Die Meister (soweit bekannt)
von bis
1670 1676
1675 1675
1735 1735
1735 1735
1735 1735
1750 1750


Ilgen bei Steingaden

Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung

1. Baugeschichte

Neubau nach dem Dreissigjährigen Krieg
40 Fussminuten nordöstlich von Steingaden liegt an der Weggabelung nach Rottenbuch und Peiting die Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung. Hier baut 1564 Joachim Wiedemann, Abt der Prämonstratenserabtei Steingaden, eine erste Wallfahrtskapelle mit Marienpatrozinium.[1]

IlgenTranlationBeninus
Abt Augustin Bonenmayr beschreibt in der illustrierten Schrift  «S. Beninus Martyrer / So zu Steingaden in der Regulirten Premonstratenser Chorherren Gottshauß mit Triumphirlicher Solennitet ist eingebracht worden. / Den 10. August=Monats / Im Jahr 1664» die feierliche Übertragung der Beninus-Reliquien von Ilgen nach Steingaden. Ausgangspunkt ist das Vorgängerbauwerk in Ilgen [22], eine einfache Kapelle von 1564. Das Gnadenbild ist unter einem südlichen Baldachinanbau in einer Nische zu sehen. Die barocke Prozession von Ilgen nach Steingaden ist mit Nummern versehen. Die Legende ist der  Vergrösserung (anklicken!) beigegeben.
Quelle: uni-muenchen.de/18153/

Ein Jahrhundert später beschliesst Abt Augustin Bonenmayr[2] an ihrer Stelle den Neubau einer Wallfahrtskirche. Abt Augustin ist verdienstvoller Erneuerer der Abtei Steingaden nach dem Dreissigjährigen Krieg. 1663 lässt er die Stiftskirche Steingaden durch Wessobrunner Stuckateure der Familie Schmuzer umgestalten.[3] Einige Jahre später erteilt er an den Stuckateur und Baumeister Johann Schmuzer[4] den Auftrag für einen Neubau der Kirche in Ilgen. Schmuzer beginnt 1670 mit dem Bau. 1673 wechselt er für den fast identischen Neubau der Wallfahrtskirche St. Koloman nach Schwangau, während er in Ilgen gleichzeitig die Stuckmarmoraltäre erstellt. Obwohl keine Namen überliefert sind, ist der im Familienverband tätige Schwager Johann Pöllandt vermutlich als Bildhauer mitbeteiligt.[5] 1674 resigniert Abt Augustin, die Kirche wird jetzt unter seinem Nachfolger Gilbert I. Schmid von Wellenstein[6] bis 1676 fertiggestellt.

Umgestaltung der Seitenkapellen 1735
Lapidar und gleichzeitig falsch vermerkt der Kunstdenkmälerband I.23, Landkreis Weilheim-Schongau, 2003: «1735 wurden unter Abt Hyazinth Gassner (1729–1745) die beiden Seitenkapellen angefügt». Falsch deshalb, weil die beiden Kapellen schon vorher bestanden haben müssen. Andernfalls hätten die Wände dem Gewölbedruck nicht standgehalten.[7] Der Umbau von 1735 betrifft im Wesentlichen das neue Innere. Dies bestätigt auch der Klosterchronist.[8] Der Umbau wird Franz Schmuzer zugeschrieben.[9] Der Wessobrunner Stuckateur, Altarbauer und Baumeister stuckiert die (neue?) Pendentifkuppel, die eine Scheitelöffnung besitzt,[10] und baut auch die beiden Kapellenaltäre. Die Altarblätter sind Werke von Br. Lukas Schwaiger aus der Abtei Steingaden, die dieser 1735 malt.[11]

Neue Altarblätter für die Altäre von 1676
Nach 1735 werden auch die Altarblätter der drei älteren Altäre ausgewechselt. Über den Verbleib der Blätter aus der Bauzeit ist nichts bekannt. Das neue Hauptaltarblatt mit der Heimsuchung Mariens ist ein weiteres Werk des Prämonstratensers Lukas Schwaiger von 1735.[12] Für den südlichen Seitenaltar liefert Johann Georg Bergmüller im Einweihungsjahr 1735 das Altarblatt des hl. Joseph mit dem Jesusknaben.[13] Im nördlichen Seitenaltar ist die Hl. Familie des Malers Judas Thaddäus Ramis aus Steingaden[14] zu sehen, der das Blatt nach 1750 liefert.

