Rot an der Rot

Bruderschaftskirche St. Johann

Vom Frauenstift zur Friedhofskirche

Ein Doppelkloster im Mittelalter
Die 1126 gegründete Abtei Rot, auch Münchroth, Mönchsroth oder nur Roth genannt, beherbergt in den ersten Jahrzehnten auch Frauen, die in einem Kanonissenhaus leben. 1140 werden sie in ein neugebautes Kloster der Abtei verlegt. Es liegt rund 10 Gehminuten südlich der Abtei im Tal der Haslach. Die Klosterkirche ist Johannes dem Täufer geweiht. Das Frauenkloster geht nach der grossen Pestepidemie Mitte des 14. Jahrhunderts ein. 1422 sind die verlassenen Gebäulichkeiten wieder von Wald umgeben. Nur die Kirche wird jetzt wieder zugänglich gemacht und nochmals neu geweiht.

Bruderschafts- und Friedhofkirche
1579 gründet Abt Martin II. in der Kapitels- und Marienkapelle der Abtei Rot die marianische Erzbruderschaft «SS. Rosarii». Er stiftet eine spätgotische Pietà als Andachtsbild. 1601 lässt Abt Balthasar die ehemalige Klosterkirche an der Haslach für die Bruderschaft neu bauen. Die Neuweihe erfolgt zu Ehren der Jungfrau Maria und von Johannes dem Täufer. 1603 erfolgt die Übertragung der Pietà aus der Marienkapelle. Der nachfolgende Abt Joachim lässt den Friedhof nach St. Johann verlegen und ihn 1612 mit einer Mauer umgeben.
Seither ist die Bruderschaftskirche auch Friedhofskirche.

Baugeschichte vom 18. Jahrhundert bis heute

Kirchenneubau 1737–1741
Abt Hermann Vogler aus Oberstdorf, der 1711 gewählt wird, kann die Abtei Rot erstmals während einer längeren Friedenszeit regieren.[1] Er ist ein typischer Barockprälat und Förderer des religiösen Volksbrauchtums. Er sorgt auch für eine gute Ausbildung des Nachwuchses. Den 1713 eingetretenen Benedikt Stadelhofer[2] aus Feldkirch und Ignatius Vetter<[3] aus Kirchheim ermöglicht er ein Studium in Dillingen. Abt Hermann ist zudem Liebhaberarchitekt. Unzweifelhaft ist der grosse Ökonomiehof, den er 1724–1728 baut, nach seinen Planungsvorgaben entstanden. Ihm wird auch die Planung des 1720 erbauten Pfarrhofes in Maria Steinbach und diejenige des Pfarrhofes in Haisterkirch zugeschrieben. Dieser Bau wird 1736 vom inzwischen als Pfarrer in Haisterkirch tätigen Pater Benedikt Stadelhofer geleitet. 1737 beginnt Abt Hermann mit dem Neubau der Bruderschaftskirche. Die Kirche von 1601/03 ist inzwischen für die Zunahme der Mitglieder und der vielen Prozessionen viel zu klein geworden. Die neue Kirche wird südlich von ihr errichtet. Abt Hermann verzichtet bei diesem Sakralbau auf den Beizug eines bekannten, planenden Baumeisters und plant offenbar selbst.<[4] Pater Benedikt Stadelhofer, wieder zurück in Rot, dürfte wieder die Bauleitung wahrgenommen haben. Die Baudurchführung gibt aber Anlass zu Rügen. Jedenfalls äussert sich der spätere Klosterchronist äusserst negativ über die Bauleute.[5] 1739, wenn man der Chorbogeninschrift von 1900 glauben will, scheint der Bau bereit für die Ausstattung zu sein.
Abt Hermann Vogler zieht sich in diesem Jahr zurück. Als neuer Abt wird Ignatius Vetter, der Dillinger Studienfreund von Pater Benedikt Stadelhofer, gewählt. Dieser scheint den Neubau trotz des Wechsels ohne Unterbruch weiterzuführen, denn spätestens 1740 kann der Ausbau begonnen werden und 1741 ist die Kirche mit allen Ausstattungen fertiggestellt.[6] Anfang Oktober 1741 kann in einer feierlichen Prozession das Gnadenbild von der alten in die neue Kirche übertragen werden. Die Einweihung erfolgt erst am 13. August 1745.

