Die Meister
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Johann Georg Fischer (1673–1747) Markt Oberdorf Bayern Fischer   Baumeister 1725   1736
Johannes Schütz (1704–1752) Matsch (Metsch) Tirol Schuetz   Stuckateur 1735   1738
Franz Anton Erler (um 1700–1745) Eglofs Erler   Maler, Freskant 1721   1721
Johann Peter Heel (1696–1767) Pfronten Heel   Bildhauer 1725   1725
Joseph Saur (Lebensdaten unbekannt) Ehingen     Fassmaler 1725   1725
Jakob Hör (1702–1742) Reinstetten Ochsenhausen     Orgelbauer 1736   1736
Franz Georg Hermann (1692–1768) Kempten HermannFG   Maler 1737   1737
Johann Wilhelm Hegenauer (1719–1754) Pfullendorf     Bildhauer 1749   1749
Michael Bertele (Lebensdaten unbekannt) Sontheim     Kunstschreiner 1755   1755

Chorherrenstift und Stiftskirche St. Katharina auf Schloss Wolfegg

Geschichte

Die Grafen und Erbtruchsessen von Waldburg
Die Grafschaft Waldburg ist, wie ein Blick in den Flickenteppich der geistlichen und weltlichen Herrschaften im südlichen damaligen Schwaben und heutigen Württemberg zeigt, im 17. und 18. Jahrhundert nebst dem Herzogtum Württemberg eine der grössten Herrschaften. Die Grafschaft grenzt im Osten an das Fürststift Kempten und im Norden an die Reichsabteien Schussenried, Ochsenhausen und Rot an der Rot; die Westgrenze ist vorderösterreichisch dominiert, im Süden liegen die Reichsstädte Wangen und Isny.
Die Herren von Waldburg nennen sich Truchsessen. Seit dem frühen 16. Jahrhundert ist die Familie im Besitz des erblichen Titels «Erbtruchsess des Heiligen Römischen Reiches»[1] und der erblichen Freiherrenwürde. Erbteilungen führen 1595 und 1612 zu drei Linien Zeil (Zeil-Zeil, Zeil Wurzach), Wolfegg (Wolfegg-Wolfegg, Wolfegg-Waldsee) und Trauchberg (Trauchberg-Kisslegg, Friedberg–Scheer), deren Herrschaft dann während der ganzen Barockzeit bestehen bleibt. 1628 erfolgt die Erhebung aller Linien in den erblichen Grafenstand.

Gründung des Chorherrenstifts durch Graf Johann von Waldburg-Sonnenberg
Die Herrschaft Wolfegg der Truchsessen von Waldburg, zwischen Ravensburg und Waldsee gelegen, kommt 1480 bei einer Erbteilung an Johann von Waldburg, Graf von Sonnenberg.[2] Die Herrschaft umfasst rund 200 Höfe mit ungefähr 1000 Einwohnern. Meist sind es Bauernfamilien in Leibeigenschaft. Der neue Besitzer baut die mittelalterliche Burg Wolfegg zu einem Schloss um und stiftet 1502 eine Franziskanerniederlassung auf dem Plateau der südwestlichen Vorburg.[3] Er erfüllt damit ein Gelübde als Teilnehmer eines Feldzuges des Tiroler Erzherzogs gegen die Republik Venedig. Der Ausgang dieses kurzen Feldzugs wird noch heute als Verdienst des jungen Grafen Johann von Waldburg-Sonnenberg geschildert, der die «Schlacht» in einem turnierähnlichen Zweikampf zu Gunsten der Tiroler entscheidet. Auch wenn sich das Turnier zugetragen haben mag, wird das für die Venezianer wenig ruhmreiche Ende des Feldzuges von der unbelasteten Tiroler Geschichtsschreibung völlig anders gesehen, als dies der Chronist um 1530 in der Chronik von Waldburg beschreibt.[4] Der Chronist Matthäus von Pappenheim erwähnt darin, dass der Graf zwar die Niederlassung für zehn Franziskaner und die Kirche stiftet, der Bau aber erst von seinem Erben und Schwiegersohn, Truchsess Georg III. von Waldburg[5] zu Wolfegg und Zeil nach 1510 begonnen wird.[6] Georg III. ist allerdings Auftraggeber der Chronik und dürfte wesentlich den Inhalt beeinflusst haben. Gemäss der Chronik übergibt er die Niederlassung zwar den Franziskanern, muss sie aber schon 1519 in ein Kanoniker- oder Kollegiatstift mit «einem Propst, neun Weltpriestern, vier Schülern und einem Schulmeister» umwandeln. Die Interessen der im städtischen Bürgertum beheimateten «Barfüsser» vertragen sich mit der Abgeschiedenheit Wolfeggs nicht. Georg III. versorgt das nun weltliche Stift mit genügenden Einkünften. Er inkorporiert die Pfarreien Wolfegg und Thann in das neue Kollegiatstift. Im Stiftungsbrief bestätigt er zudem das Vermächtnis des Gründers, erklärt das Stift als exemt und stellt es unter den Schutz der Truchsessen von Waldburg. Diese haben das Recht, den Propst zu nominieren und ihn dem Konstanzer Bischof vorzuschlagen.
In die ersten Jahre des Wolfegger Stifts fällt die Reformation und der Bauernaufstand, an dessen blutiger Niederschlagung Georg III. grossen Anteil hat. Von beiden Ereignissen ist das Stift Wolfegg aber nicht betroffen.

Das Renaissanceschloss
1578 brennt das Schloss Wolfegg. Kirche und Stiftsgebäude bleiben verschont. Das Schloss lässt Jakob V. von Waldburg zu Wolfegg und Zeil[7] am alten Standort völlig neu aufbauen. 1580–1583 entsteht eine symmetrische Vierflügelanlage mit Eckrisaliten. Grundlage ist ein Renaissancetypus, der dem späteren barocken Residenzbau im deutschsprachigen Raum den Weg bereitet. Das neue Schloss ist seit einer weiteren Erbteilung von 1595 einzige Residenz der Linie Waldburg-Wolfegg. Auf dieses neue Schloss, seine Vorgänger und seine Nachfolger im süddeutschen Raum soll hier kurz eingegangen werden.

Die Schlossanlage 1628

Wolfegg1628   1628 besucht der Erzherzog Leopold von Österreich und seine Gemahlin Claudia de Medici das Schloss Wolfegg.[8] Das illustre Ehepaar erlebt Wolfegg, wie es auf dem Gemälde des gleichen Jahres detailgetreu zu sehen ist. Es zeigt das Schloss, die ummauerte Vorburg mit Stift, Stiftskirche, den Wohnhäusern und den Ökonomiegebäuden. Die vier Innenhoffassaden des dreigeschossigen Renaissanceschlosses sind als separater Fassadenplan gemalt. Ihre Schmalseiten weisen Arkadengänge auf. Damit wird ein angenähert quadratischer Innenhof erreicht. Vom Piano Nobile des Schlosses führt eine gedeckte Brücke zur Stiftskirche hinüber. Es ist die nach 1510 gebaute dreischiffige gotische Stiftskirche in der Art einer einfachen Franziskanerkirche mit geradem Chorabschluss und Dachreiter. An sie schliesst ein abgewinkeltes Gebäude an, das über hohem Sockelgeschoss zwei eindrückliche Fachwerkgeschosse aufweist. Es ist «Propstei oder Stift» bezeichnet. Ein hoher Saal im obersten Geschoss ist durch eine über vier Achsen reichende Fensterfront belichtet. Über eine Freitreppe gelangt man zur Kirche. Vor ihr liegt die ummauerte Wohnhausgruppe der «Alten Frau Gräffin», wahrscheinlich der schon 1613 verstorbenen Johanna von Zimmern. Östlich der ummauerten Vorburg liegt ein grosser Lustgarten, davor, rechts des Schlosstors, das Schützenhaus für Feuerwaffen mit einem Scheibenstand in der damals üblichen Entfernung von 350 Manns-Schritten.
Johann Andreas Rauch: Schloss Wolfegg von Süden, 1628. Bildquelle: Wikipedia.  

Brand1646   Zerstörungen im Dreissigjährigen Krieg
Beim Anrücken der Schweden 1632 ziehen sich die Familienangehörigen und wahrscheinlich auch die Stiftsherren aus Wolfegg nach Konstanz zurück. Der unverteidigte Herrschaftssitz wird 1632 zwar geplündert, aber schon 1637–1640 lebt die Familie des Truchsessen und Grafen Max Willibald wieder auf Wolfegg. Erst im Dezember 1646 muss der Truchsess als Stadtkommandant von Lindau erfahren, dass sein Familiensitz Wolfegg von schwedischen Truppen gebrandschatzt sei. Nach dem Frieden von 1648 verbleiben von allen Gebäuden nur noch die massiven Aussenmauern. Die Obergeschosse des Stiftsgebäudes und alle andern Fachwerkbauten sind verschwunden. Von der bis zum Dreissigjährigen Krieg auf 2000 Einwohner angewachsenen Bevölkerung der Grafschaft leben nur noch 255 Untertanen. Graf Max Willibald beginnt sofort mit dem Wiederaufbau von Schloss, Stiftskirche und Stiftsgebäude. Die ehemals reichen Fachwerkbauten in der Vorburg werden neu in Mauerwerk hochgeführt. Ende der 1680er-Jahre ist Wolfegg wieder im Umfang von 1628, aber ohne den Detailreichtum der Renaissance wiederhergestellt. Die Stiftskirche kann schon 1656 wieder geweiht werden. 1662 kehren auch zwei Chorherren wieder zurück. Sie beziehen das über dem alten Sockelgeschoss neu aufgebaute, stark vereinfachte Stiftsgebäude mit dem Rundturm, wie es noch heute besteht.
  Ausschnitt aus der Bodenseekarte 1647 mit der Darstellung des Brandes von Schloss Wolfegg 1646. Gehe zur Erläuterung und zum Bildquellennachweis.


