Die Meister
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Balthasar Neumann (1687–1753) Eger Böhmen Neumann   Ingenieur-Architekt 1740   1753
Johann Michael Feichtmayr (1710–1772) Wessobrunn FeichtmayerJM   Stuckateur 1752   1752
Matthäus Günther (1705–1788) Peissenberg Guenther   Freskant 1752   1752
Johann Christian Köhler (1714–1761) Gross-Rosenburg     Orgelbauer 1753   1755
Johann Baptist Clausner (1720–1787) Würzburg?     Hofmarmorierer 1758   1759
Johann Philipp Geigel (1731–1800) Würzburg     Hofbaumeister 1761   1764
Johann Peter Alexander Wagner (1730–1809) Obertheres     Bildhauer 1764   1778
Johann Anton Oegg (1745–1800) Würzburg     Hofschlosser 1767   1778
Matthäus Günther (1705–1788) Peissenberg Bayern Guenther2   Freskant 1786   1786
Balthasar Heinrich Nickel (1743–1799) Bamberg     Bildhauer ~ 1790   ~1790
Konrad Huber (1752–1830) Altdorf (Weingarten)     Maler 1798   1798
Johann Georg Winterstein (1743–1806) Kissingen     Bildhauer 1798   1799



Käppele

Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung auf dem Nikolausberg in Würzburg

Vorgeschichte

Die Wallfahrt
 

Die Wallfahrt zum Käppele wird wie bei vielen der marianischen Wallfahrtsziele im Bistum Würzburg[1] durch eine Pietà in einem Bildstock ausgelöst. Am Hang des damals noch mit Weinreben bepflanzten Nikolausberges,[2] dem südlichen Nachbarberg der Marienberg-Festung, wird eine noch während des Dreissigjährigen Krieges in einen Bildstock gestellte Pietà schnell von den dort tätigen Bauern und Hirten verehrt. 1650 werden erste wundersame Heilungen gemeldet. Gläubige errichten eine kleine Kapelle.

KaeppeleBild

 

Obwohl der Kult schnell grössere Ausmasse annimmt, bleibt der regierende Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn sehr reserviert.[3] Er will die florierende und ähnliche Wallfahrt in Dettelbach nicht konkurrenzieren. Erst 1683 lässt Fürstbischof Konrad Wilhelm von Wernau eine grössere Kapelle mit Dachreiter[4] bauen. Schnell mehren sich nun wundersame Erscheinungen. Wünsche nach Vergrösserung werden noch 1687 vom regierenden Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg wegen der strategischen Lage gegenüber der Festung abgelehnt. 1690 muss er angesichts des immer grösseren Zulaufs kapitulieren und erlaubt eine erste Erweiterung. Das Würzburger Volk hat damit den strategisch derart wichtigen Platz direkt gegenüber der Festung Marienberg «erobert». 1713 folgt eine weitere, diesmal umfassendere Erweiterung auch der Umgebung und des Zuganges.

Erste Planungen von Balthasar Neumann
1732 verlaufen erste Bemühungen der Kapellenpflege um einen Neubau ohne Ergebnis. 1740 liegen erste Risse eines Neubaus vor, verfertigt vom fürstbischöflichen Obristlieutenant und Baudirektor Balthasar Neumann.[5] Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn ist mit dem «Vorschlage gar wohl zufrieden», fügt aber an, dass er das Geld für die Durchführung des Neubaus nicht zur Verfügung habe. Neumanns erste Planungen, sie könnten schon 1736 begonnen haben,[6] zeigt einen Trikonchos[7] mit zweiachsigem Langhausjoch und mit über Freisäulen «schwebenden» Wölbrotunden in Vierung und Langhausjoch. In den erhaltenen Plänen der Sammlung Eckert[8] ist eine filigrane Laterne über dem Fassaden-Frontispiz gezeichnet. In einem erst kürzlich als Vorprojekt für das Käppele erkannter Plan ist eine Doppelturmfront zu sehen. Der Plan ist offensichtlich letzter der Reihe bis 1740.[9]

Kaeppele1740   < Letzter Grundriss-Plan der ersten Planungsphase 1740, heute im Staatsarchiv Koblenz. Der Plan ist hier nach Norden gedreht und wegen schlechter Veröffentlichungsqualität leicht überarbeitet. Quelle: Manitz 1992.

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Aufnahmeplan 1747 der alten Gnadenkapelle (abgebrochen 1778) und ihrer Terrassen mit der Neubauplanung, als Ausschnitt aus dem 1945 verbrannten Plan S.E. 45.
Der Aufnahmeplan Neumanns ist hier nach Norden gedreht und wegen schlechter Veröffentlichungsqualität leicht überarbeitet. Quelle: Manitz 1992.


Der Neubau der Barockzeit

Verlauf der Arbeiten und die Bauherren

Anselm Franz von Ingelheim
Nachfolger des 1746 verstorbenen Fürstbischofs Friedrich Carl von Schönborn wird Anselm Franz von Ingelheim.[10] Über den nur zwei Jahre regierenden, mehr an Allchemie als an Baukunst interessierten Fürsten wird wenig Gutes geschrieben. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger interessiert er sich aber für das Käppele. 1747 setzt er die Kapuziner für die Gottesdienste ein und überträgt die Vermögensverwaltung an den Hofwagner Lorenz Köstner und den Bauamts-Rechnungsführer Caspar Hartmann. Die beiden Pfleger sorgen für eine Neuplanung, die jetzt im Gegensatz zur ersten Planung aus dem Baubüro Neumann die alte Kapelle belassen und nordwestlich[11] einen Neubau anfügen soll. Auch für die Mittelbeschaffung sind die Pfleger aktiv. Beide fördern den Bau auch mit privaten Mitteln. Der Fürstbischof sorgt für die nötige Zusatzfinanzierung. Noch im Spätsommer 1747 beginnen die Arbeiten an den Fundamenten nach neuen Plänen aus dem Baubüro Neumann.[12] Anfang April 1748 ist Grundsteinlegung. Inzwischen haben die Kapuziner vom Fürstbischof auch die Genehmigung für den Bau eines eigenen Hospizes erhalten, das als Pendant zur alten Kapelle und in ihrer Achse nordwestlich an den Neubau angefügt wird. Schon 1749 können sie das Hospiz beziehen und die Pilgerbetreuung aufnehmen. Im gleichen Jahr ist der Kirchenneubau unter Dach.[13] Auch die Gewölbe sind bis zum Ende der Bausaison aufgemauert.[14]