Der Gasthof
In der um die Mitte des 18. Jahrhunderts an das «Necrologium» angefügten Darstellung der Wallfahrtskirche Ilgen ist auch ein südlich der Kirche liegendes, zweigeschossiges Gebäude mit Flachsatteldach und Giebelbundwerk zu sehen. Es ist der Hof mit Gastwirtschaft, der bei keiner Wallfahrtskirche fehlen darf. In dieser Art, mit dem nach Westen angebauten Ökonomieteil, ist er in der Uraufnahme von 1820 noch eingetragen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit entspricht dieses Gebäude dem heutigen Gasthofbau mit dem Krüppelwalmdach, der damit entweder ein Baujahr vor 1820 hat oder auf den Grundmauern des im «Necrologum» dargestellten Gebäudes steht.[15]

 

2. Architektur und Ausstattung der Wallfahrtskirche, Beschrieb

Konventionelle Sakralarchitektur in Ilgen und Schwangau
IlgenGrundrissvergleich   Die ersten Kirchenbauten von Johann Schmuzer lassen architektonische Innovationen vermissen. Mariä Heimsuchung in Ilgen und St. Coloman in Schwangau sind herkömmliche einschiffige Bauten mit eingezogenem und dreiseitig geschlossenem Chor, der hinter dem Hochaltar doppelgeschossig abgetrennt ist. Durchlaufende Stichkappen-Tonnengewölbe in gleicher Scheitelhöhe prägen beide Bauten. Beide sind in ihrer architektonischen Haltung noch vom Frühbarock geprägt. Obwohl die fast gleichzeitig gebauten Wallfahrtskirchen auf den ersten Blick in ihrer Aussenerscheinung nicht unterschiedlicher sein könnten, sind sie Zwillinge. Der sichtbare Unterschied betrifft die äusseren Strebepfeiler an der Kirche von Schwangau. Sie fangen dort den Gewölbeschub der Flachtonne des Langhauses auf, während in Ilgen diese Aufgabe durch zwei Kapellenausbauten im dritten von vier Langhausjochen übernommen wird. Im schmäleren Chor ist dieser Schub bei beiden Kirchen, auch wegen der nun möglichen Halbkreis-Tonne, nicht mehr vorhanden. Weil aber der schmale Chor in Schwangau die Mauern der gotischen Vorgängerkirche übernimmt, stellt Schmuzer dort auch die alten Strebpfeiler wieder her. Die Architektur der Kirche von Ilgen entbehrt aller dieser gotischen Reminiszenzen und weist einen breiteren Chor auf, ist aber in den Hauptmassen von Grundriss und Schnitt mit dem Bau in Schwangau identisch.[16]
 Unterschiedlich ist die Turmlösung. In Ilgen genügt ein einfacher Dachreiter, in Schwangau ist es ein (späterer) Glockenturm. Prägend ist für beide Bauten auch die in Langhaus und Chor durchwegs gleiche Fensterordnung. In fast jedem Joch ist einem hohen Fenster, das unten und oben mit einspringenden Rundbögen endet, ein Okuli zugeordnet. Dieses liegt innen über dem Gebälk. Diese Fensterordnung wird selbst im zweigeschossigen Ostabschluss mit der Sakristei durchgezogen, hier mit kürzeren unteren Fenstern.