Die Namen der für den Ausbau und die Ausstattung beigezogenen Künstler sind zwar teilweise überliefert, aber mit Ausnahme des Bildhauers und Altarbauers Johann Georg Reusch[7] weder bekannt noch erforscht. Die Fresken fertigt ein Johann Michael Blehle oder Biehle an.[8] Auch Namen von Fassmalern werden genannt.[9] Völlig ungenannt bleiben die Stuckateure.
Nach der Einweihung der Bruderschaftskirche plant Bauabt Ignatius und sein Bauleiter den Neubau der Wallfahrtskirche Maria Steinbach. Für diese Kirche bestellt er beim berühmten Orgelbauer Joseph Gabler eine Emporenorgel, die aber erst nach dem Tod von Abt Ignatius der nachfolgende Abt Ambrosius Guggenmos[10] 1757 aufstellen lässt. Abt Ambrosius lässt anschliessend, wahrscheinlich auch von Joseph Gabler, die Orgel in der Bruderschaftskirche St. Johann bauen.[11] Sie wird 1830 als Orgel mit 18 Registern nach Berkheim verkauft, wo sie heute nicht mehr vorhanden ist. Die Orgelempore bleibt seither leer.

Von der Säkularisation bis heute
Im Reichsdeputationshauptschluss 1803 wird die Herrschaft Rot mit ihren 2871 Untertanen dem hochverschuldeten Grafen Ludwig von Wartenberg als Entschädigung für «verlorenen» linksrheinischen Besitz übergeben. Auch die Bruderschaftskirche geht in den Besitz des Grafenhauses über, das die beweglichen Kunstwerke sofort verwertet. 1817 wird sie anstelle der alten Vorgängerkirche neue Friedhofskirche der Kirchgemeinde. 1819 erfolgt ihre erste Sanierung. Die jetzt entbehrliche alte Friedhofskirche von 1601/03 verliert 1820 ihr Langhaus durch Abbruch. 1837 erfolgt zudem die Auflösung der Bruderschaft. 1875 wird auch der noch stehende Chor der Vorgängerkirche abgebrochen. Die Bruderschaftskirche kommt erstmals 1900 in die Kur von Restauratoren. Dabei wird durch Übermalungen vieles unwiderruflich zerstört. Die Inschrift über dem Chorbogen erinnert an diese Eingriffe. 1964/65 erfolgt eine Aussenrestaurierung, 1989–1994 schliesst sich eine Gesamtrestaurierung an.

 

Die Architektur der Bruderschaftskirche

Gebäudeform
Auf einfachem rechteckigem Grundriss, die Ecken durch Abschrägungen gebrochen, stellen die Planer einen einheitlich hohen Baukörper unter ein steiles, zu den Abschrägungen gewalmtes Dach. Südseitig ist dem Bau ein Glockenturm mit oktogonalem Glockengeschoss und Zwiebelhaube, im Osten eine eingeschossige Sakristei angefügt. Der Innenraum wirkt mit 16,3 Meter Breite bei ungefähr neun Meter Höhe und mit dem flachen Muldengewölbe stark saalförmig. Er unterscheidet sich baulich von einem quergestellten protestantischen Tempel eigentlich nur durch die Längsbetonung und die eingesetzte Trennwand zur Teilung von Chor und Gemeinderaum. Überzeugend wirkt der Saalraum hingegen mit seiner Gliederung durch Vollsäulen, deren Interkolumnen die Fensteröffnungen einnehmen, ihrer Fortsetzung in den breiten Okuli-Stichbögen der Muldendecke, aber auch dank der Ausstattung, dem Stuck und den Fresken.