Carl Philipp von Greiffenclau zu Vollrads
Der Neubau ist im April 1749 bis zum Gewölbeansatz gediehen, als der erste Bauherr stirbt und ein neuer Fürstbischof gewählt wird. Carl Philipp von Greiffenclau[15] setzt die Tradition der Kunstpatronage und auch den Ausbau der Residenz fort. Er setzt Balthasar Neumann wieder im Amt ein und holt Tiepolo nach Würzburg. Für das Käppele bewilligt er sofort neue Mittel für die Fertigstellung. Bis 1752 sind deshalb die Stuckaturen und die Deckenfresken ausgeführt. Die Aufträge gehen nicht an die in der Residenz tätigen Meister, die zu stark ausgelastet sind.[16] Den Auftrag für die Stuckaturen erhält deshalb Johann Michael Feichtmayr,[17] denjenigen für die Deckenfresken Matthäus Günther.[18] Vor allem Feichtmayr ist Balthasar Neumann aus der Zusammenarbeit im Münsterschwarzach und Bruchsal bekannt. Die beiden Künstler aus Kurbayern, Feichtmayr und Günther, haben soeben gemeinsam den grossartigen Innenraum der Abteikirche von Amorbach vollendet. Die Berufung Günthers dürfte deshalb dem Stuckateur zu verdanken sein. Wie üblich, wird der Stuckateur in der älteren Literatur totgeschwiegen, kann aber durch seine Arbeit identifiziert werden. Feichtmayr ist auch Entwerfer der beiden Seitenaltäre, die aber erst 1758 durch Johann Baptist Clausner[19] ausgeführt werden. Als der Fürstbischof 1754 stirbt, ist die Kirche deshalb noch ein festlicher grosser Vorsaal zur alten Wallfahrtskapelle, dem die Ausstattung fehlt. 

Architektur, Stuck und Fresken des barocken Neubaus

Die zweite Planung und ihre Ausführung
Mit der letzten Planung vor 1740, die bereits eine Zweiturmfront zeigt, hat der Neubau noch die Grundform einer Dreikonchenanlage mit Vierungs-Wölbrotunde gemeinsam.  Die Pläne der zweiten Planungsphase von 1747 aus  dem Baubüro Neumann[20] und vor allem der dann bis 1749 erstellte Neubau weisen aber wesentliche Änderungen auf. Die Konchen sind in der Ausführung nicht mehr halbkreisförmig, sondern als Korbbogen ausgerundet. Das Langhausjoch ist nur noch einachsig und hat ein Tonnengewölbe. Die Wölbrotunde, das Gewölbe über der Vierung, ist nicht mehr baldachinartig von Freisäulen getragen, sondern liegt in konventioneller Art als Pendentifkuppel über der quadratischen Vierung. Die hohen Kalotten der drei Konchen verschmelzen sich mit der Kuppel. Auf kurvierte Übergänge wird jetzt verzichtet. Die tragenden Pfeilerwände der Vierung sind im Grundriss mit dem Durchmesser von 15,70 m abgerundet und haben Vorlagen von paarweise gekuppelten Halbsäulen. Eine hohe Rundlaterne bekrönt die Wölbrotunde. Von seiner noch im ersten Projekt ingenieurmässig hochinteressanten Lösung ist Neumann im Laufe der Ausführung zu einer Raumlösung gelangt, in der keine harten Sprünge auftreten und die sich durch eine fliessende, angenehmen Weiträumigkeit auszeichnet.

KaeppeleSE49   KaeppeleSE49   KaeppeleGrRiss   1) Querschnitt Richtung Altarraum. SE 51, sign. Balth. Neumann 1748, links Gnadenkapelle, rechts Hospiz.

2) Längsschnitt SE 49, 1747/48, Blick Richtung Hospiz.

3) Grundriss des bis 1749 ausgeführten Baus (Wände schwarz) und der ab 1778 gebauten neuen Gnadenkapelle (Wände grau. Quellen:
1+3: KDM 1915 / 2: Manitz

Die Fassade
Die nach Würzburg gerichtete Fassade ist noch immer dominierendes Zeichen in der grünen Hanglandschaft des Nikolausberges. Man muss sie sich flankiert von zwei langgezogenen und niederen Gebäuden vorstellen, denn der grosse südöstliche Kuppel-Anbau der Gnadenkapelle folgt erst später. Aber selbst mit diesem Anbau ist die Doppelturmfassade noch immer Blickfang. Sie ist zweigeschossig, mit geweiftem Giebel. Die Bildhauerarbeiten der Portalbekrönung sind Werke von Johann Peter Alexander Wagner um 1767.[21] Zwei oktogonal vortretende, schmale Türme mit drei Geschossen begleiten die Fassade. Die Türme wirken durch hohe, stark eingeschnürte Zwiebelhauben noch gestreckter. Die Zwiebelhaube der dahinterliegenden Kuppellaterne erreicht fast die gleiche Höhe. Auch die Haubendächer der Konchen nähern sich mit ihrer konkaven Einschnürung einer Zwiebelhaube. Damit ergibt sich das malerische Bild einer Turm- und Dachlandschaft, wie sie nur an wenigen Wallfahrtsorten anzutreffen ist und auch fernöstliche Assoziationen weckt.[22]

Stuck und Fresken
Die fast gleichzeitig von Balthasar Neumann gebauten Kirchen in Gaibach und Etwashausen sind architektonische Nachfolgebauten seines ersten Käppele-Projektes von 1740. Die beiden Neumann-Kirchen zeigen, wie der Innenraum des Käppele ohne Stuckkleid und Bilderwelt wäre: Eine puritanische, klassizistisch nüchterne, weisse Halle. Neumann hat das, was die Kunsthistoriker heute noch immer abschätzig als Dekoration bezeichnen, selten in seine Planungen einbezogen. Auch im Käppele ist daher der Innenraum erst mit dem Stuck- und Stuckmarmorkleid von Johann Michael Feichtmayr und den Fresken von Matthäus Günther zum Rokokoraum geworden. Die beiden Künstler arbeiten hier wie schon vorher in Amorbach kongenial zusammen und verstehen es, Neumanns Raumkonzeption verständlicher zu machen. Feichtmayrs feurige Rocaillen greifen in ihren vielfältigen Abwandlungen in die Bildflächen ein, geben über den Kartuschen wieder Durchblicke frei, überspielen das Gebälk und gestalten auch die Kapitelle jenseits klassischer Vorlagen. Das gegenseitige Abstimmen des Farbklimas, etwa bei den Stuckmarmorsäulen der Vierung oder den Stuckmarmorpilastern der Konchen ist trotz der unglaublich grossen Verschmutzung der Innenraum-Schale noch immer erahnbar. Vor allem die Fresken von Matthias Günter sind schon derart verschmutzt, dass sie kaum noch gelesen werden können. Sein Hauptfresko betont in der Art eines fränkischen Heiligenhimmels die Kuppel-Rotunde. Im Zentrum ist die Krönung Mariens mit den lokalen Heiligen zu sehen. Das Fresko über dem Hochaltar zeigt die Anerkennung der Wallfahrt durch Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn, die Konchenfresken rechts und links zeigen alttestamentliche Szenen und das rückwärtige Fresko über der Orgel stellt Fürstbischof Anselm Franz von Ingelheim dar, wie er den beiden Kapellpflegern die Baugenehmigung erteilt.

