Die Stadt Weilheim im 17. Jahrhundert
Matthäus Merian veröffentlicht 1644 in der Topographia Bavariae einen Stich der Stadt Weilheim aus erhöhter südöstlicher Lage. Die Stadt ist von einer Stadtmauer mit vier Tortürmen umringt. In ihrer Mitte dominiert die nur zwei Jahrzehnte vorher gebaute Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Ausserhalb der Stadtmauern liegt rechts (nördlich) das 1640 gebaute Franziskanerkloster, rechts der «Oberen Stadt» im Vordergrund die Friedhofskirche und links (südwestlich) der Stadtmauer die älteste Kirche St. Hippolyt im Vorrt St. Pölten. Interessant ist im Merian-Stich der Einbezug des südlich gelegenen Stiftes Polling mit dem Peissenberg im Hintergrund. Sogar das westlich gelegene Kloster Wessobrunn ist gezeichnet. Darüber liegt das Stadtwappen mit den drei Zinnen und dem offenen Tor, das der Stadt im 14. Jahrhundert verliehen wird.
Merian beschreibt Weilheim im Begleittext der Ausgabe 1644 auf Seite 70 mit den Worten:
(An der Ammer, zwischen Schongau und Beuerberg, oder zwischen Rottenbuch und Wolfratshausen, nahe dem Ammersee gelegene und der fürstlichen Regierung in München gehörige Stadt, die ein Landgericht hat, in welchem sechs Klöster, zwei Schlösser, 13 Adelssitze, 12 Hofmarken, etliche Dörfer und weitere Güter liegen. Nahe der Stadt liegt an der Ammer die Propstei und das Kloster Polling der regulierten Augustiner-Chorherren). |
Mit den sechs Klöstern um Weilheim meint Merian die schon in im Stich gezeigten Polling und Wessobrunn, sowie die Klöster Berg Andechs am Ammersee, Bernried am Starnbergersee, sowie die im südlichen Teil des Landgerichts liegenden Habach und Schlehdorf. Es fehlt das ausserhalb der Stadtmauer liegende, erst 1643 erbaute Franziskanerkloster von Weilheim. Dieses ist aber im Stich bereits enthalten.
Die Stadtpfarrkirche am Marienplatz
Der Marienplatz bildet die Stadtmitte Weilheims. Der längsrechteckige Platz mit der Mariensäule im Zentrum ist gegen Osten durch das freistehende, schmale Rathaus begrenzt. Der Platz ist zur Barockzeit auch Verkehrsknotenpunkt. Hier führt die alte Nord-Süd-Verbindung von München über Weilheim und Murnau ins Tirol durch und vereinigt sich mit der von Westen aus Augsburg über Landsberg und Wessobrunn eintreffenden Handelsstrasse. Noch 1752 zählt die Stadt und ihre Vorstädte nur 321 Anwesen, sie hat sich demnach seit dem Stich von Merian kaum vergrössert. Nur 171 dieser Anwesen sind in Privatbesitz, allein die Klöster Polling, Wessobrunn, Diessen, Ettal und Habach besitzen 110 Anwesen.
Die Pfarrkirche bildet gegenüber dem Rathaus den südlichen Platzabschluss. Schon im 13. Jahrhundert steht an dieser Stelle eine kleine romanische Saalkirche zu Ehren der Jungfrau Maria, die im 14. Jahrhundert durch einen grösseren Neubau ersetzt wird. Von dieser gotischen Kirche stehen noch der nördliche Turmunterbau und sein südliches Pendant, die Sakristei. Der Kirchturm erhält nach einem Blitzeinschlag schon 1573 anstelle des steilen gotischen Helmes das heutige oktogonale Obergeschoss mit welscher Haube. Mehr ist von der gotischen Vorgängerkirche nicht bekannt.
Die Stadtpfarrei wird 1401 der Benediktinerabtei Wessobrunn einverleibt, die nach 1600 das Recht der Pfarrwahl alternierend mit dem Stadtrat teilt. Der Abt von Wessobrunn ist bis 1803 Patronatsherr der Marienkirche.
