Barocker Wunderglaube als Grundlage eines barocken Raumwunders
In der Prämonstratenserabtei Steingaden fertigen 1730 zwei Patres für eine Karfreitagsprozession aus verschiedenen ausgedienten Holzfiguren einen «Gegeisselten Heiland». Das «Marterl» erregt Mitleid, mehr als den Patres lieb ist. Das künstlerisch wertlose Werk verschwindet deshalb auf einem Dachboden. 1738 holt es die Wiesbäuerin zur Verehrung auf ihren Hof. Nachdem das Bildwerk kurz darauf Tränen verströmt und das Tränenwunder im Volk bekannt wird, entsteht schnell eine grosse Wallfahrt zum Hof auf der Wies. Grundeigentümer des Hofes ist die Abtei Steingaden. Deren Abt Hyacinth Gassner (1729–1745) und seine Chorherren sind zunächst sehr skeptisch gegenüber allen Wunderberichten. Dass ihr «Marterl» nun plötzlich Wunder wirken soll, geht über das Verständnis der gebildeten Geistlichen. Trotzdem bauen sie angesichts des einsetzenden Stromes von Gläubigen 1740 eine Feldkapelle auf der Wies. Ein hölzerner Anbau wird von einem Münchner Hofrat gestiftet, die nicht sehr vermögende Abtei Steingaden will in die Barockisierung ihrer Kirche investieren und wartet vorerst ab, ob die Wallfahrt in die Wies überhaupt Bestand hat. Diese nimmt aber noch immer zu. Die Prämonstratenser-Chorherren, in erster Linie Seelsorger, sehen deshalb in der Wies ein neues Wirkungsfeld für die Betreuung der Wallfahrer. Schon 1743 lässt Abt Hyacinth von Dominikus Zimmermann eine erste Planung zu einer neuen Wallfahrtskirche erstellen. Der Baumeister der Steinhausener Wallfahrtskirche steht dieser beim dortigen Bauherrn, dem Abt der Prämonstratenserabtei Schussenried, im Vertrauen und wird nach Steingaden empfohlen.[1] Offensichtlich sind dem Baumeister seine Kostenüberschreitungen in Steinhausen längst verziehen.
Der Bau der Wallfahrtskirche 1745–1759
Am 28. März 1745 stirbt Abt Hyacinth Gassner mit 53 Jahren. Er hat Dominikus Zimmermann noch mit dem Bau des Chores und dem angebauten Priesterhaus beauftragt.[2] Dieser beginnt noch im Frühjahr 1745 mit den Arbeiten. Der nachfolgende Abt Marianus II. Mayr (1745–1772), wie sein Vorgänger aus einer Bauernfamilie stammend, setzt das begonnene Bauvorhaben tatkräftig fort. Zwar holt er beim neuen Kurfürsten sofort die Genehmigung zum Bau ein, als er aber im September den Grundriss auch dem Fürstbischof vorlegt, ist der Bau zum Ärger der Augsburger Kanoniker schon weit gediehen. Tatsächlich sind der Chor und das Priesterhaus schon fast unter Dach, als im Juli 1746 die offizielle Grundsteinlegung stattfindet. Der Chorbau wird nun als völlig eigenständiges Bauwerk bis 1749 stuckiert, ausgemalt und ausgestattet. Im August 1749 ist feierliche Übertragung des Gnadenbildes aus der Kapelle in den neuen Hochaltar. Der Chor dient nun als Wallfahrtskirche. Die Wallfahrt hat aber inzwischen derartige Ausmasse angenommen, dass schon 1750 mit dem Bau des ovalen Langhauses begonnen werden muss. 1751 ist der Dachstuhl abgebunden und 1753 die hölzerne Kuppelkonstruktion eingedeckt 1754 kann der Augsburger Weihbischof das Bauwerk einweihen. In den nachfolgenden Jahren folgt die Vervollständigung der Ausstattung mit der Erstellung der Seitenaltäre und dem Bau der Orgel. 1759, mit der Fassung der Seitenaltäre, ist der Bau abgeschlossen. Seine Kosten, sie werden mit 170 000 Gulden geschätzt, sind zuviel für die Abtei Steingaden.[3] Abt Marianus II. Mayr muss deshalb nach verzweifelten Sanierungsbemühungen 1772 zurücktreten.