Die erste Ausstattung

Altäre
Nur die zwei Seitenaltäre stammen noch aus der barocken Bauphase. Der Hofmarmorierer Johann Baptist Clausner fertigt sie 1758 nach Entwürfen von Johann Michael Feichtmayr. Das linke Altarblatt des hl. Vitus malt Johann Zick.[23] Heute ist es durch die Replik eines Gemäldes von Giambattista Piazetta[24] ersetzt. Das rechte Altarblatt liefert 1768 Nikolaus Treu. Es stellt den hl. Nikolaus von Myra dar, der einen losgekauften Sklaven segnet. Über den Hochaltar der Barockzeit ist nur bekannt, dass er einen Tabernakel mit anbetenden Engeln darstellt.

Gestühl und Beichtstühle
Die Stuhlwangen in kräftigem Akantusschnitzwerk sind hochbarocke Arbeiten um 1715. Sie sind demnach ein halbes Jahrhundert älter als die übrige barocke Ausstattung. Stammen sie vielleicht aus der 1713 erweiterten und 1778 abgebrochenen alten Kapelle? Jedenfalls sind es hochwertige Kunsthandwerker-Arbeiten, die angesichts der Kriegsverluste gleicher Arbeiten in den Kirchen Würzburgs mehr Beachtung verdient hätten.
Die Beichtstühle im Eingangsbereich, ursprünglich offene und filigrane Rokokoarbeiten der Erbauungszeit, sind durch Einbauten von Türen im 20. Jahrhundert völlig verändert worden.

Orgel
Nebst den beiden Seitenaltären und den Kirchenbänken ist die Orgel von 1753/55 das einzige erhaltene Ausstattungselement der Barockzeit. Sie ist ein Werk (II/P/26) des Frankfurter Orgelbauers Johann Christian Köhler.[25] Seit 1991 ist sie durch einen Neubau (II/P/32) ersetzt, der noch einen Teil der alten Prospektpfeifen enthält und als Rekonstruktion gelten darf.[26] Die Wahl auf den Frankfurter Orgelbauer erfolgt offenbar wegen seiner Fähigkeit, die Spieltische seitlich direkt ins Gehäuse einzubauen. Auch das Kloster Ebrach wählt ihn 1753 deswegen. Der Rokokoprospekt im Käppele ist original erhalten. Er füllt mit seinem zweigeteiltem Hauptwerk, den seitlichen Pedaltürmen und dem Kronwerk das Emporenjoch. Aussergewöhnlich ist der vorspringende Baluster-Balkon in der Prospektmitte unter dem Kronwerk, der von hinten zugänglich ist.[27] Eine Augenweide sind vor allem die vergoldeten, bizarr in den Prospekt und in die Seiten übergreifenden Rocaillen, die sich kaum vom Feichtmayr-Stuck unterscheiden. Der Gestalter des Prospekts ist leider unbekannt.

 

Der Weg zum Käppele

Ein Würzburger Kalvarienberg
Ab 1761 wird der Aufstieg zur Terrasse der Wallfahrtskirche als architektonisch gefasster und terrassierter Kreuzweg begonnen. In der Fassadenachse nach Nordost werden auf fünf Terrassen 14 Kreuzwegkapellen gebaut[28] und damit der Weg nach Golgatha nachgebildet. Mehrläufige Doppeltreppen mit Steinbalustraden führen mit anfänglich je zwei, dann mit drei und am Ende mit je fünf Podesten zur nächsten Terrasse. Vom Nikolausweg beim heutigen Germanenhaus bis zur Wallfahrtskirche zählt man 265 Stufen.[29] Die Initiative zum Neubau geht, wie bei den bekannten Sacri Monti im Mailändischen, von den Kapuzinern aus. Keiner der Stationenwege der Sacri Monti ist aber derart axial in der Art eines terrassierten Gartens auf eine Wallfahrtsstätte ausgerichtet. Die architektonische Einheit des Terrassen-Weges mit der Wallfahrtskirche ist im süddeutschen Raum einmalig.

Die Ausführung und ihre Meister
Am Anfang soll Balthasar Neumann stehen, der eine geradlinige Treppe mit den «sieben Fällen Christi» vorschlägt.[30] Planer des 1761 begonnen Terrassen-Aufgangs und seiner Kapellen ist vermutlich der «Hof-Bau-Amtmann» und Hofkammerrat Johann Philipp Geigel[31] und nicht der Neumann-Schüler und Obristlieutnant Johann Michael Fischer.[32] Ausführender Maurermeister ist Dominikus Ickelsheimer.[33] Die Kreuzweg-Kapellen werden ab 1764 gebaut. Es sind immer mit hohen Rundbogen geöffnete Pavillons mit Zwiebeldächern. Die Stationen enthalten Freigruppen von drei bis sechs Figuren, die dreiviertel lebensgross sind. Die Gruppen aus Sandstein sind Werke des Hofbildhauers Johann Peter Alexander Wagner. Der Bildhauer, der 1767 auch die Fassadenstatue der Maria Gravida liefert, erstellt die Kreuzweggruppen 1765–1778. Verschwunden sind seit 1867 die schmiedeeisernen Rokoko-Brüstungsgitter des Hofschlossers Johann Anton Oegg[34] und die Innenwandfresken der Kreuzwegpavillons. Die Fresken eines ungenannten Meisters zeigen bis zu ihrer Zerstörung illusionistische Hintergründe mit Architektur- und Landschaftsmotiven.

 

Eingriffe in klassizistischer Zeit

Die klassizistische Phase 1778–1800 
 

Neubau der Gnadenkapelle
1778 wird die symmetrische Einheit beidseits des Werkes von Balthasar Neumann empfindlich gestört. Was der Chronist Himmelstein 1886 als «Verschönerung der alten Gnadenkapelle» beschreibt, ist ein völliger Neubau. Der Kernraum hat die Form einer längsovalen Rotunde, die mit einer Flachkuppel gedeckt ist. An sie sind kreuzförmig korbbogengewölbte und unterschiedlich tiefe Arme angeschlossen, die längeren als Chor und Anschluss an den Neumann-Bau, die kürzeren in Querrichtung als Raumnischen. Dieses Raumgefüge ist aussen durch ein in die Länge gezogenes Oktogon verschleiert. Als vermutete Planer dieses architektonisch nur in seiner äusseren malerischen Wirkung akzeptablen Neubaus werden die schon am Kreuzweg tätigen Johann Philipp Geigel und Johann Michael Fischer genannt.[35] Ausführender Maurermeister ist wieder Dominikus Ickelsheimer.

