Joseph Dossenberger (1721–1785)

Baumeister in Mittelschwaben[1]

Joseph Dossenberger wird am 9. März 1721 als Sohn des Maurermeisters und Müllers Joseph Dossenberger des Älteren[2] in Wollishausen geboren. Das Pfarrdorf liegt drei Wegstunden westlich von Augsburg, nahe bei der Zisterzienserinnenabtei Oberschönenfeld, deren Untertan sein Vater ist. Joseph ist das vierte von 14 Kindern. Er macht wie sein älterer Bruder Hans Adam[3] die Lehre beim Vater. Über die Gesellenjahre beider Brüder ist nichts bekannt. Einflüsse von Johann Georg Fischer aus Füssen,[4] von Christian Wiedemann aus Oberelchingen[5] und von Dominikus Zimmermann[6] sind in den ersten Bauten der Brüder spürbar. Vor allem Doninikus Zimmermann scheint mit seiner Günzburger Frauenkirche , die er 1736−1741 baut, das grosse Vorbild all ihrer Bauten zu sein. Sie findet sich in Abwandlungen und Vereinfachungen bei den wichtigsten Bauten der beiden Brüder. Erstmals hören wir von Joseph Dossenberger bei gemeinsame Arbeiten mit seinem Bruder. Schon 1742 in Reinhartshausen, einem Bauwerk des Vaters, arbeitet er wahrscheinlich mit. Hier und bei seinen ersten Kirchen ist er auch als Stuckateur tätig. Gesichert ist die Zusammenarbeit mit seinem Bruder 1746 und 1747 für den Pfarrhof in Dietkirch und die neue Pfarrkirche in Wollishausen, beides Aufträge des Klosters Oberschönenfeld. Sein erster gesicherter, selbstständiger Auftrag ist die Pfarrkirche von Hochwang. Auftraggeber des 1751 entstandenen Neubaus auf alten Grundmauern ist die nahe Reichspropstei Wettenhausen. Seit 1748 ist Dossenberger Baumeister dieses Augustiner-Chorherrenstiftes. Dies ist auch der Grund, dass er nach Wettenhausen zieht. Hier baut er ein Wohnhaus und heiratet 1752 die Witwe Anna Maria Stangelmayer, geborene Winkler. Aus dieser Ehe erreichen zwei Söhne und eine Tochter das Erwachsenenleben. 1767 heiratet er nach dem Tod der ersten Gattin ein zweites Mal. Sechs Kinder, vier Töchter und zwei Söhne, stammen aus dieser Ehe mit Maria Magdalena Kramer.[7] Dossenberger baut alle Bauwerke im Generalakkord und ist gleichzeitig Bauhändler. Anschliessend an sein Kirchenbauwerk von Hochwang baut er bis zu seinem Tod gegen 30 weitere Kirchen und Kapellen. Noch grösser ist die Anzahl seiner Profanbauten. Unter ihnen befinden sich mächtige Pfarrhöfe und auch die vorderösterreichische Kaserne in Günzburg, die allerdings anlässlich der letzten Renovation ihre gemalten Fenstereinfassungen und Fensterverdachungen verloren hat. Immerhin ist sie dem Abbruch entgangen, wie dies vielen seiner Profanbauten noch im 20. Jahrhundert blüht. So wird sein eigenes Wohnhaus in Wettenhausen noch 1962 abgebrochen.
Dossenberger wird als Rokoko-Baumeister bezeichnet. Tatsächlich baut er viele Rokoko-Sakralräume. Sie sind am Bauwerk gekennzeichnet durch die unglaublich lebendigen Fensterlösungen in Anlehnung an Kirchen von Dominikus Zimmermann. Seine Pfarrkirchen sind meist traditionelle, an den eingezogenen Chor gehängte Langhäuser, die Einzüge im Grundriss gerundet. Der Chorbogen ist immer reich verkröpft, er ist Stuckgebilde und nicht mehr Tragwerk, gleich wie die Flachmulden der Decke. Diese hängen jetzt, wie schon bei der Frauenkirche in Günzburg, am Dachtragwerk. Wo, wie in Hammerstetten, Deisenhausen oder Dischingen auch die Aussenwände ausschwingen und die Verschmelzung von Längsraum mit dem Zentralraum angestrebt wird, sind die architektonischen Vorgaben für einen Rokokoraum erfüllt. Mit den meist von Dossenberger im Unterakkord organisierten Rokoko-Stuckateuren und Rokoko-Freskanten entstehen dann die Innenräume des barocken Spätstils. Dossenberger kann deshalb mit Recht als Meister des Rokoko bezeichnet werden. Aber schon 1769 weicht in Dischingen der Gesamteindruck des Innenraumes dem Frühklassizismus. An seinen Bauwerken der nächsten Jahre verschwinden die Rokokomerkmale. Sein wichtigstes sakrales Bauwerk, der Neubau des Chores und der Umbau des romanischen Langhauses der Stiftkirche der Reichsabtei Elchingen, das er 1773 beginnt, zeigt den deutlichen Abschied vom Rokoko, auch wenn der nur noch in wenigen Deckenkartuschen mit Rocaille-Motiven spielende Stuck von Kunsthistorikern zum Anlass genommen wird, den klar frühklassizistischen Chor als «spätestes Rokoko» zu bezeichnen. Bei seinen anschliessenden zehn weiteren Sakralbauten zeigt sich Dossenberger ebenso sicher in den neuen Stilformen des Frühklassizismus wie vorher in seinen Sakralräumen des Rokoko.
Der grosse Landbaumeister und Autodidakt stirbt am 17. Mai 1785 im Alter von 64 Jahren in Wettenhausen. Sein Sohn Joseph Aloys Georg, der als einziger in die Fussstapfen seines Vaters getreten ist, stirbt unverhofft wenige Wochen nach dem Tod seines Vaters.
Der Rokokomaler Johann Baptist Enderle kann schon für die erste Kirche Dossenbergers in Hochwang die Deckenfresken erstellen. Ihre lange Zusammenarbeit erlischt erst mit dem vorübergehenden Wegzug Enderles 1771 nach Mainz. Enderle malt einige Zeit vorher ein Ölbildnis des Baumeisters im Alter von gegen 50 Jahren. Dossenberger steht in Halbkörperansicht in rotbraunem Rock und goldgesäumter Weste vor einem Tisch mit Messwerkzeug und Plänen. Er trägt die im Hochrokoko beliebte Haarbeutelfrisur. Haltung, Kleidung und Gesichtsausdruck zeigen einen selbstbewussten, aber nicht unnahbaren, freundlichen Menschen, der sich nicht als Künstler, sondern als Unternehmer im Dienste der Oberschicht sieht.