Tektonik
Kräftig rote, marmorartig bemalte Vollsäulen[12] mit ebenso bunten Kompositkapitellen sind umlaufend in Gemeinderaum und Chor vor die Wand gesetzt und tragen ein verkröpftes Gebälk. Die breiten Rundbogenfenster und die oberhalb des Gebälks durch Stichbogen freigelegten hochovalen Okuli lassen die Aussenwand als Lichtwand wirken. Die der Wand vorgestellten Säulen mit ihren Interkolumnen von 3,75 Meter haben aber keine statische Funktion, denn die flache Muldendecke ist an den Dachstuhl gehängt. Die Säulen fehlen aus diesem Grund hinter der Westempore. Wie der Raum ohne diese tektonische Gliederung und ohne Ausstattung wirken würde, ist dort abzulesen. Offenbar kümmern sich die beiden Laienplaner der Abtei Rot vor allem um die festliche Wirkung des Innenraums und weniger um die Architektur oder gar um die Statik. Sie scheinen in der Frage der Firmitas dem unbekannten Zimmermann als wahrscheinlich einzigem Fachmann mit statischer Erfahrung voll zu vertrauen.

Stuck der Régence
Die Stuckaturen der Gewölbe sind zurückhaltende, aber meisterliche Arbeiten am Ende der Régence. Bandelwerk und Gitterwerk dominieren im Gemeinderaum, im Chor sind auch figürliche Elemente enthalten und an die Spickelenden der Stichbogen über den Säulen sind Fruchtkörbe gestellt. In den Stichbögen sind die Kartuschen auch von feinem Laubwerk gefasst.

Deckenbilder nach theologischem Programm
Sechs Deckengemälde der mittleren Muldendecken-Flachzone und 28 allegorische Zwickelbilder in jedem Stichbogen sind einem klaren theologischen Programm verpflichtet. Es könnte noch vom Initiant der neuen Kirche, dem inzwischen resignierten Abt Hermann stammen. Das Programm ist dem Rosenkranzgeheimnis gewidmet. Im Mittelbild des Chors überreicht Maria den Rosenkranz an die hll. Dominikus und Katharina. Es ist das einzige grosse Gemälde, das trotz unsachgemässer «Restaurierung» noch barocken Charakter aufweist. Im Gemeinderaum hat der «Restaurator» von 1900 die Bilder nach seinem Gusto übermalt oder, weil zerstört, gar neu gemalt. Die seitlichen Emblembilder in Camaïeu-Technik scheinen jedoch von diesem Schicksal verschont geblieben zu sein. Jedenfalls wirken sie noch heute als Barockfresken. Die zwölf Embleme der Nord- und Südseite im Gemeinderaum [A1–F2] beziehen sich auf das jeweilige Deckenbild. Auch die zehn Embleme und das mittlere Monogramm im Chor [1–11] kreisen um das marianische Thema des Mittelbildes und um das Rosenkranzgebet. Speziell an den Emblemen in Rot ist die volkstümliche deutsche Erläuterung, die in Versform unter jedem mit lateinischem Titel versehenen Emblem zu lesen ist. Zusätzlich zu den 22 Emblemen sind rückwärtig vier Erdteilallegorien zu sehen. Alle Embleme können im erläuternden Grundriss der Webseite durch Anklicken betrachtet werden.[13]

Ausstattung
Der Bildhauer Johann Georg Reusch aus Waldsee ist mit grosser Wahrscheinlichkeit Schöpfer der eindrucksvollen Altäre. Von ihm sind als einzigem der wenigen genannten Meister des Neubaus auch einige Lebensdaten überliefert. Er arbeitet kurz vorher im nahen Buxheim an einem Altar von Dominikus Zimmermann, mit dem er einige Jahre vorher auch in der Wallfahrtskirche Steinhausen tätig ist. In Buxheim erstellen die Brüder Zimmermann bis 1741 mit der Annakapelle auch den ersten Sakralraum des Rokokos. Die Altarretabel der Bruderschaftskirche zeigen deshalb grosse Nähe zu den aktuellsten Arbeiten des grossartigen Altarbauers aus Landsberg.

