche» von 1617 fertig stuckiert. 1766 beginnt auch der Augsburger Maler Joseph Mages mit den Gewölbefresken.[18] Er malt in diesem Jahr die drei Deckenbilder im Chor und wahrscheinlich das Kuppelbild der Beichtkirche in der unteren Ebene. Das grosse Kuppelfresko des Oktogons signiert er 1767. Mages ist auch Maler der meisten Altarblätter. Weitere Altarblätter malt Ignaz Baldauf aus Inchenhofen.[19] Zeitgleich mit Mages arbeitet 1766–1767 der Trupp des Wessobrunner Stuckateurs Jakob Rauch im Innenraum.[20] Rauch hat kurz zuvor die Klosterkirche Rott am Inn stuckiert und dürfte deshalb von Fischer empfohlen worden sein. Als weitere Meister des Innenausbaus werden Kunsthandwerker der näheren Region und des Ortes erwähnt. So ist der Dachauer Bildhauer Franz de Paula Arnoldt zwischen 1765–1770 Schöpfer aller Brüstungsgitter, auch von kleineren Altären, der grossen St. Alto-Statue in der Frontturmfassade und weiteren Holzschnitzerarbeiten.[21] Zwei Laienbrüder des Klosters, Br. Fortunat Strasser als Fassmaler und Br. Martin Ofner als Kunstschlosser gestalten den Innenraum massgebend mit.[22] Als Altarbauer in Zusammenarbeit mit Johann Baptist Straub nennt die Baurechnung von 1765-1767 mehrfach den Tischler Johann Mentele aus Rain am Lech.[23]

Nach 1803

Klostergebäude
Die zweihundertjährige Nutzung der beiden ehemaligen Klöster südlich und nördlich der Kirche nach 1803 ist nicht erforscht und nicht dokumentiert.
Mit Ausnahme von Abbrüchen der westlich vorgelagerten Ökonomieanbauten scheint aber der Frauenkloster-Komplex seit 1803 noch wenig verändert. Im Inneren ist die Gebäudegruppe stark sanierungsbedürftig, wie das erzbischöfliche Ordinariat als neuen Besitzer berichtet, denn seit Jahren fehle der Unterhalt – was aber auch bedeuten kann, dass bisher noch wenig zerstört ist. Die Bauten sind zurzeit aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Das ehemalige Herrenkloster ist seit der Aufhebung in Privatbesitz. Es hat im Äusseren dank einer sachgerechten Restaurierung die barocke Erscheinung bewahrt.[24]

Kirche
1986–1992 (aussen) und 1997–2003 (innen) wird die Kirche mit grossem Aufwand letztmals umfassend restauriert. Seither zeigt sich die Kirche im annähernden Erscheinungsbild von 1770. Annähernd deshalb, weil schon im barockfeindlichen 19. Jahrhundert irreversible Eingriffe in die Ausstattung der unteren Ebenen den Innenraum verändern. Vor allem die Zerstörung des unteren Hochaltars mit dem heutigen neoklassizistischen Ersatz von 1873 stört den früheren Zusammenhang. Weniger störend sind die vielbeschriebenen Änderungen durch die Beichtstuhleinbauten im Eingangsgeschoss.[25] Auffällig, allerdings mehr im Grundriss als an den durch Höfe versteckten Fassaden, sind die ebenfalls 1873 angebauten Strebepfeiler am Oktogon.[26] Vielfältig sind die Eingriffe des 19. und 20. Jahrhunderts in das Farbklima der Innenraumhülle. Bei einer Restaurierung 1928/30 wird versucht, den alten Zustand wiederherzustellen. Gelungen ist dies erst bei der letzten Restaurierung. Mit Ausnahme der übermalten Gemälde im oberen- oder Nonnenchor müssen die Gewölbefresken anlässlich dieser Restaurierung lediglich konservatorisch restauriert werden.

 

Architektur und Ausstattung der Klosterkirche

Eine gebaute Ordensregel
Als «unerhörte Leistung im Umsetzen kompliziertester funktionaler Vorgaben in eine Baugestalt» wird der letzte Bau von Johann Michael Fischer beschrieben.[27] Vitruv bezeichnet diese «ratio utilitatis» oder Zweckmässigkeit als die zweite der drei Säulen einer guten Architektur. In Altomünster entwirft und baut Fischer für die beidseits der Kirche liegenden Birgittenkonvente und für die Pfarrgemeinde eine Kirche, die von den Frauen im nördlich anschliessenden Konvent, aber auch für die Männer im gegenüberliegenden Kloster jederzeit erreicht und genutzt werden kann, ohne dass sich aber ihre Wege kreuzen, oder dass sie sich sehen oder gesehen werden. Nur Zelebranten und Prediger sind für Pfarrvolk, Mönche und Nonnen beim Gottesdienst sichtbar. Auch bauliche Vorgaben sind zu berücksichtigen. Der lange Chor und der Westturm müssen bestehen bleiben und geben die Gebäudelänge und die Arkadenbreiten vor. Auch die sechs Meter Höhenunterschied vom Turmeingang bis zum Bodenniveau des frühbarocken oberen Chors sind vorgegeben.
Wie bei vielen seiner grossen Kirchenbauten scheint Johann Michal Fischer durch solch einengende Vorgaben zu Höchstleistungen angespornt. Er erweitert in Altomünster die bei Klosterkirchen üblichen zwei Ebenen um eine dritte, der zweiten «Oberen Kirche». Die erste Ebene, die «Untere Kirche» besteht aus dem oktogonalen Gemeinderaum und dem in der Längsachse anschliessenden Quadrat der «Beichtkirche», die vielleicht auch als Raum des Männerkonvents für die Festgottesdienste und sicher auch dem Kommunionempfang dient. Daran schliesst der Rundchor der spätromanischen Vorgängerkirche mit dem unteren Hochaltar an. Die zweite Ebene, die «Obere Kirche» verbindet die Westempore mit dem «Herrenchor» des Frühbarocks. Hier befindet sich hinter dem oberen Hochaltar das Chorgestühl der «Herren». Die dritte Ebene oder die zweite «Obere Kirche», den Frauenchor, legt Fischer wie ein Brückenbogen über das Quadrat der «Beichtkirche». Die Frauen erhalten zum Frauenchor und zu den umlaufenden Gängen freien Zugang, ohne gesehen zu werden. Dies ist zwar nicht eine Erfindung Fischers, weil schon in der spätromanischen Birgittenkirche die Frauen in einer Empore über dem Mittelschiff hängen. Seine Lösung der in jeder Ebene umlaufenden Gängen mit Vergitterungen, wie sie in den nebenstehenden Grundrissen abgelesen werden können, ist aber singulär und mahnt an arabische Vorbilder, aber auch an die Logen in einem barocken Theater: Im Parterre das Volk, im ersten Rang die «Herren» und im zweiten Rang die Frauen. Die drei Ebenen sind in nebenstehenden Grundrissen verständlich ablesbar.

Die gebaute Form
Der Hauptraum der Kirche mit den logenartigen Umgängen ist ein Acht-Arkaden-Oktogon mit einer gewaltigen Kuppel. Fischer baut solche Arkadenräume 1736/46 in Aufhausen oder 1759/63 in Rott am Inn. In diesen Vorgängerbauten kann er durch den Verzicht auf seitliche Umgänge das Arkadenoktogon in grösserer Klarheit bauen. In Altomünster sind die Arkaden durch ein hohes umlaufendes Gebälk auf der Ebene des Frauenchors verklammert und mit dieser Betonung der Horizontalen zweigeschossig geteilt. Das stark auskragende Kranzgesims verstärkt Verklammerung und Trennung.
Diesem hohen oktogonalen Gemeinderaum mit der grossen kreisrunden (gemauerten) Hängekuppel gliedert Fischer ein eingezogenes, im Umriss quadratisches und nun zweigeschossiges Volumen an, das in der unteren Ebene als oktogonale Beichtkirche zum Gemeinderaum offen ist.[28] Auf dem Niveau des Oktogon-Gebälks legt er über den Beichtraum eine flache Rundkuppel, die den darüberliegenden Frauenchor wie eine Brücke trägt. Auch dieser obere Raum ist kuppelgewölbt. Aus ihm können die Frauen den Gottesdienst verfolgen.[29] Der einzige Zugang zum Frauenchor und zu den Umgängen bildet die Klausur des nördlich anschliessenden Frauenklosters.
Fortsetzung und Abschluss der «Unteren Kirche» bildet der spätromanische Chorbereich mit dem heute verschwundenen unteren Hochaltar in der apsidialen Rundung. Darüber setzt die Chorverlängerung von 1617 an. Hier, auf dem Niveau der «Oberen Kirche» liegt auch der Anschluss an die Bauten des südlichen Männerkonvents. Die romanisch-frühbarocke Mittelschiffs- und Chorbreite von 6,70 m benutzt Fischer als Mass-System für die orthogonal gestellten Pfeilerköpfe der Hauptarkaden im Gemeinderaum.  
Die gebaute Form wird von Vitruv mit «ratio venustatis» als dritte der drei Säulen einer guten Architektur bezeichnet und als erfüllt betrachtet, wenn der Anblick des Werkes angemessen und gefällig ist und wenn die einzelnen Glieder in den richtigen symmetrischen Verhältnisse stehen. In Altomünster vereinen sich diese raumkünstlerischen Ansprüche und die Zweckmässigkeit der gebauten Ordensregel zu «einer untrennbaren, einzigartigen und unübertroffenen Synthese».[30]

