Das Titelkupfer der Schrift zum Primizjubiläum 1735 zeigt Propst Patritius in einem sehr aufwendigen Mezzotinto-Tiefdruck des Stechers Elias Christoph Heiss aus Augsburg. Siehe den Porträtbeschrieb im nebenstehenden Text der Biografie.

Byern
Propst Patritius Oswald tritt seine Regierung kurz vor den Kriegswirren des Spanischen Erbfolgekrieges an, in die auch Rottenbuch bis 1704 hineingerissen wird. Sein Vorgänger kann den beabsichtigten Klosterneubau noch planen und beginnen, die Kriegsschulden lassen aber an eine sofortige Weiterführung nicht denken. Der umsichtig führende und tief dem barocken Glaubensverständnis verpflichtete Propst beginnt deshalb nach 1710 mit der Neuausstattung der Stiftskirche und entscheidet sich 1737 mit inzwischen schon 80 Jahren noch für deren Neugestaltung. Sie ist allerdings nur eine der 16 Kirchen, die er während seiner Regierung als Umbau- oder Neubau in Auftrag gibt.
OswaldRottenbuch
Land 18. Jahrhundert
Kurfürstentum Bayern
Regierungszeit
1700–1740
Land 18. Jahrhundert
Kurfürstentum Bayern
Biografische Daten
Kurzbiografie
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Bildlegende
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Patritius Oswald (1657–1740) Popst CanA in Rottenbuch

Patritius Oswald (1657–1740)

Propst CanA und Lateranischer Abt von Rottenbuch 1700–1740

Herkunft
Wenig ist über die familiäre Herkunft des späteren Rottenbucher Propstes bekannt. Er wird am 23. April 1657 im Söldneranwesen «Zum Pfeiffer» in Häusern bei der Abtei Benediktbeuern geboren und auf den Namen Johann Georg getauft.[1] Sölden sind Anwesen von Kleinbauern. Sein Vater ist demnach Bauer, nach anderen Quellen auch Klosterjäger.[2] Das Kloster Benediktbeuern ist eine halbe Wegstunde von Häusern entfernt. Der Weg dorthin führt über das Klosterdorf Laingruben, das heute den Namen des Klosters trägt. Hier betreibt das Kloster eine unentgeltliche Elementarschule, die auch der junge Oswald besucht haben dürfte. Der weitere Bildungsweg ist unbekannt. Man würde vermuten, dass er, vom damaligen Abt Amand II. von Benediktbeuern gefördert, ins dortige Gymnasium eintritt. Stattdessen wird in den Jubiläumspredigten und Nachrufen nur ein Studium an der Schule des Chorherrenstifts Weyarn erwähnt.

Chorherr in Rottenbuch
Am 11. November 1679 tritt er als Novize in Rottenbuch ein. Er ist schon 22-jährig. Ein Jahr später leistet er Profess und nimmt den Klosternamen Patritius an. Am 15. Juli 1685, mit 28 Jahren, wird er zum Priester geweiht. Über seine Ämter und seine Seelsorgetätigkeit der folgenden 15 Jahre fehlen zugängliche Nachrichten.[3]