Der Innenraum der Gnadenkapelle
Das Raumkleid der Gnadenkapelle ist heute unansehnlich düster. Es atmet damit den Geist der Neurenaissance des 19. Jahrhunderts. Aber selbst wenn man sich den Raum in den ursprünglich hellen Farbtönen vorstellt, überzeugt die klassizistische Stuck- und Stuckmarmorausstattung nicht. Irritierend ist deshalb die Beurteilung von Mader (1915) der den 1780 geschaffenen Stuck als «schöne klassizistische Arbeit in Richtung des Materno Bossi» beschreibt.[36]
Der Gnadenaltar ist eine Baldachinanlage, die das klassizistische Gebälk auf vier Säulen weiterführt. Nüchtern ist seine offensichtlich erst im 19. Jahrhundert aufgestellte Retabelrückwand mit Rokokoengeln, die um das verglaste Behältnis der Pietà, dem eigentlichen Wallfahrtsziel, schweben.[37]  
1786 ist Matthäus Günther nochmals als Freskenmaler tätig. Der inzwischen 81-jährige Maler erstellt die zwei Deckenfresken im Altarraum und in der Flachkuppel. Es ist seine zweitletzte Arbeit. Im Altarraum malt er die Kreuzabnahme. In der Flachkuppel ist zentral Maria als apokalyptisches Weib und im terrestrischen Bereich die Geschichte der Judith dargestellt.[38] Die Arbeit ist zurzeit derart verschmutzt, dass sie kaum noch wahrgenommen werden kann.
Dominierend sind zwei grosse, goldgerahmte Ovalbilder, die über den Seitenaltären als Altarblätter die volle Höhe und Breite der ausgerundeten Abschrägungen am Übergang zum Chor aufnehmen. Es sind 1798 von Konrad Huber[39] gelieferte Blätter des hl. Wendelin und des hl. Rochus.

Klassizismus im barocken Neumann-Bau: Hochaltar und Kanzel
1799 weicht der alte Hochaltar, der als Tabernakelaltar mit anbetenden Engeln beschrieben wird, einem klassizistischen Säulenretabel. Seine vier schlanken Freisäulen tragen ein hohes Gebälk, das durch ein grosses Altarblatt getrennt ist und einen muschelförmig geöffneten Rundbogenbaldachin trägt. Obwohl die Säulen für den schweren Überbau dünn wirken, kann man das Retabel als schöne klassizistische Arbeit bezeichnen (Mader 1915). In der Rokokoumgebung wirkt aber das weit in das Konchengewölbe ragende Werk wie eine Faust aufs Auge. Verschlimmbessert wird es 1894 durch eine breite, goldene Arkadenreihe hinter dem Tabernakel, die das untere Drittel dominiert. Als Entwerfer des Hochaltars wird Johann Georg Winterstein,[40] für den Tabernakelaufbau der Schreiner Ludwig Link genannt.
Das Altarblatt mit Mariä Heimsuchung liefert, wie gleichzeitig die beiden Gnadenkapellen-Ovalbilder, 1798 Konrad Huber. Deutlich verlässt er hier den barocken Bildaufbau zu Gunsten der neuen Hinwendung zum frommen, lieblichen Andachtsbild, wie es später vor allem die Nazarener pflegen.
Die Kanzel wird dem Bildhauer Balthasar Heinrich Nickel[41] zugesprochen. Sie ist eine feine frühklassizistische Arbeit und fügt sich gut in die barocke Umgebung ein. Sie dürfte auf Grund ihrer Eleganz um 1790 entstanden sein.

Eingriffe und Restaurationen der Moderne

Das Käppele im 19. und 20. Jahrhundert
      

Verschonung nach 1803 und in den Kriegen des 19. und 20. Jahrhunderts
Nach der Säkularisation bleibt dem Käppele das Schicksal des Verkaufs erspart, wie dies viele anderer Kirchen trifft. Nur das Kapuzinerhospiz wird kurzfristig aufgehoben. In den Koalitionskriegen bis 1815 kommt das Bauwerk immer wieder in die Schusslinien, bleibt aber mit Ausnahme der verirrten Kanonenkugel 1800, welche die Orgel beschädigt, unbehelligt. Erstaunlich ist der Beschluss für einen neuen Hochaltar während der Koalitionskriege. Er zeugt von grossem Vertrauen in den himmlischen Schutz des Käppele. Die preussische Belagerung der Festung mit Truppenstellungen am Nikolausberg, die auch 1866 keine Schäden am Käppele anrichtet, ist dem Chronisten Himmelstein 1886 nicht einmal eine Zeile wert. Grosses Glück hat der Wallfahrtsort im April 1945. Während die Stadt vollständig zerstört wird, wird auch das Käppele von Brandbomben getroffen. Das Feuer kann aber gelöscht werden. Selbst die anschliessend von der Waffen-SS angeordnete Zerstörung wird dank der innovativen Befehlsverweigerung des Gefreiten Ludwig Herrmann verhindert.[42]

Restaurationen des 19. Jahrhunderts und ihr Rückbau im 20. Jahrhundert
Weniger Glück hat das Bauwerk bei den vielen Restaurationen des 19. Jahrhunderts. Mit dem wieder aufkommenden Wohlstand nach der Jahrhundertmitte beginnen gutgemeinte Verschönerungen und Verbesserungen, dies in einer Zeit der völligen Ablehnung des Barocks. Anlass zu der umfassenden Restauration von 1874 bildet der schlechte Zustand der jüngeren, klassizistischen Gnadenkapelle, die dem Einsturz nahe ist. Die dicken und störenden Zugstangen stammen noch heute von dieser Restauration. Damals weicht auch die barocke Polychromie des Neumann-Baus dem Farbverständnis der Neorenaissance. 1894 findet eine weitere Restauration statt. Eine erste umfassende Renovation findet 1973 bis 1976 statt. Die Übermalungen des 19. Jahrhunderts und die farbigen Fenster werden dabei wieder entfernt. 1994 bis 1997 erfolgt eine Aussenrestaurierung.

Heute       

Dringend notwendige Reinigung und Konservierung
Die 1973–1976 freigelegte Polychromie des Innenraums ist heute unter einer dicken Russ-Schicht verborgen. Freilege-«Fenster» in den Günther-Fresken, ausgeführt für Voruntersuchungen zu einer konservatorischen Reinigung, zeigen den Verschmutzungsgrad. Die nach über 40 Jahren längst fällige Innenreinigung ist jetzt geplant.[43]  
 
Hinweise zum Zugang
Der Kreuzweg-Zugang zum Käppele beginnt beim Germanenhaus an der Nikolausstrasse 21. Die offizielle Adresse Spittelbergweg 21 ist falsch. Dies ist die Adresse der über der Wallfahrtskirche gelegenen Strasse. Mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln ist aber die Kapelle über den Spittelbergweg nicht mehr erreichbar, da die ganze Strasse wegen Einsturzgefahr gesperrt ist. Zum Käppele gelangt man nur über Umwege und dem Ziel «Parkplatz Nikolaushof».