Barocker Wessobrunner Innenraum
Die Bedeutung von Ilgen (und Schwangau) liegt weniger in der architektonischen Gestaltung, als vielmehr in der Ausgestaltung des Innenraums in ein umfassendes und beindruckendes Stuckkleid des frühen Wessobrunner Barocks, in das auch die Altäre eingebunden sind. Noch ist im Felderstuck der Gewölbe ein Einfluss der «Münchner Schule» spürbar, die vom Renaissancestuck der Jesuitenkirche München ausgeht und sich mit dem figuralen und freien Stuck des italienischen Hochbarocks noch wenig auseinandersetzt.[17] Johann Schmuzer leitet aber in seinem ersten Bauwerk in den Wessobrunner-Hochbarock über, indem er mit Frucht- und Blumengehängen, Akanthusranken, Blumen- und Lorbeerkränzen und Engelchen die Geometrie aufbricht. Am Triumphbogen führt er die Elemente zu einer hochbarocken Plastik zusammen. Meisterhaft integriert er vor allem die Altäre in das Stuckkleid. Am Hochaltar ist dies durch die beiden bekrönenden Engel schön dargestellt, welche die Blumengehänge des Gewölbes zum Altar hinüberziehen.

Stuck1735   Régencestuck in den Seitenkapellen
Der ungewöhnlich dichte Régencestuck in den Seitenkapellen ist mit Engelchen förmlich überladen.[18] Eine früher vielleicht sanftere Feldertönung von Gelb und Rosa verstärkt den unruhigen Eindruck der Stuckatur. Sie ist jedenfalls in ihrer Zuschreibung an Franz Schmuzer ungewöhnlich. Interessant ist die Gewölbeausführung mit dem Mitteldurchbruch, der mit Balustraden gesichert ist.
  Der Régence-Stuck in den Gewölben der Seitenkapellen wird dem Wessobrunner Altarbauer, Baumeister und  Stuckateur Franz Schmuzer zugeschrieben. Ist sein 22-jähriger Neffe Franz Xaver Schmuzer vielleicht mitbeteiligt? Foto: Rabanus Flavius 2010 in Wikipedia.

Altäre
Alle fünf Altäre sind Stuckmarmorarbeiten der Schmuzer-Werkstatt. Ihre roten und weissen Marmoroberflächen sind die einzigen farbigen Akzente im Raum. Johann Schmuzer fügt die Retabel des Hochaltars und der beiden Seitenaltäre geschickt in die Raumstuckatur ein. Die Seitenaltäre verkleiden den Choreinzug und verschleiern mit ihren Oberstücken die unterschiedlichen Höhen der Langhaus- und Chorgebälke. Im Hochaltar ist das Chorgebälk auf gleicher Höhe durchgeführt, er wird damit zum Raumbestandteil. Zusätzlich unterstreicht dies Schmuzer bei allen Retabel-Oberstücken mit dem Einbezug von Elementen der Gewölbestuckatur. Besonders schön ist dies mit den Blumengehängen über dem Hochaltar gestaltet. Dieser ist auch seitlich in eine Schauwand eingebunden, die auf der Höhe des Altarblattes Ädikulanischen mit den Statuen von Petrus und Paulus aufweist.
Die drei Altäre von 1676 und die beiden Seitenkapellenaltäre von 1735 haben zudem einen ähnlichen Retabelaufbau. Es sind mehrsäulige Ädikularetabel mit einem gesprengten Giebel, aus dem eine einfache Säulen-Ädikula als Oberstück herauswächst. Die beiden mittleren Säulen sind jeweils vorstehend. Selbst in den erst 1735 aufgestellten Retabeln der Seitenkapellen übernimmt Franz Schmuzer diesen Altartypus. Nur die Säulen sind jetzt zahlreicher, kräftiger marmoriert, und es sind auch versilberte Säulen eingefügt.