Pius Bieri 2012

Literatur:
Koepf, Karl Heinrich: Joseph Dossenberger (1721−1785), ein schwäbischer Baumeister des Rokoko. Weissenhorn 1973.

Anmerkungen:
[1] Mittelschwaben ist die Landschaft zwischen Iller und Lech, im Norden von der Donau und im Süden vom Allgäu begrenzt. Der Begriff eines schwäbischen Baumeisters, der Dossenberger verliehen wird, ist nicht korrekt, weil sich Schwaben zur Zeit Dossenbergers vom Lech bis an die Grenzen des Elsass erstreckt. Leider deklariert der bayrische König 1837 für die 1802 «zugewonnenen» Länder westlich des Lechs die  unglückliche Bezeichnung «Schwaben». Dieser heutige Regierungsbezirk Schwaben ist lediglich ein Randgebiet des alten Schwaben.

[2] Joseph Dossenberger der Ältere (1694−1754) ist meist ausführender Maurermeister, so wahrscheinlich auch bei den Bauten von Franz Beer II in Oberschönenfeld.

[3] Hans Adam Dossenberger (1716−1759). Sein Hauptwerk ist die Votivkirche St. Thekla in Welden (1756−1758).
Siehe de.wikipedia. Votivkirche St. Thekla in Welden.

[4] Johann Georg Fischer (1673−1747).
Hauptwerke: Bertoldshofen 1731, Dillingen Franziskanerinnen 1736, Wolfegg 1733−1738.

[5] Christian Wiedemann (1679−1739) aus Oberelchingen, er baut 1733−1735 Witzighausen.

[6] Dominikus Zimmermann (1685−1766),
Stuckateur und Baumeister, baut 1736−1741 die Frauenkirche von Günzburg. 1745−1754 baut er sein Hauptwerk, die Wallfahrtskirche in der Wies bei Steingaden.

[7] Die Hochzeitsdaten und die Kinderzahl aus dem «Annalium» des Klosters Wettenhausen, Cod. 374 der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg.

 

Ausgewählte Werke von Joseph Dossenberger:

Ausgeführte Neubauten oder wichtige Umbauten von Sakralbauten. Zuschreibungen sind erwähnt. Wichtigste Profanbauten.