Hochaltar und Galerie

Der Hochaltar des Johann Georg Reusch ist aber einmalig. Das Säulenretabel in der Art eines dreiteiligen Triumphbogens lebt von seiner reichen Figuralplastik. Mittig ist die Pietà des 16. Jahrhunderts aus der Vorgängerkirche eingefügt. Dieses Retabel steht frei unter einer von vier schlanken Freisäulen getragenen baldachinartigen Bekrönung. Vier gist ebrochene Voluten halten die Säulen spangenartig zusammen und tragen einen Kronreif mit Marienmonogramm. Speziell sind auch die pagodenartig geschweiften Säulengebälk-Segmente. Dieses für die Zeit ausserordentlich reife Meisterwerk erfährt eine zusätzliche Betonung durch die Emporengalerie, die den Hochaltar umfängt. Die Galerie ist von Säulen getragen, die Brüstung besteht aus einer Addition von Spiralsäulen. Sie ist zwar vom Turm zugänglich, aber trotzdem Kulissenarchitektur ohne grossen Gebrauchsnutzen. Altar und Galerie sind farbig gefasste Schreiner- und Bildhauerarbeiten, deren Entwurf aus der gleichen Hand stammen muss. Ihre Gesamterscheinung weist schon ins Rokoko. Auch die Brüstung der Westempore ist gleich wie die Chorgalerie gestaltet.

Seitenaltäre

Auch die beiden Seitenaltäre sind Werke des Bildhauers und Altarbauers Reusch. Es sind Ädikula-Säulenretabel mit Altarblättern von einem leider wieder unbekannten Meister. Reiches Régence-Schnitzwerk prägt die Oberstücke, die durch eine gemalte Baldachindraperie hinterfangen ist. Der nördliche Altar enthält ein Votivbild des Konventes von Rot. Unter den beiden heiligen Johannes und Paulus ist eine Vogelschau des Klosters Rot während des Hagelschlags 1720 zu sehen. Im südlichen Altarsblatte stellt der gleiche Maler die Verherrlichung des hl. Joseph dar. 

Kanzel

Die Kanzel ist eine wenig erhöhte Rundform, deren Brüstung ähnlich der Galerien mit Spiralsäulchen gestaltet ist. Sie wirkt auch deshalb aussergewöhnlich, weil ihr der Schalldeckel fehlt.

Gestühl
Das Kirchengestühl ist an der vordersten rechten Wange mit dem Erstellungsjahr 1740 bezeichnet und trägt den Wappenschild des Abtes Ignatius. Gegenüber ist der auch im Abts-Schild enthaltene Verenafisch nochmals als Signet des Klosters geschnitzt. Die Eichenwangen enthalten durchwegs Laub- und Bandelwerkschnitzereien der Régence.

Pius Bieri 2019

Literatur
Stadelhofer, Benedictum: Historia imperialis et exemti Collegii Rothendsis in Suevia. Volumen II. Augsburg 1787.
Klaiber, Hans: Die Kunst und Altertums-Denkmale in Württemberg, Donaukreis, Oberamt Leutkirch. Esslingen 1924.
Tüchle, Hermann und Schahl, Adolf: 850 Jahre Rot an der Rot. Geschichte und Gestalt. Sigmaringen 1976.
Beck, Otto: Bruderschaftskirche Sankt Johann, Rot an der Rot. Kunstführer 1994. Regensburg 2002.
Betz, Jutta: Rot an der Rot. Ehemalige Prämonstratenser-Reichsabtei. Peda-Kunstführer. Passau 2001.