Dominikus und Johann Baptist Zimmermann, die Meister der Wies
Die Wallfahrtskirche «Zum gegeisselten Heiland» auf der Wies bei Steingaden ist das reife Hauptwerk des in Landsberg wohnhaften Wessobrunners Dominikus Zimmermann (1685–1766). Er ist als Stuckateur und Baumeister der Schöpfer der unvergleichlichen Raumschale und der Ausstattung, sein Bruder Johann Baptist (1680–1758) trägt mit den Fresken zum vollendeten Gesamtkunstwerk bei. Dominikus ist so mit dem Bauwerk verbunden, dass er 1757 hier Wohnsitz nimmt, neben der Wieskirche sein Wohnhaus baut und hier auch seinen Lebensabend verbringt.[4] «DOMINICVS ZIMERMAN BAVMEISTER V: LANDSPERG» schreibt er stolz und in grossen Lettern unter die Orgelempore seines Hauptwerkes. Dass er mit seiner Kostenüberschreitung eine Abtei in den Ruin treibt, ist ihm offensichtlich nicht bewusst.
Architektur am Limit des Möglichen
Eigentlich ist die Wieskirche im Grundriss nichts Neues. An einen Ovalraum ähnlich Steinhausen, nun mit Doppelsäulen und betonter Querachse, ist ein langer Chor mit Umgang angefügt. Dieser Chor ist in aber in der Innengestaltung der Gipfelpunkt dessen, was an Auflösung der Architektur technisch und gestalterisch möglich ist. Hier führt Dominikus Zimmermann an den Säulenarkaden des oberen Umgangs hängende Bogenverbindungen ein. Solche Formen kann nur ein Architekt finden, der sich gewohnt ist, Architektur zu formen wie Stuck. «Der Chor ist eine einzige preziöse Kostbarkeit, kunstreich wie wertvoller Porzellanzierat, ein grosses Gehäuse für den Altar, das als gnaden- und wunderreicher Ort zur Schau gestellt und allem Profanen entrückt ist. Dieser Ort ist der Höhepunkt des Rokoko im Kirchenbau».[5] Der in zweiter Etappe angefügte Ovalraum, der Gemeinderaum, ist ein Festraum von heiterer Beschwingtheit. Acht Pfeilerpaare mit freien Säulen tragen über bewegt gestalteten Arkadenbögen das Muldengewölbe und bilden die Lichtrahmenschicht. Das Gewölbe ist im Spiegelbereich völlig flach und muss deshalb mit Holzbohlen auf Spanten, ähnlich einem Schiffsrumpf, ausgeführt werden.
Stuck, Fresken und Ausstattung
In Weiterentwicklung der knapp zwei Jahrzehnte älteren Steinhausener Kirche vollzieht Dominikus Zimmermann und seine Werkstatt bei der Stuckdekoration der Wieskirche endgültig den Übergang zur ausschliesslichen Verwendung der Rocaille.[6] Das plastische Ornament setzt sich in seiner zarten Farb- und Goldfassung gegen das strahlende Weiss der architektonischen Elemente ab.[7] In kongenialer Zusammenarbeit mit seinem Bruder setzt Johann Baptist Zimmermann das Bildprogramm des Paters Magnus Straub um.[8] Seine Deckenbilder beginnt Zimmermann als «fresco buono». Die Holzgewölbe werden dafür verputzt.[9] Erst in einem zweiten Schritt verstärkt er Details mit Secco-Malerei.
Im Hauptfresko über dem Gemeinderaum öffnet sich der Himmel über einer das Gericht erwartenden Erde. Die vorherrschende Farbe ist das lichte Blau des Himmels.[10]
Das Deckenfresko im Chor zeigt auch eine Himmelslandschaft mit der Darstellung der Leidenswerkzeuge, hier steigert es sich von warmen Erdfarben zu einer hellen Lichtglorie und nimmt damit die Farben des Chorumgangs und des zweigeschossigen Hochaltars auf. Dessen sechs Stuckmarmorsäulen unterscheiden sich nur in der roten Marmorierung von den blaugeäderten Säulen des Chorumgangs und tragen einen blau-goldenen Baldachin. Im Sockelgeschoss des Altars ist in einer Nische das Gnadenbild eingefügt. Der Hochaltar ist von der Werkstatt des Dominikus Zimmermann ausgeführt, die sechs weissgefassten Evangelisten und Propheten sind wohl die letzten Arbeiten des Augsburger Hofbildhauers Aegid Verhelst (1696–1749). Das Altarblatt einer Darstellung der Heiligen Familie ist ein Werk des Münchner Hofmalers Balthasar Augustin Albrecht (1687–1765).