Propst in Rottenbuch
Am 31. August 1700 wird Patritius als Nachfolger des früh verstorbenen Propstes Gilbert Geist gewählt. Propst Patritius muss trotz der getätigten Herrschaftskäufe und Bauten seines Vorgängers – allein für den neuen westlichen Gästeflügel sind unglaubliche 30 000 Gulden aufgewendet worden – keine Schulden übernehmen. Trotzdem kann er den schon begonnenen Klosterneubau nicht fortsetzen, denn 1702 eröffnet der bayerische Kurfürst als Verbündeter Frankreichs den Krieg gegen das Reich. Mit der Niederlage im Krieg gegen Tirol Mitte 1703 und mit der Flucht des Kurfürsten 1704 ins französische Exil sind die Kriegsverwüstungen in Bayern und Schwaben zwar abgewendet, bedeuten aber für weitere 10 Jahre die österreichische Verwaltung Bayerns. Mehrfach überfallen nach der bayerischen Niederlage im Krieg gegen die Tiroler 1703 und 1704 österreichische Truppen die grenznahe Hofmark. Sie verschonen das Kloster gegen Kontributionszahlungen von insgesamt 38 000 Gulden vor Brandschatzungen. Abt Patritius flüchtet 1703 unter Mitnahme des Gnadenbildes vom Hohenpeissenberg nach München, das er dann 1705 in feierlicher Prozession und mit zwölftägigen Andachten wieder an Ort aufstellen kann. Er ist auch sonst Förderer von Wallfahrten, Prozessionen und geistlichen Schauspielen. Er veranstaltet feierliche Translationen von erworbenen Katakombenheiligen nach Rottenbuch und auf den Hohenpeissenberg. Ganz unbeeinflusst von der beginnenden Aufklärung werden die Festlichkeiten und seine gleichzeitige strenge Auslegung der Ordensregel von allen Chorherren mitgetragen. Der Konvent erreicht unter ihm eine Stärke von 45 Mitgliedern.

Propst Patritius als Bauherr
Nach 1704 ist zwar der Krieg in Oberbayern beendet, nicht aber die Drangsale der Bevölkerung wegen der Folgen von Verwüstungen und Raubzügen in der Hofmark. Auf dem Kloster lastet eine Schuld von 40 000 Gulden. Noch 1710 kann Propst Patritius nicht an die Weiterführung des Klosterneubaus denken, zu stark ist er mit den notwendigsten Baumassnahmen in der Herrschaft beschäftigt. Er lässt sich aber durch die grossen Aufgaben nicht unterkriegen. Wenn sein Chronist schreibt, dass er sechs neue Gotteshäuser errichtet und zehn andere Kirchen mit gegen 50 neuen Altären ausstattet und sie auf das Schönste «Kunst- und Goldreich mit ungemeinen Kosten reparieret», so muss man ihm glauben. Zu diesen Kirchen zählt wahrscheinlich auch der bedeutende Neubau von St. Martin in Garmisch, wo Propst Patritius 1730 den Grundstein legt, nachdem er vorgängig den Wessobrunner Baumeister Joseph Schmuzer gewählt hat. Die vielen Wirtschaftsbauten und Pfarrhöfe, die gelichzeitig neu- oder umgebaut werden müssen, werden vom zeitgenössischen Chronisten gar nicht erst erwähnt.[4]
Als wichtigsten Bau betrachtet Propst Patritius seine Stiftskirche. Ob Antonio Riva für Rottenbuch 1694 nicht nur den Neubau des Klosters und eine neue Doppelturmfront für die Stiftskirche plant, sondern auch ihren völligen Neubau vorsieht, kann aus dem Stich von Michael Wenig nicht abgelesen werden. Für Propst Patritius scheint jedenfalls ein Neubau anstelle der gotischen Stiftskirche keine Option. Zielgerichtet beginnt er nach 1710 mit der Altarausstattung. Die Langhausaltäre lässt er neu fassen, im Querhaus richtet er bis 1717 neue Altäre ein, für den Hochaltar lässt er ein neues Altarblatt malen und bis 1732 sind auch die «Heiligen Leiber» aufgestellt. Erst 1736, im Alter von 80 Jahren, fasst er den Entschluss für die Barockisierung der Stiftskirche. Er zieht wieder den Wessobrunner Joseph Schmuzer bei, der ihm als Baumeister und Stuckateur bis 1739 den Chor und das Querhaus umbaut.[5] Schon 1736 erteilt er dem Maler Matthäus Günther den Auftrag für die Freskenarbeiten, die dieser 1737 beginnt.[6] Günther hat er schon 1732 für die Pfarrkirche Garmisch empfohlen. Er ist damit ein früher Förderer des in Augsburg wirkenden Meisters. Dass der rührige Propst den gleichzeitigen Neubau der Kirche St. Peter und Paul in Oberammergau wieder Joseph Schmuzer überträgt, stellt für den hochbetagten Prälaten keine neue Herausforderung dar, denn dort wirkt als Pfarrvikar Clemens Prasser, der 1740 Nachfolger von Propst Patritius wird.[7]