Neubau der Stiftskirche

Die Grafen von Waldburg in Kisslegg und Baumeister Johann Georg Fischer
Truchsess und Graf Ferdinand Ludwig von Waldburg-Wolfegg-Wolfegg, Neffe des Grafen Max Willibald, ist mit Maria Anna Amalia Renata, Freiin von Schellenberg verheiratet.[9] Seine Gemahlin kommt 1708 durch Erbschaft in den Besitz der Hälfte der Herrschaft Kisslegg. Die andere Hälfte ist schon im Besitz des Grafen Johann Ernst II. von Waldburg-Trauchburg-Kisslegg. Die beiden Familien sind zudem seit 1722 verschwägert. In Kisslegg lernen die Wolfegger Eheleute den Füssener Baumeister Johann Georg Fischer[10] kennen. Er könnte hier für sie schon 1717 den Umbau des Alten Schlosses geleitet haben. 1719 erstellt Fischer die Mariensäule vor dem Schloss Wolfegg. Für den Grafen Johann Ernst II. von Waldburg-Trauchburg-Kisslegg plant er schon 1718 die Gottesackerkapelle und 1721–1727 auch das Neue Schloss in Kisslegg. WolfeggAnnaRenate   WolfeggFerdinandLudwig
Maria Anna Amalia Renata, Freiin von Schellenberg (†1754)
  Graf Ferdinand Ludwig von Waldburg-Wolfegg-Wolfegg (1678–1735)
Baumeister Fischer ist damit praktisch Hofbaumeister beider Waldburger Herrschaften in Kisslegg. Ab 1725 wird er für den Neubau der Wolfegger Stiftskirche beigezogen, als letztes Bauwerk folgt 1734 der Umbau der Pfarrkirche Kisslegg.

Planungen 1725–1733
Im Auftrag des Wolfegger Grafen fertigt Johann Georg Fischer ab 1725 mehrere Projekte mit Kostenberechnungen, die er offenbar um 1727 in Konkurrenz zu einem zweiten Planer erstellt, den Gubler mit Johann Caspar Bagnato identifiziert. Die Pläne sind nicht datiert, sodass der Planungsablauf nur vermutet werden kann. Offenbar wird auch um Baukosten gerungen. Sind sie für das Projekt mit einer Doppelturmfront noch mit 25 000 Gulden berechnet, betragen sie 1733 für das Ausführungsprojekt nur noch 17 000 Gulden. Die Einsparungen resultieren auf den Wegfall der Türme und von geplanten Umgängen, auch auf die Übernahme der alten Umfassungsmauern.

Der Neubau 1733–1742
Im Mai und Juni 1733 wird die alte Kirche abgebrochen, im Juli der Grund ausgehoben und im August kann der Grundstein gelegt werden. Im April 1734, die Kirche ist inzwischen im Rohbau schon weit gediehen, wird eine Verlängerung von ungefähr vier Meter nach Westen beschlossen. Sie geht zu Lasten des angebauten, um 1660 wiederaufgebauten Stiftsgebäudes. Mit dieser Verlängerung erhält das Schiff anstelle des westlichen Halbjochs ein drittes Volljoch. Im Herbst 1734 kann der Dachstuhl aufgerichtet werden. Während er das Muldengewölbe im Langhaus als mit dem Dachstuhl verbundenes Leichtgewölbe ausführen lässt, werden Chorkuppel und seitliche Tonnengewölbe massiv gebaut. Der Füssener Baumeister hält sich in den Baujahren 1733–1736 insgesamt 265 Tage in Wolfegg auf, im intensiven Baujahr 1734 sind es 133 Tage. Seine dichte Präsenz auch nach 1735 lassen eine Mitwirkung am Ausstattungsprogramm vermuten. In diesem Jahr, nach der Eindeckung des Chorturms, beginnen die Stuckateure unter der Leitung von Johannes Schütz.[11] Sie arbeiten 1736 vorwiegend im Langhaus. Auch die beiden Stuckmarmorepitaphe im Chor sind ein späteres Werk der Schütz-Werkstatt.
Nach dem Tod des Grafen Ferdinand Ludwig im April 1735 wird Graf Joseph Franz von Waldburg zu Wolfegg neuer Regent der Herrschaft.[12] Der Regentenwechsel hat auf den Bauablauf keinen Einfluss.
Franz Anton Erler aus Ottobeuren kann seine grossen Deckenfresken schon 1736 malen.[13] Er bewirbt sich 1735 in Konkurrenz zu Franz Joseph Spiegler um den Auftrag. Weil Spiegler ein Bozzetto zum Thema abliefert, nennen ihn einzelne Kunsthistoriker als Entwerfer der Fresken, obwohl der Wolfegger Entwurf Erlers in Ottobeuren vorhanden ist und eindeutig von seiner Hand stammt.[14] Spiegler, der 2000 Gulden verlangt, dürfte auf Grund dieser hohen Forderung den Auftrag nicht erhalten haben.[15]
1736 beginnen auch die Altarbauer mit ihrer Arbeit. Der Hochaltar ist ein Werk des Bildhauers Johann Peter Heel aus Pfronten, der nicht nur die Bildhauer-, sondern auch die Schreinerarbeit übernimmt.[16] Auch die Seitenaltäre gestaltet Heel, kann aber die Schreinerarbeit an zwei einheimische Schreiner abtreten. Die Fassarbeiten besorgt Joseph Saur aus Ehingen.[17] Die Altarblätter des Hochaltars und des nördlichen Anna-Altars werden aus der Vorgängerkirche übernommen. Es sind Werke des flämischen Malers Caspar de Crayer von 1660.[18] Das Altarblatt des südlichen Marienaltars ist 1737 von Franz Georg Hermann aus Kempten gemalt.[19]
1736 wird dem Orgelbauer Jakob Hör[20] aus Ochsenhausen der Bau einer zweimanualigen Orgel mit 20 Registern (II/P 20) in Auftrag gegeben. Das Werk wird 1768 auf 25 Register erweitert und 2009 unter Verwendung des Prospektes der Barockzeit (III/P 26) neu gebaut. Ob Jakob Hör 1736 auch die Bildhauerarbeiten übernimmt, ist unbekannt. Nur der Fassmaler Joseph Saur wird auch für die Orgel erwähnt.
Am 7. Mai 1742 weiht der Konstanzer Weihbischof Graf Fugger die neue Kirche.
Die Ausstattung wird auch noch nach diesem Datum vervollständigt. 1749 erstellt der Bildhauer Johann Wilhelm Hegenauer[21] aus Türkheim die Rokoko-Kanzel. 1755 erstellt der Kunstschreiner Michael Bertele[22] als letzte Ausstattung das hochwertige Chorgestühl.

19. und 20. Jahrhundert

Die Säkularisation
Die Säkularisation aller geistlicher Herrschaften 1803 trifft auch das Chorherrenstifts Wolfegg. Weil die Adelsherrschaften von der Mediatisierung vorerst noch verschont bleiben und die Erbtruchsessen und Grafen von Waldburg sogar noch die Fürstenwürde erhalten, nimmt der nunmehrige Fürst Joseph Anton das Chorherrenstift formell in seinen Besitz. Erst 1806 hebt er es auch auf, um der drohenden Aneignung durch das neue württembergische Königsreich zuvorzukommen. Die Aufhebung wird von Württemberg als nichtig erklärt und 1807 nochmals wiederholt. Betroffen sind Propst, zwei Chorherren und fünf Kapläne. Sie werden mit neuen seelsorgerischen Aufgaben betreut oder erhalten Pensionen. Inzwischen trifft die Mediatisierung auch das Haus Waldburg, dem zwar der Besitz, aber nicht mehr die Herrschaft bleibt. Diese geht an Württemberg über. Auch die Kirchen in der alten Herrschaft kommen in Staatsbesitz. Die Stiftskirche wird jetzt einzige Pfarrkirche von Wolfegg. Die alte Pfarrkirche St. Ulrich, ein gotisches Bauwerk im Ortsteil Pfarr, wird profaniert.

Ein neuer Kirchturm und ein erhaltenes Ensemble
Der heutige Besucher kann die Stiftkirche und das sie umgebende Ensemble der Schlossanlage noch so erleben, wie sie zur Barockzeit bestanden haben. Nur der hohe neubarocke Glockenturm von 1906, gleich neben dem barocken Chorturm gebaut, irritiert. Das Bauwerk des Architekten Joseph Cades[23] dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die inzwischen stark angewachsene Bevölkerung ein Kirchengeläut für ihre Pfarrkirche wünscht.
Das Innere der Stiftskirche kann erst seit einer rekonstruierenden Restaurierung von 1964 wieder in der heutigen Farbigkeit bestaunt werden, nachdem diese 1884 unter einer düsteren Übermalung verschwinden musste. Die letzte Restaurierung wird 2005–2007 vorgenommen.
Hat sich die Schloss- und Kirchenanlage beinahe ursprünglich erhalten, gilt dies nicht für die südliche Dorfsiedlung. Die nur wenigen Beamtenhäuser des Katasterplans von 1823 sind heute einer dichten Siedlung gewichen, die mit dem 500 Meter entfernten ehemaligen Dorfteil Pfarr völlig zusammengewachsen ist.

 

Baubeschrieb der ehemaligen Stiftskirche

Architektur
Innen: Der zentrierte Wandpfeiler-Emporensaal
Ein Vorprojekt von Johann Georg Fischer zeigt einen Grundriss mit zweijochigem Langhaus, das beidseitig konkav ausgerundete Abschrägungen in der jeweiligen Tiefe eines halben Jochs aufweist.[24] Im Ausführungsprojekt vertieft er die Wandpfeiler und fügt ihnen Seitenemporen ein. Der Wandpfeiler-Emporensaal[25] wird mit einem Muldengewölbe überspannt und leitet mit seinen östlichen Abschrägungen zum Choreinzug über. Die klare Zentrierung geht mit der 1734 erfolgten Erweiterung nach Westen verloren und ist im jetzt dreijochigen Raum nur noch im Muldengewölbe ablesbar. Der quadratische Chor mit gemauertem Kuppelgewölbe leitet zur Altarraum–Apside über. «Unter den zentrierten Wandpfeilersälen ist der von Wolfegg wegen seines ausgewogenen Chorprospektes, der an keinen geringeren Bau als das Kuppelzentrum der römischen Peterskirche erinnert, unstreitig einer der besten, aber nicht auch entsprechend bekannt», schreibt Bernhard Schütz.[26] Fischer kann, weil für Wandpfeileraltäre kein Bedarf besteht, die Seitenemporen zugunsten einer optimalen Raumbelichtung knapp über die Portalhöhe legen. Die Hauptbelichtung erfolgt über Thermenfenster, die den leicht gestelzten Halbkreis der acht seitlichen Quertonnen von Schiff und Chor füllen und mit untenliegenden Okuli kombiniert sind.[27] Im Chor werden diese Öffnungen nur noch angedeutet. Hier sind die unteren Seitenemporen geschlossen und werden wie die Altarapside durch Fenster der Ostfassade belichtet. Die untere Seitenempore ist an der westlichen Schmalseite weitergeführt, aber mit einer Orgelempore auf der Höhe des Pfeilergebälks ergänzt. Im Zwischengeschoss dieser Doppelempore liegt die verglaste Herrschaftsempore.