Das Gnadenbild
Auf der Mensa des Hauptaltars steht das Gnadenbild, eine Figur der thronenden Muttergottes mit Kind um 1450. In der Rechten hält sie den Granatapfel, links sitzt das Kind auf ihrem Schoss und hält die Weltkugel in der Hand. Beide tragen später zugefügte barocke Kronen. Das Gnadenbild ist auf allen Abbildungen des 17. und 18. Jahrhunderts bekleidet dargestellt und stammt noch aus der Vorgängerkirche.

Die Orgel
Die kleine Orgel mit 10 Registern (I/P/10) auf der Westempore wird von Abt Magnus Pracht dem Orgelbauer Augustin Simnacher aus Tussenhausen[19] in Auftrag gegeben. Er liefert sie 1723. Ihr fünfteiliger Prospekt mit zwei runden Seitentürmen und einem niederen Mittelturm kann mit Flügeltüren geschlossen werden. Über dem Mittelturm verdeckt eine Akanthuskartusche die Überbrückung der äusseren Türme, auf der König David mit der Harfe steht. Musizierende Engel stehen auf den Seitentürmen. Prospekt und Werk sind original erhalten.

Heraldik am Bau
Am Hochaltar sind zwischen den Sprenggiebeln des Ädikula-Oberstückes zwei ovale Wappenschilde vereint. Vom Betrachter links gesehen ist es das quadrierte und mehrfach gespaltene Wappen des Abtes Gilbert I. Schmid von Wellenstein. Dieses Wappenschild ist als Steinhauerarbeit auch über dem Südeingang angebracht. Nur das das zweite, rechts gelegene Wappenschild ist dasjenige des Abtes Augustin I. Bonenmayr, dem in allen Publikationen beide Wappen zugesprochen werden.
An den Altären der Seitenkapellen ist das vergoldete Wappen des Abtes Hyazinth über den Altarblättern angebracht. Die Erläuterungen zu diesen Wappen siehe im nebenstehenden Bildtext.

Besichtigung des Innenraums
Der Innenraum kann vom Normalbesucher nur durch das Vorhallengitter betrachtet werden. Nicht sichtbar bleiben die Stuckaturen der Seitenkapelle und die Orgelempore mit der Orgel.

Pius Bieri 2022

 

Literatur

Bonenmayr, Augustinus: S. Beninus Martyrer, So zu Steingaden in der Regulirten Premonstratenser Chorherren Gottshauß mit Triumphirlicher Solennitet ist eingebracht worden. München 1664.
[https://epub.ub.uni-muenchen.de/18153/]
Bezold, Gustav / Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Königreiches Bayern, erster Band, Lieferung 7: Bezirksamt Schongau. München 1893.
Hager, Georg: Die Bau- und Kunstdenkmale des Klosters Steingaden, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, Band 48, München 1894.
Dischinger, Gabriele: Johann und Joseph Schmuzer. Sigmaringen 1977.
Vollmer, Eva Christina: Der Wessobrunner Stukkator Franz Xaver Schmuzer. Sigmaringen 1979.
Paula, Georg und Berg-Hobohm, Stefanie: Denkmäler in Bayern. Landkreis Weilheim-Schongau, Bd.1 und Bd.2, München 2003.

 

Anmerkungen

[1] Sie wird 1664 «Unser lieben Frawen wunderthätige Capell auff dem Ilgen» genannt, ist also schon Wallfahrtsziel. Das Gebäude ist im Kupferstich der Translations-Feierlichkeiten des hl. Beninus von Ilgen nach Steingaden (Nr. 24) dargestellt. Dieser der Wallfahrt dienende Kirchenbau von 1564 wird von Historikern als Pestkapelle bezeichnet.

