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Zum Wappen der Zisterzienserabtei Lützel

Das alte Konventwappen
Seit dem Mittelalter ist die Darstellung der thronenden Muttergottes für alle Zisterzienserkonvente die Regel. Meist ist die Darstellung auf die Siegel beschränkt. Alle Konvente stellen die Muttergottes sitzend auf einem Thron dar, ihr auf dem linken Knie stehendes Kind im Arm haltend. Nur die Umschrift verweist auf den Konvent der jeweiligen Abtei.

Das Wappen des Abteiortes oder das Abteiwappen
Das mittelalterlichen Siegel der Zisterzienseräbte, die Darstellung eines den Stab umfassenden Abtes, wird in der Neuzeit mit dem persönlichen Wappen des Abtes ergänzt. Neu erscheint jetzt auch ein Wappen der Abtei Lützel. Es ist ein silberner Schild mit blauem Schildrand, dieser ist mit 12 goldenen Sternen belegt. Im Schild selbst ist eine kreuzförmige, perspektivische Kirche mit zentralem Turm dargestellt. Der zeitgenössische Beschrieb lautet: «Das urahlte Wappen so in einem silbernen Schildt ein creuzweiss formierte Kirchen und darumb in einem blauwen Kreiss zwölff glanzende oder guldene Sternen führet, welche der Gottesgebährerin himmlischer Sternen Cron repräsentieren und bedeuten». Dieses Wappen ist schon vor dem Dreissigjährigen Krieg üblich, wie der Schild des Abtes Johannes Hanser (1623) in Wettingen zeigt.

LucelleWettingen

Die Wappenscheibe des Abtes Johannes Hanser in Wettingen
Im Kreuzgang der ehemaligen Zisterzienserabtei Wettingen ist die Wappenscheibe von Johannes Hanser, Abt von Lützel (1605 bis 1625) zu sehen. Sie ist mit 1623 datiert. Der gevierte (geviertete) Schild wird vom Evangelisten Johannes und vom heiligen Bernhard flankiert. Der Wappenschild zeigt in Feld 1 das Zisterzienserwappen und in Feld 4 das persönliche Wappen des Abtes. Wie damals noch üblich werden die Wappen des Konventes und der Abtei getrennt. Das Konventwappen in Feld 2 stellt in Blau die thronende Muttergottes mit Kind dar. Das Abteiwappen in Feld 3 zeigt in Silber mit blauem und sternebelegtem Rand die kreuzförmig und perspektivisch dargestellte Kirche.
Bild: Badener in Wikipedia.

Die Weltenherrscherin auf dem Kirchendach
Als hervorragende hochbarocke Holzplastik ist das Abteiwappen an der 1699 von Hugues-Jean Monnot geschaffenen Kanzel angebracht. Sie steht heute in der Dorfkirche von Fresse. Das Wappen zeigt eine realistisch gearbeitete Kirche mit kräftigem Querschiff und hohem Vierungsturm. Das Bauwerk ist freischwebend und in Vogelschauansicht wie ein Modell dargestellt. Auf dem First des Kirchen-Langhauses sitzt, sich rechts am Kirchturm haltend, die bekrönte Kirchenpatronin mit Kind. Die Himmelskönigin hält mit der Linken ihr nacktes Kind, in der Hand hält sie das Zepter. Das Kind steht auf ihrem Knie und jongliert mit der Weltkugel. Diese bewegte Szene wird von 12 Sternen gerahmt.

Fresse1
Das Wappen von Lucelle auf der Kanzel von1699 (Hugues-Jean Monnot) mit der Weltenherrscherin auf dem Kirchendach.

Die Bildhauerarbeit der Kanzel von Fresse übernimmt das um 1700 gültige Wappen von Lucelle mit der auf dem Kirchendach sitzenden Kirchenpatronin. Es ist die Vereinigung zweier vorher immer getrennten Wappendarstellungen.
Bereits Bernardin Buchinger (reg. 1654–1673), der erste Abt nach dem Dreissigjährigen Krieg, führt dieses Wappen mit der auf dem Kirchendach sitzenden Muttergottes. Die erste Darstellung der kombinierten Wappendarstellung ist 1666 auf dem Titelblatt des Werkes «Epitome fastorum Lucellensium» von Abt Bernhard Buchinger zu sehen, das 1666 in Pruntrut gedruckt wird. Die Kirche ist aber hier doppeltürmig und nicht, wie 1623 noch beschrieben, eine «creuzweiss formierte Kirchen».