Die zwei Querhausaltäre im Gemeinderaum werden, vielleicht nach Entwürfen von Dominikus Zimmermann, vom Türkheimer Altarschreiner Dominikus Bergmüller[11] 1756 errichtet und erhalten 1758–1759 von Bernhard und Judas Thaddäus Ramis die Marmor- und Goldfassung. Die Bildhauerarbeiten an den beiden Altären und auch die vier überlebensgrossen Kirchenväter zwischen den Doppelsäulen sind die letzten Werke des in Füssen wohnhaften Tiroler Bildhauers Anton Sturm (1690–1757). Am nördlichen Altar, der «Bruderschaft für die Armen Seelen» gewidmet, findet sich ein Altarblatt mit der Darstellung der Maria Magdalena. Es ist von Johann Georg Bergmüller (1688–1762) signiert. Das Blatt am südlichen ««Bruderschaftsaltar des Gegeisselten Herrn», eine Darstellung des reumütigen Petrus, ist von Joseph Mages (1728–1769) signiert.
Die Kanzel, ein Wunderwerk an Bewegung und Form, von Vater und Sohn Ramis reich gefasst und gelüstert,[12] ist ein Entwurf von Dominikus Zimmermann. Die Ausführung wird noch seinem Palier Pontian Steinhauser (1688–1755) zugeschrieben. Das südliche Gegenstück der Kanzel, die Abtsloge, ist bewusst zurückhaltender ausgeführt.
Alle Stuck- und Stuckmarmorarbeiten, die Fresken und Bilder, alle Bildhauerarbeiten und Ausstattungen sind noch heute zum grössten Teil selbst in Fassung und Farbigkeit original erhalten. Nur die Orgel, die Beichtstühle und das Laiengestühl haben gelitten. Hinter dem originalen Orgelprospekt ist heute ein neues Orgelwerk mit drei Manualen und 43 Registern vorhanden, die Beichtstühle, das Laiengestühl und auch die Kommunionbank haben nach Umbauten einen Teil ihrer Originalsubstanz verloren, ohne das dies ihnen aber anzumerken ist.
Der Aussenraum
Die Wieskirche lebt von ihrer Stellung und Einbindung in die Landschaft. Als einzige der bekannten Wallfahrtskirchen ist sie noch heute, dank einer kleinen Respektdistanz des motorisierten Verkehrs, freigestellt und wirkt auf den modernen Besucher ähnlich wie auf den Pilger des 18. Jahrhunderts. Von Norden ankommend, empfängt diesen eine wohlmodellierte Gebäudefolge von Priorat, Turm, Chor und dem länglichrunden Langhaus, dessen Eingangsfassade ihm eine Vorahnung vom überwältigenden Innenraum gibt.
Die heutige Farbgebung der Gebäudefolge ist, im Gegensatz zum Innenraum der Kirche, nicht mehr original.[13] Im 18. Jahrhundert zeigt sich die Kirche im hellbraunen-gelbgrauen Naturputzkleid, die Architekturgliederungen sind weiss und graublau gemalt. Die heutige sanfte Rotocker-Tönung der Fassadenfläche ist eine Rekonstruktion der ältesten nachweisbaren Hauptfarbe aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und stammt aus der letzten Restaurierung von 1990. Wie schon zur Erbauungszeit heben sich die tektonischen Elemente und die Architekturmalerei weiss bis graublau vom Untergrund ab.