Pius Bieri 2018


Literatur
Himmelstein, Franz Xaver: Die Marianische Wallfahrts-Kirche auf dem St. Nikolausberge bei Würzburg, Würzburg 1886.
(Download)
Mader, Felix: Stadt Würzburg. Reihe «Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern». Band 3 Die Kunstdenkmäler von Unterfranken und Aschaffenburg. München 1915.
Muth, Hanswernfried und Schnell, Hugo: Würzburg/Käppele, Kunstführer Schnell Nr. 306. München und Zürich 1978.
Manitz, Bärbel: Wand, Wölbung und Rotunde. Themen und Leitmotive in Balthasar Neumanns kurvierter Sakralarchitektur. Worms 1992.
Schele, Paul Werner (1979-2003 Bischof von Würzburg): Das Würzburger Käppele. Regensburg 2010.

Web
Käppele in Würzburg-Wiki
https://wuerzburgwiki.de/wiki/K%c3%a4ppele

Stationen-Weg Anstieg in Würzberg-Wiki
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Stationsweg_zum_K%C3%A4ppele

Germanenhaus in Würzburg-Wiki
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Germanenhaus

Anmerkungen
[1] Im 18. Jahrhundert können im Bistum Würzburg über 30 marianische Wallfahrtstätten aufgesucht werden. Viele dieser Orte entstehen zur Zeit der Gegenreformation im 16. und 17. Jahrhundert, dazu zählen auch die Loreto-Heiligtümer. Schon zur Reformationszeit entsteht die überregionale Wallfahrt in Dettelbach. Wie beim Käppele ist auch in Dettelbach ein Bildstock mit einer Pietà Auslöser der Wallfahrt.

[2] Der Nikolausberg wird auch volkstümlich mit Klessberg (abgeleitet von Klaus, Kless) bezeichnet.

[3] Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn (reg. 1642–1673) lässt zwar 1650 die wundersamen Heilungen untersuchen und schreitet nicht gegen die Wallfahrt ein. Dies genügt bereits, um das Altarraum-Fresko des Neumann-Baus mit seinem Namen zu verbinden. Matthäus Günther malt ihn 1752 innerhalb einer Scheinarchitektur, wie er  im Beisein einer Hofgesellschaft die Wunderberichte entgegennimmt und mit seiner Gestik zu himmlischen Engelsgestalten weist.  

[4] Die Beschriebe dieser Kapelle nennen einen Kirchturm, der Lageplan 1747/49 (SE 45) mit der Seitenansicht der alten Kapelle zeigt aber einen Dachreiter.

[5] Balthasar Neumann (1687–1753) aus Eger. Neumann leitet zu dieser Zeit den Residenzneubau für Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn, wo zu dieser Zeit das berühmte Treppenhaus gebaut wird. Um 1741 erstellt er im Auftrag des Fürstbischofs auch erste Planungen zu Vierzehnheiligen und baut die Sommerresidenz in Werneck.
Zur Residenz Würzburg, zu Vierzehnheiligen, zu Werneck und zur Biografie von Balthasar Neumann siehe die Beiträge in dieser Webseite.

[6] Himmelstein (1886) nennt 1736 als Beginn der Planung, die 1740 vorliegt. Dies würde auch die vermutete Mitarbeit des Neumann-Zeichners und Schülers Johannes Seitz (1717–1779) erklären, der 1739 Nachfolger seines Vaters als kurfürstlich Trierischer «Hofbolierer» (Hof-Palier) wird.

[7] Dreikonchenanlage, siehe dazu das Glossar in dieser Webseite.

[8] Die erhaltenen Pläne der ersten Planungsphase Neumanns (bis 1740) sind SE 210, SE 211, SE 212. Verbrannt sind 1945 SE 213 und SE 214.

[9] Der Plan liegt im Landeshauptarchiv Koblenz.

[10] Anselm Franz von Ingelheim (1683–1749) ist vom 29. August 1746 bis zum 9. Februar 1749 Fürstbischof von Würzburg. Seine heutigen negativen Beurteilungen sind seiner Leidenschaft für die Allchemie, seiner Hörigkeit gegenüber dem alchemistischen Betrügerpack, seinem völligen Desinteresse an Baukunst, auch seiner Entlassung von Balthasar Neumann zu verdanken. Bedeutend positiver ist seine Beurteilung im Band II der Würzburger Chronik 1849 über das Leben der Würzburger Bischöfe. Digitalisat: books.google. Zu Anselm Franz von Ingelheim siehe auch die Biografie in dieser Webseite.

[11] Die alte Kapelle ist nach Südosten, der Neubau nach Südwesten orientiert. Der Neubau nach Plänen Neumanns wird deshalb Nordwestlich angefügt, nicht südlich, wie irrtümlich in der Literatur vermerkt. Auch die nach Würzburg gerichtete Doppelturmfassade des Neubaus ist keineswegs nach Norden (zur Marienburg), sondern deutlich nach Nordosten (zur Stadt) orientiert.

[12] Balthasar Neumann wird sofort nach der Wahl des neuen Fürstbischofs 1746 als Baudirektor mit vielen weitern verdienstvollen Beamten der Schönbornzeit entlassen. Offensichtlich ist er aber von der Hofkammer weiterhin als Planer geschätzt. Als ausführende Baumeister werden für den Kapellenneubau Hofmaurermeister Balthasar Drexel (bei Mader: Trexler) und für den Hospizneubau Hofmaurermeister Michael Zängerlein (bei Himmelreich: Zenglein) genannt. Von beiden sind keine Lebensdaten bekannt.

[13] Als Zimmermann darf Hofzimmermeister Johann Leonhard Greissing (1711-1782) und als Dachdecker der Hofschieferdecker Andreas Kessler angenommen werden.

[14] Dokumente, die genauere Auskunft über den Bauablauf oder den Dachstuhl geben, sind nicht vorhanden. Gewölbe werden in der Regel nach der Dachdeckung errichtet. Die Schreibweise, «vor Winters das Gewölbe zu vollenden und den Bau unter Dach zu bringen», entspringt vielleicht der Vorstellung des Historikers Himmelstein (1886), dass ein Gewölbe auch den Dachstuhl trage. Die Fertigstellung von Dachdeckung und den Gewölben bis zum Spätherbst 1749 entspricht rund 20 Monaten Gesamtbauzeit.

[15] Carl Philipp von Greiffenclau zu Vollrads (1690–1754), Fürstbischof von Würzburg vom 14. April 1749 bis zum 25. November 1754. Er ist Neffe des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Greiffenclau zu Vollrads (1652–1719).

[16] Stuckateur ist in der Residenz Antonio Bossi, Freskant Giambattista Tiepolo und Johann Zick.