LucelleEpitome
Titelkupfer in «Epitome fastorum Lucellensium», von Abt Bernardin Buchinger (reg. 1654–1673). Im Zentrum ist das Wappen der Abtei und des Konventes von Lützel dargestellt. Es wird flankiert vom Zisterzienserwappen (links) und dem Wappen der Stifter (rechts).

LucelleSiegel   LucelleArmorial
Das Konventsiegel (Ende 17. Jahrhundert) und das Wappen im Armorial Géneral de France (1699) sind identisch. Als Kirchenbauwerk ist hier eine Basilika mit zwei Türmen zu sehen. Diese Darstellung scheint aber wenig bindend, denn gleichzeitig kommt die eintürmige «creuzweiss formierte Kirchen» von 1623 (Kanzel in Fesse) oder eine zweitürmige einschiffige Kirche (Wappen in «Epitome») zur Anwendung.

Armorial Géneral de France 1699
Offensichtlich werden die beiden Wappen (Konvent und Lützel) mit dem Neubeginn des Klosterlebens nach dem Dreissigjährigen Krieg zu einer auf dem Kirchendach thronenden Weltenherrscherin zusammengeführt. Ihr Thron darf jetzt die Kirche selbst sein. «Das Konvent Sigill» ist «kein ander Bildnus oder Figur dann allein des Mutter Gottes, auf einer Kirchen oder Thron sitzend und den sie Gott Mensch gebohren auf der Schoss haltend» wird das Konventsiegel des 17. Jahrhunderts beschrieben.[1] Im Rundsiegel sitzt die Muttergottes nun auf dem Dach, zentrisch zwischen zwei zwiebelbekrönten Doppeltürmen einer basilikalen Kirche, die nur in der Ansicht gezeichnet ist. Noch immer wirkt die Throndarstellung nach, nur dass jetzt die Kirche der Thron ist. Das Armorial Géneral de France von 1699 übernimmt diese heraldisch korrekte Darstellung. Dort lautet die Blasonierung von Lucelle in Folio 118 unter Nummer 214. «Schild in Silber mit blauem Schildrand, dieser mit goldenen Sternen belegt, im Schild eine doppeltürmige silberne Kirche, auf dem Kirchendach sitzend eine Muttergottes, bekleidet in Rot und Blau. Sie hält das hautfarbene Jesuskind auf ihrem rechten Arm. Eine Wappenkartusche zu ihren Füssen zeigt in Rot zwei abgewendete silberne Hechte».[2]

Das Abteiwappen im 18. Jahrhundert
Aber schon zum Zeitpunkt der Beschreibung im Registerwerk des Armorial Géneral de France ist diese Wappendarstellung nicht mehr aktuell. Die Kanzel in Fesse (1699) zeigt, dass die Kombination des perspektivischen Kirchenmodells mit der gewagt balancierenden Madonna auf dem Kirchendach seit dem Dreissigjährigen Krieg üblich ist. Im 18. Jahrhundert verschwindet die doppeltürmige Kirche und später auch die Muttergottes auf dem Dach zunehmend. Das Wappen Lützel/Lucelle zeigt als einzige Konstante in Silber die «creuzweiss formierte Kirchen» mit den 12 goldenen Sternen im blauen Schildrand. Mit der Aufklärung, spätestens aber nach 1800 geht das Klosterwappen und der Sinn der 12 Sterne vollends verloren, sodass 1895 in den «Archives Héraldiques» bereits eine verstümmelte Form mit neuen Farben präsentiert wird.

LucelleWappentafel
Die Wappen und Siegel der Abtei Lützel in einer Lithographie von 1895. Sie ist eine korrekte Grundlage der Siegel sowie der Stifter- und Äbtewappen. Einzig das Abteiwappen ist jetzt schon vergessen und wird neu interpretiert.

Das heutige Wappen von Lucelle.
Noch nüchterner präsentiert sich das heutige Wappen der Gemeinde Lucelle. Verblieben vom vermeintlichen Abteiwappen des 19. Jahrhunderts ist in Blau eine modernistisch verfremdete Kirche mit vier gleichen Kreuzflügeln und einem zentralen Turm, die Sterne sind nun verschwunden.

Pius Bieri 2014


Anmerkungen:
[1] Die Blasonierungen des 17. Jahrhunderts nach Eichenlaub 1998.

[2] Die heraldischen Grundsätze werden zwar beachtet, aber das Wappen ist nicht vollständig beschrieben. So fehlen die Farben der Kirchendächer (rot) und der Turmhelme (grün), wie sie dann im Wappen des Armorials gezeichnet sind. Auch hat man um diese Zeit offensichtlich bereits das Stifterwappens vergessen, den die beiden Hechte von Montfaucon sind nicht silbern, sondern golden.
Siehe auch URL gallica.bnf.fr