Säkularisation und Kampf gegen den Abbruch
1803 erfolgt die Besitzergreifung der 70 ständischen Abteien und Stifte Altbayerns durch den Kurfürsten Max Joseph IV.[14] Mit der Aneignung des Klosterbesitzes durch Bayern sollen auch die maroden Staatsfinanzen saniert werden.[15] Unter den Aufhebungsbeschluss fällt auch die Abtei Steingaden. Sie wird, zusammen mit den Abteien Rottenbuch und Polling, 1804 an die Aarauer Brüder Meyer verkauft. Diese ziehen in Steingaden einen Muster-Landwirtschaftsbetrieb auf, verkaufen aber die Klosterflügel einem Einheimischen auf Abbruch. Das gleiche Schicksal hätte auch der Wieskirche geblüht, da Kloster- und Wallfahrtskirchen nur dann nicht abgebrochen werden, wenn diese als Pfarrkirchen dienen oder einen Käufer finden, der sie vom Abbruch verschont. Die als «ganz unnützes Gebäude» (Johann Christian Freiherr von Aretin 1802) betitelte Wallfahrtskirche Wies soll deshalb 1807 auf Abbruch versteigert werden. Ihr Wert wird jetzt auf 2519 Gulden geschätzt, wenig über ein Prozent der Investitionen von 1745–1759. Nun wehren sich die umliegenden Gemeinden beim Hof von Max Joseph, der inzwischen König von Napoleons Gnaden ist, um den Erhalt des Bauwerkes und der Wallfahrt. Sie vertreten die Bevölkerung. Ein Befürworter des Abbruchs ist hingegen der neue Pfarrer von Steingaden, der 1810 in einer Eingabe empfiehlt, der noch immer durch ehemalige Patres betreuten Wieskirche «möchte dem Aberglauben die Nahrung dadurch am sichersten in etwas entzogen werden, wenn dieselbe abgebrochen und das Gnadenbild nach Steingaden versetzt würde». 1811 erlaubt die Regierung den Fortbestand der Wieskirche solange «als sich selbe durch ihr eigenes Vermögen und die eingehenden Opfergefälle erhalten kann». 1831 wendet sich das Blatt. Nun werden erstmals Unterhaltsarbeiten vom Königreich bezahlt. 1846 wird die staatliche Baulast anerkannt. Erstmals wird von amtlichen Stellen auch die Architektur der Wieskirche wieder gewürdigt.[16] Volle Anerkennung der Kunstgeschichte findet sie aber erst mit der Wiederentdeckung des Rokoko durch Cornelius Gurlitt Ende des 19. Jahrhunderts.[17]
Die Wieskirche als Vorzeigeobjekt
1901–1906 wird die Wies zum ersten Mal umfassend saniert. Die bayrische Denkmalpflege leitet diese sanfte Restaurierung nach erstaunlich modernen Grundsätzen. Während im Innenraum diese Grundsätze durchgezogen werden und wir damit einen der wenigen original gefassten Rokokoräume bewundern können, erfährt die Aussenfassade vor allem 1964–1967 einschneidende Veränderungen, die bei der letzten Restaurierung 1984–1991 wieder rückgängig gemacht werden. Diese letzte Restaurierung wird durch Schäden am Gewölbe ausgelöst, die sogar zur vorübergehenden Sperrung der Kirche führen.[18] Die Wies ist nach dieser Restaurierung stolzes Vorzeigeobjekt der Denkmalpflege und Magnet für eine Million Besucher pro Jahr. Viele kommen wegen des Labels «Weltkulturgut der Unesco», das die Wies 1984 erhält. Dieses Label kann für andere Bauwerke verheerend sein, die Wieskirche scheint aber die im Sommerhalbjahr anwesenden Massen und die dadurch eingetragene Feuchte unbeschadet zu überstehen.
Pius Bieri 2010
Benutzte Einzeldarstellungen:
Lieb, Norbert: Die Wallfahrtskirche in der Wies, in: Barockkirchen zwischen Donau und Alpen, München 1953.
Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Wies, Geschichte und Restaurierung. Arbeitsheft 55, München 1992.
[2] Wider besserem Wissens wird heute in Führern und selbst bei Veröffentlichungen der bayrischen Denkmalpflege von einem «Schwarzbau» gesprochen. Dies deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt weder die Genehmigung des Kurfürsten noch diejenige des Augsburger Fürstbischofs eingeholt ist. Tatsächlich sind alle altbayrischen Abteien, im Gegensatz zu den grossen unabhängigen Abteien Schwabens oder der Eidgenossenschaft, bei Bauvorhaben völlig von der Zustimmung des Kurfürsten abhängig. Kurfürst Karl Albrecht, Sohn von Max Emanuel, hat aber wie schon sein Vater erneut einen unnötigen Krieg begonnen. Wieder von den Franzosen gesteuert und finanziert, stellt er sich gegen die Habsburgerin Maria Theresia und lässt sich zum Kaiser krönen. Bayern wird erneut von den Österreichern besetzt. Erst der Friedensschluss des neuen Kurfürsten Maximilian III. mit den Habsburgern ermöglicht ab April 1745 wieder eine Normalisierung und auch eine Anfrage des Abtes Marianus II. um Genehmigung des Bauvorhabens. Weniger wichtig scheint ihm die Genehmigung des Fürstbischofs. Ihm wird der Grundriss erst im September 1745 vorgelegt.