Aussen: Die Chorfront
Aussen ist die Chorfassade durch architektonische Gliederungen und einem Chorturm hervorgehoben und mittels einer Attika als Schauwand ausgeführt. Der Turm setzt sich über einem Mittelrisalit am Scheitel der Altarapside fort. Er hat ein quadratisches Uhren- und ein oktogonales Glockengeschoss. Dieses ist zwar für das kleine Geläut der Schlosskirche genügend, nicht aber für die spätere Pfarrgemeinde. Deshalb wird die sorgfältig gestaltete Ostfassade heute vom hohen Glockenturm des 20. Jahrhunderts konkurrenziert. Sie ist im Unterschied zu diesem und den restlichen Fassaden in Tuffstein gestaltet. Die Statuen auf der Attika und in den Nischen des Turmrisalits sind Werke von Anton Stapf, die der Bildhauer von Pfronten 1735 liefert.[28]

Die Stifterdenkmäler an der Chorfassade

Anton Stapf erstellt 1735 auch das Sandsteindenkmal für den Bauherrn der Kirche, dem Grafen Ferdinand Ludwig (†1735). Es ist rechts der Chorapside im Gebäudesockel eingelassen. In einer rahmenden Rundportal-Renaissancearchitektur steht der massige Graf lebensgross in Vollrüstung. Er weist mit der Rechten auf das Kirchenmodell zu seinen Füssen.
Nur seine Allonge-Perücke verrät die barocke Zeit. Der Grund für diese Renaissance-Übernahme ist im Sockel links der Apside zu sehen. Hier steht der Erbauer des Schlosses, Graf Jakob V. von Waldburg-Wolfegg-Zeil († 1589) in gleicher Grösse und ebenfalls in Vollrüstung in einer identischen Renaissance-Nische. Nur stammt dieses Denkmal wirklich aus der Renaissance. Die Anlehnung an ein Renaissancedenkmal in der späten Barockzeit kann mit dem reichsritterlichen Traditionsbewusstsein erklärt werden. Beide Denkmäler sind keine Epitaphien, diese befinden sich in der Kirche.[29]

Stuckaturen        
WolfeggIS1   WolfeggIS2   WolfeggIS3
Die Prachtskartusche über dem Chorbogen von Johannes Schütz mit den drei Wappenschilden weist schon ins Rokoko. Siehe dazu die Erläuterung im Text unten.
Foto: Bieri 2019.
  Band- und Gitterwerk mit Blumengehängen in den Wandpfeiler-Tonnengewölben.
Foto: Bieri 2019.
  Ein typisches Kapitell mit geschweiften Voluten, Muscheln, Akanthus und Gitterwerk.
Foto: Bieri 2019.
Die ursprüngliche Farbigkeit der Stuckaturen ist heute wieder freigelegt. Das Stuckkleid des Johannes Schütz versteht sich bereits als Teil eines Gesamtkonzeptes von Malerei und Régence-Stuck am Übergang zum Rokoko. Die Bildwerke sind jetzt nicht mehr gerahmt, sondern werden in die Stuckaturen einbezogen. Lambrequin-Kartuschen, Palmettenfächer, Laubwerk, Wolkengebilde mit Putti und auch Figuralplastik greifen in die Deckenfresken ein. In den freien Gewölbeflächen wechselt Band- und Gitterwerk mit Blumengehängen. Die Scheidbögen in Chor und Langhaus sind unten mit klassischer Régence-Ornamentik stuckiert, wie diese auch alle Brüstungen aufweisen. Wahre Kunstwerke sind die Kapitelle mit geschweiften Voluten, Muscheln, Akanthus und Gitterwerk, im Chorbereich noch mit Blumengebinden verziert.
Höhepunkt ist die über dem Chorbogen weit ins Fresko eingreifende Prachtskartusche mit drei Wappenschilden,[30] die von der Halbfigur der hl. Katharina zusammengehalten werden. Unter dem Mittelschild und der zugehörenden Büste (Gründer?) mit Palmettenfächer hängen Bänder und Blumengirlanden. Drei weibliche Personifikationen der Liebe (links), des Glaubens (Bekrönung) und der Hoffnung (rechts) umgeben die Mittelkartusche. Mit diesem Werk, das nur noch wenig vom Rokoko entfernt ist, zeigt der Stuckateur eine grosse Meisterschaft und profunde Kenntnis der neuesten Entwicklungen.

Fresken
Franz Anton Erler ist nicht nur Ausführender, sondern auch Entwerfer aller Fresken in der Stiftskirche Wolfegg.[31] Sie sind raumbeherrschend. Ihre teilweise vollständige Übermalung anlässlich der missglückten Kirchenrestaurierung von 1884 ist seit 1964 wieder entfernt.[32] Erler malt die Fresken 1736. Im Langhaus dominiert das grosse Spiegelfresko mit dem legendären Zweikampf.[33] Zwei Katharina-Darstellungen bilden an der hängezwickelartigen Abwölbung über den Seitenaltären den Abschluss.[34] Im Chor ist das Kuppelfresko seitlich von zwei Deckenbildern über den Choremporen begleitet.[35] Ein weiteres Deckenbild ist in der Altarapside angebracht.[36] Alle diese Chorfresken beinhalten Szenen der Katharina-Vita. Zu diesen grösseren Deckenfresken gesellen sich zehn Zwickelfresken mit Darstellungen von Kirchenlehrern, Kirchenväter und Aposteln.[37] In die sechs seitlichen Tonnengewölbe malt Erler je drei Bildfolgen in Camaïeu-Technik.[38]
WolfeggIF1   WolfeggIF3Ausschnitt   WolfeggIF4Ausschnitt
3   5
WolfeggIF3   WolfeggIF4
1   2   4
WolfeggIF2   Ein kriegerischerr Barockhimmel
1.  Das Hauptfresko im Muldengewölbe des Langhauses in der Horizontal-Untersicht fotografiert. Es stellt den legendären Zweikampf des Jahres 1487 an der Etsch dar. Das kriegerische Ereignis ist Anlass der Stiftsgründung. Oben die westliche, für den eintretenden Besucher noch nicht lesbare Darstellung des Turnierbeginns, unten die sofort lesbare Szene des legendären schlachtentscheidenden Zweikampfes. Die terrestrischen Szenen sind mit Ausnahme der beiden Kampfszenen Feldlagerdarstellungen. Für die einzelnen Szenen des Hauptfreskos gehe zu den nebenstehenden Ausschnitten (anklicken!). Die Pendentif-Fresken über den Seitenaltären sind wieder der hl. Katharina gewidmet. Links ist ihr Martyrium, rechts ihre Aufnahme in den Himmel zu sehen.

2.  Mittelpunkt des Freskos der Osthälfte ist der Sieg des jungen Grafen Wolfgang von Sonnenberg im Zweikampf. Er gewinnt ihn dank des vereinbarten Anflehens der hl. Katharina durch den unterlegenen Gegner. Die heilige Katharina von Alexandrien schwebt im lichten himmlischen Zentrum des Freskos. Putti halten das Schwert und das zerbrochenes Zackenrad als Attribute der Kirchenpatronin..

3.  Im hellen Himmelsbereich zu Füssen der hl. Katharina sind Schloss und Stiftskirche Wolfegg mit Mariensäule zu sehen.

4.  In der Westhälfte ist über der Orgel der Beginn des legendären und turnierähnlichen Zweikampfes um den Sieg in der «Schlacht» von Calliano an der Etsch dargestellt. Die darüber musiziernden Engel und die mit vielfältigen Musikinstrumenten aufspielenden Landsknechte des friedlichen Feldlagers weisen eher auf die Musikempore als auf eine schlachtentscheidende Begebenheit hin.

5.  Die Einstimmung des Freskos auf die gleichzeitig gebaute Orgel wird durch ein schönes Detail bestätigt. Zwei Kinder kehren dem Turnier den Rücken. Der blaugewandete Knabe weist mit der rechten Hand auf die Fürstenkrone über dem Allianz-Wappenschild über dem Mittelturm der Orgel, er scheint sie zu berühren. Zum Allianzwappen über der Orgel siehe die Erläuterungen unter dem Titel «Orgelprospekt».
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WolfeggIF21   WolfeggIF22   Die hl. Katharina in den Chorfresken

6.  Die Fresken im Chorbereich in horizontaler Untersicht. Der Stuckrahmen der Kuppel (Johannes Schütz) zeichnet sich durch das Zusammenspiel von in das Bild eingreifenden Palmettenfächer und Kartuschen mit dem architektonischen Bildaufbau, aber auch durch das ungestüme Laubwerk aus. Mehr zum Fresko siehe unten. In den Kuppelzwickeln sind die vier Evangelisten zu sehen.

7.  Das Kuppelfresko, hier in Schrägansicht, zeigt in einer wenig ausgeprägten ockerfarbigen Scheinarchitektur die Disputation der
hl. Katharina mit den 50 Philosophen in Alexandrien. In die nur schwach belichtete Kuppellaterne malt Erler die Hl. Dreifaltigkeit.

8.  Über dem Hochaltar ist die Übertragung der enthaupteten hl. Katharina durch Engel auf den Berg «Dschebel Katherin» im Sinai dargestellt.
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Alle Fotos 1– 8: Bieri 2009 und 2019.