Fassade
Johann Michael Fischer gestaltet, aufbauend auf dem vorhandenen untersten Turmgeschoss, in Altomünster seine einzige Einturmfassade.[31] Bereits ihre beherrschende Lage weit über den Dächern des Ortes ist einzigartig. Sie ist über einen langen Treppenanstieg erreichbar. Der Turm ragt schlank in den Himmel und erreicht in der Höhe die Kirchenlänge von 63 Metern. Er wächst aus einer dreiteiligen Fassade. Ihr Mittelteil ist eine mit Doppelpilastern gefasste Segmentbogen-Ädikula, die der Turmfassade vorgestellt ist. Diese leitet mit eingerollten Voluten zu den zwei oberen Geschossen des feingliederigen Turmes über. Der Turm ist mit einer hohen, gestuften Zwiebelhaube mit Laterne gedeckt. Eine vergoldete, überlebensgrosse  Alto-Statue in der Nische des Ädikula-Mittelteils ist eine Replik der Figur von Arnoldt, die 1773 aufgestellt wird. Wahrscheinlich ist auch der Turm, der erst 1768 von Baumeister Trischberger und Zimmermeister Mahl fertig gestellt wird, noch von Fischer geplant.

Stuckaturen
Joseph Rauch ordnet seinen Stuck in die klare Tektonik Johann Michael Fischers ein. Nur an wenigen Stellen, wie etwa an den Scheitelpunkten der Arkadenbögen, überspielen die Stuckaturen die Linien der Architektur. Im Zusammenspiel der Stuckatur mit der Architektur ist bereits der kommende Klassizismus spürbar.[32] Rauch ist ein begnadeter Figuralplastiker. In Altomünster kann man dies an seinen Engels-Karyatiden ablesen, die das grosse Kuppelbild tragen. Auch die vier Gruppen von lebhaften Putti im Gebälkfries des Oktogons oder die Gestaltung aller Kapitelle mit dem Birgittinenkreuz in der Mitte und dem Engelskopf am Fuss sind Beispiele für seine hervorragenden Stuckplastiken am Ende des Barock.

Fresken
1766 und 1767 malt Joseph Mages die drei Deckenfresken in den Chorgewölben, das Rundfresko über dem Beichtraum, das grosse Kuppelgemälde des Oktogons, zwei Wandfresken im Beichtraum, auch mehrere Camaïeu-Bilder in die Stuckkartuschen von Joseph Rauch und die sechs (unzugänglichen) Deckenbilder im Nonnenchor.
Die Lage der für den Besucher sichtbaren Gewölbefresken ist in den nebenstehenden Grundrissen mit blauen Ziffern markiert.

F.1 Hauptfresko in der Oktogon-Rundkuppel des Gemeinderaums mit Themen aus der älteren Klosterüberlieferung (Fläche 117 Quadratmeter, Scheitelhöhe 18,6 Meter).
Ost : Georg der Reiche übergibt Altomünster den Birgitten, darüber, gegen die Kuppelmitte, der hl. Alto und Maria als Himmelskönigin, zu ihren Füssen die hl. Birgitta. In der Kuppelmitte die hl. Dreifaltigkeit.
Nordwest: Begegnung des hl. Alto mit dem Frankenkönig Pippin bei der Jagd.
West (Richtung Empore): Der Papst bestätigt, erhöht auf Rundstufen stehend, der hl. Birgitta die Ordensregeln. Die Szene ist rechts (nördlich) vom Engelssturz flankiert.
Südwest: Der hl. Florian stehend, neben ihm die hl. Joachim, Leonhard und Augustinus mit einer weiteren Gruppe von Heiligen. Sie blicken auf das Kloster Altomünster hinunter.
F.2 Gewölbefresko im Beichtraum.
Das Rundbild verbindet zwei terrestrische Szenen:
Nach Osten ist die Heilung des Gelähmten durch Jesus am Teich von Bethesda zu sehen, nach Westen gedreht ist das Quellwunder des hl. Alto mit der biblischen Szene in Verbindung gebracht.
 
Drei Gewölbefresken im frühbarocken Chorraum mit Darstellungen von Visionen
F.3  (Über dem Altarraum der «Unteren Kirche»): Johannes sieht auf Patmos das neue Jerusalem.
F.4    (Im Herrenchor vor dem Hochaltar): Das Jesuskind mit dem Kelch erscheint dem hl. Alto.
F.5 (Im Psallierchor hinter dem Hochaltar): Hostienvision der hl. Birgitta

Altäre
Erreicht der Besucher das Oktogon des Gemeinderaums, kann er die Altäre von drei Räumen der beiden «Unteren Kirchen» mit einem Blick erfassen. Kulminationspunkt bildet ursprünglich der vertikale Doppelaltar,[33] dessen im unteren Chor stehende Hälfte, der Tabernakel- oder Rosenkranzaltar, 1893 entfernt wird. Eine Folge von sechs schräggestellten Nebenaltären, vier in der unteren Kirche und zwei im erhöhten Herrenchor leiten den Blick zu den in der Tiefe und Höhe gestaffelten, aber optisch zusammengefassten beiden Hochaltären. Seit dem damals erfolgten Abbruch des Altars der unteren Kirche und seinem unglücklichen Ersatz durch eine neoklassizistische, horizontal trennende Retabelwand ist die barocke Schauwirkung nur noch erahnbar und nicht mehr wiederherstellbar.
Eine vor allem im Hochbarock beliebte Form der volkstümlichen religiösen Begeisterung hat hingegen in der Altarausstattung von Altomünster überlebt. Die Altarblätter der fünf Altäre von Chor und Beichtraum können versenkt oder entfernt werden, um an gewissen Feiertagen einen stehenden «Heiligen Leib» den Gläubigen zu zeigen.[34] Auch die beiden Altäre des Hauptraumes enthalten «Heilige Leiber», diese liegen aber dauerhaft sichtbar über der Mensa.
Alle sieben noch bestehenden Altarretabel sind Entwürfe von Johann Baptist Straub, die Bildhauerarbeiten sind Arbeiten seiner Werkstatt.
Beim Hochaltar greift Straub in der Anlage auf ein frühes Werk, den zweigeschossigen Hochaltar von Fürstenzell (1741/45) zurück, ohne dass er aber die damalige spätbarocke Virtuosität erreicht. Auch die Seitenaltäre der oberen Kirche und die beiden Altäre der Beichtkirche erreichen die Qualität seiner früheren Rokokoretabel (etwa in Diessen) nicht. Hingegen zeigen die reinen Bildhaueraltäre im Oktogon (Gemeinderaum) noch einmal die grosse Gestaltungskraft des Meisters.
Für den Kurzbeschrieb der Altäre und für ihre Lage siehe die nebenstehenden Erläuterungen in den Grundrissen.

Weitere Ausstattungen
Kanzel
«In keinem Arkaden-Oktogon Fischers findet die Kanzel ihren angemessenen Platz».[35] Diese Feststellung trifft auch für die Kanzel von Altomünster zu. Sie hängt am epistelseitigen Pfeiler der Arkadenöffnung zur Beichtkirche beim Alto-Altar. Auch sie dürfte ein Werk Straubs sein, obwohl sie wegen ihrer einfacheren Gestaltung in den Werklisten des Bildhauers negiert wird. Die Kanzel wird vom Umgang der ersten oberen Kirche erreicht und fügt sich trotz ihrer für den Raum nicht idealen Lage gut ein. Auch sie wird schon 1814 in ihrer Fassung verändert.

Brüstungsgitter
Die weiss (weiss-blau) und gold gefassten Holzvergitterungen der Brüstungen aller Umgänge und Emporen sind raumbestimmende Rokokoschnitzereien des Bildhauers Arnoldt.

Beichtstühle
Die sechs Rokokobeichtstühle, welche Beichtkirche und Oktogon seitlich gegen den Erdgeschossumgang abschliessen, sind spätestens 1815 an der heutigen Stelle vorhanden.[36] Sie sollen aber nach älterer Literatur nicht aus der Klosterzeit stammen, was ihre heutige Gestaltung in das Neo-Rokoko vom Anfang des 20. Jahrhunderts verweist. Sicher aus der Klosterzeit stammen die beiden in den Westnischen der Beichtkirche befindlichen Beichtgitter mit dem rückwärtigen Raum für den Priester.

Orgel
Die Orgel, die sich in ihrer Grösse mit der Nische im westlichen Arkadenbogen der oberen Kirche nicht verträgt, stammt als Säkularisationsgut aus dem Kloster Taxa und wird 1802 erworben. Die Orgelmusik spielt bei den Birgitten eine völlig untergeordnete Rolle, was auch das Fehlen einer genügend grossen Orgelempore erklärt. Heute ist in der Nische nur noch der damals angepasste Gehäuseprospekt der Orgel von Franz Michael König vorhanden, die der Ingolstädter Orgelbauer 1760 in Taxa aufbaut. Das 1802 nach Altomünster überführte Werk (I/P/12) ist seither mehrfach neu gebaut worden

Pius Bieri 2023

Literatur

Bezold, Gustav von; Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern, 1. Teil. München 1895.