[3] Die umfangreiche Frondienstarbeit der Steingadener Klosterleute ist in dieser Summe, die bei Norbert Lieb genannt wird, nicht enthalten.
[4] In der Wies wohnt auch sein Sohn Franz Xaver Dominikus, der seit 1750 mit der verwitweten Wiesbäuerin verheiratet ist. Er ist ebenfalls Stuckateur.
[5] Zitat Bernhard Schütz
[6] Beteiligt sind sein Sohn Franz Dominikus, wahrscheinlich auch Nikolaus Schütz und Johann Georg Gigl.
[7] Die Fassungen des Stucks und der Ausstattung erfolgen durch die Steingadener Fassmaler Bernhard Ramis und seinem Sohn Judas Thaddäus Ramis.
[8] P. Magnus Straub (1702–1775), einer der Schöpfer des «Marterl», ist exzellenter Prediger, Verfasser des Wallfahrtsbuches von 1746 mit einer Auflistung aller Wunderheilungen in der Wies und hier seit 1749 Superior.
[9] Auf das Bohlengewölbe werden Latten mit Zwischenräumen genagelt, in die der Anwurfmörtel eingebracht wird. Dann folgt der Grundputz mit Kälberhaarbewehrung, der «arricio». Erst am Morgen der Malerarbeit folgt der Auftrag des Deckputzes, des «intonaco». Da dieser auf dem Holzuntergrund rasch trocknet, sind die Arbeitsgrenzen oder die «Tagwerke» in der Wies sehr klein. Die Kartuschenbilder sind sogar «al secco» gemalt.
[10] Aus Smalte-Pigmenten (zermahlenes kobalthaltiges Kaliumsilikatglas).
[11] Dominikus Bergmüller (1707 bis nach 1772) ist wahrscheinlich Sohn des Türkheimer Altarschreiner Johann Bergmüller (1657 bis nach 1732) und damit jüngerer Bruder des Malers Johann Georg Bergmüller (1688–1762).
[12] Die Lüsterung ist eine Metallauflage (hier Blattsilber auf Stuck) die mit transparenter Ölfarbe übermalt, das heisst gelüstert wird. Dabei wird mit Berlinerblau der blaue Lüster, mit Drachenblut, einem roten Farbharz, der rote Lüster erzeugt.
[13] Mit dem Aufkommen der Keim-Silikatfarben Anfang des 20. Jahrhunderts weichen die ursprünglichen sanftfarbenen Kalkfarbenflächen meist bunten und deckend aufgebrachten, industriell hergestellten Farben. Die Wieskirche wird 1965 aussen mittels Keim-Silikatfarbe in einem kräftigen Gelbton gestrichen. Dieser Anstrich wird 1990 wieder entfernt. Da eine Wiederherstellung des barocken Kalkfarben-Fassadenanstriches nur mit gleichzeitigem Neuverputz möglich wäre, wird wieder mit Keim-Silikatfarbe restauriert.
[14] Schon 1802 hat Kurfürst Max Joseph IV. (1806 als König Max Joseph I.) 91 nichtständische Klöster in Altbayern aufgehoben. Die beiden Aufhebungswellen bringen Altbayern zwar momentane finanzielle Erleichterungen, werden nach Abzug der Folgelasten zu einem Verlustgeschäft.
[15] Bereits 1798 hat Kurfürst Karl Theodor versucht, von den Klöstern Altbayerns 15 Millionen Gulden zu erpressen. Die Äbte erreichen dann eine Reduktion auf 5 Millionen Gulden. Die entspricht etwa einer heutigen Milliarde Euro. (Der Durchschnittsjahreslohn 1803 in Bayern ist 100 Gulden und kann mit dem heutigen verfügbaren durchschnittlichen Nettoeinkommen von 20 000 Euro verglichen werden)
[16] Das Landgericht Schongau schreibt am 10. Mai 1846: «Wenn auch nicht in rein mittelalterlichen, ist sie doch in dem ebenso klassischen neuitalienischen Style erbaut , und da in hier dieser Styl mit Consequenz, mit Reinheit, ohne merkliche Einmischung des verdorbenen Geschmackes der neu französischen Schule, durchgeführt ist, wird sie immer ein schönes, grossartiges Denkmal neuerer Baukunst bleiben.»