Altäre
Schon in der Vorgängerkirche stehen nur drei Altäre.[39] Die neuen Altäre, marmorierte Holz-Ädikularetabel des Bildhauers Johann Peter Heel, des Kunstschreiners Michael Bertele und des Fassmalers Joseph Saur, sind als Wand- und nischenfüllende Elemente der Raumarchitektur angepasst.
Das Retabel des Hochaltars folgt der Rundung der Apside und bildet deren raumfüllenden Abschluss. Beidseits schliesst es an die Stuckmarmor-Epitaphien an. Freigestellte doppelt gekehlte Pilaster mit vorgestellten Säulen tragen das mehrfach gekröpfte Gebälk, das vom Hochaltarblatt (1660) des Flamen Caspar de Crayer durchbrochen ist. Seitlich des Blattes mit der Marienkrönung[40] stehen die Apostel Petrus und Paulus in Lebensgrösse. Darüber, beidseits des Attika-Aufsatzes, stehen auf dem Säulengebälk zwei gleichhohe Engel beidseits des von Putten bevölkerten Mittelteils mit Herz-Jesu-Symbolik.
Die Retabel der Seitenaltäre, des Anna-Altars und des Rosenkranz-Altars, sind in Rundung und Grösse in die abgeschrägten Nischen eingepasst, deshalb bei gleichem Aufbau bedeutend kleiner als der Hochaltar. Mit ihrem kräftigen Gebälk kommt der Ädikula-Charakter noch deutlicher zum Ausdruck. Die Altarblätter sind von Caspar de Crayer[41] und von Franz Georg Hermann.[42]

Orgelprospekt
Noch immer beherrscht der kleine, aber hervorragend gestaltete Orgelprospekt der Erbauungszeit die Rückseite der Kirche.[43] Er ist siebenteilig. Zwei hohe vorschwingende Seitentürme mit flankierenden Säulen tragen ein kräftiges Gebälk. Über den niederen fünf Feldern des Mittelteils liegt ein dreiteiliges, ebenfalls von Säulen flankiertes Kronpositiv mit erhöhtem Mittelteil. Die Orgel ist reich mit Ranken-, Bandel- und Gitterwerk der Régence ornamentiert. Das Fehlen der Figuralplastik kann mit dem dominierenden Freskenhintergrund erklärt werden, könnte aber auch bedeuten, dass der Orgelbauer Hör Gestalter des Prospektes ist. Hör liefert die Orgel bereits im Auftrag des neuen Bauherrn Joseph Franz von Waldburg- Wolfegg. Ein Allianz-Wappenschild bekrönt die Orgel. Links enthält es das Wappen Waldburg-Wolfegg, das auch am Chorbogen prangt.[44] Rechts ist es das Wappen Salm-Reifferscheidt-Dyck, der Ehefrau Anna Maria des neuen Bauherrn.[45] Das Deckenfresko scheint auf die Orgel abgestimmt, jedenfalls weist ein Kind, das dem legendären Turnier den Rücken kehrt, auf die Fürstenkrone des Allianz-Wappenschildes.

Ausstattungen des Rokokos
Kanzel und Chorgestühl werden von zwei Allgäuer Meistern in den Rokoko-Jahrzehnten nach der Kirchenvollendung erstellt. Beide zeigen die grosse Werkqualität auch von weniger bekannten Künstlern der Region.
Kanzel
Sie hängt am östlichen Pfeiler der Südseite. Der marmorierte, gebauchte Korb ist für den Zugang von der Seitenempore breitoval erweitert. Auf ihm halten weissgefasste Evangelistensymbole goldene Bücher, Putti schweben an der Tragkehle, im Zentrum ist in einer Rocaillekartusche eine Büste von Christus als Salvator eingesetzt. Den Schalldeckel tragen zwei Putti als Hermen. Auf ihm steht der hl. Paulus lebensgross, zu seinen Füssen balancieren zwei am Rand liegende Posaunenengel.
Chorgestühl
Das zwar kleine, aber wertvolle Chorgestühl wird 1755 aufgestellt. Die zwölf Plätze sind auf beiden Seiten des Chors in zwei Gruppen zu je drei Stallen aufgeteilt, in ihrer Mitte liegen die zentralen Eingänge zu den Emporen. Die Dorsalrückwand ist zu einer Einheit mit Mittebetonung und Rocaille-Abschlüssen zusammengefasst. Dorsale und Pultwand sind in feinster Nussbaum-Intarsienarbeit ausgeführt. Speziell die Heiligendarstellungen sind von überdurchschnittlicher Qualität. Sie sind nur bei Nahbetrachtung erfassbar. Es lohnt sich, die Details in den Fotos der Arbeit über das Wolfegger Gestühl von Sybe Wartena anzusehen, um einen Eindruck der Intarsien zu gewinnen, die «ein leichtes, heiteres Rokoko wie kaum ein anderes intarsiertes Gestühl verkörpern.[46]

Pius Bieri 2019


Literatur

Schal, Adolf: Die Kunstdenkmäler des ehemaligen Kreises Waldsee. Stuttgart und Berlin 1954.
Sauermost, Heinz Jürgen: Der Allgäuer Barockbaumeister Johann Georg Fischer. Augsburg 1969.
Gubler, Hans Martin: Johann Caspar Bagnato. Sigmaringen 1985.
Schmid, Otto: Pfarrkirche Wolfegg. Kunstführer Nr. 937 (1971). Regensburg 1998.
Hengerer, Mark: Waldburg, in Grafen und Herren (Residenzforschung Bd. 15,4, Teilbd.2). Ostfildern 2012. (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-202489)

Web
de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_Waldsee/Kapitel_BW1

Anmerkungen

[1] Im Hochmittelalter sind die Herren von Waldburg Truchsessen der Staufer. Sie übernehmen die drei Stauferlöwen leicht verändert (die Löwen der Waldburger sind hinblickend) in ihr Wappen und führen, obwohl das Truchsessen-Amt mit dem Aussterben der Staufer endet, den Titel unbeirrt weiter. Er ist deshalb untrennbar mit dem Namen Waldburg verbunden. In den Rang der Reichsfürsten kommt das Haus erst mit der Neuordnung nach 1803. Heute bezeichnen sich die Mitglieder des Hauses Waldburg noch als Fürsten und lassen sich mit «Eure Durchlaucht» anreden, der Titel «Truchsess» ist verschwunden.

[2] Johann von Waldburg-Sonnenberg (1471–1510) ist einer der Söhne des Eberhard I., Graf von Sonnenberg (1424–1479). Sein Vater wird 1474 durch Erzherzog Siegmund von Tirol gezwungen, die 1455 erworbene vorarlbergische Grafschaft Sonnenberg für 34 000 Gulden wieder an ihn zu verkaufen. Die drei weiteren Söhne Eberhards I. sind Eberhard II. (1452–1483), Otto (um 1453–1491) und Andreas (1472–1511). Otto ist 1474–1491 Bischof von Konstanz. Andreas wird 1511 durch Graf Felix von Werdenberg in einem Hinterhalt ermordet, die Linie Waldburg-Sonnenberg stirbt damit aus. (Datenquelle: Hengerer 2012).

[3] Berater ist der Ulmer Stadtbaumeister und vielgesuchte Experte Burkhard Engelberg (1447–1512).

[4] Erzherzog Siegmund von Tirol, dauernd in Geldnöten (er bleibt auch die Zahlung der 1474 wieder erworbenen Grafschaft Sonnenberg schuldig) zieht 1487 in einen Angriffskrieg gegen Venedig, dessen Ausgang als Schlacht bei Calliano in einem Beitrag des Tiroler Landesarchivs beschrieben wird.
Nach dieser Recherche gewinnt der venezianische Condottiere Sanseverino vorerst die von Tiroler Truppen eroberte Stadt Trient wieder zurück. Die venezianischen Truppen werden aber von den Tirolern, angeführt von Feldhauptmann Friedrich Kappler, bei ihrem Übersetzen der Etsch überrascht. Sanseverino selbst ertrinkt im Fluss. Die noch verbleibenden Einheiten der Venezianer zwingen die Landsknechte des Tirolers zum Rückzug. Der Überraschungssieg Kapplers wird aber noch heute, aufgrund der 1540 erschienenen Chronik des Hauses Waldburg (Verfasser: Matthäus von Pappenheim) als Ergebnis eines Zweikampfes zwischen dem 17-jährigen Feldzug–Teilnehmer Johann von Waldburg-Sonnenberg und dem Condottiere-Sohn geschildert. Für diese bisher unkritisch von allen Historikern Wolfeggs übernommene Chronikerzählung gilt auf jeden Fall das Sprichwort «se non e vero, e ben trovato».

[5] Truchsess Georg III. von Waldburg (1488–1531) erbt als Schwiegersohn nach dem Aussterben der Sonnenberger die Herrschaft Wolfegg. Er ist 1525–1531 Statthalter des seit 1520 von Österreich besetzten Herzogtums Württemberg und 1525 auch Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes  im Krieg des aufgeschreckten Adels gegen die aufständischen Bauern, die er in der damals üblichen Brutalität besiegt. Er ist deshalb als «Bauernjörg» bekannt. Er unterschreibt mit «Jörg Truchsess» ohne Verwendung des Namens Waldburg. Zu ihm siehe die Darstellung des Bauernkrieges in «Der Bauernjörg, Feldherr im Bauernkrieg» von Peter Blickle (Beck 2015).

[6] Originaltext der Chronik: «Der junge Graf Johann siegt im Zweikampf» und «und zur Danncksagung / Gott dem Allmechtigenn des Sigs / den er durch sein göttliche Gnad erlanngt / hatt er ain Closter /der dritten Regell Sanncti Franncisci zue Wollffegg / mit zechen Priester / nach seinem Tod auffzuerichten verschafft / das auch volgennds durch Herr Georgen Truchsessen / alls sein Erb vom Gebliett unnd Tochterman auffgericht / da gemelltter Grave Hanns auff Monntag nach Johannis Baptiste / Im Tausenntt Funnffhunndert unnd zehennden Jar gestorben unnd im ainer grauen Kutten Barfüesser Orden innhalltt seins lettsten Willenns begraben worden».

[7] Jakob V. «der Dicke», Erbtruchsess von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (1546–1589), verheiratet seit 1565 mit Johanna von Zimmern (1548–1613), Tochter des Grafen von Zimmern zu Messkirch.