[2] Augustin Bonenmayr, auch Bonemaier, Bonnenmayr (1611–1677) aus Aichstetten bei Ravensburg. Seine Biografie ist bisher nicht erforscht. 1638 ist er als Student in Dillingen erwähnt. 1645–1674 ist er Abt in Steingaden. 1653–1666 auch Generalvikar der Zirkarie Bayern. 1669 sendet er seinen Prior Marian Steiger mit drei weiteren Konventualen zur Neubesiedlung von Speinshardt. «Quasi alter Fundator» nennt ihn die Totenrotel, vor allem auch wegen des schnellen Wiederaufbaus der Konventgebäude und des Umbaus der Stiftskirche.

[3] Zu Steingaden und den Äbten der Prämonstratenserabtei siehe [https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Steingaden.html].

[4] Johann Schmuzer (1642–1701) aus Gaispoint-Wessobrunn, Sohn von Matthäus Schmuzer I. Seinem Vater wird die Umgestaltung der Stiftskirche Steingaden zugeschrieben. Hier dürfte Johann Schmuzer bereits mitgearbeitet haben. Die Wallfahrtskirche Ilgen ist sein erstes eigenes Bauwerk. 1673–1678 baut er auch die in Grösse und Architektur mit Steingaden vergleichbare Wallfahrtskirche St. Koloman in der Ebene von Schwangau, die er schon 1671 plant. Zu Johann Schmuzer siehe die Biografie in dieser Webseite.

[5] Johann Pöllandt (um 1631–1721) aus Rottenbuch. Ihm werden die Bedachungsengel (um 1675) über dem Hochaltar und die Nischenfiguren der Chorrückwand zugeschrieben. Die hochbarocke Kanzel, gemäss «Denkmäler in Bayern Bd. I/23 (2003) schon 1675 gebaut, müsste dann auch von ihm stammen. Siehe zu ihm den Wikipedia-Beitrag unter https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_P%C3%B6llandt.

[6] Gilbert I. Schmid von Wellenstein (1635–1684) aus Füssen. Abt in Steingaden 1674–1684. Mit dem Taufnamen Franz Hannibal ist er älterer Bruder von Magnus Schmid (*1640) von Wellenstein, 1700–1723 Abt OSB in Fultenbach (Zu ihm siehe https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/a-g/Fultenbach_Schmid.html). Beide sind 1650 in Dillingen immatrikuliert. Ihr Vater ist der Hochfürstlich-Augsburgische Rat und Pfleger in Füssen, Hannibal Freiherr von Wellenstein. Franz Hannibal bewirbt sich 1654 um Aufnahme im Fürststift Kempten, wird aber trotz Empfehlung des Kaisers Ferdinand III. abgewiesen, weil der erworbene Freiherrentitel den adeligen Stiftsherren nicht genügt. Er tritt in Steingaden ein, wo er den Klosternamen Gilbert annimmt. Gehe zum Porträt des Abtes in Steingaden.

[7] Ohne Seitenkapellen wären, wie am Langhaus  von St. Coloman zu Schwangau, Strebepfeiler an den Aussenwänden notwendig. Am schmäleren Chor sind sie nicht erforderlich. In Schwangau ist der Chor ein spätgotisches Bauwerk und die Strebepfeiler werden beim Umbau übernommen. Von Strebepfeilern an der Wallfahrtskirche Ilgen vor 1735 ist nichts bekannt. Mehr dazu siehe im Kapitel «Architektur und Ausstattung. Beschrieb».

[8] P. Gerlach Heimerl oder Heimerle (1709–1785, seit 1731 in Steingaden, bricht seine handschriftliche Chronik 1763 ab. Von Ilgen schreibt er nur, dass Abt Hyazinth die beiden Altäre in den Kapellen errichtet und sie 1735 weihen haben lasse. (Quelle: Hager 1894). Von einem Neubau sprechen auch Bezold/Riehl in den «Kunstdenkmale» 1893 noch nicht. Gabriele Dischinger in «Johann und Joseph Schmuzer» (1977) schreibt erstmals von Neubauten, mit dem Hinweis, dass «an dieser Stelle auch vorher ähnliche Erweiterungsbauten waren». Dies verwundert, denn der heutige Blendgiebel mit eingerollten Voluten deutet eher ins 17. Jahrhundert und nicht in den Spätbarock. An der Tatsache, dass die Kapellen zum Bau von Johann Schmuzer zählen, ändert aber selbst ein völliger Neubau (aus welchem Grund?) von 1735 nichts.