[17] Gurlitt, Cornelius: Geschichte des Barockstiles und des Rokoko, Stuttgart 1887–1889.
[18] «Wieskirche wegen Einsturzgefahr gesperrt, Tiefflieger zerstören Bayerns berühmte Wallfahrtskirche», diese Schlagzeilen fördern die schnelle Finanzierung der Restaurierung mit Kosten von über 10 Millionen Mark, obwohl weder die Einsturzgefahr noch die Schäden durch Militärflugzeuge den nachherigen Untersuchungen entsprechen.
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Die Nordansicht in einem Aquarell um 1760. | |
> Bildinformationen | |
Einziges bekanntes Plandokument der Bauzeit ist der erste Projektplan von Dominikus Zimmermann von 1743 (oben), das Original ist allerdings 1944 in München verbrannt. Die Ausführung ab 1745 (unten) weicht nur wenig von diesem ersten Entwurf ab. | |
Die detaillierten Massaufnahmen des Königliches Landbauamtes Weilheim (1901, hier der Grundriss) sind noch immer die aussagekräftigsten Pläne des Bauwerks. | |
Der helle Gemeinderaum mit Blick zum Chor, so wie der Eintretende den Raum erlebt. Überwältigt von der Farb- und Formfülle, die sich im Altarraum nochmals verdichtet, ist auch heute jedermann. Wie muss dieser Raum erst auf die Wallfahrer des 18. Jahrhunderts gewirkt haben! | |
Beim Blick vom Umgang des Gemeinderaums in den Chorraum erahnt man die dekorative Fülle der zweischaligen Aussenwand, deren innere Schale im dort nunmehr aus einer dichten Säulenfolge in blauem Stuckmarmor gebildet ist. | |
Der Altar, zweigeschossig wie schon ein halbes Jahrhundert früher in Vilgertshofen, mit dem Gnadenbild des gegeisselten Heilands unten und dem Bild der Heiligen Sippe von Balthasar Albrecht im oberen Umgang, ist eine kongeniale Schöpfung von Balthasar Zimmermann, Aegid Verhelst und den beiden einheimischen Fassmalern Ramis. | |
Die Vorherrschaft der Rocaille äussert sich in der Wies, wie hier im Chor, auch bei eigentlich tragenden Elementen. Balthasar Zimmermann ersetzt den Bogen der Säulenarkaden durch eine Kartusche, die Durchblicke auf die Umgangsgemälde freilässt. Der Chor der Wieskirche bedeutet den Höhepunkt des Rokoko im Kirchenbau. | |
Der Gemeinderaum ist bis zum Ansatz der Arkaden über den Pfeilergesimsen vorwiegend in Weiss gehalten. Aber in die Arkaden ist das Ornament eingedrungen. Stuck und Fresko verbinden sich fast nahtlos. Bildquelle: Ruedi.nie in Wikipedia. |
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Johann Baptist Zimmermann malt das grosse Muldenfresko im Gemeinderaum um 1753. Der schon 73-jährige Künstler arbeitet mit seinem Sohn Franz Michael. Das Deckenbild zeigt die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit am Jüngsten Tag. Christus erscheint über dem Regenbogen, Erzengel und Apostel bevölkern das Bild. Unter dem Regenbogen ist neben dem Erzengel Michael die Braut des Lammes aus der Apokalypse zu sehen. Zwei grosse Scheinarchitekturen betonen die Hauptachse. Im Westen, über der Orgel, ist das verschlossene Tor zur Ewigkeit dargestellt. Im Osten, über dem Chorbogen, ist es der Thron des Weltenrichters. Er ist noch leer. Auch hier ist der Sinngehalt nur mit Erläuterungen aus der Apokalypse zu verstehen. Dem barocken Prediger hat der Verfasser des Bildprogramms (wahrscheinlich P. Magnus Straub) damit eine Steilvorlage geliefert. Bildquelle: Harro52 in Wikipedia. |
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Auch in der Wies setzt «Dominicus Zimmermann, Baumeister v: Landsperg» seine Unterschrift an die Emporenbrüstung. |