Roman Bernhard Christoph Giel von Gielsberg (1612–1673)

Fürstabt OSB in Kempten 1639–1673

Christoph Bernhard Giel von Gielsberg wird 1612 als Spross einer Familie des schwäbischen Adels geboren. Sein Vater Joachim Christoph Giel von Gielsberg (1580–1649) ist Obervogt der Abtei Ochsenhausen und stammt aus dem Thurgau.[1] Seine Mutter Ursula von Castelmur stammt aus einem ursprünglich in Graubünden beheimateten Adelsgeschlecht.
Christoph Bernhard verbringt seine Jugend in Ochsenhausen. 1630 legt er in der Abtei Kempten Profess ab und nimmt den Klosternamen Roman an. Zwei Jahre später muss er die Besetzung des Stiftsgebietes durch schwedische Truppen und die gründliche Zerstörung der Abtei durch die Bürger der reformierten Reichsstadt Kempten erleben. Die Konventmitglieder ziehen ins nördlich von Kempten gelegene Schloss Schwabelsberg. 1639 wird Roman, inzwischen 26-jährig und energischer Befürworter einer Klosterreform, zum Abt gewählt. Der Konvent hat sich bei seiner Wahl ausdrücklich zur Durchführung der von Rom seit langem geforderten benediktinischen Reform bekannt. Der junge Abt tritt sofort in Verhandlungen mit den Oberschwäbischen und Schweizerischen[2] Benediktinerkongregationen, die diese Reformen schon eingeführt haben. Sie zeigen ihm aber die kalte Schulter, weil Kempten als Versorgungsanstalt nichtsnutziger Adeliger angesehen wird, was de facto zutrifft: Das Fürststift hat 1644 nominell sieben adelige Konventualen, davon leben aber nur vier mit dem Exilkonvent auf Schloss Schwabelsberg. Von Reformwillen ist trotz ihrer Versprechen bei der Abtswahl nichts mehr zu spüren. Ihr Hauptinteresse gilt standesgemäss der Jagd und nicht dem Mönchsleben. Fürstabt Roman will nun nichtadelige Kandidaten aufnehmen, da er das Reformwerk mit den wenigen und uninteressierten Adeligen als nicht durchführbar betrachtet. Er findet auf Anhieb genügend Novizen, ist aber sofort mit einem resoluten Widerstand der adeligen Konventmitglieder und der schwäbischen Reichsritterschaft konfrontiert. Anfang 1646 flüchtet Abt Roman über Einsiedeln nach Rom, um für seine Reformbemühungen Unterstützung zu finden. Diese bleibt ihm versagt, Rom will sich im Kampf gegen das Adelsprivileg nicht exponieren. Er kehrt 1647 unverrichteter Dinge zurück, und muss 1650 in Konstanz einen von seinen Gegnern ausgearbeiteten Vertrag unterschreiben, der das Adelsprivileg für Kempten besiegelt. Es dürfen weiterhin nur Adelige aufgenommen werden, die ihren Stammbaum bis mindestens zum Urgrossvater vorweisen können. Die spätere kulturelle Mittelmässigkeit der Fürstabtei, die sich weiterhin weder durch pastorales noch soziales Engagement oder gar durch wissenschaftliche Leistungen auszeichnet, ist mit dem bescheidenen Bildungshorizont des damaligen Adels vorgezeichnet.
Bereits 1642, noch während seines Kampfes gegen das Adelsprivileg, hat Roman Giel von Gielsberg sich mit Neubauplänen der zerstörten Abtei beschäftigt. Erste Pläne erstellt ihm der Vorarlberger Baumeister Jakob Kuen aus der fürstkemptischen Herrschaft Hohenegg. 1644 konsultiert er Fürstabt Pius Reber in St. Gallen zu den Neubauplänen. Aber erst nach dem Ende des Dreissigjährigen Krieges und dem Scheitern seiner internen Reformbemühungen wendet sich Fürstabt Roman der Verwirklichung des Neubaus zu. Er zieht den Vorarlberger Baumeister Michael Beer bei. Es ist dessen erster Grossauftrag. Er beginnt 1651 mit dem Nordwestteil der riesigen Vierflügelanlage, ein Jahr später mit der Kirche. Aber  schon 1653 überwirft sich Fürstabt Roman mit dem Vorarlberger und engagiert Giovanni Serro aus Roveredo im Misox. Trotz katastrophaler Finanzlage und damit verbundener rücksichtsloser Belastung der fürststiftischen Untertanen gelingt Fürstabt Roman bis 1668 die Fertigstellung der Anlage. Mit ihr, dem ersten repräsentativen Klosterneubau nach dem Dreissigjährigen Krieg, hat Fürstabt Roman ein religiöses und politisches Signal gesetzt, das Auswirkungen auf die gesamte süddeutsche Klosterlandschaft haben wird.
1671 wird der ungeliebte und zunehmend unbeherrscht und jähzornig gewordene Fürstabt nach Rom berufen. Als Statthalter setzt er Rupert von Bodman ein. Fürstabt Roman Giel von Gielsberg stirbt 1673 in Rom und wird in Santa Maria dell'Anima, der Kirche der Deutschen bei der Piazza Navone, beigesetzt.
Ein Porträt um 1660 in der Ahnengalerie auf Schloss Reisensburg zeigt den Fürstabt mit hageren, asketisch wirkenden Gesichtszügen und einem energischem Ausdruck. Viel freundlicher hat ihn Franz Georg Hermann fast ein Jahrhundert später für den Fürstensaal gemalt, zu sanft für ein Energiebündel vom Format des Bauabtes von Kempten.