[8] Erzherzog Leopold V. (1586–1632) aus dem Haus Habsburg ist Landesfürst von Tirol, aber in erster Linie einer der Hauptverantwortlichen für den Dreissigjährigen Krieg. Er ist zur Zeit seines Besuches in Wolfegg schon tief darin verwickelt. Seine Truppen kämpfen zusammen mit den Spaniern um die Kontrolle der Bündner Pässe. Er ist 1598–1725 auch Fürstbischof von Passau, 1607–1625 zudem Fürstbischof von Strassburg. Der Besuch des Ehepaars in Wolfegg erfolgt auf der Rückreise von Einsiedeln. Der Erzherzog und seine Gemahlin werden vom Schlossherr Heinrich von Waldburg zu Wolfegg empfangen. Dessen damals 24-jähriger Sohn Max Willibald geht 1631 an den Hof des Erzherzogs in Innsbruck. 1633 ist er kaiserlicher Kommandant bei der erfolglosen schwedischen Belagerung von Konstanz. 1637 übernimmt er die Regierung der Wolfegger Herrschaft. 1640 wird er, auf dem Höhepunkt des Dreissigjährigen Krieges, Stadtkommandant von Lindau.

[9] Ferdinand Ludwig, Erbtruchsess und Graf von Waldburg zu Wolfegg (1678–1735), heiratet 1700 Maria Anna Amalia Renata, Freiin von Schellenberg (1681–1754). Sie ist 1708 Erbin der Hälfte der Herrschaft Kisslegg mit Rötsee. In Kisslegg lässt das Ehepaar 1717–1721 das Alte Schloss umbauen und 1734–1738 die Kirche St. Gallus und Ulrich neu erstellen. Dem Baumeister Johann Georg Fischer, der ab 1725 auch in Wolfegg wirkt, wird der Umbau des alten Schlosses heute als sein erstes Bauwerk für die Wolfegger zugeschrieben.

[10] Johann Georg Fischer (1673–1747) aus Oberdorf, ist Neffe des Füssener Baumeisters Johann Jakob Herkomer, mit dem er 1695–1697 in Italien ist. 1697–1717 arbeitet Fischer in Arbeitsgemeinschaft mit Herkommer. Erstes grosses Bauwerk ist die Stadtpfarrkirche St. Jakob in Innsbruck, die er 1717 gleichzeitig mit der Klosterkirche Fultenbach in der Nachfolge Herkomers baut. Im gleichen Jahr wird ihm der Umbau des Alten Schlosses zu Kisslegg zugeschrieben. Ab 1718 ist er auch für den Johann Ernst II. von Waldburg zu Trauchburg und Kisslegg (1695–1737) in Kisslegg tätig. Für ihn baut er die Gottesackerkapelle und 1721–1727 das Neue Schloss. Seit 1722 ist Johann Ernst II. zudem Schwiegersohn des Wolfegger Grafen Ferdinand Ludwig. Johann Georg Fischer ist damit Baumeister beider Familien, die ihn vermutlich nach Referenzen der am Innsbrucker Hof tätigen Angehörigen beiziehen. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[11] Johannes Schütz (1704–1752) aus Metsch im Tirol, wohnhaft in Kempten, ab 1735 in Wurzach. Er ist kein Schüler von Dominikus Zimmermann, wie immer wieder angeführt wird, könnte aber in München bei Johann Baptist Zimmermann gearbeitet haben. Auch lässt sich der Einfluss der Kirche Steinhausen (1727/33, Dominikus Zimmermann) in der Kirche Wolfegg nicht leugnen. Erstmals 1729 ist Schütz im Schloss Wolfegg erwähnt, wo gleichzeitig der Kemptener Hofmaler Franz Georg Hermann tätig ist. Schütz ist 1733 und 1736/38 auch Stuckateur an den Neubauten von Johann Georg Fischer in Kisslegg. 1733–1735 arbeitet er in den fürstäbtlichen Räumen der Reichsabtei Kempten, deren Stuckaturen bereits den Übergang zum Rokoko markieren. Schütz arbeitet immer mit Wessobrunnern zusammen und wird zu diesen gezählt. Sein Palier und Schwager ist der Wessobrunner Joseph Wagner (1707–1764). Bei der Stuckierung des Langhauses in Wolfegg ist Joseph Wagner in Abwesenheit von Johann Schütz massgebender Stuckateur. Schütz arbeitet zu dieser Zeit, zusammen mit Pontian Gigl, in der Stiftskirche Beuron und im Palais Tannenberg-Enzenberg in Innsbruck. Er stirbt 1752 nach einem Sturz vom Gerüst an der Arbeit zum Epitaph des Türkenlouis in Baden-Baden. Dieses Epitaph und auch die Entwurfszeichnungen belegen eindrücklich die künstlerischen Qualitäten des «Wessobrunners». Mehr siehe in der Biografie in dieser Webseite.

[12] Joseph Franz Leodegar Anton Eusebius, Erbtruchsess von Waldburg, Graf zu Wolfegg etc. (1704–1774). Der Bau der Stiftskirche wird nicht unterbrochen. Vielleicht ist dies seiner erst 54-jährigen Mutter zu verdanken, die an der Künstlerauswahl in Kisslegg und Wolfegg nicht unbeteiligt ist.

[13] Franz Anton Erler (um 1700–1745) aus Eglofs, wohnhaft seit 1718 in Ottobeuren, wo er 1727–1735 als einer der meistbeschäftigten Maler und Freskanten am Klosterneubau tätig ist. In Ottobeuren arbeitet er gleichzeitig mit Jacopo Amigoni, der dem jungen Erler offensichtlich Vorbild ist. Erlers Lehrmeister ist der Fassmaler Joseph Spiegler aus Waldsee, die immer wieder genannte Lehr- oder Gesellentätigkeit bei Franz Joseph Spiegler ist eine Verwechslung (siehe unten).

[14] Der Originalentwurf Erlers für das grosse Deckenfresko in Wolfegg kann in Ottobeuren besichtigt werden. Das Bozzetto von Franz Joseph Spiegler ist in Privatbesitz. Es zeigt mit Ausnahme des vorgegebenen Themas keine Ähnlichkeit mit dem Entwurf Erlers in Ottobeuren. Trotzdem wird dieser noch immer Franz Joseph Spiegler zugeschrieben. So schreibt Dagmar Zimdars 1997 im Dehio zu Wolfegg: «Deckenbilder von Franz Anton Erler nach Entwurf von Franz Joseph Spiegler». Noch 2008 übernimmt die zuständige Denkmalpflegerin diese Entwurfs-Zuschreibung. Auch im 1998 überarbeiteten Kunstführer schreibt der Verfasser: «Die Fresken, zumindest das grosse Deckengemälde, sind Franz Joseph Spiegler aus Wangen i. A. (1691–1756) zuzuschreiben». Weil aber Erler 1736 mehrfach in den Wolfegger Rechnungsbücher mit grösseren Summen vermerkt ist, wird er von den gleichen Kunsthistorikern prompt zum Fassmaler erklärt.
Wolfegg ist nicht nur deshalb ein gutes Beispiel für die Zählebigkeit von Irrtümern der keineswegs exakten Kunst-«Wissenschaft». Auch die Lehr- oder Gesellentätigkeit Erlers bei Franz Joseph Spiegler gehört zu diesem Thema. Obwohl der Biograf Spieglers, Hubert Hosch, schon 1993 die Identität des behaupteten Lehrmeisters von Franz Anton Erler, des Malers Joseph Spiegler oder Spiegel († 1725) mit Franz Joseph Spiegler (1691–1757) klar widerlegt, wird noch heute eine Verbindung von Erler zu Franz Joseph Spiegler hergestellt. Auch Michaela Neubert, die in in ihrer Spiegler-Biografie 2007 immerhin den Entwurf und die Ausführung des Deckengemäldes Erler zuweist (auch aufgrund der qualitativen Überlegenheit der gleichzeitigen Spiegler-Werke), fabriziert leider erneut das Märchen vom Lehrjungen Erler bei Franz Joseph Spiegler, weil sie einen «Jung Antone Erler» 1718 bei Spiegler in Wolfegg findet. Dass dies Joseph Spiegler aus Waldburg sein könnte, realisiert sie nicht, obwohl sie im Werkverzeichnis einen Auftrag von Franz Joseph Spiegler 1718 in Wolfegg nicht aufführt. In der Biografie von Franz Anton Erler in «Erdteilallegorien» der Universität Wien wird diese Neubert-«Forschung» prompt aufgenommen. Auch Peter Stoll in «Franz Anton Erler und Martin Speer in der Pfarrkirche von Osterzell» (Augsburg 2012) übernimmt sie.
Mehr zu Franz Joseph Spiegler siehe in der Biografie in dieser Webseite.

[15] Auch andere Bauherren finden Spiegler zu teuer. Schon 1725 schreibt Abt Rupert Ness von Ottobeuren über die Arbeit von Franz Joseph Spiegler wie folgt: « Nachdem Herr S. 6 bis 7 Monath hier in Arbeith gewesen, und während dieser Zeit in Fresco gemahlt … hat er vor alles begehrt 500 Gulden, so ihme auch bar bezahlt, obwohlen es mich zuvil bedunckte».

[16] Johann Peter Heel (1696–1767), in der Wolfegger Literatur als «Petrus Hohl aus Pfronten» aufgeführt, ist schon 1717/18 und nochmals 1721 in Weingarten Mitgeselle des Bildhauers und Stuckateurs Joseph Anton Feuchtmayer.  Er ist nebst seiner weitumspannenden Tätigkeit als Bildhauer auch als Baudirektor des Kirchturms in Pforten bekannt, wo er Pfarrhauptmann und reichster Grundbesitzer ist. Bei ihm macht sein Cousin Johann Baptist Babel, der spätere grosse Bildhauer von Einsiedeln, die Lehre. Quelle: Peter Felder, in «Johann Baptist Babel 1716–1799» (1970).

[17] Joseph Saur oder Sauer (Lebensdaten unbekannt) ist Maler und Fassmaler in Ehingen. Die gleiche Person wird in der kunsthistorischen Literatur entweder als Ferdinand Joseph oder als Franz Joseph geführt, was auch ein Licht auf die Vernachlässigung der für den Raumeindruck entscheidenden Maler der Raumfassungen wirft. So lebt die prachtvolle Rokokobibliothek von Wiblingen nur dank der Farbigkeit von Joseph Saur. Er wirkt im deutschen Südwesten zwischen 1730 und 1750.