Der Neubau der Stadtpfarrkirche
Am 16. September 1624 legen Abt Gregor Prugger von Wessobrunn und der Stadtpfarrer Johannes Weiss[1] den Grundstein für einen Neubau der Kirche. Zu den Förderern des Neubaus zählt auch der seit 1597 nicht mehr regierende «alte Fürst» Wilhelm V. von Bayern.[2]
Als «Baudirektor» wird vom städtischen Rat der in Weilheim tätige Bartholomäus Steinle bestimmt.[3] Die städtische Stellung bedeutet, dass er nach einem vorhandenem Entwurf und Modell den Neubau im Auftrag des Rates leitet, Handwerker überwacht, Kosten kontrolliert und auch Detailplanungen erstellt. Als Planverfasser gilt der ebenfalls aus Weilheim stammende «Fürstliche Baumeister» Hans Krumpper.[4]
Der ausführende Maurermeister ist Georg Braun[5] aus Wessobrunn. Schon 1625 ist der Bau unter Dach. Der Zimmermeister des Dachstuhls ist unbekannt. Nach dem Gewölbebau folgen 1627 und 1628 die Stuckaturen, vielleicht nach Entwürfen von Bartholomäus Steinle. Stuckateur ist der Wessobrunner Jörg Schmuzer.[6] Gleichzeitig führt die Weilheimer Werkstatt des Elias Greither die Deckenfresken aus. Zusammen mit seinem Sohn Johann malt Elias Greither der Ältere[7] 1627 die Fresken der Chorkuppel, während Johann Greither[8] 1628 die Fresken im Langhaus allein ausführt. Die Einweihung findet am 30. November 1731 zu Ehren der «Jungfrau Maria und des hl. Bischofes Benno» statt. Die Ausstattung mit Hochaltar, sechs Langhausaltären und der Kanzel ist zu diesem Zeitpunkt zum grossen Teil vorhanden. Die Stifter der Altäre im Langhaus sind namentlich bekannt.[9] Alle Altäre und auch die Kanzel dieser Erstausstattung weichen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts einer Neuaustattung. Nur einige Gemälde und Plastiken werden dabei übernommen.
Die barocke städtebauliche Situation
Nur durch eine Gasse getrennt, liegt an der Südseite der Kirche bis 1826 das Heilig-Geist-Spital. Das seit 1367 an dieser Stelle zwischen Stadtbach und Stadtpfarrkirche liegende Spital mit Spitalkirche und Turm wird 1686 von Caspar Feichtmayr neu gebaut, aber nach der Verlegung in das aufgehobene Franziskanerkloster 1826 abgebrochen. Seither ist die Fläche nicht mehr überbaut worden und der Stadtbach fliesst nun unterirdisch.
Auch die dem Chor gegenüberliegende Fassade, meist Eingangs- und im Barock auch Schaufassade, liegt an einer Gasse. Bis ins 18. Jahrhundert ist die Stadtpfarrkirche demnach nur vom Marienplatz voll zu erfassen. Aber selbst damals steht zwischen ihr und dem Rathaus noch die 1788 abgebrochene Katharinenkapelle. Erst mit der Freistellung der sorgfältig gestalteten Südfassade 1826 wird diese eigentliche Schaufassade. Zu den Fassaden siehe mehr im Kapitel Architektur.
Veränderungen der Ausstattung 1640–1792
Noch im 17. Jahrhundert wird der Hochaltar neu gebaut. Grund ist das neue Altarblatt des Münchner Hofmalers Johann Ulich Loth[10] von 1641 mit der Darstellung der Himmelfahrt Mariens. Das grosse Blatt ist ein Geschenk der bayerischen Kurfürstin Maria Anna von Österreich. Das Aussehen und auch die Schöpfer dieses neuen Hochaltars, der das grosse Ostfenster fast vollständig verdeckt, bleiben vorläufig unbekannt, denn 1762 wird das Retabel zu Gunsten des neuen Tabernakels erhöht und 1860 um das Doppelte erweitert. Noch 1698 liefert der einheimische Goldschmied Franz Kipfinger vier Silberbüsten für den Altar. Der 1763 gelieferte Tabernakel mit den beiden adorierenden Engeln zählt bereits zur zweiten Ausstattungsphase des späten Rokoko. Er ist ein Werk des Bildhauers Franz Xaver Schmädl[11] aus Weilheim.