[9] Franz Schmuzer (1676–1741) aus Gaispoint-Wessobrunn. Die Zuschreibung erfolgt durch Eva Christina Vollmer im Vergleich mit dem 1736/38 durch Franz Schmuzer ausgeführten Chorumbau der Filialkirche Unserer Lieben Frau in Petzenhausen. Der Hochaltar von Petzenhausen ist tatsächlich ein mit den beiden Altären in Ilgen vergleichbares Werk. Aber auch den ungewöhnlich dichten Régencestuck schreibt sie Franz Schmuzer zu. Sein Beizug 1740 zum Umbau der Stiftskirche von Steingaden durch Abt Hyazinth scheint eine Bestätigung zu sein. Der Dehio (2006) und auch die Informationstafel am Gebäude nennen demgegenüber den erst nach 1741 selbständig arbeitenden Franz Xaver Schmuzer als Stuckateur. Er könnte am Stuck der Seitenkapellen aber höchstens mitbeteiligt sein. Zu Franz Schmuzer (1676–1741) siehe die Biografie in dieser Webseite.

[10] Die Öffnung zum belichteten Dachraum ist mit einem Balustradenkranz umgeben.

[11] Br. Lukas Schwaiger († 1741), Laienbruder in Steingaden. Seine Lebensdaten sind nicht erforscht. Im nördlichen Altarblatt sind die Apostel Jakobus d. J. und Philippus, im südlichen die Apostel Simon Zelotes und Judas Thaddäus gemalt.

[12] Br. Lukas Schwaiger übernimmt für die Figuren im Hauptaltarblatt eine Kupferstichveröffentlichung der Mariä Heimsuchung, wahrscheinlich nach dem Druck von Visscher II in Amsterdam (Stecher Pieter de Jorde nach einem Gemälde von Peter Paul Rubens) der viersprachig in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einer Bibeledition verbreitet wird.

[13] Johann Georg Bergmüller (1688–1762) aus Türkheim. Akademiedirektor in Augsburg. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[14] Judas Thaddäus Ramis (1734–1808) ist Klostermaler in Steingaden. Er ist auch Fassmaler in der Wieskirche.

[15] Der Gasthof Ilgen ist in der bayerischen Kunstdenkmäler-Inventarisation nicht erfasst.

[16] Gehe im Bildmaterial der Webseite mit dem Vergleich der beiden Grundrisse. Das Langhaus von Ilgen ist 14 m breit und 22 m lang. Das Langhaus von Schwangau ist (mit Strebepfeilern) 14 m breit und 21,3 m lang. Die Gesamtlänge (Langhaus und Chor) von Ilgen beträgt 36,5 m, diejenige von Schwangau 37 m. Dass trotzdem in der kunsthistorischen Literatur für Ilgen ein kürzeres und breiteres Langhaus beschrieben wird, beruht auf einer optischen Einschätzung: Ilgen hat vier Joche, Schwangau deren fünf.

[17] Die Jesuitenkirche St. Michael in München wird 1593–1597 nach dem Entwurf von Friedrich Sustris stuckiert. Ein Vergleich der Wessobrunner Stuckaturen in Ilgen mit den gleichzeitigen Stuckaturen von Br. SJ. Heinrich Mayer in der Jesuitenkirche Luzern (mit Michael Schmuzer) oder mit dem gleichzeitigen Stuck von Giovanni Battista Carlone in der Jesuitenkirche Passau zeigt noch das weitgehende Fehlen der Figuralplastik und das Festhalten am geometrischen Gerüst.