[18] Caspar de Crayer (1584–1669) aus Antwerpen. Er gilt neben Rubens und Van Dyck als bedeutendster flämischer Maler für sakrale Themen. Seine Gemälde entstehen in Brüssel, wo Crayer Hofmaler der spanischen Regenten ist. Zu ihnen zählt 1647–1656 auch der Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich (1614–1662), der in den Spanischen Niederlanden eine grosse Kunstsammlung zusammenträgt. Der Erzherzog, auch Fürstbischof von Passau, von Strassburg und von weiteren vier Fürstbistümern, kann als Vermittler von Crayer nach Deutschland betrachtet werden.

[19] Franz Georg Hermann (1692–1768) aus Kempten. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite

[20] Jakob Hör (1702–1742), aus Reinstetten bei Ochsenhausen, seit 1735 Orgelbauer in Ochsenhausen. Nach seinem frühen Tod heiratet die Witwe den Orgelbauer Joseph Laubeck, den früheren Lehrling von Joseph Gabler.

[21] Johann Wilhelm Hegenauer (1719–1754) aus Pfullendorf, Bildhauer-Werkstatt in Türkheim.

[22] Michael Bertele aus Ottobeuren (?), Kunstschreiner und Altarbauer in Sontheim (Unterallgäu). Von ihm sind keine Lebensdaten bekannt. In Wolfegg ist er 1736 an den beiden Seitenaltären beteiligt und erstellt 1755 das wertvolle Chorgestühl.

[23] Joseph Cades (1855–1943) aus Altheim, seit 1887 freischaffender Architekt in Stuttgart. Bekannt als Kirchenbauer und Inventarisator der Kunstdenkmäler Württembergs.

[24] Sauermost bezeichnet es mit 20 b (mit Chorumgang) und 26 (ohne Chorumgang) und legt es in die Jahre 1732/33. In der (kleineren) Franziskanerinnenkirche von Dillingen wird 1736 ein solch ausgewogener Zentralraum nach der Planung von Johann Georg Fischer begonnen.

[25] Siehe zum Wandpfeiler-Emporensaal das Glossar in dieser Webseite. Im Kunstführer wird der Bau als vom «Vorarlberger Münsterschema» abgeleitet beschrieben. Abgesehen davon, dass es dieses Schema nicht gibt, hat der Bau mit den Wandpfeiler-Emporenräumen der Vorarlberger genetisch keinen Zusammenhang.

[26] Bernhard Schütz in: Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben 1580–1780, München 2000.

[27] Die Thermenfenster (Halbkreisfenster mit zwei Pfeilern in drei gleiche Breiten geteilt) wird in Venetien von Palladio verbreitet. Der Lehrer von Johann Georg Fischer verwendet das Motiv in den meisten seiner Kirchen. Auch Moosbrugger verwendet es 1719 an der Einsiedler Stiftskirche. Die Kombination der Thermenfenster mit darunterliegenden Ovalfenstern übernimmt Fischer von der Klosterkirche Fultenbach. Er ist in Fultenbach, einem Bauwerk seines Lehrers Herkomer, ab 1717 Bauleiter. In den Vorprojekten wagt Fischer noch die Rokoko-Variante des Thermenfensters, das unten beidseitig nierenförmig ausladend ist, wie er es schon 1727 in Bertoldshofen anwendet und wie er es dann an der Dillinger Franziskanerinnenkirche 1736 wiederholt. Zum Thermenfenster siehe auch das Glossar in dieser Webseite.

[28] Mang Anton Stapf (1701–1772) aus Pfronten, Bildhauer und fürstbischöflicher Amtmann. Zu ihm siehe die Biografie in der Wikipedia.

[29] Das Stuckmarmor-Epitaph für den am 6. April 1735 verstorbenen Grafen Ferdinand Ludwig steht rechts des Hochaltars. Als Pendant steht links des Hochaltars ein gleiches Epitaph für den Grafen Max Willibald (†1667), dem Erneuerer von Stift und Kirche nach dem Dreissigjährigen Krieg. Beide Epitaphe sind Werke der Stuckatur-Werkstatt Schütz um 1738. Ein Memorial-Epitaph für den Grafen Jakob V. († 1589) befindet sich ebenfalls in der Kirche, im Gruftzugang neben dem nördlichen Seitenaltar. Sein Grab befindet sich in Messkirch.

[30] Die drei Schilde sind quadriert.
•     Die linke Kartusche enthält den quadrierten Wappenschild Waldburg-Wolfegg des Bauherrn Ferdinand Ludwig. In Feld 1 und 4 sind in Gold die laufenden schwarzen Löwen zu sehen (sie unterscheiden sich vom Stauferwappen nur durch den Doppelschwanz), in Feld 2 das älteste Wappen Waldburg (in Blau drei stehende goldene Tannzapfen) und in Feld 3 das Wappen Sonnenberg (in Blau über einem Dreiberg eine goldene Sonne, der Dreiberg eigentlich schwarz). Als Herzschild ist in Rot der goldene Reichsapfel als Zeichen der Reichserbtruchsessen-Würde enthalten.
•     In der Mittelkartusche ist der quadrierte Schild des Gründers Johann Wolfgang von Waldburg-Sonnenberg enthalten. Vom rechtsliegenden Schild unterscheidet er sich nur durch die Wiederholung des Sonnenberg-Wappens in Feld 2 (anstelle der goldenen Tannzapfen) und durch das Fehlen des Herzschildes.
•     Die Kartusche rechts enthält den Wappenschild Schellenberg zu Kisslegg. Ist es die verdiente Ehrung der Bauherrin, der Gattin Maria Anna Renata von Schellenberg? Oder ist es die übliche Herrschaftsmarkierung? Der quadrierte Schild der Herren von Kisslegg zeigt seit 1545 in Feld 1 und 4 das Wappen der Herren von Schellenberg, das von Schwarz und Gold zweimal geteilt ist. In Feld 2 und 3 liegt das Wappen der (ausgestorbenen) Kisslegger, welches die Herren von Schellenberg-Kisslegg seit 1545 führen dürfen. Es ist in Gold ein schwarzes Panthertier mit Ochsenhörnern.
•     Zu erwähnen ist, dass das ursprüngliche Wappen Waldburg (siehe das Wappen beim Bauernjörg 1530), wie auch das heutige, drei hersehende schwarze Löwen zeigt und sich damit vom Wappen der Staufer-Herzöge unterscheidet.

[31] Siehe dazu die Anmerkung 14.

[32] Das heutige Farbkleid ist ein Ergebnis der 1964 erfolgten Restaurierung durch den Restaurator Eberhard Kneer aus Munderkingen. Ein Restaurierungsbericht ist mir nicht bekannt. Die Originalpolychromie Erlers dürfte trotz sorgfältiger Freilegung gelitten haben, denn vor allem die bei Freskomalereien immer vorhandenen Secco-Nachbesserungen können kaum gerettet werden.

[33] Das grosse Hauptfresko stellt den legendären Zweikampf des Jahres 1487 im Trentino dar, welcher zur Stiftsgründung führt. Um die im lichten Himmelszentrum schwebende hl. Katharina von Alexandrien formiert sich die Darstellung des Zweikampfes in vielen Einzelszenen. Über der Orgelempore wird der turnierähnliche Beginn geschildert. Der Sieg des jungen Grafen Wolfgang im Ringkampf, und das Anflehen der hl. Katharina durch den unterlegenen Gegner spielt sich in der Darstellung über dem Chorbogen ab.

[34] Im Fresko über dem nördlichen Seitenaltar malt Erler die Enthauptung der hl. Katharina. Über dem südlichen Seitenaltar ist die Krönung der hl. Katharina durch das Jesuskind in Gegenwart von Maria zu sehen. Dieses Bildthema ist im Gegensatz zu den weiteren Katharinaszenen eher selten.

[35] Das Kuppelfresko hat wahrscheinlich unter den Übermalungen 1884 und Freilegungen 1964 am meisten gelitten. In einer wenig ausgeprägten ockerfarbigen Scheinarchitektur ist nur am östlichen Rand eine grössere Bildszene zu sehen. Sie zeigt die Disputation der hl. Katharina mit den 50 Philosophen vor Kaiser Maximinus Daja in Alexandrien. In die (unbelichtete) Kuppellaterne malt Erler die Hl. Dreifaltigkeit. Die beiden Deckenfresken über den Choremporen zeigen über der Nordempore den Triumph der Kirche und über der Südempore den Sturz des Götzentums.

[36] Im Deckenbild der Altarapside tragen Engel die enthauptete hl. Katharina auf den Berg Sinai.

[37] Vier Zwickelfresken der Chorkuppel sind Evangelisten-Darstellungen. Zwei Zwickelfresken über der Orgelempore zeigen die hll. Thomas von Aquin und Augustinus. Vier wickelähnliche Stuckkartuschen über den Wandpfeilern enthalten Bilder der Kirchenväter.

[38] 12 der 18 Felder in den Quertonnen enthalten Szenen aus der Vita der hll. Walburga, Willibald und Wunibald. Die Eichstätter Bistumsheiligen sind die Hauspatrone der Truchsessen von Waldburg, was ihre Anwesenheit in der Katharinenkirche von Wolfegg erklärt. Die sechs Scheitelfelder enthalten Emblembilder mit Sinnsprüchen entsprechend der Bildszenen, die wie alle Bilder in den Tonnengewölben in Camaïeutechnik (monochrome farbige Freskomalerei) gemalt sind.

[39]  1604 sind es noch sechs Altäre. Schon 1620 wird die Kollegiatskirche auch Pfarrkirche, was die Reduktion der Altäre nach den Zerstörungen des Dreissigjährigen Krieges erklärt.

[40] Das Hochaltarblatt in Wolfegg stellt die Marienkrönung dar, darunter die hll. Katharina, Agatha, Franz von Paul, Franz Xaver, Johannes dem Täufer und Franz von Assisi. Es ist mit «Ao1660. C DCRAYER. FECIT.» signiert.

[41] Im nördlichen Anna-Altar ist auf dem Altarblatt die Heilige Familie dargestellt. Es wird Capar de Crayer zugeschrieben.

[42] Für den südlichen Marienaltar malt Hermann die Rosenkranzspende der Muttergottes an die hll. Dominikus und Katharina von Siena. Das Blatt ist mit «F. Hermann. 1737.» signiert.

[43] Zum Orgelwerk siehe den Abschnitt in der Baugeschichte. Das Werk wird 2009 als Rekonstruktion neugebaut (III/P 26) und hat wieder mechanische Traktur.

[44] Siehe dazu die Erläuterung in Anmerkung 30.