1764–1795 wirkt als Stadtpfarrer Philipp Jakob Daisenhofer.[12] Seine lange Wirkungszeit ist mit einer vollständigen Erneuerung der Raumhülle und der Ausstattung verbunden. 1765 lässt er die Quertonnengewölbe der vordersten Wandpfeilerabseiten stuckieren und im gleichen Jahr auch die Tonplatten der Langhauspflästerung mit Kelheimer-Kalkplatten überdecken.[13] Dann kann Schmädl 1765[14] und 1766 den Rastaltar und den Ulrichsaltar durch die zwei noch vorhandenen wertvollen Rokokoretabel ersetzen. 1782 wird die Orgel von 1680 durch eine Orgel von Franz Thoma[15] in Aitrang mit 22 Registern ersetzt. 1785, nun schon den neuen Forderungen entsprechend klassizistisch ausgearbeitet, kommt ein neues Kirchengestühl und eine neue Kanzel in das Langhaus. 1795 stirbt der initiative Stadtpfarrer Daisenhofer. Zwar schreibt ihm der Chronist Böhaimb 1865 «die gegenwärtigen Altäre und Kirchenstühle» zu, und heutige Kunsthistoriker legen die vermeintlichen Neubauten des Hochaltars, des Magdalenen- und des Johannesaltars wirklich in das Jahr 1792. Den Kreuzaltar, das südliche Pendant zum Rast-Altar von Schmädl im vordersten Joch datieren sie hingegen unbelegt auf das Jahr 1760. Demnach wäre Ende des 18. Jahrhunderts die gesamte Ausstattung des Frühbarocks ersetzt. Weil 1813, als Ersatz des Martin- und späteren Nepomuk-Altars (1723) für ein aus Ettal stammendes Altarblatt von 1790 eine klassizistisches Retabel eingefügt wird, und weil wahrscheinlich nicht nur der Hochaltar dem 19. Jahrhundert entstammt, präsentiert sich die Altarlandschaft nun als Potpourri von Altarretabeln der Periode des Rokokos, des Frühklassizismus und des 19. Jahrhunderts, ergänzt mit Versatzstücken aus den Vorgängeraltären. Mehr zu den Altären siehe im Kapitel Ausstattung.
Säkularisationsgut in der Stadtpfarrkirche
Das 1813 in ein neues Retabel eingebaute Altarblatt aus Ettal bleibt nicht das einzige Säkularisationsgut, das den Weg nach Weilheim findet. Gemälde und Plastiken aus Polling und dem Weilheimer Franziskanerkloster hängen seither an den Ostseiten der Wandpfeiler gegenüber den Altären. Auch aus der barocken Stadtpfarrkirche und ihrer Vorgängerkirche stammen einige Bilder und Plastiken, darunter ein Votivbild von 1718 mit der Darstellung des 1760 ersetzten Rast-Altars der Erstausstattung.
Innenraumrestaurierungen im 19. und 20. Jahrhundert
Jede Restaurierung ist immer gutgemeint. Man respektiert das Gebäude, glaubt aber noch im 20. Jahrhundert, dieses mit einer Restaurierung verbessern zu müssen. Verheerend für die barocken Innenräume sind vor allem die Restaurierungen des 19. Jahrhunderts. Besonders hart trifft es Weilheim 1860. Der zeitgenössische Chronist und Stadtpfarrer Böhaimb begründet und schildert den damaligen Eingriff.
Zum Gebäude schreibt er:
«Verfehlte dasselbe auch nicht, auf jeden Kenner der Architektonik seinen Eindruck zu machen, so stand doch das Innere mit der Erhabenheit und Würde, die einem Gotteshause geziemt, nicht mehr im Einklang. Nicht allein die buntfarbige Tünche war vor Alter grau geworden, die Farben der Altäre erbleicht, sondern die verdorbene Geschmackrichtung hatte eine Anzahl Gegenstände in dieselbe gebracht, die, noch überdieß regellos angebracht, zur Entstellung der Kirche dienten.»
Er schildert den restaurativen Eingriff:
«Bereits am 14. Juni 1860 konnte das Werk in Angriff genommen werden. Es wurde nun zuerst mit Herstellung des sehr ruinösen Mauerwerkes begonnen, die ganze Kirche ausgeräumt, die Gottesdienste in die hl. Geistkirche verlegt und vor Allem die Sakristei geschmacksvoll hergestellt. Der ganzen Kirche ward sodann eine dem Auge wohlthuende, gelblich sandsteinartige Tünche gegeben, die sehr gelang, so daß dieses Farbmuster bereits für einige Kirchen verlangt wurde. Die schadhaften Deckengemälde wurden ergänzt und mit Gold eingerahmt, die Kapitäle vergoldet, die Laterne der Kuppel geöffnet und mit farbigen Gläsern versehen. Mit Fleiß und Geschick haben die hiesigen Faßmaler und Vergolder, Mangold und Metzger, Kirche und Altäre geeignet hergestellt.»
Zusammenfassend heisst dies, dass 1860 die gesamte Ausstattung ausgeräumt, dann «geeignet» wieder aufgebaut und mit einer Neufassung versehen wird. Die Fassungen, das Kolorit des Innenraums und die Fresken werden dem damals herrschenden Renaissancegeschmack angepasst. Der bis dahin zweisäulige Ädikula-Hochaltar erhält bereits bei dieser Umgestaltung die viersäulige Monumentalität.
Zwar versucht man in vielen Restaurierungen des 20. Jahrhunderts, allerdings erneut dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend, vieles wieder rückgängig zu machen. Bekannt sind Restaurierungen 1895-1899, 1946–1949, 1975-1978, und eine Gesamtrestaurierung in jüngster Zeit.[16] Die «Umbauten zur Annullierung der Umbauten»,[17] wie sie noch bis in die 1980er-Jahre Regel praktiziert werden, haben zur Folge, dass heute nicht einmal die vielen Inschriften als original gelten.