Web
Beschreibung des Oberamts Leutkirch (Roth) 1843, in Wikisource

Anmerkungen
[1] Hermann Vogler (1680–1749) aus Oberstdorf im Oberallgäu. Abt in Rot 1711–1739. Sein Taufname vor der Profess ist Joseph. Profess in Rot 1697. Studium in Dillingen. Primiz 1704. Professor für Philosophie, Theologie und Rechte in Rot. Er ist vor seiner Wahl Pfarrer in Haisterkirch und wird relativ jung gewählt. 1717 reist er zusammen mit dem Abt von Weissenau an das Generalkapitel in Prémontré. Vorher halten sie sich eine Woche in Paris auf. Schon in Paris und Pémontré macht sich der junge Abt durch seine Opposition gegen den aufklärerischen Jansenismus einen Namen. Seit 1721 ist er Generalvikar der Zirkarie Schwaben. Er wird zum gefürchteten Visitator und will einige verdiente, aber zu wenig zelotische Äbte (Ströbele Schussenried, Schwaninger Roggenburg) zur Resignation zwingen. Nur in Schussenried erreicht er sein Ziel. Ausserhalb dieser sektiererisch anmutenden Visitatoren-Tätigkeit ist er ein typischer Barockprälat, Reliquiensammler, Förderer von Wallfahrten und auch Liebhaberarchitekt. Im Maria Steinbach eröffnet er 1723 mit einem geschenkten Kreuzpartikel die berühmte Wallfahrt. Mehr zu ihm siehe in der Biografie in dieser Webseite.

[2] Benedikt Stadelhofer (1694–1760) aus Feldkirch. Schulen in Feldkirch und Weingarten. 1714 Profess in Rot, dann Studium in Dillingen. Vermutlich Bauleiter der Bruderschaftskirche, sicher aber Planer und Bauleiter der Wallfahrtskirche Maria Steinbach. 1758–1760 Abt in Rot. Er ist vielleicht Onkel des bekannten gleichnamigen Chronisten und Literaten im Kloster Rot, Benedikt Stadelhofer (1742–1802), mit dem er verwechselt werden kann. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[3] Ignatius Vetter (1697–1755) aus Kirchheim im Unterallgäu. Profess 1714. Studium in Dillingen. Doktor der Rechte. Primiz 1721. Abt in Rot 1739–1755.

[4] Es sind keine Namen, weder von ausführenden Maurermeistern oder Zimmerleuten, noch von sich bewerbenden Baumeistern bekannt. Dass der architekturinteressierte Abt selbst plant, wird vom Verfasser angenommen, weil er vorgängig schon mehrere Profanbauten selbst geplant hat. Die Mitarbeit von Pater Benedikt Stadelhofer wird aus dem späteren Engagement in Maria Steinbach und aus seiner vorgängigen Bauleitung des Dreiflügel-Pfarrhofs in Haisterkirch abgeleitet. Erstmals interessiert sich 1994 Otto Beck für «Architekten» der Bruderschaftskirche und vermutet darin Pater Benedikt Stadelhofer.

[5] Hans Klaiber zitiert 1924, ohne Quellennennung, einen Klosterchronisten, der mit dem Verfasser der Chronik von 1787, dem erst 1742 geborenen Neffen Benedikt Stadelhofer identisch sein dürfte. Gemäss Klaiber charakterisiert er die Ausführenden (er nennt sie Baumeister) wie folgt: «Langsam wie die Schnecken haben sie gegen nichts eine grössere Abneigung als gegen ein dauerhaft und rasch errichtetes Gebäude; und wenn gegen ihren Willen ein solches erstellt wird, prophezeien sie den grössten Schaden, der in Wahrheit für ihren Geldbeutel besteht». Offenbar ist dem späteren Chronisten nicht bewusst, dass dafür in erster Linie die Bauleitung, in diesem Fall sein Onkel und der Abt Hermann Vogler, verantwortlich sind. Stadelhofer ist aber auch bei Bauvorgängen seiner Zeit (Kirchenneubau 1777/86) stark voreingenommen und kann Verleumdungen nicht vermeiden.