[17] Johann Michael Feichtmayr (1710–1772) aus Wessobrunn, Stuckmarmorierer und Stuckateur mit Werkstatt in Augsburg. 1749 beendet er die Stuckmarmor-Altäre in Münsterschwarzach, wo er seit 1739 mit Balthasar Neumann zusammenarbeitet. Bis 1751 ist er in Amorbach und Zwiefalten tätig. 1752 vermittelt ihm Balthasar Neumann die Stuck- und Stuckmarmorarbeiten in den Repräsentationsräumen von Bruchsal. Seine Arbeit im Käppele ist eine gesicherte Annahme. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[18]  Matthäus Günther (1705–1788) aus Tritschenkreut bei Peissenberg, ist 1725–1727 Geselle bei Cosmas Damian Asam. Er erwirbt 1731 in Augsburg die Meistergerechtigkeit. Er ist bedeutender Freskant. Seine frühen Werke sind vor allem in den Sakral-Neubauten von Joseph Schmuzer (Garmisch 1732, Welden 1732, Peissenberg 1734, Tölz 1737, Rottenbuch 1737–1746, Oberammergau und Mittenwald 1740) zu finden. In Münsterschwarzach ist er Nachfolger des 1740 verstorbenen Johann Evangelist Holzer. Die Arbeiten Günthers sind in der Folge stark von den Münsterschwarzacher Fresken Holzers beinflusst. Mit dem Stuckateur Johann Michael Feichtmayr arbeitet er ab 1743 in Münsterschwarzach und bis 1751 in Amorbach zusammen. Zu Matthias Günther siehe auch die Biografie in dieser Webseite.

[19] Johann Baptist Clausner (1720–1787), Stuckmarmorierer, in der Residenz Würzburg von 1751–1776 erwähnt.

[20] Es handelt sich um die 1945 verbrannten Risse der Sammlung Eckert SE 45 (Lageplan), SE 48, SE 49, Se 51 und SE 53.

[21] Johann Peter Alexander Wagner (1730–1809) aus Theres, wo schon sein Vater Bildhauer ist. Er kommt nach einer Ausbildung in Wien 1756 nach Würzburg, wo er 1759 die Witwe Auwera heiratet und die Werkstatt des Johann Wolfgang van der Auwera übernimmt. Wagner ist auch Schöpfer aller Kreuzwegstationen (zu diesen siehe die Ausführungen unten). Die Figur der Maria Gravida in der Fassade (1767/68). Die schwangere Maria deutet auf das Patrozinium Mariä Heimsuchung (Vistitatio Mariae) des Käppele.

[22] Beispiele in Bayern: Maria Birnbaum (1661/68), Sankt Bartholomä am Königsee (1697/98), Kappl bei Waldsassen (1685/89); Beispiele im byzantinischen Einflussbereich Venetiens: San Marco (1063/79) und Santa Maria della Salute (1630/87) in Venedig, Sant' Antonio (1232/90) in Padua.

[23] Johann Zick (1702–1761) aus Lachen. Das Blatt mit dem Tod des hl. Vitus von 1758/60 kommt im 19. Jahrhundert nach St. Burkard. Es ist dort nur als Gemälde aufgehängt. Zu Johann Zick siehe die Biografie in dieser Webseite. 

[24] Giambattista Piazzetta (1682–1757) aus Venedig, Lehrer von Giambattista Tiepolo. Piazetta arbeitet 1744–1746 in Münsterschwarzach an Altarblättern. Die 1958 erstellte Piazzetta-Kopie zeigt die Stigmatisation des hl. Franziskus (l'estasi di san Francesco von 1725, seit 1911 im Museo Civico von Vicenza).

[25] Johann Christian Köhler (1714–1761) aus Gross-Rosenburg. Siehe zu ihm die Wikipedia-Biografie.

[26] Orgelneubau 1991 mit zusätzlichen vier Registern, aber mit Übernahme des barocken Vorbildes auch in der Mechanik, durch Orgelbauer Vieugels aus Hardheim. Die Rekonstruktion betrifft selbst die Windanlage, die noch immer wie zur Barockzeit mit Blasbälgen ohne Elektrizität betrieben werden kann. Das Werk dürfte schon vorher grössere Eingriffe überstanden haben. Erstmals nach 1800, als während der Belagerung der Festung eine verirrte Kanonenkugel die Fassade des Käppele durchschlägt, ausgerechnet in der Orgel landet und das Pfeifenwerk mit Ausnahme des Prinzipalregisters im Prospekt verwüstet.

[27] Öffnungen in Orgelprospekten sind dann vorhanden, wenn Fenster umspielt werden. Die Überbrückungen werden aber immer mit speziellen Orgelwerken gelöst. Beispiele: Holzhey-Orgeln in Obermarchtal (1780) oder in Neresheim (1792). Der Sinn oder Zweck des Balkons im Orgelprospekt ist nicht ergründet.

[28] Auf der ersten Terrasse sind zwei, auf den weiteren vier Terrassen je vier Kreuzweg-Kapellen vorhanden. Sie sind einzeln in der Würzburg-Wiki (https://wuerzburgwiki.de/wiki/Stationsweg_zum_K%C3%A4ppele) beschrieben.

[29] Zum Germanenhaus siehe die Würzburg–Wiki (https://wuerzburgwiki.de/wiki/Germanenhaus). Es liegt auf 210 m. ü. M., die Terrasse des Käppele auf 254 m. ü. M.

[30] Pläne Neumanns über einen derartigen Aufgang sind nicht vorhanden. Im Plan SE 45 (1748) ist eine Treppe eingetragen, die zur alten Gnadenkapelle führt.

[31] Johann Philipp Geigel (1731–1800) aus Würzburg. Er wird in den Hofkalendern 1768, 1773 und 1779 an erster Stelle genannt, während der ebenfalls genannte Johann Michael Fischer erst ab 1780 erwähnt wird. 

[32] Johann Michael Fischer (1727–1788) aus Trappstadt, ist 1741–1748 Zeichner im Baubüro Neumann, um dann als Militäringenieur bis zum Rang eines Obristlieutnants tätig zu sein. Seit 1763 ist er mit Johann Philipp Geigel an der Jesuitenkirche Würzburg tätig. Ab 1765 als Dombaumeister, ab 1780 auch als Hofbaumeister erwähnt . Er kann mit dem Bildhauer Johann Michael Fischer (1717–1801) aus Veitshöchheim verwechselt werden

[33] Von Dominikus Ickelsheimer, der als Hofmaurermeister aufgeführt ist, sind keine Lebensdaten bekannt. Er darf weder für den Terrassen-Aufgang noch für die spätere Käppele-Erweiterung als Planer genannt werden.

[34] Johann Anton Oegg (1745–1800) aus Würzburg, Sohn und Werkstattnachfolger des Hofschlossers Johann Georg Oegg (1703–1783). Die Gitter für die Kreuzwegkapellen sind erste selbständige Arbeiten (1767–1778) und, soweit in Fotografien erhalten, noch reines Rokoko.

[35] Offensichtlich sind die Ausführenden keine statisch sattelfeste Baumeister, was die dicken nachträglich eingeführten Zugstangen zeigen. Sie werden 1874 eingesetzt, weil ein Einsturz der Gnadenkapelle befürchtet wird.

[36] Materno Bossi (1737–1802) aus Porto Ceresio. Er arbeitet 1776–1787 in der Klosterkirche Ebrach, wo er mit ihrer völligen Umgestaltung eine grosse Meisterleistung vollbringt. Ihm den Stuck im Käppele zuzuschreiben, ist im Vergleich mit Ebrach eher fragwürdig. Zu Materno Bossi siehe die Biografie in dieser Webseite.