Architektur und Ausstattung
Eine frühe barocke Wandpfeilerhalle 1610–1617 wird in Dillingen die Jesuiten- oder Studienkirche gebaut. Sie ist die erste einschiffige barocke Wandpfeilerhalle eines Typus, der durch seine Einfachheit einleuchtet und im deutschen Sprachgebiet die basilikale Wandpfeilerkirche nach dem Vorbild der römischen Kirche il Gesù zunehmend ablöst. Weilheim ist eine der frühesten Wiederholungen des Typus der Wandpfeilerhalle. Wie in Dillingen bilden auch in Weilheim raumhohe, mit Quertonnen versteifte Wandpfeiler das Widerlager der Längstonne des Langhauses.[18] Diese hat eine Spannweite von 14,3 m. Im Unterschied zum gleich breiten Mittelraum von Dillingen wirkt aber derjenige von Weilheim behäbiger und gedrückter. Dies, weil die Scheitelhöhe der Tonne in Dillingen 18,8 Meter, in Weilheim aber nur 14,3 Meter beträgt. In Weilheim kann in den Mittelraum-Querschnitt ein Kreis eingeschrieben werden. Obwohl das Gewölbe eine Stichkappentonne mit konzentrischem Schnitt ist, die genau in der Raummitte auf den Wandpfeilern lagert, entsteht der Eindruck einer «gedrückten Flachtonne».[19] Das Langhaus ist in vier Joche gleicher Achsbreite gegliedert. Im ersten Joch ist eine Empore frei hineingestellt.[20] Eingänge befinden sich im ersten Joch an der Nord- und Südseite. |
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Der Querschnitt (1892) zeigt eine Wandpfeilerhalle mit dem «offenen» Dachwerk, von dem leider keine Planaufnahme vorhanden ist. |
Ein Chor von überraschender Eigenwilligkeit
Das Zwischenjoch vor dem Chor ist nur halb so breit wie der Langhausraum. Glockenturm und Sakristei der Vorgängerkirche bestimmen seine Breite und Tiefe. Hans Krumpper setzt die Gewölbehöhe des Langhauses im Chor fort. Den Vorchor wölbt er mit einer böhmischen Kappe, die mittig mit dem «Heilig-Geist-Loch» aufgebrochen ist. Der Raum über der alten Sakristei ist mit Arkaden zum Vorchor und Chor geöffnet. Der hohe Choreinzugsbogen ist durch eine vorgeblendete Pilaster-Arkade betont, deren Pilaster mit denjenigen der Wandpfeilerköpfe übereinstimmen und deren Gebälk mit den heute vergoldeten Kapitellen auf exakt gleicher Höhe liegt.[21] Die Architektur des östlich anschliessenden Altarraums ist von grosser Einmaligkeit. Krumpper baut in der Breite und Fortsetzung des Vorchors und der Hochaltarnische eine Vierung aus Pfeilerarkaden, die über Pendentifs eine oktogonale Steilkuppel mit Laterne tragen. Weil er auf einen Tambour verzichtet, ragt selbst die Laterne nicht über das gewaltige Dachwerk. Dies könnte aber eine spätere Ausführungsentscheidung sein. Die überkuppelte Vierung ist von einem breiten, polygonal geschlossenen Chorbauwerk umfasst, das aussen bündig Turm und Sakristei verlängert und im Chor zwei hohe Seitenräume mit einer Hochaltarnische formt. Die Gewölbe dieser Seitenräume leitet Krumper palmettenförmig zu den Arkaden der Vierung über. Vermutet wird, dass Krumpper hier seine italienischen Erfahrungen mit der Tätigkeit beim ebenfalls italienisch geschulten Sustris an St. Michael in München verbindet. An Ort kann der Besucher die Komplexität des Chorbereichs von Weilheim nicht erfassen. Die zum Glück vorhandenen Planaufnahmen von 1895 helfen hier weiter.