Die letzten Jahre
Die Tätigkeiten des Propstes in seinen letzten fünf Lebensjahren lassen sich nur mit einer robusten körperlichen und geistigen Gesundheit erklären. 1735, anlässlich der Jubelfeier zu seiner goldenen Primiz berichtet der Prediger erstaunt über den 78-jährigen, der noch ohne Probleme die drei Stunden zum Hohenpeissenberg bewältige und der noch fast so kräftig wirke wie als junger Primiziant. Erst wenige Wochen vor seinem Tod scheint er gesundheitlich angeschlagen zu sein, und nach wenigen Tagen Bettlägerigkeit stirbt er mit 83 Jahren am 3. September 1740 nach einer langen Regierungszeit von 40 Jahren.[8]

Das Epitaph
Sein Nachfolger Clemens Prasser lässt drei Jahre später in der umgebauten Stiftskirche vom Bildhauer Anton Sturm aus Füssen ein Epitaph aufrichten. Sturm verwendet eine etwas wilde Kalkbrekzie, in der die goldene Inschrift fast verschwindet. Sie lautet «Rmus PERILLVSTRIS ET AMPLISS. D.D. PATRITIVS OSWALD HVIVS COLLEGII PRAEPOS: VIGILANTISSIMVS ABBAS LATERANEN: ET ARCHIDIAC: NATUS. OBIIT III SEPT. ANNO MDCCXL AETAT: LXXXII REGIM: XL.» und heisst übersetzt: Der hochehrwürdige und erlauchte Herr, Herr Patritius Oswald, wachsamer Propst dieses Stifts, lateranischer Abt und erblicher Archidiakon, starb am 3. September 1740 im Alter von 82 Jahren, im 40. Jahr seiner Amtszeit.
Damit wird erstmals das Alter mit 82 bezeichnet, was alle Mitteilungen des Patres Anselm Mannhardt[9] unglaubwürdig machen würde. Derart kann sich aber ein im nahen Umkreis des Propstes Patritius lebender Chorherr und Chronist nicht dauernd irren, sodass die spätere Inschrift «AETAT: LXXXII» nicht stimmen kann.
Über der Inschrift ist ein Stuckmarmor-Relief eingelassen. Propst Patritius ist als Brustfigur über zwei Wappenschilden herausgearbeitet. Links liegt das Klosterwappen und rechts sein persönliches Wappen, das durchbohrte und flammende Herz.
 
Epitaph
  Epitaph von Propst Patritius. Foto Bieri 2015.

Porträt
Das Titelkupfer der Schrift zum Primizjubiläum 1735 (gemäss Pater Mannhardt im 78sten Lebensjahr des Gefeierten) zeigt Propst Patritius in einem sehr aufwendigen Mezzotinto-Tiefdruck des Stechers Elias Christoph Heiss aus Augsburg. Der Stich ist nicht datiert, muss aber vor 1730 entstanden sein. Das Alter des Dargestellten ist demnach höchstens 70 Jahre.
Der Prälat ist als Brustfigur im Oval dargestellt. Er wendet sich dem Betrachter zu, den er mit grossen Augen zu prüfen scheint. Über dem weissen Habit ist das Brustkreuz zu sehen, darüber trägt er eine Pelzmozetta. Im Hintergrund sind die Insignien der Abtswürde zu sehen. Der ovale Bildrahmen ist mit Medaillons bereichert. Während die beiden oberen Medaillons das Klosterwappen und sein persönliches Wappen zeigen, sind die unteren vier Medaillons mit Emblemdarstellungen versehen.