[6] Andere Daten melden Otto Beck und Jutta Betz. Nach ihnen werden 1741 nicht nur Ausstattung, sondern auch alle Stuckaturen und die Fresken erstellt. Dies entspricht weder dem Datum «I. A. 1740» (Ignatius Abbas 1740) an der vordersten Bankwange, noch sind sechs Monate für diese Arbeiten, die selbst heute nicht gleichzeitig ausgeführt werden können, genügend. Wahrscheinlich werden Stuck und Fresken 1740 erstellt und nach dem Entfernen der Gerüste im Herbst 1740 die Ausstattung begonnen.

[7] Johann Georg Reusch (um 1690–um 1657) aus Waldsee. 1732–1734 arbeitet er für die Prämonstratenserabtei Schussenried in der Wallfahrtskirche Steinhausen von Dominikus Zimmermann, wo er den Orgelprospekt erstellt. Schon um 1720 ist er in der Stiftskirche Waldsee (Bad Waldsee) als Bildhauer und Altarbauer tätig, wo Dominikus Zimmermann 1714 den Hochaltar erstellt. Die Zuschreibung der Altäre und der Kanzel an Johann Georg Reusch erfolgt erstmals 1955 durch Klaus Schwager.

[8] Offenbar ist der Maler unbekannt. Die Signatur lautet J. M. Blehle. Otto Beck (1994) bezeichnet ihn dann aber als oberschwäbischer Barockmaler J. M. Biehle, weil die Unterschrift seit 1900 falsch restauriert sei und es einen Maler Biehle gegeben habe. Wenn ja, warum ist dann keine Angabe über diesen Maler möglich? Und warum wird der Fehler auch anlässlich der letzten Restaurierung nicht behoben? Seither wird der unbekannte Maler meist Biehle genannt.

[9] Hans Jerg und Franz Hölzle (Lebensdaten und Herkunft unbekannt) und ein ebenso unbekannter Maler Binzle aus Mettenberg.

[10] Ambrosius Guggenmos (1705–1758) aus Stetten im Unterallgäu, Abt in Rot 1755–1758.

[11] Joseph Gabler (1700–1771) aus Ochsenhausen. Erbauer der berühmten Orgeln von Weingarten (1750) und Ochsenhausen (1753). Er ist bekannt für freistehende Spieltische. Mit Ausnahme einer Zahlung der Rosenkranzbruderschaft von 150 Gulden ist über die Orgel in Rot aber nichts bekannt. Dies kann aber unmöglich die Zahlung einer grösseren Orgel bedeuten. Schon für die kleine Vorgängerorgel werden 1742 an Orgelbauer Hör 84 Gulden bezahlt. Mehr zu Joseph Gabler siehe in der Biografie in dieser Webseite.

[12] In der zugänglichen Literatur ist nicht festgehalten, wann der heutige Farbton entstanden ist. Obwohl eigentlich für Stuckmarmor prädestiniert, ist es eine reine Farbfassung. Sie will (oder kann?) die Lebendigkeit und zurückhaltende Farbigkeit des Stuckmarmors nicht erreichen und dürfte die Folge einer Kostenentscheidung sein.

[13] Die Fotos der Embleme sind Aufnahmen des Wikipedia-Autors «Hermetiker» vom Mai 2009. Gehe zu den Originalaufnahmen im Albums «Embleme in Rot an der Rot».
 