Die Fassaden
Westfassade
Im Regelfall wird bei städtischen barocken Kirchenbauwerken des Barocks nur die dem Chor gegenüberliegende als Schauseite und Eingangsfassade ausgebildet. Vor allem im römischen Barock ist nur diese gestaltet, aber meist zu einem Platz hin orientiert. Derart ist auch die Fassade der Jesuitenkirche in München gestaltet. Obwohl in Weilheim diese Fassade gegen eine enge Gasse gerichtet ist, nicht Eingangsfassade ist und vom Betrachter frontal gar nicht erfasst werden kann, gestalten sie Krumpper und Steinle in der Art einer flächigen Renaissance-Kulisse. Eine Pilasterordnung fehlt. Ein Gesimsband trennt das hohe, völlig ungegliederte Sockelgeschoss vom Obergeschoss. Hier dominiert eine grosse mittlere Rundbogenöffnung mit Vierpassfenster im Scheitel. Sie ragt weit in das eigentliche Giebelgeschoss und ist von zwei ädikulaartig gefassten, nur halb so hohen Hochrundfenstern begleitet. Der gestaffelte Giebel, der sich mit einer nur knapp angedeuteter Trennung aus dem Obergeschoss fortsetzt, ist als reines Schaustück ausgebildet. Nur seine beiden obersten Geschosse sind mit Gesimsbändern getrennt. Alle Stufen tragen Pyramidenaufsätze, die oberste Stufe ist in einem gesprengten Segmentgiebel mittig mit einem Türmchen gefasst.
Seitenfassaden
Gut erfassbar sind die Längsfassaden, die Nordfassade mit dem mächtigen Kirchturm und, seit dem Abbruch des Heilig-Geist-Spitals, vor allem die Südfassade. Diese vorher ebenfalls an einer Gasse gelegene Fassade ist sogar sorgfältiger als die Nordfassade orchestriert. Die Fenster der Südseite legen Krumpper und Steinle in eine Blendarkaden-Gliederung, welche die vier Joche des Langhauses und die Chorjoche nach aussen visualisiert.
Fenster Die Fenster, die sich auf der Nordseite wiederholen, sind Biforien- oder Zwillings-Fenster mit einem kreisförmigen Okulus im Scheitel. Derart sind sie aus der Gotik übernommen und in die Formen der italienischen Renaissance übersetzt worden. So wie Hans Krumpper als Frucht seines Italien- und wahrscheinlichen Venedigaufenthalts nicht nur Entwerfer der Chorpartie ist, scheint er auch die Fensterform in Venedig kennengelernt zu haben.[22] Als seine eigenständige Entwicklung gelten die unten und oben eingezogenen Rundbogen dieser Hochfenster-Öffnungen. Diese noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts in Oberbayern angewandte Hochfensterform wird gerne «bayerisches Fenster» oder «Krumpper-Fenster» genannt. |
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Palazzo Vendramin-Calergi in Venedig (1509). Foto: Didier Descouens. |
.Portale
Im ersten Joch liegen die beiden Eingangsportale. Bedingt durch die innere alte Empore ist das Südportal aus der Jochachse nach Osten verschoben, während das obere Vierpassfenster in der Achse sitzt. Das Portal ist eine einfache Ädikula mit Sprenggiebel und einem arg lädiertem Fresko der Muttergottes. Das Nordportal ist eine klassizistische, heute dick übermalte Steinhauerarbeit von 1794. Das Vierpassfenster liegt hier in der Achse des Eingangsportals, das im Triumphbogenschema mit gekoppelten Halbsäulen gestaltet ist.
Der Dachstuhl
Mehr Beachtung hätte der in allen Publikationen totgeschwiegene Dachstuhl verdient. Mit 56 Grad (150%) Dachneigung und rund 17 Meter Höhe, 5 Meter mehr als die Fassadenhöhe, ist der Dachstuhl so steil wie spätmittelalterliche Kirchendächer.[23] Noch steiler sind die drei Chordachseiten. Mit dieser gebauten Firsthöhe findet selbst die Kuppellaterne des Chors innerhalb des Dachwerkes Platz. Ihr fehlt deshalb die Belichtung. Weil der Scheitel der Längstonne des Langhauses vier Meter in den Dachstuhl ragt, handelt es sich um ein «offenes Dachwerk», das an den unbekannten Zimmermeister grosse Anforderungen stellt, die er offenbar bravourös bewältigt.[24]
Die Stuckaturen