Jahr Arbeitsort und Werk Bemerkungen Herrschaft, Bauherr

1745

Waldkirch bei Winterbach. Pfarrkirche zur schmerzhaften Muttergottes. Zuschreibung aufgrund stilistischer Merkmale. Als gemeinsames Werk mit Bruder Hans Adam möglich. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1747

Wollishausen.
Filialkirche St. Peter und Paul.
Als Gemeinschaftswerk mit Bruder Hans Adam. Zisterzienserinnenabtei Oberschönenfeld.

1748

Bannacker. St.-Leonhards-Kapelle. Zuschreibung. Als gemeinsames Werk mit Bruder Hans Adam möglich. Heilig-Geist-Spital Augsburg.

1751

Hochwang. Pfarrkirche Hl. Kreuz. Erstes gesichertes Sakralbauwerk. Reichspropstei Wettenhausen.

1752

Wettenhausen. Wohnhaus Dossenberger. Neubau. 1962 abgebrochen. Joseph Dossenberger.

1753

Mindelaltheim. Wallfahrtskirche
Hl. Kreuz.
Chorneubau. Umbau Langhaus. Reichspropstei Wettenhausen.

1753−
1755

Scheppach. Wallfahrtskirche Allerheiligen. Chorneubau und Turm. Freiherr von Freyberg-Haldenwang.

1753−
1755

Grosskissendorf. Pfarrhof. Neubau. Abbruch 1965. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1754−
1755

Günzburg. Hofkirche. Josephskapelle. Zuschreibung. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1755−
1756

Limbach. Pfarrkirche St. Stephan. Umbau. Reichspropstei Wettenhausen.

1755−
1757

Günzburg. Piaristenkolleg. Neubau. Zuschreibung Portal. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1758

Dischingen. Kapelle zu den Vierzehn Nothelfern. Neubau Chor und Umbau Langhaus. Fürsten von Thurn und Taxis.

1760

Grosskötz. Sommerschloss. Neubau als Sommerschloss der Prälaten. Heute Pfarrhof. Reichspropstei Wettenhausen.

1761

Wattenweiler. Wallfahrtskirche Maria Feldblume. Zuschreibung der Umbauten. Reichspropstei
Wettenhausen.

1762

Hammerstetten.
Filialkirche St. Nikolaus.
Neubau unter teilweisem Einbezug des Vorgängerbaus von 1720. Reichspropstei Wettenhausen.

1763

Fleinheim.
Evangelische Kirche St. Petrus.
Neubau Langhaus. Württembergische Herrschaft Heidenheim.

1763−
1764

Günzburg. Alte Münze. Neubau. Heute Rathaus. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1764−
1765

Grosskötz.
Pfarrkirche St. Peter und Paul.
Verlängerung und Erhöhung Langhaus. Umbau Chor. Reichspropstei Wettenhausen.

1764−
1766

Ettenbeuren. Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Umbau unter wesentlicher Erhaltung des Vorgängerbaus. Reichspropstei Wettenhausen.

1765−
1767

Deisenhausen.
Pfarrkirche St. Stephanus
Neubau, in «direkter Nachfolge der Günzburger Frauenkirche». St. Jakobspfründe Augsburg.

1766

Autenried an der Klötz. Pfarrkirche St. Stephanus. Anbau Donatuskapelle und innere Umgestaltung der Kirche. Freiherren von Lasser.

1768

Gabelbach. Pfarrkirche St. Martin. Erhöhung Kirchturm. Heilig-Geist-Spital Augsburg.

1768

Scheppach. Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Neubau Chor und Langhaus. 1768 sind die hll. Felix, Simplicius, Faustus und Beatrix Patrone. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau

1768−
1769

Jettingen. Gruftkapelle . Zuschreibung. Grafen Schenk von Stauffenberg.

1768−
1769

Eglingen bei Dischingen. Pfarrkirche St. Martin und St. Sebastian. Chorneubau. Fürst Alexander von Thurn und Taxis.

1768−
1769

Jettingen. Kapelle St. Michael. Neubau. Grafen Schenk von Stauffenberg.

1768−
1769

Oxenbronn. Pfarrkirche St. Blasius. Neubau Langhaus. Reichspropstei Wettenhausen.

1769

Dettingen am Albuch. Evangelische Kirche. Neubau Langhaus. Pfarrherr ist Philipp Ulrich Moser, Lehrer von Schiller. Württembergische Herrschaft Heidenheim.

1769

Egenhofen im Kammeltal.
Filialkirche zur Hl. Dreifaltigkeit.
Erneuerung Innenraum. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1769−
1771

Dischingen. Pfarrkirche St. Johann. Neubau. Fürst Alexander von Thurn und Taxis.