Lieb, Norbert: Altomünsters Bau- und Raumkunst und ihr birgittinisches Wesen, in: Festschrift Altomünster, Aichach 1973.
Stutzer, Dietmar: Die letzten Jahrzehnte des Birgittinerklosters Altomünster, in «Amperland» 1979.
Peter, Franz: Fischers Bauwerke, in: Johann Michael Fischer 1692–1766, Ausstellungskatalog Band I, Tübingen 1995
Weiermann, Hebert: Das Arkadenoktogon bei Johann Michael Fischer, in: Johann Michael Fischer 1692–1766, Ausstellungskatalog Band I, Tübingen 1995.
Staatl. Hochbauamt Freising (Hrsg.): Pfarr- und Klosterkirche Altomünster. Dokumentation der Innenrestaurierung 1995–2003. Freising 2003.
Mit den Beiträgen:
Heising, Alexander: Zur Baugeschichte und kunsthistorischen Bedeutung der Kloster- und Pfarrkirche.
Mittelstrass Tilman: Die jüngsten archäologischen Untersuchungen zur Baugeschichte.
Gerhard Mertl / Wolfgang Vogl: Die Schritte der Restaurierung.
Klaus Kratzsch: Zur Innenrestaurierung der Pfarr- und Klosterkirche.
Bachauer, Wolf (Pfarrer): Altomünster, Pfarr- und Klosterkirche St. Alto und Birgitta. Lindenberg 2015.
Liebhart, Wilhelm: Kloster Altomünster, Geschichte und Gegenwart. Sankt Ottilien 2021.

Web

The Warburg Institute Iconographic Database
https://iconographic.warburg.sas.ac.uk/ (Fotosammlung der Fresken und Altarblätter)

Wikipedia-Beitrag zur Klosterkirche Altomünster (mit guten Innenaufnahmen)
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Alto_und_St._Birgitta_(Altomünster)
Wikipedia-Beitrag zum Kloster Altomünster
https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Altomünster
Sammlung von Handschriften, Urkunden und Beschreibungen zum Kloster Altomünster
https://de.wikisource.org/wiki/Kloster_Altomünster

Kirchen und Kapellen im Dachauer Land
http://kirchenundkapellen.de/kirchenab/altomuenster-klk.php
(Ausführliche Beschreibung des Klosters Altomünster in der Webseite von Hans Schertl)

Anmerkungen:

[1] Eine neuere Vermutung gilt einer Altstrasse von Friedberg nach Altomünster und Indersdorf, welche die angebliche Römerstrasse bei Irchenbrunn kreuzt.
Siehe «Amperland» 2001 unter https://www.zeitschrift-amperland.de/download_pdf.php?id=1431
Allerdings könnte dies auch eine erst im Mittelalter gebaute Strasse sein, die das neue Kloster erschliesst. Der Begriff «Römerstrasse» ist bei diesen Altstrassen der Region vorsichtig zu interpretieren. Sie sind nicht in den bekannten Verzeichnissen römischer Strassen enthalten.

[2] Zu Johannes Husgen oder Oekolampad (1482–1531) siehe https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010779/2010-09-14/

[3] Anna Diether ist 1604–1618 Äbtissin, Johannes Günther ist 1607–1625 Prior. Beide gelten als Reformatoren im Sinne des Tridentinum.

[4] Die Baukosten betragen 1767 nach der Fertigstellung 35 770 Gulden. Bis 1771 kommen nochmals 7598 Gulden für kleinere Arbeiten und Schlusszahlungen (Rechnungen nur rund 2100 Gulden) hinzu. Die Endabrechnung beträgt 43 368 Gulden. Zur Übersicht hier die jährlichen Zahlungen (gerundet, in Gulden):

[5] Es ist sicher nicht nur ein «schöner und ansehnlicher Bau im Schwestern-Konvent», wie dies noch heute repetiert wird, sondern nur schon aufgrund der Kosten eher ein neubauähnlicher und wahrscheinlich grösserer Umbau des 100 Jahre alten Frauenklosters, wie dies 1653 Bucelin zeichnet. Für die Kostenüberschreitungen dient wie üblich die Äbtissin als Sündenbock, seit 1582 ist dies Anna Preuss.

[6] Kosten nach Gandersdorfer (1830). Lamprecht (1995) nennt «über 11 000 Gulden». Er bezeichnet den zweigeschossigen Ostflügel als diesen Neubau. Dessen Kubikmeterpreis von 1,0-1,2 Gulden würde damit dem Doppelten aller untersuchten zweigeschossigen Konventbauten entsprechen. Noch 100 Jahre später baut Peter Thumb die grössere, dreigeschossige Konventanlage in Schwarzach am Rhein für 13 000 Gulden Akkordpauschale.

[7] Christoph Schmuzer (1561–1647) ist Mauermeister des Klosters Wessobrunn. Von Zimmermeister Thoman Vogel aus Wessobrunn sind keine Lebensdaten bekannt.

[8] Anna Diether ist 1604–1618 Äbtissin, Johannes Günther ist 1607–1625 Prior. Beide gelten als Reformatoren im Sinne des Tridentinum.

[9] Johann Mayr (1677–1731) aus Au bei Aibling. 1699 Stadtmaurermeister in München. Er ist Stiefvater der Baumeister Johann Baptist und Ignaz Anton Gunetzrhainer. Mayr ist vor dem Neubau in Altomünster Baumeister der Klosteranlage des Chorherrenstifts Schlehdorf am Kochelsee, wo er den 1717 eingetroffenen Johann Michael Fischer bis um 1722 als Palier einsetzt. 1723 erlangt Fischer in München die Meistergerechtigkeit. Die Zusammenarbeit Mayrs mit seinem Stiefsohn, dem inzwischen kurfürstlichen Hofmaurermeister Johann Baptist Gunetzrhainer und mit Johann Michael Fischer ist auch für Schloss Lichtenberg 1723 und für die Pfarrkirche Schärding 1725 nachgewiesen. In Altomünster wirkt Fischer aber erst ab 1763.

[10] In älteren Chroniken werden realistische drei Jahre Bauzeit genannt, in jüngeren unrealistische sechs Jahre (bis 1729). Dies dürfte damit zusammenhängen, dass im ersten Fall der Bezug der beiden Wohnflügel, im zweiten aber die letzten Ausbauarbeiten genannt sind.

[11] Viktoria Huber (1719–1790) aus Altomünster, Tochter des Klosterförsters. Sie regiert Altomünster 1758–1790.

[12] P. Simon Böck (1712–1796) aus Landsberg am Lech. Studium in Dillingen. Priesterweihe 1733. Eintritt in Altomünster erst 1740. Prior in Altomünster 1760–1796. Er ist treibende und leitende Kraft des Kirchenneubaus. Seine grosse Leistung wäre mit Rücksicht auf die Ordensregel, nach der nur die Äbtissin entscheiden darf, unmöglich durchführbar gewesen. Eine interne Rebellion gegen seine Führung deckt die Schwächen dieser zur Barockzeit längst nicht mehr zeitgemässen Ordensregel auf.

[13] Johann Michael Fischer (1692–1766) aus Burglengenfeld, Baumeister («Maurermeister») seit 1723 in München, wo er als Palier bis 1723 bei Johann Mayr (Anmerkung 10) tätig ist. Fischer hat soeben die Benediktiner-Abteikirche Rott am Inn fertiggestellt. Für diese hat er noch 1759 eine Akkordpauschale von 13 000 Gulden vereinbart, in Altomünster lautet der Akkord auf 100 Gulden jährliche Pauschale, was heisst, dass die Bauherrschaft das Kostenrisiko übernimmt. Mehr zu Johann Michael Fischer siehe in der Biografie dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Fischer_Muenchen.html

[14] Kostenvoranschlag vom 6. April 1763 für Abbruch-, Maurer-, Steinhauer-, Schlosser-, Zimmerarbeiten, aber ohne Fuhrlöhne.

[15] Joseph Mahl († 1778), Zimmermeister aus München. Er arbeitet mit seinem Werktrupp nochmals 1768 für den Turm, nun mit dem Fischer-Nachfolger Trischberger.

[16] Balthasar Trischberger (1721–1777) aus Reichersbeuern. Er erwirbt 1759 die Meistergerechtigkeit in München. In Altomünster ist er noch bis 1768 beschäftigt. Die Turm-Obergeschosse sind sein Werk.

[17] Johann Baptist Straub (1704–1784) aus Wiesensteig. Hofbildhauer in München seit 1737. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Straub_Johann_Baptist.html

[18] Joseph Mages (1728–1769) aus Imst im Tirol, Maler und Freskant in Augsburg. Fresken 1756 in Dasing, 1759 in Ebersmunster, 1765 in Häder, 1766–1767 in Altomünster, 1768 beginnt er mit den Gewölbefresken in Oberschönenfeld, die dann nach seinem frühen Tod Joseph Anton Huber fertigstellt. Mages ist auch Maler von Altarblättern (Ottobeuren, Violau, St. Paul im Lavanttal u.a.). Die Erstellung des Gewölbefreskos im Beichtraum der «Unteren Kirche» wird an anderer Stelle mit 1767 datiert, gleichzeitig mit der Oktogon-Kuppel (Zahlungen an Mages: Für 1766 = 700 Gulden, für 1767 = 1000 Gulden).