Die Architektur der Münchner Jesuitenkirche St. Michael ist nicht Vorbild von Weilheim. Vorbild sind hingegen ihre Stuckaturen. Schöpfer des Stucks in München ist der in Rom aufgewachsene und dort ausgebildete Friedrich Sustris. Er stuckiert den mächtigen Innenraum und das Gewölbe, das an die römische Maxentius-Basilika erinnert, zusammenhängend mit einem Quadraturstuck der Renaissance. In Weilheim, auch in Polling und Beuerberg wirkt diese Stuckierung noch immer stilbestimmend. «Die Weilheimer Stadtkirche ist ein Werk Hans Krumppers und zeigt deutlich, wie der Baumeister beinahe 40 Jahre nach Vollendung der Michaelskirche noch immer mit dem Formenapparat seines Lehrers Sustris arbeitet.» schreibt Eva Christina Vollmer 2003[25] und nennt die Stuckaturen zusammen mit jenen der Klosterkirche Polling und der Wallfahrtskirche auf dem Hohenpeissenberg (1616–1619) als die ersten bezeugten Arbeiten der Wessobrunner. Ihr Schöpfer ist wie in Polling Jörg Schmuzer, allerdings noch nicht selbständig, sondern nach Entwürfen Krumppers oder Steinles. «Aus der Münchner Michaelskirche werden die vierteiligen Rahmen, die Tuchgirlanden mit den Fruchtbüscheln in der Mitte und das Motiv der von Rosetten tief herabhängenden Bukette übernommen, aus Polling stammt die Kapitellbildung mit Engelsköpfen an den Ecken; Pendants der muschelartig gegliederten Gewölbezwickel in den Chorseitenräumen finden sich in der Münchner Residenz, während die Engelsköpfe mit Schmetterlingsflügeln in der Münchner Augustinerkirche vorgebildet sind». Die figurativen Elemente des Felderstucks werden in der Werkstatt als Model- oder Versetzstuck gegossen. Das Gebälk beschränkt sich auf die Pilaster, es ist nicht durchgezogen. Im vordersten Langhausjoch ist in den Quertonnen und Gurtbögen der Wandpfeilerabseiten der frühbarocke Stuck durch Rokokostuckaturen von 1765 ersetzt. Zu dieser Zeit werden die noch 1761 weiss übertünchten Stuckaturen differenziert in den sanftfarbenen Tönen des Rokoko gefasst. Aller Decken- und Wandstuck ist heute ohne Differenzierungen weiss gefasst. Nur die Vergoldungen der Kapitelle und der feinen Perlstäbe der Deckengemälde sind als Überbleibsel der Restaurierung von 1860 verblieben.
Die Gewölbe- und Kuppelgemälde
Die drei Rundbilder von Johann Greither im Langhausgewölbe und die Kuppelgemälde, bei denen auch sein Vater Elias beteiligt sein könnte, sind ursprünglich in Freskotechnik gemalt.[26] Die Malereien gelten als «frühester Zyklus kirchlich barocker Grossmalerei in Süddeutschland»[27]
Das Langhausgewölbe enthält drei Rundbilder von Johann Greither. Das mittlere grosse Rundbild mit einem Durchmesser von 8 Meter liegt zentral zwischen Joch 2 und 3. Es zeigt den Höllensturz mit dem Erzengel Michael im Zentrum. Über ihm ist Maria und die Dreifaltigkeit zu sehen. In Joch 1 und 4 wird es durch zwei 3,3 Meter im Durchmesser messende Tondi begleitet. Umlaufende Inschriften am Rande dieser beiden Tondi verweisen auf ihren Inhalt aus dem Ave-Maria. Im vordersten Joch 4 ist es die Botschaft von der Menschwerdung Gottes durch den Erzengel Gabriel. Im Joch 1 über der Orgel überträgt im Bild Christus einen Palmenzweig an einen Engel, während ein Putto ein weisses Kleid präsentiert. Gemäss der Umschrift überbringt der Engel damit die Nachricht ihres nahen Todes an Maria.
Eine völlig andere Handschrift in Kontur und Farbe, wahrscheinlich diejenige der restaurativen Übermalungen des 19. und 20. Jahrhunderts, zeigen die acht Bilder in den Seiten der Steilkuppel über dem Arkadenoktogon des Altarraums. In sieben Kuppelfeldern begleiten hier sieben Erzengel die Immaculata, die im achten Feld über dem Altar gemalt ist. Gemeinsam ist allen ein pastöser, golden wirkender Hintergrund und ein grober Strich.
Die Ausstattung der Kirche
Die Ausstattungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind noch heute prägend für den Innenraum. Zusätzlich kommt im frühen 19. Jahrhundert mobiles Säkularisationsgut aus Ettal, Polling und dem Weilheimer Franziskanerkloster in den Kirchenraum. Auch Gemälde der Friedhofskirche finden jetzt hier einen neuen Platz. Mit Ausnahme des aus Ettal stammenden, klassizistischen Beweinungs-Christi-Altar wird an dieser Stelle auf eine Auflistung der Gemälde und Plastiken aus Säkularisationsgut verzichtet, zumal die Plastiken nach jeder Restaurierung an einem anderen Ort zu finden sind.
Die Altarlandschaft der Stadtpfarrkirche entspricht heute, nach mehreren Restaurierungen des 20. Jahrhunderts (zur Annullierung der Restaurierungen des 19. Jahrhunderts), wieder dem wahrscheinlichen Aussehen am Ende des 18. Jahrhunderts. Wahrscheinlich deswegen, weil der Ausbau und der anschliessend «verbesserte» Wiederaufbau aller Altäre von 1860 und die späteren Restaurierungen nicht folgenlos geblieben sind. Weil selbst das Hochaltar-Retabel ein Werk des 19. Jahrhunderts ist, sind seither alle Retabel des 17. Jahrhunderts verschwunden.