[37] Meist als Vesperbild bezeichnet, ist die gefasste Holzplastik der bekrönten Maria, die den Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoss trägt, tatsächlich die Arbeit eines Laienschnitzers. Die Legende, dass der Junge eines Fischers die Pietà 1640 an Ort aufstellt, gewinnt ob der unbeholfenen Schnitzerei tatsächlich Konturen.

[38] Das Thema bearbeitet Matthäus Günther schon 1754 im Vierungskuppel-Fresko der Stiftskirche Wilten. Dort ist Franz Xaver Feichtmayr Stuckateur. Der Unterschied vom Fresko im Käppele zum klaren Aufbau und vor allem der Farbigkeit des Freskos in Wilten ist gewaltig. Die gilt auch für die Farbigkeit der fast gleichzeitig im Käppele gemalten Fresken des Neumann-Baus. In Wilten kann sie noch betrachtet werden.

[39] Konrad Huber (1752–1830) aus Altdorf bei der Reichsabtei Weingarten. Maler des Klassizismus, anfänglich noch in barocker Tradition. Schüler von Andreas Brugger (Biografie in dieser Webseite). Er wird durch den Reichsabt von Weingarten gefördert. 1774–1820 ist er in Weissenhorn tätig.

[40] Johann Georg Winterstein (1743–1806) aus Kissingen. Seit 1768 selbständig in Würzburg tätig. Zusammenarbeit zwischen 1788 und 1792 mit Materno Bossi.

[41] Balthasar Heinrich Nickel (1743–1799) aus Bamberg, nach Bildhauerlehre im väterlichen Betrieb Schüler von Johann Peter Wagner bis 1775, seit 1778 Bürger in Würzburg. Er baut Altar- und Kanzel auch in der Kirche des Hofspitals (1794), dort aber in schwerem, dunklen Klassizismus. Deshalb ist die Datierung der Käppele-Kanzel mit «1800» sicher falsch. Sie muss um 1790 entstanden sein. Die ebenfalls vorhandene Zuschreibung der Kanzel an Materno Bossi dürfte bei einer Holzkanzel höchstens den Entwurf betreffen.

[42] Siehe dazu die Würzburg-Wiki unter https://wuerzburgwiki.de/wiki/Ludwig_Herrmann.

[43] Hauptproblem sind offenbar die Finanzen. Mit jedem Jahr Wartezeit wird aber die Schädigung der originalen Schicht grösser. Eine derartiges Kulturgut wie das Käppele hätte mehr staatliche Unterstützung verdient.
Allgemeines zur Verschmutzung der Wände in Kirchenräumen:
Die Ursachen sind meist bauphysikalischer Natur. Kirchen können nicht wie Wohnräume dauernd beheizt werden. Die Oberflächen der Wände und Gewölbe (auch wärmegedämmte!) bleiben bei Aufwärmung der Raumluft, sei es durch kurzfristige Beheizung im Winter, durch Tageslüftung im Sommer oder auch durch Besucher, immer einige Grad kühler als die nun kurzzeitig aufgewärmte und feuchtegesättigte Raumluft. Diese wärmere Luft bildet deshalb ein Oberflächenkondensat. Pilger und Besucher bringen durch Körperwärme eine zusätzliche Feuchtebelastung. Aufgewirbelte Schmutzpartikel (Luftbewegung durch Besucher, Kerzen, Heizung) haften dann am Oberflächenkondensat und bilden eine immer stärker werdende, russähnliche Schicht. Selbst sakrale Innenräume, die weniger von Besuchern frequentiert werden, benötigen in der Regel nach spätestens 15–20 Jahren eine Trockenreinigung. Sie ist in der Regel bis zu diesem Zeitpunkt noch ohne grössere restaurative Eingriffe möglich. Längere Zeiträume gelten nur bei unbeheizten Wallfahrtskirchen in nichtstädtischen Regionen, die keine offenen Kerzenstände aufweisen und klug belüftet werden.

KaeppeleKreuzweg4   KaeppeleKreuzweg5   1867 werden die Kapellen umgestaltet. Die Rokoko-Brüstungsgitter des Hofschlossers Johann Anton Oegg verschwinden. Die Nischenfresken mit Landschafts- und Architekturhintergründen werden mit einem tapetenartigen Hintergrund übermalt. Auch dieser ist heute einer neutralen Tünchung gewichen.
Am Beispiel der 14. Station in einer Fotografie vor 1867 ist der Wandel sichtbar. Das schöne Oegg-Gitter ist heute durch eine bedeutend höhere Abschrankung ersetzt. Sie soll das Übersteigen verhindern, behindert aber den ursprünglich freien Blick auf die Figurengruppen von Johann Peter Alexander Wagner.





Links: Fotografie vor 1867

Rechts: Gleicher Ausschnitt 2018.

 

 



  Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung auf dem Nikolausberg Würzburg  
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Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Würzburg

Fürstbistum Würzburg
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Würzburg   1747
Bauherr und Bauträger
Ingelheim1  Fürstbischof Anselm Franz von Ingelheim         (reg. 1746–1749)
      Fürstbsichof Carl Philipp von Greiffenclau zu       Vollrads (1749–1754)
 
 
  Das Würzburger Käppele, gesehen von Nordosten (Ludwigsbrücke) mit Gnadenkapelle, Zentralbau und Kreuzweg-Zugang. Foto: Sbruder04 in Wikipedia.   pdf  
   
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Die Gewölbe des Zentralbaus. Für Vergrösserung anklicken! Foto: Bieri 2018.  
   
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Lageplan der Wallfahrtskirche und des terrassierten Kreuzweg-Zugangs. Für Erläuterung und Vergrösserung anklicken!  
Fassaden und Dächer
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Die Doppelturmfront, gesehen von den letzten Treppenläufen des Kreuzweg-Zugangs. Foto: Bieri 2018.  
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Das Erdgeschoss der Doppelturmfront. Die Bildhauerarbeiten der Portalbekrönung sind Werke von Johann Peter Alexander Wagner um 1767. Die Figur der Maria Gravida über dem Portal deutet auf das Patrozinium Mariä Heimsuchung (Vistitatio Mariae) des Käppele.  
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Die Zwiebelhelme der Türme und der Kuppellaterne, gesehen vom Spittelbergweg. Foto: Bieri 2001.  
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Das malerische Bild der Dachlandschaft mit den Kuppeldächern des Zentralbaus von Baltasar Neumann (links) und dem späteren Gnadenkapellen-Neubau (rechts).  
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Die ab 1778 erstellte Neubau der Gnadenkapelle, der sich in Dachform und Ausdruck an die Architektur Neumanns anlehnt. Foto: Bieri 2018.  
Der barocke Innenraum  
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Der Kuppelraum von Balthasar Neumann mit den 1752 entstandenen Rokokostuckaturen von Johann Michael Feichtmayr, den gleichzeitigen Gewölbefresken von Matthäus Günther und den späteren klassizistischen Ausstattungen von Hochaltar und Kanzel. Zu diesen siehe unten mehr. In der Vergrösserung des Titelfotos (rechts) sind die Stuckaturen und Fresken der Vierungskuppel und der seitlichen Konchen ablesbar.
Foto: Bieri 2018.
 