Rot an der Rot: Bruderschaftskirche St. Johann (Friedhofskirche)
SanktJohann1826
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Rot an der Rot
Baden-Württemberg D
Reichsabtei
Rot an der Rot
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Konstanz 1737
Bauherr und Bauträger
Vogler  Abt OPraem Hermann Vogler
      (reg. 1711–1739)
Vetter   Abt OPraem Ignatius Vetter (reg. 1739–1755)
 
 
Grundriss der Bruderschaftskirche St. Johann. Zur Vergrösserung und Legende bitte anklicken. Zur interaktiven Bildübersicht der Embleme klicke hier Interaktive Seite
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Die ehemalige Bruderschaftskirche von Süden gesehen. Foto: Bieri 2009.
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Ausschnitt aus der Flurkarte 1826. Im ummauerten Friedhof nördlich der Kirche liegt der noch erhaltene Chor der alten Kirche von 1601. Das Gewässer der Haslach schlängelt sich frei Richtung Norden.
Mehr Erläuterungen, auch zur Lage von St. Johann bei der ehemaligen Abtei, siehe in der Gesamtkarte (bitte anklicken).
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Die Kirche von Osten mit der gleichzeitig am Chorhaupt errichteten zweigeschossigen Sakristei. Bild: Bieri 2009.
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Der helle Innenraum mit Blickrichtung zum Chor. Er wird im Langhaus von den rotmarmorierten Vollsäulen und dem dekorativ gestalteten Scheingewölbe dominiert. Foto: Bieri 2009.
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Einblick in den Chor mit der umlaufenden, nur vom Turm zugänglichen Galerie. Frei davor steht das Retabel des Hochaltars, das von einer eleganten Freisäulen-Baldachin-Architektur überfangen ist. Foto: Bieri 2009.
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Der Hochaltar ist ein hervorragendes Werk des Bildhauers Reusch aus Waldsee am Übergang zum Rokoko. Das Säulenretabel mit reicher Figuralplastik steht frei unter einer von vier schlanken Freisäulen getragenen baldachinartigen Bekrönung. Mittig ist im Retabel die Pietà des 16. Jahrhunderts aus der Vorgängerkirche eingefügt.
Foto: Zairon (2011) in Wikipedia.
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Die festliche Wirkung des Innenraums beruht auf hervorragenden Bildhauerarbeiten an Altären, Galerien und Kirchenbänken, verbunden mit dem Régence-Stuckkleid und den Bildwerken in den Gewölben.
Foto: Bieri 2009.
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Die sechs Deckengemälde der mittleren Muldendecken-Flachzone und die 28 allegorischen Zwickelbilder in den Stichbogen sind einem klaren theologischen Programm verpflichtet. Feines Bandel- und Gitterwerk der Régence weist auf einen guten, aber leider unbekannten Stuckateur hin.
Foto: Foto: Zairon (2011) in Wikipedia.
SanktJohannInnen6Wiki
Während die grossen Gemälde im Langhaus heute nicht mehr barock sind, haben alle Zwickelbilder mit ihren Emblemen den barocken Charakter bewahrt. Zu den Emblembilder mehr im interaktiven Grundriss.
Foto: Zairon (2011) in Wikipedia.
SanktJohannInnen7Wiki
Im Mittelbild des Chors überreicht Maria den Rosenkranz an die hll. Dominikus und Katharina. Es ist das einzige grosse Gemälde, das trotz unsachgemässer «Restaurierung» noch immer barocken Charakter aufweist.
Foto: Norbert Schnitzler 2006.
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Alle Embleme sind in Camaïeu-Technik gemalt. Beim Anklicken des Bildes öffnet sich ein interaktiver Grundriss, in dem 22 Bilder des Wikipedia-Autors «Hermetiker» betrachtet werden können.
Alle Emblem-Fotos: Hermetiker 2009.
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Das Kirchengestühl ist an der vordersten rechten Wange mit dem Erstellungsjahr 1740 bezeichnet und trägt den Wappenschild des Abtes Ignatius. Die Eichenwangen enthalten durchwegs Laub- und Bandelwerkschnitzereien der Régence. Foto: Bieri 2009.