Die Altäre |
Hochaltar |
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Die Kanzel
Für die klassizistische Kanzel wird das Baujahr 1785 genannt, ohne dass ihr Ersteller bekannt wäre. Das steife Möbel scheint ein Vierteljahrhundert zu früh datiert. Eingezwängt zwischen Seitenaltar und Pilaster des Triumphbogens, ist der zylinderförmige Korpus mit dem kreisrunden Schalldeckel heute bräunlich marmoriert und vergoldet, und damit dem Nachbaraltar angeglichen. Die unglückliche Lage ist dem rückwärtigen Zugang aus der Loggienempore über der Sakristei geschuldet.
Orgel und Empore
Die heutige Westempore wird 1869 als Verlängerung an die Empore von 1628 angebaut. Diese ist mit ihren zwei Aufgängen und dem gemauerten, dreiteiligen Arkadenunterbau noch erhalten. Seit dem Neubau von 1624/30 steht auf der Westempore eine Orgel. Eine weitere, mit der Jahreszahl 1601 befindet sich bis 1870 auf der Loggia über der Sakristei. Die erste überlieferte Westorgel baut 1680 David Jakob Weidner aus Augsburg (II/P/7). 1782 wird Werk und Prospekt durch den Orgelbauer Franz Thoma in Aitrang (II/P/22) neu gebaut. Der Prospekt dieser Orgel ist nicht überliefert, die gleichzeitige Thoma-Orgel in Schlehdorf (II/P/18) dürfte einen Anhaltspunkt geben. Auch die Thoma-Orgel weicht 1867 einem Neubau von Max Maerz in München (II/P/30). Die Emporenvergrösserung steht in diesem Zusammenhang. Die Orgel von 1867 steht bis zu ihrem Abbruch 100 Jahre. Ihr siebenteiliger Neurenaissance-Prospekt ist entsprechend der frühbarocken Tradition kastenförmig, oben gerade geschlossen und nur in der dreiteiligen und sechsfelderigen Mitte stufenförmig erhöht. 1970 wird auch dieser Prospekt einem Neubau des Orgelbauers Max Offner aus Augsburg (III/P/41) geopfert. Offner baut eine Orgel mit Freipfeifenprospekt und Rückpositiv. Damit ist die Orgelgeschichte von Weilheim noch nicht beendet. Der in der Emporenmitte stehende Freipfeifenprospekt von 1970 wird noch 2024 durch einen nun dreiteiligen Freipfeifenprospekt (III/P/50) des Orgelbauers Späth in Freiburg ersetzt. Das Brüstungspositiv soll dabei wieder entfernt werden. Damit setzen sich die zeitbedingten Umgestaltungen der Stadtpfarrkirche um eine weitere Episode fort.
Chorgestühl
Das heutige Chorgestühl der Stadtpfarrkirche wird 1898 eingebaut, offenbar aber 1975 entfernt, ausgelagert und ist erst seit kurzer Zeit wieder aufgestellt.[35] Es ist eine vorzügliche Arbeit eines Weilheimer Schreinermeisters nach dem Vorbild des Chorgestühls in der Münchner Jesuitenkirche St. Michael. Dieses wird 1596 nach Entwurf von Friedrich Sustris gebaut. Ein Vergleich zeigt nur wenige Abweichungen vom Renaissance-Gestühl in München, so fehlen in Weilheim die Wangen und die Pultwand ist dem schmuckfreudigen Historismus verpflichtet. Hingegen sind die Dorsalwände «eine ziemlich exakte Kopie».[36]
Pius Bieri 2023
Literatur Anmerkung Nur benutzte Literatur zu Weilheim, die im Buchhandel oder in schweizerischen Bibliotheken (Fernleihe) erhältlich ist oder die als Digitalisat zur Verfügung steht. |
Böhaimb, Karl August: Chronik der Stadt Weilheim vom Ursprunge der Stadt bis auf die neuste Zeit. Weilheim 1865. |
Büttner, Frank und Rupprecht, Bernhard (Hrsg.): Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland, Band 1. München 1976. |
Bezold, Gustav von; Riehl, Berthold; Georg Hager: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern, 1. Theil. München 1895. Bearbeiter: Gustav v. Bezold. («Bezold 1895») |
Bauer, Egon Albert: Restaurierung der Stadtpfarrkirche Mariae Himmelfahrt, in: Beiträge zur Geschichte der Stadtpfarrei Mariae Himmelfahrt zu Weilheim. Weilheim 1979. |
Maute, Willi und Schmid, Reinhard: Mariä Himmelfahrt Weilheim OB. Kunstführer 1982. |