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Die feurigen Rocaillen des Orgelprospektes gehen fast unmerklich in die Stuckrocaillen von Johann Michael Feichtmayr über. Auch der Aufbau des Prospektes mit dem Balkon ist aussergewöhnlich. Leider ist nur der Orgelbauer, nicht aber der Schöpfer der bildhauerischen Arbeiten bekannt. Das Fresko über der Orgel stellt Fürstbischof Anselm Franz von Ingelheim dar, wie er die Baugenehmigung erteilt. Orgel, Stuckaturen und Fresko bilden im Emporenjoch eine künstlerische Einheit, wie sie nur im Spätbarock und Rokoko möglich ist. Zu hoffen ist, dass in naher Zukunft die unheimliche Verrussung aller Oberflächen entfernt werden kann. Foto: Bieri 2018.  
KaeppeleFreskoentwurf
Der Entwurf, den Matthäus Günther 1752 zum Kuppelfresko der Vierung zeichnet, ist erhalten. Im Vergleich mit dem ausgeführten Fresko (Titelfoto rechts) sind nur thematisch keine Abweichungen feststellbar, Günther ergänzt im Fresko die Randzonen mit Zusatzszenen und verkleinert die Personengruppen. Die Zwickelkartuschen Feichtmayrs sind im Entwurf nicht berücksichtigt, ihre Rocaillen überspielen in der Ausführung folgerichtig das Fresko Günthers. Es stellt eine Art fränkischer Heiligenhimmel dar. Betrachtet der in den Kirchenraum eintretende Besucher das Fresko, sieht er die in Zeichnung und Foto unten liegende Szene als Erstes und an die Altarkonche angrenzend. Unter der zentralen Kuppellaterne mit der Darstellung von Gottvater und dem Heiligen Geist ist Richtung Altar Christus zu sehen, wie er Maria krönt. Sie steht in Sprechverbindung («Visita Nos In Salutari Tuo») mit der links unter ihr auf einer Scheinarchitektur am Kuppelrand knienden Franconia. Die Gegenseite zur Orgel zeigt im Fresko eine bedeutend grössere Figurendichte als in der Zeichnung, hier herrscht das Thema der Musik vor. Eine detaillierte Erläuterung der Freskenthematik ist im Beschrieb von Franz Xaver Himmelstein (1886) zu lesen. Bildquelle: Graphische Sammlung Albertina Wien, Inv. Nr. 30 571.  
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Der rechte (epistelseitige) Nikolaus-Altar wird erst 1768 fertiggestellt. Das Altarblatt des Bamberger Malers Nikolaus Treu stellt den hl. Nikolaus dar, der einen losgekauften Sklaven segnet. Die Seitenaltäre sind Stuckmarmorarbeiten von Johann Baptist Clausner, wahrscheinlich nach Entwürfen Feichtmayrs. Foto: Bieri 2018.  
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Der linke (evangelienseitige), ursprünglich der Vitus-Altar mit einem Altarblatt von Johann Zick, enthält seit 1956 die Replik eines Gemäldes des Venezianers Piazetta. Das Original «l'estasi di san Francesco» (1725) hängt im Museo Civico von Vicenza. Das originale Altarblatt von Johann Zick hängt heute als Gemälde in der Burkarder-Kirche. Der Sinn solcher Aktionen ist nicht verständlich. Foto: Bieri 2018.  
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Die Stuhlwangen in kräftigem Akantusschnitzwerk sind hochbarocke Arbeiten um 1715. Sie sind demnach ein halbes Jahrhundert älter als die übrige barocke Ausstattung. Stammen sie vielleicht aus der 1713 erweiterten und 1778 abgebrochenen alten Kapelle? Jedenfalls sind es hochwertige Kunsthandwerker-Arbeiten, die angesichts der Kriegsverluste gleicher Arbeiten in den Kirchen Würzburgs mehr Beachtung verdient hätten. Foto: Bieri 2018.  
 
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Der Innenraum der 1778–1786 neu gebauten Gnadenkapelle ist deutlich klassizistisch geprägt. Nur Matthäus Günther lehnt sich in seinem Kuppelgemälde von 1786 noch an barocke Konzepte an. Der aktuelle Verschmutzungsgrad lässt leider kein Urteil über die Raumqualität zu. Das Kuppelgemälde ist unter der Russschicht fast unleserlich. Foto: Bieri 2018.  
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Die Untersuchungsfenster im Gewölbebereich der Gnadenkapelle zeigen die starke Verschmutzung und lassen auf eine baldige Sanierung der Oberflächen und vor allem des Raumklimas hoffen.
Foto: Bieri 2018.
 
Klassizismus im barocken Innenraum
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Eine Fotografie von 1913 zeigt einen Einblick Langhaus und Chor, wie er seit der Barockzeit bis 1945 besteht. Kanzel, die raumbeherrschende Stiftergemälde an den Hochwänden, aber auch die Deckenfresken von Johann Baptist Zimmermann gehen nach 1945 verloren.
Bildquelle: Stadtarchiv Würzburg.
 
Kaeppele15Ausschnitt
Der Ausschnitt des obigen Bildes zeigt den Übergang der klassizistischen Altararchitektur von 1799 zum Fresko und dem Rokokostuck von 1752. Die noch stark dem Rokoko verhafteten Bildhauerarbeiten Engelsfiguren und Putten versöhnen etwas mit den Gegensätzen. Der musizierende Engel auf dem Baldachindach weist auf die Textstelle im Ava Maria hin, die sich auf das Patrozinium beziehen. Foto: Bieri 2018.  
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Unproblematisch fügt sich die feine frühklassizistische Kanzel des Bildhauers Heinrich Nickel in die barocke Umgebung ein. Foto: Bieri 2018.  
Der Kreuzweg, Zugang zum Käppele  
KaeppeleKreuzweg1
Der Zugang zum Käppele erfolgt über die Terrassen des Kreuzweges ab dem Germanenhaus (im Bild unten). Während die Zugangs-Terrassen schon bald nach ihrem Bau schattenspendende Platanen erhalten, ist die restliche Umgebung des Käppele noch bis ins 20. Jahrhundert weitgehend baumfrei und dient dem Rebbau. Foto: Bieri 2018.  
KaeppeleKreuzweg2
Die 12. Station des Kreuzweges auf der letzten Terrasse mit Blick zur Marienburg.
Foto: Bieri 2018.
 
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Die 11. Station des Kreuzweges auf der vierten und zweitletzten Terrasse, als Beispiel der an die Stützmauer angelehnten Kapellen.
Foto: Bieri 2018.