[19] Ignaz Baldauf (1715–1795) aus Inchenhofen. Er ist Freskant und Maler von Altarblättern. Zu ihm siehe den Beitrag von Max Gruber in «Amperland» unter https://www.zeitschrift-amperland.de/download.php?id=117

[20] Joseph Rauch (1718–nach 1785) aus Unterpeissenberg. Er ist wichtigster Mitarbeiter von Franz Xaver I Feichtmayr. 1763 übernimmt er dessen Werkstatt. Er erstellt zu dieser Zeit die Stuckaturen der Fischer-Kirche von Rott am Inn. Die Empfehlung für Altomünster erfolgt wahrscheinlich durch Fischer. Der Akkord (1766) lautet auf 1150 Gulden. Altomünster ist das letzte Werk Rauchs, der sich mit dem beginnenden Klassizismus nicht mehr befreunden kann.

[21] Franz de Paula Arnoldt (1724–1785) aus Hall im Tirol, 1749 Einheirat und Bildhauergerechtigkeit in Dachau.

[22] Von Ihnen ist trotz des grossen Umfangs ihrer Arbeiten wenig bekannt. Br. Fortunat Strasser (1734–1812) verdanken wir die Farb- und Goldfassungen aller Altäre und der Gitter, die seit 2003 wieder freigelegt sind. Von Br. Martin Ofner (1718–1796) stammen die Apostelleuchter und das Vorraum-Gitter unter der Empore. Der Beitrag des Matthias Veigele als Bildhauer für das Kloster (er ist kein Laienbruder, seine Lebensdaten sind nicht bekannt) ist bekannt, dass er 1768 die Wangen des Chorgestühls für 25 Gulden ausführt. Dies erstaunt, denn die Holzschnitzarbeiten der Kirchenbänke sollen ein Werk des offenbar universellen Martin Ofner sein.

[23] Auch von Johann Mentele sind keine Lebensdaten bekannt. Er wird für die Jahre 1765–1767 mit 1042 Gulden entschädigt. Seine Mitarbeit an den Altären Straubs ist demnach erheblich.

[24] Eine Dokumentation, falls vorhanden, ist nicht veröffentlicht. Pläne fehlen.

[25] Diese Änderungen, bei Norbert Lieb (1973) umständlich beschrieben, können nicht nachvollzogen werden. Der erste und gleichzeitig das Bauwerk korrekt erfassende Plan des Zimmermeisters Franz Xaver Hager von 1815 zeigt bereits die heutigen Beichtstuhlanordnungen.

[26] Erstaunlich ist, dass diese den Oktogon-Grundriss dominierenden äusseren Strebepfeiler von 1873 in keiner kunstgeschichtlichen Abhandlung auch nur beachtet werden. Noch 1995 vermutet Franz Peter, dass die «dem Oktogon ein seltsam mittelalterliches Aussehen» verleitenden Strebepfeiler möglicherweise nicht von Johann Michael Fischer, sondern von seinem Nachfolger Balthasar Tirschberger stammen. Wären Peter und anderen Kunsthistorikern der Aufnahmeplan des Zimmermeisters Hagn von 1815 bekannt gewesen, hätte vielleicht auch die Diskussion um masslich korrekte Veröffentlichungspläne früher eingesetzt. Aber bis zur Restaurierungsdokumentation 2003 ruht der vorbildliche Plan von 1815 unbeachtet in den Archiven des Bauamtes Freising.

[27] Franz Peter im Ausstellungskatalog Johann Michael Fischer 1995.

[28] Der Name wird von den seitlichen Beichtstühlen abgeleitet. Der Raum ist erweiterter Gottesdienstraum (für den Konvent bei Festgottesdiensten?). Er dient auch dem Kommunionempfang, wie die Bankabgrenzungen zum Unteren Chor zeigen.

[29] Der Frauenchor weist ebenfalls Fresken auf. Auf sie wird hier wegen der Unzugänglichkeit dieser Ebene nicht eingegangen.

[30] Alexander Heisig in «Dokumentation der Innenrestaurierung».

[31] Die bekannten Fassaden von Johann Michael Fischer sind entweder Zweiturmfassaden oder entbehren des Turms. Die Fronttürme von Schärding und Bergkirchen sind ältere, vorgestellte Türme. In Aufhausen ist der Turm an den Chorscheitel gebaut.

[32] Zwei Jahre später folgt das berühmte kurfürstliche Mandat vom 4. Oktober 1770, das für Landkirchen eine «edle Simplizität» fordert und das Anbringen aller «lächerlichen» Zierarten verbietet. Es bedeutet das verordnete Ende des Rokoko-Stucks.

[33] Der vertikale Doppelaltar ist vor allem in Wallfahrtskirchen wie der Wies (1749/50), Maria Steinbach an der Iller (1760) oder Vilgertshofen (1718/21) anzutreffen. In diesen Beispielen sind die beiden Retabel zwar in der Tiefe gestapelt, aber das Retabel des vorderen (unteren) Altars bildet den Rahmen. In Andechs (1751/54) ist die Tiefenstapelung geringer als in Altomünster, aber die Anlage ist vergleichbar.

[34] Das Phänomen der Heiligen Leiber beginnt um 1578 mit der Entdeckung einer grossen Anzahl von Katakomben in Rom. In der irrigen Ansicht, dass die Katakomben Zufluchts- und Begräbnisstätten der verfolgten ersten Christen seien, werden die aufgefunden menschlichen Überreste als Märtyrer identifiziert. Die Reliquien werden im 17. und 18. Jahrhundert zu Tausenden aus Rom über die Alpen an Klöster und katholische Pfarrkirchen weitergeleitet. Schon in Rom wird den unbekannten vermeintlichen Heiligen aus den Katakomben ein Name gegeben. Wie in Altomünster werden die «Heiligen Leiber» von Klosterfrauen kostbar gekleidet. Ihre Übertragungen auf die Altäre, die «Translationen» und die damit verbundenen Prozessionen sind immer ein gross inszeniertes barockes Schauspiel, das vielfach auch graphisch dokumentiert wird. Der Kult um die Katakombenheiligen endet mit dem Barock. Mehr dazu am Beispiel Waldsassen unter https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2018/5/Waldsassen-HeiligeLeiber.php.

[35] Franz Peter im Ausstellungskatalog Johann Michael Fischer 1995.

[36] Planaufnahme Franz Xaver Hager 1815. Über die Entstehungszeit der heutigen Beichtstühle schweigt sich die Bauforschung aus. Sie weisen alle Merkmale des Neo-Rokoko um 1900 auf.





Altäre des Beichtraums der unteren Kirche (unter der Frauenempore)

Die Retabel beider Altäre füllen die schmalen Diagonalarkaden auch in der Höhe aus. Sie sind elegante Spätrokokoretabel, wahrscheinlich nicht von Johann Baptist Straub, mit nur wenig bildhauerischem Schmuck. Die auf Konsolen des Retabels stehenden Apostelfiguren aus dem Zyklus von Straub sind im Verhältnis zu den Retabeln zu wuchtig.

   

Links: Der nördliche Diagonalaltar im Beichtraum wird als Wendelinsaltar [2.2] bezeichnet. Das Altarpatrozinium ist aber im Altarblatt nicht ablesbar. Dieses, von Joseph Mages 1768 geschaffen, zeigt im Zentrum aber nicht den Viehpatron Wendelin, sondern den feuerlöschenden hl. Florian im roten Rock. Vor ihm steht der hl. Leonhard mit Krummstab und Kette. Als Wendelin wird im aktuellen Kirchenführer der betende Würdenträger mit Krummstab im Hintergrund beschrieben, während der bei Florian sitzende Hirte (Kreuz in der Hand, nach unten zu den Tieren weisend) der römische Heerführer Donatus sein soll! Im Oberblatt der reuige Schächer Dismas. Auch dieser Altar ist ein Wechselaltar. Das Altarblatt kann für den «Heiligen Leib» des Alexander entfernt werden. Die beiden seitlichen, übergrossen Apostel Bartholomäus und Philippus sind Bestandteil des Apostelzyklus von Johann Baptist Straub. Foto: Bieri 2023..

Rechts: Der südliche Beichtraum-Diagonalaltar der Hl. Sippe hat wie der Wendelinsaltar ein feines Rokokoretabel, dem mit Matthäus und Andreas zwei weitere übergrosse Apostel des Straub-Zyklus beigegeben sind. Im Altarblatt malt Joseph Mages 1768 die Hl. Familie in Gesellschaft von Zacharias, Elisabeth, den Eltern Anna und Joachim und sogar von Johannes dem Täufer als Kind. Im Oberblatt malt er Maria Magdalena. Das Altarblatt kann für den «Heiligen Leib» des Maximianus entfernt werden. Foto: Bieri 2023.