Pius Bieri 2020

Literatur:

Mannhardt, P. Anselm: Glück=Ehr=und Glorreiches Rottenbuech In dem Glorreichen Ehren=Tag Seines Aller Ehren Würdigisten Vatters, Und Jubel=Jährigen Herren PRIMITIANTEN, Des Hochwürdig=Hoch=Edlgebohrnen in Gott Gnädigen Herrn Herrn PATRITII… (Predigt zum goldenen Priesterjubiläum). München 1735.

Mannhardt, P. Anselm: Anderer Gott und dem Menschen beliebt=ewiger Gedächtnuss-würdigister Heersführer MOYSES, das ist: Lob=und Leich=Predig Des Hochwürdig=Hoch=Edel=Gebohrnen / nunmehr seelig in Gott=ruhenden Herrn Herrn PATRITII, … (Predigt an der Trauerfeier vom 3. Oktober 1740). Augsburg 1740.

Anmerkungen:

[1] Alle Lebensdaten aus den Schriften von P. Anselm Mannhardt. Die Angabe des Geburtsdatums 1658 bei Jakob Mois bezieht sich auf das Epitaph, wo das Lebensalter mit «AETAT: LXXXII» angegeben ist, wohingegen mehrfache Angaben in Mannhardt auf 1657 zurückführen. (1735: 78-jährig, 50 Jahre Priester, etc., 1740: Patritius stirbt 83-jährig).

[2] Edgar Krausen: Die Herkunft der bayerischen Prälaten (ZBLG 1964, Seite 261). Jakob Mois (in: Rottenbuch 1980) bezeichnet ihn ohne Quellenangabe als Sohn des Klosterjägers Georg Oswald. Dass ein Klosterjäger in einer Sölde wohnt, ist möglich. Zu den mangelnden Quellen siehe auch die nächste Anmerkung.

[3] Über Patritius Oswald ist keine Biografie in gedruckter Form zugänglich. Vielfach wird für nähere biografischen Angaben auf die 1791–1798 geschriebenen Manuskripte von P. Anselm Greinwald hingewiesen, die wie viele andere Manuskripte höchstens für interessierte Forscher zugänglich sind. Die hervorragenden Gestalten der barocken Pröpste von Rottenbuch hätten eigentlich Besseres verdient.

[4] Auch die heutigen Historiker zeigen sich an Profanbauten völlig desinteressiert. Nennenswert sind folgende Bauten:
1720 der Schlossneubau in Osterzell, ein dreigeschossiger Dreiflügelbau, von dem nach Abbrüchen im 19. Jahrhundert heute nur noch der Mittelflügel vorhanden ist.
1731 brennen der Rottenbucher Meierhof und der Oberammergauer Pfarrhof, beide Bauten werden neu errichtet. Während die Baumassnahmen am Meierhof nicht dokumentiert sind, ist vom heute völlig veränderten und profanierten Pfarrhof (Dorfstrasse 45) nur bekannt, dass Joseph Schmuzer Planverfasser ist.

[5] Zum Bauverlauf und den beteiligten Meistern siehe die Dokumentation «Rottenbuch, Ehemaliges Augustiner-Chorherrenstift und Stiftskirche Mariä Geburt» in dieser Webseite. Zu Joseph Schmuzer siehe die Biographie in dieser Webseite.

[6] Matthäus Günther (1705–1788) aus Tritschengreith am Hohenpeissenberg, seit 1731 Maler in Augsburg. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[7] P. Clemens Prasser (1703–1770) ist 1732–1740 Kaplan und Pfarrer in Oberammergau. 1740–1770 ist er Propst in Rottenbuch. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[8] Das Alter 83 nennt Pater Anselm Mannhardt unter anderem in seiner «Lob=und Leich=Predig» vom 3. Oktober 1740.

[9] P. Anselm Mannhardt (1680–1752) aus Hohenwart. Er ist Chorherr in Rottenbuch und Schriftsteller, Prediger und verlässlicher Chronist des Chorherrenstifts und von Hohenpeissenberg. Warum sollte er sich in Wort und Schrift über Jahre hinweg irren?