Pius Bieri 2008

Benutzte Literatur:
Immenkötter, Herbert: Adelsprivileg und Extemtion gegen Benediktinertum und Tridentinum, in: Bürgerfleiss und Fürstenglanz, Katalog, Augsburg 1998.
Heilmeyer, Ludwig und Nebinger, Gerhart: Die Ahnengalerie auf Schloss Reisensburg, Weissenhorn 1969.

Von Arx, Ildefons: Geschichten des Kantons St. Gallen, St. Gallen 1813.

[1] Die Gielen von Gielsberg entstammen einem Ministerialiengeschlecht der Abtei St. Gallen, das sich im 15. Jahrhundert noch Giel von Glattburg nennt. Die Familie gehört der schwäbischen Reichsritterschaft an. Der Stammsitz ist die in den Appenzellerkriegen zerstörte Glattburg bei Flawil (SG). Im 16. Jahrhundert sind einige Vorfahren in hohen kirchlichen Ämtern anzutreffen: So Gotthard Giel von Glattburg als Abt in St. Gallen (1491–1504) oder Ursula Giel von Gielsberg als Fürstäbtissin in Säckingen (1600–1614). Der Grossvater des Abtes von Kempten, Johann Christoph Giel von Gielsberg, Herr zu Wängi und Eppenberg (1546–1624), ist in der ehemaligen Klosterkirche Tänikon bei Aadorf begraben. Siehe Stammbaum.

[2] Auch: Helvetische Benediktinerkongregation (Congregationis Helveto-Benedictinae).

 

1752, fast 100 Jahre nach dem Wirken des Fürstabtes Roman, malt Franz Georg Hermann das Ganzkörperporträt des Prälaten. Er steht  angelehnt an eine Säulenarchitektur. Hinter ihm sind Abtsstab, Fürstenhut und Mitra zu sehen. Mit der rechten Hand deutet er auf sein Werk, den Neubau des Klosters Kempten. Die Gesichtszüge sind im Gegensatz zu einem zeitgemässen Porträt auf Schloss Reisensburg entspannt und friedlich, auch fehlt im Kemptener Gemälde der Schnurrbart. Zu Füssen des Prälaten ist sein Wappen zu sehen. Es ist geviertet und zeigt in 1 und 4 den Kopf der hl. Hildegard, das Stiftswappen. In 2 und 3 ist das Wappen der Gielsberg zu sehen. Es ist geteilt, oben Silber, unten geschachtet von Rot und Silber.
Das Gemälde (170 cm x 300 cm) hängt im «Fürstensaal», dem heutigen Eingangssaal zu den öffentlichen Räumen im 2. Obergeschoss.
  Fürstabt OSB Roman Giel von Gielsberg (1612–1673) in Kempten  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  1612 Ochsenhausen Baden-Würtemberg D   Herrschaft Abtei Ochsenhausen  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Fürstabt von Kempten   1639–1673  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  1673 Rom Italien   Römischer Kirchenstaat  
  Kurzbiografie              
 

Der Bauherr der ersten grossen barocken Klosteranlage nach den Verwüstungen des Dreissigjährigen Krieges, Fürstabt Roman Giel von Gielsberg, kennt die barocke römische Baukunst aus eigener Erfahrung. Grund ist eine Romreise, mit der er Unterstützung für die Abschaffung des Adelsprivilegs zur Durchsetzung von Reformen in Kempten erreichen will. Seine Reformbemühungen scheitern am Widerstand des Adels. Umso eindrücklicher erreicht er mit dem Neubau von Stiftskirche und Kloster sein zweites Ziel. Er ist in Ochsenhausen aufgewachsen. Den dortigen Klosterneubau nimmt er als Vorbild, und dass er bei der Stiftskirchen-Planung wesentlich mitbeteiligt ist, zeigt auch das schnelle Zerwürfnis mit Michael Beer.

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