         

Altäre des Gemeinderaums im Oktogon

Die Retabel der beiden grossen Diagonalarkaden-Altäre im oktogonalen Kuppelraum sind Bildhauerarbeiten von Johann Baptist Straub um 1768/70. Sie sind baugleich. Beide enthalten anstelle des Altarblattes Reliefdarstellungen mit einer goldenen Gloriole um eine hinterlichtete Mitte, deren Öffnung auch der Beobachtung aus der dahinterliegenden Herrenempore dient. Über dem Retabelgebälk tragen Engel, durch ein Okuli hell hinterleuchtet, eine goldene Krone. In der Predella sind liegende «Heilige Leiber» eingelassen. Wieder stehen beidseits des Retabels Apostel aus dem Zyklus, nun aber im ausgewogenen Grössenverhältnis.

   

 





Links: Augustinusaltar [2.4]. In diesem nördlichen Diagonalaltar ist im Relief der hl. Augustinus unter der Gloriole mit seinem Attribut, dem flammenden Herz zu sehen. Beidseits stehen die Apostel Jakobus der Jüngere und Thomas. Über der Mensa liegt der «Heilige Leib» des Sebastianus. Foto: Bieri 2023.

Rechts: Alto-Altar [2.5]. Im Retabel-Relief des südlichen Diagonalaltars kniet der hl. Alto vor der Erscheinung des Jesuskindes im Kelch, einer auch im Chorfresko wiederholten Legende der Alto-Vita. Der Kelch mit dem Jesuskind ist in der Gloriole dargestellt. Über der Mensa liegt der «Heilige Leib» des Maximilian, eines der sieben Katakombenheiligen in den Altären. Die beidseitigen Apostelfiguren sind Simon und Judas Thaddäus. Zur Kanzel beim Alto-Altar siehe den Beschrieb unten. Foto: Bieri 2023.

         

Kanzel und Eingangsgitter

   
Bild 1 und  2: Die Kanzel hängt am epistelseitigen Pfeiler der Arkadenöffnung zur Beichtkirche beim Alto-Altar. Auch sie dürfte ein Werk Straubs sein, obwohl sie wegen ihrer einfacheren Gestaltung in den Werklisten des Bildhauers negiert wird. Die Kanzel wird vom Umgang der ersten oberen Kirche erreicht. Am Kanzelkorb sind die vier Evangelisten durch ihre Attribute vertreten. Putti halten den Text ihres Weihnachtsevangeliums.
Fotos: Bieri 2023.
Bild 3: Der Klosterbruder Martin Ofner ist Schöpfer des Eingangsgitters, das den Kirchenraum vom Eingangsraum abtrennt (und unter der Woche verschlossen bleibt). Foto: G. Freihalter 2012 in Wikipedia.
Anmerkung: «GFreihalter» hat in der Wikipedia viele gute Architekturaufnahmen unter «creative commons» (CC) hochgeladen, von denen ich einige hier verwendet habe.

 

 

 



Ehemaliges Birgitten-Doppelkloster mit Kirche St. Alto und St. Birgitta in Altomünster
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Altomünster Kurfürstentum Bayern
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Freising Kloster 1723
Kirche 1763
Bauherr und Bauträger der Barockzeit
Äbtissin Rosa Kögl (reg. 1715–1745)
Prior Karl Schmidhammer (reg. 1701–1724)
Äbtissin Victoria Huber (reg. 1758–1790)
Prior Simon II. Böck (reg. 1760–1796)
Die Kuppelzone des oktogonalen Gemeinderaums. Das Kuppelfresko von Joseph Mages (1767) enthält Themen der Klosterüberlieferung. Foto: Bieri 2023.
Ostansicht der Kirche, der Sakristei und des Ostflügels des Herrenkonvents. Foto: Bieri 2023.
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Altomünster in den «Baierischen Landtafeln» 1568 von Philipp Apian. Das Kloster liegt in der Bildmitte. Der Bildausschnitt kann in der Vergrösserung mit dem links im nebenstehenden Text eingefügten topographischen Atlas 1812 verglichen werden.
Bildquelle: Bayerische Staatsbibliothek.
Lageplan von Altomünster mit dem Gebäudebestand um 1800. In der Vergrösserung (anklicken!) sind alle Gebäude mit ihrer Zweckbestimmung am Ende des 18. Jahrhunderts beschrieben. Die alte Klosteranlage ist im Wesentlichen bis heute erhalten. Abgebrochene oder stark veränderte Gebäude im Klosterareal sind gestrichelt umfasst und farblich heller belegt. Neue Gebäude im Klosterareal sind rot eingetragen.
Kirche und Kloster aussen
In beherrschender Lage über dem Klosterort wird 1768 nach Plänen von Johann Michael Fischer der schlank in den Himmel ragende, 63 Meter hohe Frontturm gebaut. Er ruht auf dem mittelalterlichen Turmuntergeschoss. Der Fassade ist mittig eine mit Doppelpilastern gefasste Segmentbogen-Ädikula  vorgestellt. Foto: Renardo la vulpo 2016 in Wikipedia.
Ostansicht mit dem 1613/1617 gebauten Chor und dem Nordrisalit des 1723/26 gebauten Herren-Westflügels (links). Für die Gesamtansicht dieses Westflügels siehe die Vergrösserung des obersten Bildes.
Foto: Bieri 2009.
   
Drei grosse barocke Fassadenstatuen sind in Nischen der Aussenfassaden angebracht: An der Westfassade des Herrenkonvents die hl. Birgitta und die hl. Katharina von Schweden, an der Turm-Westfassade der hl. Alto. Die Fotos der hl. Birgitta (Warburg Institute UK) und des hl. Alto (Bieri 2023) hier in starker Untersicht. Die hl. Katharina von Schweden (Foto Bieri 2023) ist Tochter der Ordensgründerin Birgitta und wie diese in der Ordenstracht dargestellt. Ihre Attribute sind Buch, Lilie und Hirsch. Die Attribute der hl. Birgitta sind Buch und Kreuz.
Ansicht des dreigeschossigen Herrenkonvent-Südflügels von 1723/26. Foto: Bieri 2023.
 
Zwei Bauten des Klosters ausserhalb der Klostermauern: Das Mesnerhaus (5.3) von 1692 und das Klosterrichterhaus (5.6), beide aus Süden aufgenommen. Foto: Bieri 2023.
Die Kirche
Grundriss der romanischen Kirche (gelb) über dem Erdgeschossgrundriss der Kirche von Johann Michael Fischer (blau).
Planzeichnung der drei Ebenen der Kirche und des entsprechenden Längsschnittes. Die Bauteile der Vorgängerkirche sind schwarz, diejenigen der Kirche von Johann Michael Fischer blau angelegt. Die drei Grundriss-Ebenen sind hellgelb, die im Text beschriebenen Deckenfresken der Ebenen hellblau hervorgehoben. Der Plan muss vergrössert werden, um ihn zu verstehen und den Beschrieb der Ausstattung einzusehen. Zeichnung: Bieri 2023.
Der Innenraum.
Überblick von der Orgelempore des Mittelraums zum Beichtraum und zum unteren Chor. Im Vordergrund die beiden Altäre des Gemeinderaums (Mittelraum, Oktogon), darüber der geschlossene Nonnenchor der zweiten «oberen Kirche» unter dem Kuppelfresko. Foto: Guenter Eger 2017.
Die gleiche Blickrichtung aus dem Eingangsbereich des Gemeinderaums der «unteren Kirche».
Die durchgehende Bankanordnung ohne Mittelgang ist für eine barocke Wegkirche eher selten. Sie soll aber ursprünglich sein.
Foto: Bieri 2023.
Einblick vom Beichtraum in den unteren und oberen Chor. Im oberen «Herrenchor» stehen noch die drei alten Altäre. Der barocke Hochaltar des untern- oder Gemeindechors muss 1873 dem heutigen  neoklassizistischen Ersatz weichen, der mit seinem weiss-goldenen Abschluss die Rundung am Ende des unteren Chors einnimmt. Diese Rundung entspricht dem Chorabschluss der romanischen Kirche.
Foto: Bieri 2023.
Die Westseite des oktogonalen Gemeinderaums mit Eingang, Orgelempore auf Herrenchorebene und Umgang der zweiten «oberen Kirche» auf der Frauenchorebene.
Foto: Mtag 2012 in Wikipedia.
Die Gewölbefresken
 Das Kuppelfresko des Oktogons. Ausschnitt aus dem Titelfoto, das dort entsprechend dem Grundriss nordorientiert ist. Hier ist es in Blickrichtung Ost zum Chor gedreht. Joseph Mages signiert dieses Fresko 1767. Um die lichte Mitte mit der Dreifaltigkeit malt er Heilige des Birgittenordens auf Wolkenbändern über vier terrestrischen Szenen. In Ostrichtung (unten) übergibt Georg der Reiche Altomünster den Birgitten, in Nordrichtung (links) schenkt Frankenkönig Pippin dem hl. Alto Königsgut für die Klostergründung. In Westrichtung (oben) bestätigt der Papst die Birgittenregel, und in Südrichtung (rechts) blicken Heilige um Florian auf das Kloster hinunter. Einzelne Szenen siehe nochmals in den Ausschnitten unten.
Foto: Bieri 2023.
Ausschnitt des Kuppelfreskos der Ostseite. Der Herzog überreicht Altomünster an die Birgitten. Darüber, um die Himmelskönigin gruppiert, die hll. Alto (Krummstab, Kelch), Birgitta (Buch) und  Katharina (Lilie). Im Zentrum oben die Dreifaltigkeit. Foto: Bieri 2023.
Die Westseite der Kuppel schildert den Empfang der Ordensregel vom auf einer Bühne stehenden Papst, rechts die Szene des Höllensturzes durch den im Himmel schwebenden Erzengel Michael. Foto: Bieri 2023.
seitig trifft der hl. Arto den Frankenkönig Pippin (der zu seinen Lebzeiten Altbayern nie betreten hat!) auf der Jagd in Altomünster. Mages malt diese Szene in der Art eines idyllischen Landschaftsstücks des Rokoko.
Foto: G. Freihalter 2014..
Am Südrand des Kuppelfreskos ist das Kloster Altenmünster mit der neuen Kirche über den Häusern des Marktfleckens zu sehen. Das Kloster steht unter dem Schutz einer Gruppe von Heiligen, angeschnitten ist rechts der hl. Augustinus zu sehen. Die Stuckkartusche von Jakob Rauch enthält eine Muttergottes-Allegorie. Foto: G. Freihalter 2014.
Über dem Beichtraum malt Mages um 1766 das Deckenfresko [F2], das gegen Osten (unten) die Heilung des Gelähmten durch Jesus am Teich von Bethesda, gegen Westen (oben) das Quellwunder des hl. Alto zeigt. Foto: Bieri 2023.
 