[18] Im Werk von Franz Schmuzer, dem die um 1735 entstandene Arbeit durch Eva Christina Vollmer zugewiesen wird, ist diese Dichte singulär. Dies zeigt auch der Vergleich mit der Chorgewölbe-Stuckierung in Petzenhausen, die als sein Werk (1736/38) gesichert ist. Putti (Engelchen) fehlen in Petzenhausen und in dieser Menge auch in anderen Werken.

[19] Augustin Simnacher (1688–1757) aus Irsingen bei Buchloe, übernimmt 1720 die Werkstatt Guggemoos in Tussenhausen. Er stirbt in Brixen während seiner letzten Arbeit an der Domorgel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung in Ilgen bei Steingaden
IlgenAussen1
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Ilgen (Steingaden)

Kurfürstentum Bayern

Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Augsburg 1670
Bauherr und Bauträger
     Abt OPraem Augustin Bonenmayr
     (reg. 1645–1674)
     Abt OPraem Gilbert I. Schmid von Wellenstein
     (reg. 1674–1684)
Gassner Abt OPraem Hyazinth Gassner
     (reg. 1729–1745)
Die Wallfahrtskirche von Südost gesehen. Foto: Bieri 2015.
IlgenInnen1
Der Innenraum, in der Vergrösserung auch mit Kanzel. Foto Bieri 2015.
PDF11
IlgenLageplan
Lageplan von Kirche und Gasthaus um 1800. Grundlage: Bayerische Landesvermessung 1820 und 2020.
IlgenNecrologium1651
Kirche und Gasthaus um 1750 im Necrologium Staingadensis Fol. 14v, von Osten gesehen.
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek.
IlgenWiki1
Die Wallfahrtskirche von Süden gesehen. Foto: Rabanus Flavius 2010 in Wikipedia.
IlgenWappenWellenstein
Das Wappenschild des Abtes Gilbert I. Schmid von Wellenstein über dem Eingangsportal. Die Farben sind im Wappen über dem Hochaltar und in seinem Porträt der Äbtegalerie Steingaden ablesbar. Das Schild ist quadriert (geviert) und enthält ein Herzschild. Feld 1 und 4 sind gespalten. Es sind die Wappen der Abtei Steingaden, Turm und Greifenlöwe in Feld 1, Pappeln und Turm in Feld 4. Im Herzschild liegt das Johanneshaupt von Steingaden. Die Wappenfiguren der Familie Schmid von Wellenstein sind in die zweifach gespaltenen Felder 2 und 3 gelegt. Sie zeigen in Blau einen stehenden Schwan, in Gold einen halben schwarzen Adler und eine sechsplätzige Rot-Silber-Bogenständerung. Foto: Bieri 2022.
Mehr zum Wappen Schmid von Wellenstein
Porträt des Abtes Gilbert I. in Steingaden
Mehr zu Abt Gibert I. siehe Steingaden
IlgenGnadenbild1651
Im «Necrologium Staingadensis» von 1650 ist im Fol. 14v, 100 Jahre später von Bernhard Ramis gemalt, das Gnadenbild von Ilgen in einem frühbarocken Altar zu sehen. Der Maler dürfte den Altar kaum erfunden haben. Ist es einer der beiden Kapellenaltäre vor 1735? Das Gnadenbild des 15. Jahrhunderts, eine sitzende Maria mit Kind, trägt barocke Kronen und ist barock bekleidet. Sie sitzt heute entkleidet und unscheinbar in der Tabernakelzone des Hochaltars. Vom Besucher, der durch das Vorhallengitter abgehalten wird, dürfte sie kaum wahrgenommen werden. Bildquelle: SW-Veröffentlichung in «Der Welf» 4-96/97, Original in der Bayerischen Staatsbibliothek.