1770

Scheppach. Wallfahrtskirche Allerheiligen. Neubau Langhaus. Freiherr von Freyberg-Haldenwang.

1770−
1771

Remshart. Wasserschloss. Neubau. 1910 abgebrochen. Freiherren von Reidheim.

1770−
1775

Kriegshaber bei Augsburg. Zollhaus. Neubau. Heute Polizeiwache Ulmer Strasse 182. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1771

Stoffenried. Elchinger Amtshaus. Neubau. Heute Forsthaus. Reichsabtei Elchingen.

1772−
1774

Oberndorf. Pfarrkirche St. Nikolaus. Neubau Langhaus und Umbau Chor. Herrschaft Fugger-Glött

1773

Billenhausen. Pfarrhof. Neubau. Zuschreibung. Reichsabtei Ursberg.

1773−
1781

Oberelchingen.
Stiftskirche St. Maria, St. Peter und Paul und St. Benedikt.
Neubau Chorpartie und Vierung. Ersatz der Kreuzgratgewölbe im Langhaus und neue Westfassade. Datierung der Fresken von Zick im Langhaus 1782. Reichsabtei Elchingen.

1775−
1778

Ursberg. «Barockisierung» der Stiftskirche. Erneuerung des Innenraumes. Zuschreibung. Reichsabtei Ursberg.

1776

Schönenberg.
Pfarrkirche St. Leonhard.
Neubau. Reichspropstei Wettenhausen.

1777

Eglingen. Pfarrkirche St. Martin und St. Sebastian. Umbau Langhaus. Fürsten von Thurn und Taxis.

1777

Kleinbeuren. Kapelle St. Othmar. Neubau. Private Stiftung.

1778

Kemnath. Pfarrkirche St. Georg. Neubau Langhaus. Erneuerung 1938−1949 durch Dominikus Böhm. Reichsabtei Ursberg.

1778

Ried. Filialkirche St. Ottilia. Neubau Langhaus. Grafen Schenk von Stauffenberg.

1780−
1781

Günzburg. Kaserne. Neubau. Heute Schule. Vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau.

1781

Ichenhausen. Synagoge. Neubau. Innenraum nicht mehr erhalten. Freiherren von Stein zum Rechtenstein.

1781

Rennersthofen. Pfarrhof. Neubau. Reichsabtei Roggenburg.

1782

Oberelchingen. Wohnhaus Klostersteige 27. Neubau. Herrschaft: Reichsabtei Elchingen.

1784

Oberelchingen. Wirtschaftgebäude, Pferdemühle. Neubauten. Abgebrochen nach 1812. Reichsabtei Elchingen.

1785

Breitenthal. Pfarrkirche Hl. Kreuz. Zuschreibung Planung und Rohbau. Fertigstellung innen durch Konrad Huber. Reichsabtei Roggenburg.

1785

Biberachzell. Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Turmneubau. 1936 durch ähnlichen Neubau ersetzt. Reichsabtei Kaisheim.
  Joseph Dossenberger (1721–1785)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum (Taufe) Geburtsort     Land  
  9. März 1721 Wollishausen     Schwaben Bayern D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Hochstift Augsburg     Augsburg  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  17. Mai 1785 Wettenhausen     Schwaben Bayern D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Reichsstift Wettenhausen     Augsburg  
  Kurzbiografie        
  Joseph Dossenberger ist der führende Landbaumeister am Ende der Barockzeit im heutigen Mittelschwaben. Stark beinflusst von Dominikus Zimmermann, vor allem von dessen Günzburger Frauenkirche, baut er viel Rokoko-Sakralräume, meist in alter Tradition im Generalakkord. Da dieser Akkord auch die Stuckaturen und Fresken umfasst, die Dossenberger dann im Unterakkord weitergibt, darf er als Rokoko-Baumeister bezeichnet werden. Ab 1769 weicht das Rokoko seiner Bauten und Ausstattungen dem Frühklassizismus. Sein wichtigstes sakrales Bauwerk, der 1773 begonnene Wiederaufbau der Abteikirche von Elchingen, zeigt schon deutlich den Abschied vom Barock.     DossenbergerElchingen  
  bio pdf werkliste     legende  
1773–1781 baut der Rokokobaumeister Dossenberger die neuen Teile der Stiftskirche von Elchingen in klarer frühklassizistischer Formensprache. Er zeigt sich auch im neuen Stilempfinden als ebenso sicherer Gestalter wie vorher bei seinen Rokokobauten, wie dies an der Westfassade der Elchinger Stiftskirche ablesbar ist.

Bild: Effi Schweizer in Wikipedia.