Links: Im Fresko F4 über dem Altarraum der oberen Kirche ist die Erscheinung des Jesuskindes in einem Kelch, die der hl. Alto während einer Messfeier erlebt, gemalt. Die legendäre Szene spielt sich in scheinarchitektonischer barocker Architektur ab.
Rechts: Im Fresko F5 im Mönchschor ist die Hostienvision als eine der vielen Visionen der hl. Birgitta dargestellt. Fotos: Bieri 2023.
Stuckdetails
Schon im Bild des Kuppelfreskos (im Titel) sieht man die zurückhaltende und meisterhafte Art der Stuckaturen von Jakob Rauch. Im hier vergrösserten Ausschnitt aus dem ersten Innenraumfoto (Guenter Eger 2017) sind die schlanken Engel-Karyatiden als Träger des Kuppelfreskos zu sehen. Kartuschen lockern den Bildrahmen auf. Jede Figuralplastik Rauchs ist eine Neuschöpfung. Mehr zu den Kartuschen siehe unten.
 
Die grösseren Kartuschen Ost und West über den Arkaden des Gemeinderaums sind als Wappenkartuschen gestaltet. Putti halten die Rocaille-Rahmen. In der Kartusche Ost ist das Ordenswappen (in Silber ein rotes Tatzenkreuz mit runder silberner Mitte), die thronende Himmelskönigin und der hl. Alto (Klosterwappen) zu sehen. Foto Kartusche Ost: G. Freihalter 2014. Kartusche West: Bieri 2023.
Die vier Putti im Emporen-Gebälkfries des Mittelraums verkörpern mit ihren goldenen Attributen die Religion (Kreuz, Buch, Flamme) und die drei christlichen Tugenden Hoffnung (Anker), Glaube (Kreuz, Kelch), Liebe (flammendes Herz). Fotos: Bieri 2023.
 
Ein Putto, das sich an eine Kartusche hängt, eine Deckenkartusche und eine Schildkartusche, die letztere exemplarisch die Möglichkeiten der Rocaille demonstrierend (schon wenige Jahre später wird dies als «lächerliche Zierart» vom Kurfürsten verboten), zeigen die grosse Meisterschaft des Jakob Rauch.
Fotos: Bieri 2023.
Brüstungsschnitzereien und Orgel


Der aus dem Tirol stammende und in Dachau wirkende Bildhauer Franz de Paula Arnoldt ist zwischen 1765–1770 Schöpfer aller geschnitzten Brüstungsgitter, die in den Umgängen der zweiten oberen Kirche die Frauen vor Einblicken schützen sollten. Oben das Rokoko-Brüstungsgitter vor dem verglasten Frauenchor, vom Kuppelraum gesehen. Unten das Gitter der Gegenseite zum unteren Chor. Fotos: Bieri 2023.
Auch auf allen Emporenumgängen der «Herren» in der ersten oberen Kirche sind geschnitzte Brüstungsgitter aufgesetzt. Sie sind niederer als in der zweiten oberen Kirche. Im Foto das Gitter auf der Brüstung der Orgelempore. Die Brüstung mit der Mittelkartusche ist ein Werk von Jakob Rauch und des Fassmalers Br. Fortunat Strasser. Foto: Bieri 2023.
Der Rokoko-Orgelprospekt der Emporenorgel von Altomünster erreicht mit dem Baujahr 1760 fast den Jahrgang der Kirche, die Orgel ist aber erst 1802 als Säkularisationsgut aus Kloster Mari Stern in Taxa nach Altomünster überführt worden. Vom barocken Orgelwerk des Orgelbauers Franz Michael König ist heute nichts mehr vorhanden. Der noch erhaltene fünfteilige Prospekt, zwar in der Höhe der Seitentürme nicht für die Rundarkade geschaffen, bereichert den Westabschluss des grossen Oktogons trotzdem auf glückliche Weise. Foto: Bieri 2023.
Altäre im oberen Chor
Die drei Altäre des oberen Chors (Herrenchor) bilden ursprünglich eine Einheit mit dem unteren Hochaltar [2.1], der 1892 zerstört wird. Alle Choraltäre sind Werke des Bildhauers Johann Baptist Straub und des Altarbauers Johann Mentele. Die Altarblätter aller drei oberen Altäre sind versenkbar und legen vertikale Schreine von Katakombenheiligen frei. Nach dem Abbruch des zugehörigen untern Hochaltars wird die Rundung neoklassizistisch verkleidet und anstelle des barocken Rosenkranzaltars der heutige «Tabernakelaltar» geschaffen. Nur zwei Statuen von Straub finden an den beiden äusseren Abschlüssen der Neuschöpfung nochmals Verwendung. Foto: Bieri 2023.
 
Die beiden wiederverwendeten Barockplastiken sind Werke von Johann Baptist Straub (1765/67). Sie stellen die Apostel Johannes Evangelist und Jakobus der Ältere (als Pilger) dar. 1893 werden sie in die Altarneuschöpfung des neoklassizistischen «Tabernakelaltars» eingepasst.
Fotos: G. Freihalter 2014 in Wikipedia.
Der erhaltene obere Hochaltar [1.1] ist zusätzlich zur Mechanik der Versenkung des Altarblattes und der damit möglichen Zurschaustellung des «Heiligen Leibes» der Mercuria auch ein horizontaler Doppelaltar, das heisst er dient auf der Rückseite auch der Messe im Psallierchor. Das vordere Altarblatt «Christus als Welterlöser» malt Ignaz Baldauf 1766. Die Assistenzfiguren der Apostel Petrus und Paulus sind wie das Oberstück (Gottvater und Hl. Geist) von Johann Baptist Straub. Foto: Bieri 2023.
  Psallierchor
Der gleiche Altar zeigt auf der Rückseite im Altarblatt die Aufnahme Mariens in den Himmel des Malers Franz Joseph Zitter (1771). Das Chorgestühl des Psallierchors von Matthias Veigele (1768) fasst in zurückhaltender Weise im Dorsalbereich jeweils mehrere Stallen.
Fotos: Bieri 2023.
 
Der Birgitta-Altar [1.2] ist der nördliche Seitenaltar im «Herrenchor». Das Altarblatt «Weihnachtsvision der hl. Birgitta» von Joseph Mages 1767 kann für den «Heiligen Leib» der Victoria versenkt werden.
Der Katharina-Altar [1.3] ist südlicher Seitenaltar im «Herrenchor». Das Altarblatt «Marienvision der hl. Katharina von Schweden» von Joseph Mages 1767 ist für den «Heiligen Leib» der Fortunata versenkbar. Fotos: Bieri 2023.