[45] Anna Maria Louise Charlotte zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1712–1760). Die Erläuterung des komplexen Wappenschildes bei welt-der-wappen.de/Heraldik/(Wappen der Altgrafen von Salm-Reifferscheidt).

[46] Wartena, Sybe (2005): Die Süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus. Dissertation, LMU München: Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften. Seite 764–767, Fotos 26_1_c bis 26_1_h.
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  Chorherrenstift und Stiftskirche St. Katharina auf Schloss Wolfegg  
  1823  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Wolfegg
Ravensburg (D)
Herrschaft Waldburg-Wolfegg
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Konstanz   1733
Bauherr und Bauträger
Ferdinand Ludwig, Erbtruchsess und Graf von Waldburg zu Wolfegg (1678–1735)
regiert 1723–1735
Maria Anna Amalia Renata, Freiin von Schellenberg (1681–1754)
Joseph Franz Erbtruchsess von Waldburg, Graf zu Wolfegg (1704–1774), regiert 1735–1774
 
  Ausschnitt Wolfegg aus Kartenblatt SO LXVIII 49 Stand 1824. Die Stiftskirche ist rot hervorgehoben. Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg.   pdf  
   
WolfeggInnen1
Der Innenraum Richtung Chor. Bilder für Vergrösserung anklicken! Foto: Bieri 2019.  
   
WolfeggAGoogle
Luftaufnahme GoogleEarth 2014 von Schloss Wolfegg und seiner ummauerten Vorburg mit Stiftskirche, Wohnhäusern und Ökonomiegebäuden. Der Vergleich mit der Flurkarte von 1824 zeigt, dass der Gebäudebestand noch heute erhalten ist.  
WolfeggBauernjoerg
Truchsess Georg III. von Waldburg, als Jörg Truchsess oder «Bauernjörg» der bekannteste Waldburger, baut ab 1510 die Schlossanlage mit dem Chorherrenstift, die nach einem Brand 1578 in der heutigen Erscheinung neu gebaut wird.
In der Waldburg-Chronik von Matthäus von Pappenheim (um 1530) ist er im kolorierten Holzschnitt von Christoph Amberger (1505-1561/62) zu sehen. Die Heraldik des Holzschnittes erzählt Geschichte. Die Fahne und das Schild rechts enthalten das Wappen Waldburg. Links liegt der Schild seiner zweiten Ehefrau Maria von Oettingen. Er verdeckt den Schild der ersten Ehefrau Apollonia von Sonnenberg, durch die Georg III. von Waldburg in den Besitz der Herrschaft Wolfegg kommt
 
WolfeggPatrone
Die heiligen Geschwister Wunibald, Walburga und Willibald (v. l. n. r.) wachen als Patrone der Familie Waldburg über das Schloss Wolfegg. Putti halten darüber die drei Wappen Sonnenberg, Waldburg (alt) und Waldburg (neu), die unten links im quadrierten Schild zusammengefügt sind. Zwei weitere Putti halten die Landkarte mit den sechs weiteren Familiensitzen um Wolfegg. Quelle: Augsburger Kupferstich 1728, durch Johann Heinrich Störcklin nach Zeichnung von Johann Gabriel Roth gestochen und verlegt.  

Stifterdenkmäler an der Chorfassade
 
Beidseits des Chorturms sind zwei Memorialdenkmäler in die Fassade eingelassen. Es sind keine Grabmäler, sondern sie ehren die Erbauer von Schloss und Kirche. Mehr zu den beiden Denkmälern siehe im Textbeitrag «Die Stifterdenkmäler an der Chorfassade».  
WolfeggA11
Das südlich eingelassene Renaissance-Denkmal gilt dem Erbauer des Schlosses nach dem Brand, dem Grafen Jakob V. (†1589). Foto: Bieri 2019.  
WolfeggA1
Das nördliche der beiden in die Turmfassade eingelassenen Stifterdenkmäler ist dem Bauherrn der Kirche, dem Grafen Ferdinand Ludwig (†1735) gewidmet. Es ist eine Anlehnung an das südlich eingelassene Renaissance-Denkmal für den Erbauer des Schlosses. Foto: Bieri 2019.  
Schloss und Stiftskirche aussen  
WolfeggFernansicht
Schloss und ehemalige Stiftskirche von Westen gesehen.
Foto: Andreas Praefcke 2005.
 
WolfeggA3Schloss
Schlosseingang mit Mariensäule (1719, nach Entwurf Johann Georg Fischer).
Foto: Bieri 2007.
 
WolfeggA4
Das Klostergeviert von Südwesten. Nur der nördliche Teil des Westflügels lässt noch Altbausubstanz ahnen, südlich herrscht eine zurückhaltende Moderne der 1950er-Jahre. Foto: Bieri 2019.  
WolfeggA5
Kirchenvorplatz mit dem Kirchenportal in der Westfassade und dem tiefer anschliessenden ehemaligen Stiftsgebäude, das nach dem Wiederaufbau 1662 bezogen wird und dessen heutiges Aussehen von 1775 und einer Renovation 1970 stammt. Foto: Bieri 2019.  
WolfeggA6
Das Kirchenportal, eine in der Ornamentik noch manieristisch anmutende Ädikula, trägt über dem Sprenggiebel den Wappenschild Schellenberg-Kisslegg, wie er auch über dem Chorbogen zu sehen ist. Zum Wappen siehe die Anmerkung 30 im Text. Foto: Bieri 2019.  
WolfeggA7
Die Werkstein-Ostfassade der Stiftskirche mit dem barocken Chorturm wird seit 1906 vom westlich angebauten, neubarocken Glockenturm konkurriert.
Foto: Mathias Schwarz 2013.
 
DIe Pläne  
WolfeggFischer
Die Planung des Baumeisters Johann Georg Fischer für Wolfegg dauert zehn Jahre. Ein Projekt kurz vor Baubeginn ist in einem nachgezeichneten Längsschnitt O-W erhalten. Es zeigt den Wandpfeilersaal noch ohne Seitenemporen und mit einer Ausrundung auch im westlichen Halbjoch, in gleicher Form wie beim Choreinzug. Diese klare Zentrierung des Langhauses wird während der Bauausführung zugunsten eines dritten Volljoches mit geradem Abschluss geopfert. Auch auf die Rokokoform der Thermenfenster verzichtet Fischer in der Ausführung.
Quelle: Projekt 26 in Sauermost 1969.
 

WolfeggGrRiss

r heutige Erdgeschoss-Grundriss mit dem Glockenturm 1907. Quelle: Zeichnung Otto Johann Jakob Scheidgen 1936, hier vollständig überarbeitet.  
WolfeggQuerschnitt
Querschnitt Richtung Chor.
Quelle: Zeichnung Scheidgen 1936, hier vollständig überarbeitet.
 
Der Innenraum  
WolfeggI4
Der Verzicht auf Altäre in den Wandpfeilernischen ermöglicht es Johann Georg Fischer, die Emporen tief anzusetzen. Unter die grossen Thermenfenster kann er zusätzlich hochovale Okuli anordnen. Im Wandpfeiler des ersten Joches ist im Emporen-Durchgang der Zugang zur Herrschaftsempore zu erkennen.
Foto: Bieri 2019.
 
WolfeggInnen3
   
Die Altäre  
WolfeggHochaltarIA1
Das Hochaltar-Retabel bildet den raumfüllenden Abschluss der Apside und schliesst an die beiden Stuckmarmor-Epitaphien an. Mehr zu den Altären siehe im nebenstehenden Text. Foto: Bieri 2019.  
WolfeggInnenIA2
Das Gebälk wird vom Hochaltarblatt (1660) des Flamen Caspar de Crayer durchbrochen. Es stellt die Marienkrönung dar, darunter die hll. Katharina, Agatha, Franz von Paul, Franz Xaver, Johannes der Täufer und Franz von Assisi. Foto: Bieri 2019.  
WolfeggInnenIA3Sued
Die Seitenaltar-Retabel sind in die abgeschrägten Nischen eingepasst. Das Blatt des südlichen Altars ist von Franz Georg Hermann 1737 signiert und stellt die Rosenkranzspende der Muttergottes an die hll. Dominikus und Katharina von Siena dar. Foto: Bieri 2019.  
WolfeggInnenIA4Nord
Das Altarblatt des nördlichen Anna-Altars stammt wie das Hochaltarblatt aus dem 17. Jahrhundert und wird Caspar de Crayer zugeschrieben. Es stellt die Heilige Familie dar. Foto: Bieri 2019.  
Ogel, Kanzel und Chorgestühl  
WolfeggInnenOrgel
In Absprache mit dem Freskanten Erler, vielleicht sogar gleichzeitig mit der Freskierung 1736 baut Orgelbauer Jakob Hör aus Ochsenhausen das Prospektgehäuse der Orgel. Zu ihr und zum interessanten Allianzwappen über dem Mittelturm siehe die Erläuterungen im nebenstehenden Text. Foto: Andreas Praefcke 2008.  
WolfeggInnenKanzel
1749 erstellt der Bildhauer Johann Wilhelm Hegenauer die Rokokokanzel am östlichsten Wandpfeiler der Südseite. Ihr Zugang erfolgt von der Seitenempore. Auch zur Kanzel siehe die Erläuterungen im nebenstehenden Text. Foto: Andreas Praefcke 2007.  
WolfeggInnenKanzelPosaunenengel
Die hohe bildhauerische Qualität der Kanzel beweisen auch die Posaunenengel auf dem Schalldeckel. Foto: Andreas Praefcke 2011.  
WolfeggInnenChorgestuehl
Das Rokoko-Chorgestühl von Wolfegg mit insgesamt 12 Plätzen gehört zwar zu den kleinsten, zählt aber mit seinen meisterhaften Nussbaum-Intarsien zu den schönsten der Intarsiengestühle des Rokokos. Mehr zu diesem Gestühl siehe im Text. Meisterhaft ist nicht nur seine Ausführung, sondern auch seine Eingliederung in die Nischen unter den Chor-Seitenemporen, deren Stuckaturen schönstes Régence zeigen.
Foto: Bieri 2019.
 

Epitaphien
Die Stuckmarmor-Epitaphien beidseits des Hochaltars sind Werke des Stuckateurs Johannes Schütz, die erst 1738 eingebaut werden. In einer rotmarmornen Ädikula-Nische, deren Gebälk durch einen geschweiften Auszug durchbrochen wird, stehen die in schwarzem Marmor golden beschrifteten Grabmäler. Die Ädikula wird von einem mit Rocaillen gefassten Wappenschild bekrönt.
 