IlgenHochaltar
Der Stuckmarmor-Hochaltar bildet eine architektonische Einheit mit der Raumstuckatur. Johann Schmuzer erstellt ihn 1675 mit dem Bildhauer Johann Pöllandt. Die Einbindung in die Raumarchitektur ist ein eindrückliches Meisterwerk des frühen Hochbarocks. Das Altarblatt mit der Heimsuchung Mariens wird erst 1735 eingefügt. Der Klostermaler Br. Lukas Schwaiger malt es nach dem Stich eines Rubens-Bildes. Foto: Bieri 2022.
Das Vorbild des Altarblattes ist ein Stich von Nicolaes Visscher (II) nach dem Gemälde von Peter Paul Rubens (1632/34) in Prag.
Gehe zum (seitenverkehrten) Stich nach dem Rubensgemälde.
Quelle: Rijksmuseum Amsterdam.
IlgenAuszuHochaltar
Das Retabel-Oberstück (auch «Auszug» genannt) des Hochaltars ist als Säulen-Ädikula zwischen die Sprenggiebel des Hochaltars gesetzt. Die beiden auf den Sprenggiebeln sitzenden Engel verdeutlichen mit dem Herunterziehen von Blumengehängen aus dem Gewölbe die Einheit von Raumkleid und Altararchitektur. Über dem Ovalbild mit Gottvater und dem Hl. Geist sind die Wappenschilde der Bauäbte Gilbert I. Schmid von Wellenstein (links) und Augustin Bonenmayr (rechts) angebracht. Zum Wappen des Abtes Gilbert siehe die Erläuterung oben (Wappenstein Südeingang). Zum Wappen des Abtes Augustin Bonenmayr siehe die Erläuterung unten.  Foto: Bieri 2022.
Die Erläuterung des Bonenmayr-Wappens erfolgt hier auf Grund der (nur in Schwarzweiss veröffentlichten) schönen zeitgenössischen Darstellung in Fol 12v des «Necrologiums Staingadense» von 1650. Gehe zur Erläuterung.
IlgenAltäre
Die beiden Seitenaltäre von 1675 sind wie die Schauwand des Hochaltars in das Raumkleid integriert. Sie verkleiden den Choreinzug und verschleiern mit ihren Oberstücken die unterschiedlichen Höhen der Langhaus- und Chorgebälke. Ihre Altarblätter sind jünger. Das südliche (rechte) Blatt des hl. Joseph mit dem Jesusknaben malt Johann Georg Bergmüller 1735. Das nördliche Seitenaltarblatt der Hl. Familie liefert nach 1750 Judas Thaddäus Ramis aus Steingaden. Foto: Bieri 2022.
IlgenWiki6
Die nördliche Seitenkapelle, 1735 umgestaltet,  davor die hochbarocke Kanzel von 1675, die mit grösster Wahrscheinlichkeit ein Werk von Johann Pöllandt ist.
Foto: Ricardalovesmonuments in Wikipedia.
IlgenWiki5
Die südliche Seitenkapelle, auch sie 1735 umgebaut und stuckiert.
Foto: Ricardalovesmonuments in Wikipedia.
IlgenStuck1
Im Gewölbestuck bricht Johann Schmuzer den strengen Felderstuck der «Münchner Schule» auf und leitet mit Frucht- und Blumengehängen, Akanthusranken, Blumen- und Lorbeerkränzen und Engelchen in den Wessobrunner Hochbarock über. Foto: Bieri 2022.
IlgenStuck2
Am Triumphbogen verdichtet Schmuzer die oben erwähnten Elemente zu einer hochbarocken Plastik zusammen. In der Mitte wieder das Wappen des Abtes Gilbert I. von Wellenstein. Foto: Bieri 2022.
IlgenWiki7
Die kleine Orgel von 1723 kann mit Flügeltüren geschlossen werden. Prospekt und Werk sind original erhalten. Dem Normalbesucher bleibt sie leider nicht sichtbar. Foto: Foto: Rabanus Flavius 2010 in Wikipedia.