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Anhang II

Der Birgittenorden
Als 1496 Altomünster an den Birgittenorden übergeht, zählt der von der schwedischen Adeligen Birgitta 1346 gegründete Orden 27 Klöster, davon aber nur vier in Süddeutschland,[1] eines in Italien, aber keines in Österreich und Frankreich. Die meisten liegen in Nordeuropa. Nur wenige überleben die Reformation, darunter die süddeutschen Klöster Godesberg und Altomünster. Der Orden nennt sich lateinisch «Ordo Sanctissimi Salvatoris» (OSSalv) oder Erlöserorden. Seine Gründerin wird 1391 heiliggesprochen.
Die Regel der hl. Birgitta fordert für Neugründungen Doppelklöster mit 85 Mitgliedern, nämlich 60 «sorores» und 25 «fratres». Sie sollen die Urgemeinde mit 13 Aposteln (mit Paulus) und 72 Jüngern symbolisieren. Die Apostelzahl 13 gilt in ihrer Regel den «fratres» mit Priesterweihe, weitere vier «fratres» sollen «diaconi» sein, was als Vorstufe zur Priesterweihe verstanden wird, und acht der «fratres» dürfen Konversen oder Laienbrüder sein. Für die 60 «sorores» (Schwestern) gibt sie keinen Stand vor. Offenbar ist die Trennung in privilegierte Chorfrauen und dienende Schwestern schon zu Beginn selbstverständlich. Für die Mitglieder der alten Männerorden, dem Mönch, kennt die deutsche Sprache keine weibliche Form. Deshalb nennt die Birgitten-Literatur die «fratres» Mönche und die «sorores» Nonnen.[2] Nonnen und Mönche müssen beidseits der Kirche in getrennten Konventen leben. Für die Nonnen gilt strenge Klausur. Die Trennung wird auch in der Klosterkirche vorgeschrieben. So müssen die Nonnen von einer oberen Ebene, ungesehen von den Patres, dem Gottesdienst beiwohnen können. Protofeministisch schreibt die Regel vor, dass eine Äbtissin Vorsteherin beider Konvente sein muss. Die Nonnen stellen den Orden schlechthin dar, er kann gegebenenfalls ohne Ordensmänner, nicht aber ohne Nonnen bestehen. Der Prior als Vorsteher des Mönchsklosters muss bezeichnenderweise für übergeordnete Entscheidungen die Zustimmung der Äbtissin haben. Die von der Regel genannte Konventgrösse von 60 «sorores» und 25 «fratres» kann in Altomünster wie auch in allen anderen Klöster allerdings nie erreicht werden, für den Unterhalt von 60 Nonnen hätten die Einnahmen nie gereicht. In Altomünster erreicht die Konventgrösse 1772 mit 46 Nonnen und 21 Mönchen den Höchststand. Das Konzept des Doppelklosters ist aber zu dieser Zeit an der Unvereinbarkeit mit dem Lebensgefühl des Barocks bereits gescheitert, wie die Ereignisse zeigen.

Pius Bieri 2023

[1] Altomünster in Bayern, Gnadenberg bei Neumarkt in der Oberpfalz, Maihingen bei Nördlingen in Schwaben und Marienforst bei Godesberg im Kurfürstentum Köln. Mehr dazu im Historischen Lexikon Bayerns.

[2] Erst in der modernen Zeit nennt man sie Brüder und Schwestern. Die deutschen Nennungen Priester – Diakon – Laienbruder für die «fratres» sind verwirrend, vor allem weil Historiker den «frater» heute manchmal als Bezeichnung des barocken Laienbruders nutzen (dann aber wieder von Bruder Caspar Moosbrugger schreiben). Vernünftiger wäre, auch für die Birgittenmönche des Spätmittelalters bis zum Barock die damals geltenden Ordensbezeichnungen der alten Orden anzuwenden. In allen vorreformatorischen Orden gilt Pater (P.) für den Mönch mit Priesterweihe, Frater (Fr.) für den angehenden Kleriker (frater clerici) und Bruder (Br.) für den Laienmönch oder Konversen (frater laici). Aber selbst die gute RDK-Webseite über den Birgittenorden https://www.rdklabor.de/wiki/Birgittiner kann sich nicht entscheiden, ob sie die «sorores» nun Nonnen oder Schwestern nennen soll.

 

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Anhang I

Geschichte des Klosters Altomünster vom 8. bis zum 15. Jahrhundert







 


  955/970–1056: Benediktinerkloster an der Stelle der Wirkungsstätte des hl. Alto
Die Anfänge von Altomünster sind eng mit der Benediktinerabtei Weingarten und dem schwäbischen Geschlecht der Welfen[1] verbunden. Um 970 gründen die Welfen in Altomünster ein Benediktinerkloster. Sie besiedeln es mit Mönchen eines Klosters im welfischen Ammergau. 1056 wechselt der Konvent von Altomünster mit ihrem Abt Heinrich I. auf den Stammsitz der Welfen in Altdorf bei Ravensburg.[2] Die Benediktiner nennen ihr neues Zuhause Weingarten. Es ist ein von Welf III. erst wenige Jahre zuvor für die adeligen Damen eines seit 935 bestehenden Altdorfer Frauenkonvents gebauter Neubau.[3] Die Ehefrau des 730 verstorbenen Grafen Welf II., Irmentrud oder Imiza (†1057) und ihr Neffe Welf IV. (†1101, ab 1070 auch Herzog von Bayern), verlegen die Damen in das nun verwaiste Kloster Altomünster. Gefördert von Welfen und Staufern setzt die kulturelle Blüte in Weingarten schnell ein. Bis zur Säkularisation bleibt Weingarten dominante Reichsabtei, eine für Benediktinerklöster im Bayern der Wittelsbacher undenkbare Möglichkeit. Altomünster hingegen versinkt in der Provinzialität eines weiblichen Adelsstifts.


Der hl. Alto
Die Gründung der Welfen des 10. Jahrhunderts in Altomünster ist nach den Überlieferungen der Klöster Altomünster und Weingarten nicht die erste Klostergründung an dieser Stelle. Hier soll schon im 8. Jahrhundert an Stelle der Zelle des hl. Alto ein Kloster stehen, das dann in den Ungarnstürmen 955 eingeht. Nach unverdächtigen Quellen des 8./9. Jahrhunderts wirkt der aus dem mächtigen Familienstamm der Huosi stammende Heilige von ungefähr 760–790 am Ort des heutigen Klosters Altomünster. Der hl. Arto ist derart 760 als Zeuge in einem Schenkungsbrief aufgeführt. Er wird dort als Rekluse, das heisst als ein in der Zelle eingeschlossener Einsiedler bezeichnet. Er dürfte bis ins hohe Alter hier gelebt haben. Ein erstes Kloster zu Lebzeiten des hl. Alto (also vor 790) als Stiftung der Huosi wird heute in Zweifel gezogen und ist durch keine unverdächtige Quelle belegt.[4]
Völlig anders sieht dies die Klosterüberlieferung, die noch heute als «Geschichte des Klosters» unkommentiert übernommen wird. Sie legt das Wirken des hl. Arto als Eremit und als Abt oder sogar als Bischof in die Zeit des Frankenkönig Pippins (†768), die Klostergründung wird auf 750 datiert und in der Barockzeit nochmals um 20 Jahre vorverlegt.[5]
Verursacher dieser legendären «Geschichte des Klosters» ist der Mönch Otlah aus dem Kloster St. Emmeram, der 1057 die Lebensgeschichte des hl. Alto und die Gründung von Altomünster beschreibt. Er verfasst seine Erzählung ohne jede schriftliche Quelle, basierend nur auf mündlichen Überlieferungen. Seine faktenfreie Geschichte reichert er mit erfundenen Daten an.

Zusammenfassung der Geschichte Altomünsters vom 8. bis zum 10. Jahrhundert
(nach heutigem Forschungsstand)

Um 760 bis um 790: Das Wirken des hl. Alto
Der hl. Alto aus dem Stamm der Huosi wirkt in einer Zelle an Ort des heutigen Klosters Altomünster. Er wird in einer Schenkungsurkunde 758/63 als Rekluse (ein in einer Zelle eingeschlossener Einsiedler) genannt. In einer weiteren Urkunde 788/89 ist er nochmals erwähnt. Alto könnte in Altomünster eine kleine Eremitengemeinschaft gegründet haben. Diese monastische Gemeinschaft führt zur späteren Nennung eines wahrscheinlich imaginären, durch keine Quelle bestätigten Klosters. Der hl. Alto ist damit im 8. Jahrhundert zwar Gründer von Altomünster, aber nicht eines Klosters, sondern einer Eremitengemeinschaft am Ort seiner Zelle mit Bethaus. Zu seinem Grab setzt schon im 9. Jahrhundert eine Wallfahrt ein.
Anmerkung: Die Gründung von St. Gallen erfolgt zweihundert Jahre früher nach gleichem Muster: Der Ire Gallus stirbt 650. Er wird im Bethaus bei der Zelle beigesetzt. Diese wird schnell Wallfahrtsziel. Der Alemanne Otmar aus der um Gallus entstandenen Eremitengemeinschaft gründet 747, also fast 100 Jahre später, am Grab von Gallus ein Kloster und unterstellt es der Benediktinerregel. Der Unterschied der beiden Klostergründungen liegt eigentlich nur in den verlässlichen Quellen zum Gründungsjahr.
St. Gallen (747) ist belegt, Altomünster (730) ist Phantasie.

Um 955/970 bis 1056: Benediktinerkloster an der Zelle des hl. Alto
Die Verlegung einer Benediktiner-Gemeinschaft aus dem Ammergau an die Wirkungsstätte des hl. Alto, kurz nach den Ungarnstürmen 955 erfolgt durch die Welfen. Sie gründen das erste belegte Kloster in Altomünster und unterstellen es der Benediktinerregel.