WolfeggInnenEpitaphSued
Südlich, rechts des Hochaltars steht das Stuckmarmor-Epitaph für den am 6. April 1735 verstorbenen Grafen Ferdinand Ludwig, dem Bauherrn des Kirchenneubaus. Im Auszug der Ädikula steht «AEDICAVIT» (er hat erbaut). Zum Wappenschild Waldburg-Wolfegg des Bauherrn Ferdinand Ludwig am Epitaph siehe die Anmerkung 30.  
WolfeggInnenEpitaphNord
Als Pendant steht links des Hochaltars ein gleiches Epitaph für den Grafen Max Willibald (†1667), dem Erneuerer von Stift und Kirche nach dem Dreissigjährigen Krieg. Im Auszug der Ädikula steht «FUNDAVIT» (er hat gegründet, das Fundament gelegt)..  


ErlaeuterungZurueck1

Brand von Schloss Wolfegg 1646,
dargestellt in der Bodenseekarte 1647 mit den Taten des Grafen Maximilian Willibald von Waldburg-Wolfegg. Im Bildausschnitt hält ein Engel und ein Putto das Blatt mit der Überschrift «Schloss Wolfegg, ist den 28. Dezember 1646 von den Schwedischen verbrennt worden». Ein weiteres Putto hält den Wappenschild Waldburg -Wolfegg. Zum Wappen siehe die Anmerkung 30. Darunter steht auf einem Sockel die Muttergottes mit Kind in der Darstellung als «Patrona Bavariae».
Die Gesamtkarte trägt den Blatt-Titel: ILLUSTRISSIME ET EXCELLENTISSIME HEROS AC DOMINE. D. MAXIMILIANE WILIBALDE.
Kommentar zum Faksimile-Abzug 1971 von Ugo Bonaconsa (1919–1996): «Diese Radierung wurde dem Grafen Maximilian Willibald, der unten links mit seinem Sohn dargestellt ist, von seinem Haushofmeister, Johann Ernst von Altmannshausen zum 43. Geburtstag dediziert und stellt eine Verherrlichung der Kriegstaten seines Herrn dar. Darauf beziehen sich auch die drei Nebenkarten, welche die Belagerung von Lindau, den Brand des Schlosses Wolfegg und die Belagerung von Konstanz zeigen. Die nach Süden orientierte Karte, deren Original-Kupferplatte sich auf Schloss Wolfegg befindet, misst (inkl. Schriftband) 54,3 x 35,7 cm. In den Entwurf und die Zeichnung teilen sich J. E. v. Altmannshausen und der Monogrammist D.H., den Vochezer mit dem Konstanzer Maler David Herz identifiziert.» Mehr zur Karte im Originaltext Bonaconsa 1971.
Stecher Wolfgang Kilian. Augsburg 1647
Kupferstich in der Kartensammlung der Zentralbibliothek Zürich.
Link zur Gesamtkarte ErlaeuterungZurueck2


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Exkurs

Der Schlosstypus des Renaissanceschlosses Wolfegg

Baumeister Jörg Schwarzenberger
Die Vierflügelanlage des Schlosses Wolfegg ist mit dem Namen des Baumeisters Jörg Schwarzenberger verbunden.[1] Schwarzenberger oder Schwartzenberger ist Planer mehrerer gleichartiger Schlösser der süddeutschen Region. Er baut 1557–1594 für den Grafen Christoph Froben von Zimmern das Schloss Messkirch, 1575–1601 ist er in Heiligenberg tätig, wo er für den Grafen Joachim von Fürstenberg den Südost- und den Südwestflügel des Renaissance-Schlosses mit dem berühmten Rittersaal baut. 1577–1590 erstellt er für Eitel Friedrich von Hohenzollern die (heute abgebrochene) Vierflügelanlage des Schlosses Hechingen. Dann baut er 1580–1583 für Jakob V. von Waldburg zu Wolfegg und Zeil das Schloss Wolfegg. Für die nach Messkirch folgenden Schlossbauten erhält der Baumeister die Aufträge dank familiärer Beziehungen, denn die drei Bauherren in Heiligenberg, Hechingen und Wolfegg sind mit Töchtern des Grafen Zimmern zu Messkirch verheiratet. Auch die nicht mehr von Jörg Schwarzenberger erstellte Schlossanlage in Zeil,[2] die dem Typus von Messkirch und Wolfegg folgt, ist ein Ergebnis familiärer Beziehungen, denn der Bauherr Froben von Waldburg zu Zeil ist ein Sohn des Bauherrn von Wolfegg und seine Mutter ist eine der Töchter des Hauses Zimmern zu Messkirch.

Serlio1544   Ancy   Ancy   Hohenems
Sebastiano Serlio stellt 1544 den Vierflügel- Grundriss in seinem «Terzo Libro» vor. Bildquelle: Universitäts-Bibliothek Heidelberg..   Nach 1541 hält sich Sebastiano Serlio am Hof des französischen Königs Franz I. auf, wo er den Bau des Schlosses Ancy-le-Franc im Burgund plant, das 1542–1550 gebaut wird. Es könnte das Vorbild von Messkirch sein.
Bildquellen:
Grundriss (bearbeitet) von Jaques Androuet aus «Le premier volume des plus excellents Bastiments de France», Paris 1576. Foto: GO69 2018 in Wikipedia.
  Der Palast in Hohenems wird ab 1562 vom Architekten Martino Longo gebaut. Bild: Teilgrundriss (CC0).
Messkirch2   Wolfegg1855   Zeil
Das Schloss Messkirch, erbaut 1557–1594 für den Grafen Christoph Froben von Zimmern durch Jörg Schwarzenberger.
Foto: Andreas Praefcke 2015.
  Das Schloss Wolfegg, erbaut 1580–1583 für Jakob V. von Waldburg zu Wolfegg und Zeil durch Jörg Schwarzenberger, auf einem Aquarell von 1855.   Das Schloss Zeil, erbaut von Baumeister Jürg Reutter 1597–1612 nach dem Vorbild von Messkirch und Wolfegg.
Foto: Bieri 2010.


Der Typus der Vierflügelanlage mit Eckrisaliten
Messkirch, das 1557 begonnene erste Schloss, ist typologisch und in der Gestaltung eng mit den späteren Schlössern Wolfegg und Zeil verwandt. Alle Schlösser sind um einen Innenhof gebaute, zwei- bis dreigeschossige Vierflügelbauten im «Kastelltyp», wie der Typ wegen seiner jeweils vier Ecktürme auch genannt wird. Im Unterschied zum deutschen Kastelltyp, wie dem ab 1578 gebauten Fuggerschloss Kirchheim in (bayerisch) Schwaben oder zum 1589 begonnenen Schloss Höchstadt, besitzen die Schlösser Messkirch, Wolfegg und Zeil keine vorstehenden und burgartig runden Ecktürme, sondern nur leicht vorspringende viergeschossige Eckrisalite mit Zeltdächern, wie sie den neueren italienischen und französischen Residenzbauten eigen sind. Sie knüpfen damit direkt an eine Renaissancetradition an, die der römische Baumeister Martino Longhi in Hohenems mit dem ab 1562 gebauten Palast mustergültig demonstriert. Dieser erst einige Jahre später entstandene Palast kann nicht das Vorbild für Messkirch sein. Dieses könnte im Burgund liegen. Der junge Herr von Messkirch, Graf Christoph Froben von Zimmern, kommt dank seinen Studienaufenthalten in Bourges und einer Reise über Paris nach Angers und Tours mit der klassisch-italienisch geprägten Renaissancearchitektur Frankreichs, der «Seconde Renaissance» in Kontakt. Der Schlossneubau in Ancy-le-Franc ist zwar 1541, dem Jahr der Rückreise des späteren Bauherrn von Messkirch, erst im Bau. Als Planung des Architekturtheoretikers Sebastiano Serlio, der sich ab 1541 am Hof des französischen Königs Franz I. aufhält, könnte der Neubau das Interesse des jungen Grafen geweckt haben. Hat er vielleicht die Pläne gesehen? Jedenfalls zeigt das 15 Jahre später begonnene Schloss von Messkirch grosse Ähnlichkeit mit Ancy-le-Franc. Nicht auszuschliessen ist, dass der Baumeister Jörg Schwarzenberger in seinen Gesellenjahren selbst Italien bereist. Mit Sicherheit kennen aber Bauherr und Baumeister die Architekturtraktate von Sebastiano Serlio, die 1544 auch in deutscher Sprache gedruckt werden. Jedenfalls ist das Schloss Messkirch das erste deutsche Bauwerk, das nach dessen Prinzipien begonnen wird. Der Bautypus erlebt im frühen 17. Jahrhundert eine grosse Verbreitung. Einer der letzten Bauten ist das Schloss Seehof der Bamberger Fürstbischöfe, das 1687–1696 von Antonio Petrini gebaut wird. Aber schon Mitte des 17. Jahrhunderts beginnt der Siegeszug der geöffneten Dreiflügelanlage, die zum eigentlichen Grundtypus der barocken Residenz wird.
Siehe zu diesem Thema den Beitrag «Wege zur Residenz» in dieser Webseite (http://www.sueddeutscher-barock.ch/ga-wege/m63_Residenz.html)

Pius Bieri 2019


Anmerkungen
[1] Jörg Schwarzenberger oder Schwarztenberger (um 1525–um 1600). Die Forschung zu diesem wichtigen Baumeister der Renaissance fehlt. Er soll aus Landsberg am Lech stammen. Bekannt ist er als Baumeister der Renaissanceschlösser Messkirch, Heiligenberg, Hechingen und Wolfegg. Er ist auch Baumeister der Liebfrauenkirche in Messkirch (1576) und des Kirchturms von Röhrenbach (1590).

[2] Die Vierflügelanlage des Schlosses Zeil, hoch über der Ebene nördlich von Leutkirch im Allgäu sichtbar (und jedem Autobahnbenutzer bekannt), wird von Baumeister Jürg Reutter 1597–1612 nach dem Vorbild von Messkirch und Wolfegg gebaut. Jörg Schwarzenberger dürfte altershalben nicht mehr beteiligt sein.



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