Die Bilder oben:
1    Das Blatt 21v des Weingartener Stifterbüchlein (um 1510) ist dem Grafen Welf gewidmet. Er wird als Sohn Graf Rudolfs beschrieben, der die Mönche von Altomünster («munich von alten minster») nach  Altdorf (Weingarten) und die dortigen Frauen nach Altomünster setzt, und der hier (in Weingarten) begraben ist. Es handelt sich um Graf Welf II. Er ist zwar Förderer der Benediktinerabtei in Altomünster. Mit der beschriebenen Umsiedlung der Benediktiner nach Weingarten und des  Frauenkonventes nach Altomünster kann er aber nicht in Verbindung gebracht werden, denn er stirbt schon 1030. Die Rochade der Konvente findet 1056 statt und ist ein Werk seiner in Altomünster begrabenen Ehefrau Irmentrud oder Imiza (†1057) und ihres Neffen Welf IV. (†1101). Bildquelle: wikipedia.org/wiki/Weingartener_Stifterbüchlein
2     Das Leben des hl. Alto wird generös mit vielen Legenden ausgeschmückt. 1615 veröffentlicht P. Matthäus Rader SJ in der «Bavaria Sacra» einen Lebensbeschrieb des hl. Alto und fügt eine Radierung von Raphael Sadeler (ca. 1560–1632) nach einer Zeichnung von Johann Matthias Kager (1575–1634) bei. Kager zeichnet den hl. Alto, wie er mit dem Krummstab Wasser aus dem Felsen schlägt und damit Schöpfer der Altoquelle und des Altobrunnen im südlichen Klosterhof wird. Im Hintergrund wird bereits am Kloster Altomünster gebaut. Der hl. Alto ist als Abt mit Mitra, Inful und Krummstab dargestellt. Bildquelle: Universitätsbibliothek Heidelberg.
3.    Der hl. Alto wird in der Figuralplastik immer als infulierter Abt mit den Attributen Krummstab, Mitra und Inful dargestellt. Wahrscheinlich deswegen wird er auch als Bischof bezeichnet. Ein weiteres Attribut ist der Kelch mit dem darinsitzenden Jesuskind. In Altomünster ist der hl. Alto derart mehrfach zu sehen (links im Bild, an der Turmfassade rechts im Text) und, als Arbeit des Diego Carlone in einer Statue (1725) am Hochaltar von Weingarten (links, Foto Rufus46 in Wikipedia).
4.    Eine Reliquie besonderer Art ist die Hirnschale des hl. Alto, die an seinem Festtag, dem 9. Februar, in der Kirche gezeigt wird. Foto: Bieri 2023.

1056–1488: Adeliges Benediktinerinnenkloster oder Damenstift?
Das von Welf IV. 1056 in Altomünster eingerichtete Frauenkloster mit der Kirche S. Marie et S. Altoni gilt lange als adeliges Benediktinerinnenkloster. Nach neuerer Historikermeinung soll die Neugründung für die ersten zweihundert Jahre aber ein freiadliges Kanonissinnen- oder Damenstift sein.[6]
Schutzvögte des Klosters sind nach dem Aussterben der Welfen 1191 die Staufer. 1268 erben die Wittelsbacher Herzöge die Vogteirechte.
Im Kloster (oder neu: Stift) leben meist nicht mehr als 12 Frauen. Im 13. Jahrhundert können sie eine grosse spätromanische Kirche einweihen. Sie ist mit Westturm 48 Meter lang. Mehr ist über das Wirken der adeligen Frauen nicht bekannt. Ihre Äbtissinnen sind sicher schlechte Wirtschafterinnen. Obwohl schon die welfische Erstausstattung mit etwa 150 bäuerlichen Anwesen, davon 15 Meierhöfen, recht umfassend ist, endet der kleine adelige Frauenkonvent im 15. Jahrhundert mangels Misswirtschaft. 1467 nehmen herzogliche Güterverwalter den Platz der Äbtissin ein. 1488 hebt der Papst auf Drängen von Herzog Georg des Reichen den inzwischen praktisch verwaisten Konvent auf und überträgt die Einkünfte aus dem Grossgrundbesitz dem Birgittenorden.

Pius Bieri 2023


Anmerkungen:

[1] Die Welfen sind im 9. und 10. Jahrhundert mit zwei Linien vertreten. Die burgundische Linie begründet das Königreich Hochburgund mit den Städten Besançon, Lausanne und Genf. Ihr Hauskloster ist St. Maurice im Wallis. Diese Linie stirbt 1032 aus. Aus der schwäbischen Linie mit dem Stammsitz Altdorf bei Ravensburg, deren letzte Vertreterin Kunigunde von Altdorf um 1035 Alberto Azzo d'Este heiratet, geht die jüngere Linie der Welfen hervor. Der Sohn Kunigundes und Albertos, Welf IV. (*um 1040 †1101), ist 1070–1077 und 1096–1101 auch Herzog von Bayern. Welf IV. und seine Ehefrau Judith von Flandern sind Stifter von Rottenbuch, aber 1056 auch der Benediktiner-Reichsabtei Weingarten, dem eigentlichen Hauskloster der Welfen, das sie mit dem Konvent von Altomünster besiedeln. Gleichzeitig verlegen sie das Altorfer Damenstift nach Altomünster. 1147 stiftet ihr Neffe Welf VI. (1115–1191), Markgraf von Tuszien und Herzog von Spoleto, das Kloster Steingaden. Schon 1167 gehen die welfischen Hausgüter durch Erbvertrag an den Staufer Friedrich I. Barbarossa. Als 1191 der Stifter von Steingaden stirbt, kommt Friedrich I. Barbarossa deshalb in den Besitz des Ammer-Lech-Gebietes. Welf VI. wird in dem von ihm gegründeten Kloster Steingaden begraben. Zu den Welfen siehe mehr im Historischen Lexikon der Schweiz.

[2] Der vorderösterreichische Marktflecken Altdorf mit dem Stammsitz der Welfen und der Reichsabtei Weingarten auf dem Martinsberg fällt 1803 an Württemberg. Erst 1865 wird Altdorf in «Grosse Kreisstadt Weingarten» umbenannt. Mehr zur Abtei Weingarten siehe im Baubeschrieb dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Weingarten.html.

[3] Um 935 stiftet der Welfe Heinrich «mit dem goldenen Wagen» und seine Gemahlin Atha von Hohenwarth ein Frauenkloster an der Scherzach als Familiengrablege. Diese Marienkirche (als Barock- und Pfarrkirche 1811 abgerissen) und das Kloster brennen 1053 ab, und so verlegt Welf III. (1030-1055) das Frauenkloster in das welfische Anwesen auf dem Martinsberg.

[4] Der bayerische Adelsstamm der Huosi ist im 8. Jahrhundert Gründer mehrerer wichtigen Benediktinerabteien wie Benediktbeuern und Tegernsee. Eine erste Gründung von Altomünster durch diese Adelsfamilie kann deshalb nicht ausgeschlossen werden. Das Gründungsdatum 750 wird in der Barockzeit aus Konkurrenzgründen (Altomünster soll das älteste Benediktinerkloster Bayerns werden) auf 730 verlegt und das Tausendjahr-Jubiläum deshalb schon 1730 gefeiert. Zum hl. Alto siehe mehr im Heiligenlexikon unter https://www.heiligenlexikon.de/BiographienA/Alto.htm.

[5] «Bevor man, wie es in der Forschung üblich ist, dem Chronisten aufs Wort glaubt, sollte man fragen, was er wollte» (Arno Borst in «Ritte über den Bodensee»). Für Altomünster ist dies sehr einfach zu erklären: Man will das älteste Kloster in Bayern sein. Denn an der Gründung durch den hl. Alto und den Karolingerkönig Pippin halten auch die späteren Benediktiner und Birgitten fest. Das Jahr 730 wird von einem Birgitten-Propst der Barockzeit definiert. Er will noch 1730 das Tausend-Jahr-Jubiläum feiern, was dann auch geschieht und bis in die heutige Zeit fortgesetzt wird. Noch 1980 wird die 1250-Jahr-Feier durchgeführt.

[6] Dies mag zutreffen. Aber weil für die Damen eines adeligen Benediktinerinnenklosters im Hochmittelalter die Ordensregel dazu da ist, um nicht eingehalten zu werden, ist diese Differenzierung unnötig. Seit 1959 glauben Historiker, dass erst 1278 von einer Benediktsregel in Altomünster gesprochen werden könne. Dies, weil die Adelsdame Euphemia von Andechs († 1180) in den Totenbüchern als Kanonissin bezeichnet wird. Baugeschichtlich ist dies zwar nicht von Interesse. Der Unterschied zwischen einem adeligen Benediktinerinnen-Kloster und einem freiadeligen Damenstift ist im Hochmittelalter zudem sehr gering. Beide Einrichtungen sind lediglich Versorgungsanstalten des Adels für ihre Töchter. Und dass im Hochmittelalter für die Adelsdamen eine Regel wenig zählt und auch in adeligen Benediktinerinnenklöster wie Frauenalb noch zur Barockzeit die Klausur nicht infrage kommt, ist Tatsache. Mehr zu dem Thema Kanonissinnen siehe im «Glossar Kirche» dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/ga-menuseiten/m73_GlossarKirche.html.
Siehe auch den Exkurs «Frauenalb. Freiadeliges Damenstift oder Adels-Frauenkloster? in: https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/a-g/Frauenalb.html


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