Jahn, Peter Heinrich: Hans Krumppers Kuppelprojekt für den Freisinger Dom und die venezianischen Wurzeln der Münchner Architektur um 1600, in Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Bd. 53, 2002. |
Vollmer, Eva Maria: Von Caspar Feichtmayr bis Thassilo Zöpf – Die Arbeiten der Wessobrunner Stuckatoren im Landkreis Weilheim -Schongau, in: ICOMOS 2003. |
Paula, Georg und Berg-Hobohm, Stefanie: Denkmäler in Bayern. Landkreis Weilheim-Schongau, Band 2, München 2003. («Paula 2003») |
Web Weilheim in Wikipedia, mit guten CC-Fotos, von denen ich hier einige verwendet habe. Insbesondere dme Wikipidia-Mitarbeiter «Rufus46» verdanke ich einige sehr gute Aufnahmen. https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtpfarrkirche_Mariä_Himmelfahrt_(Weilheim) |
Anmerkungen:
[1] Gregor Prugger (1578–1655) regiert 1607–1655. Er führt das Kloster ohne grosse Verluste durch den Dreissigjährigen Krieg, legt den Grundstock zu den Wallfahrten auf den Hohenpeissenberg und nach Vilgertshofen, und gründet 1630 die von Stadtpfarrer Sebastian Kraz ins Leben gerufene Rosenkranzbruderschaft in Weilheim. Über den für den Kirchenneubau wichtigen Vertreter der Bauherrschaft, den 1621–1625 wirkenden Stadtpfarrer Lic. theol. Johannes Weiss, der anschliessend bis 1636 für Wessobrunn in Landsberg als Dekan wirkt, sind keine Lebensdaten bekannt. 1625–1633 wirkt sein Nachfolger Sebastian Kraz oder Krätz (1568–1633) aus Weilheim.
[2] Wilhelm V. von Bayern (1548–1626), Herzog von 1579–1597. Kunstmäzen, Förderer der Jesuiten, Bauherr der Jesuitenkirche St. Michael in München und des Alten Schlosses in Schleissheim. Sein Sohn Maximilian I. von Bayern ist 1620 bis 1648 führender Kriegsherr, aber auch er wird 1628 als Geldgeber genannt. Im Zwischenjoch vor dem Chor werden nur Maximilian I. und seine erste Ehefrau Elisabeth von Lothringen mit Wappen geehrt.
[3] Bartholomäus Steinle (um 1580–1628) aus Böbing bei Rottenbuch, seit 1605 in Weilheim. Er ist Bildhauer, Altarbauer, Stuckateur und Baumeister. Sein Hauptwerk als Altarbauer ist der Hochaltar der Stiftskirche von Stams in Tirol. Lange wird er wegen seiner Einsetzung als Baudirektor auch als Entwerfer der Stadtpfarrkirche Weilheim bezeichnet. Noch 1993 ist sein Biograf Wilhelm Zoner überzeugt, dass Steinle auch Entwerfer der Kirche sei. Dies trifft nicht zu, auch weil «seine vorgelegten Risse von Wilhelm V. abgelehnt» werden (Bernhard Wöll in Denkmäler in Bayern 2003). Als Baudirektor ist er als «Oberbauleiter» für die Termine, Verträge und Finanzen, aber auch für die Detailplanung zuständig. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.
[4] Hans Krumpper (um 1570–1634) aus Weilheim arbeitet als Bildhauer-Lehrling schon 1584 unter dem italienisch-niederländischen Hofbaumeister Friedrich Sustris (1540–1600), einem Schüler von Giorgio Vasari in Florenz, am Bau der Jesuitenkirche München. 1590/91 finanziert ihm Herzog Wilhelm V. von Bayern einen Italienaufenthalt.
1592 heiratet er eine Tochter des Hofbaumeisters Sustris. 1594 wird er als Bildhauer am Hof von Wilhelm V. angestellt. Er übt «eine breite kunstgewerbliche Entwurfstätigkeit aus. Sein Künstlertum hat einen Hauch von Universalität, er ist in der Münchner Hofkunst der Nachfolger von Friedrich Sustris» (Norbert Lieb 1941). Spätestens mit der Arbeit von Peter Heinrich Jahn 2002 ist Krumpper in Vergleich zu seinen gleichzeitigen Planungen der Paulanerkirche in München und für die Kuppel des Freisinger Doms mit grosser Sicherheit als Planer (und damit nach heutigem Sprachgebrauch als Architekt) nachgewiesen. Siehe dazu Jahn: Hans Krumppers Kuppelprojekt für den Freisinger Dom. Mehr zu Hans Krumpper siehe in der Biografie in dieser Webseite.
[5] Georg Praun, auch Braun. (Lebensdaten unbekannt, Werke 1621–1637) aus Wessobrunn. Maurermeister und Stuckateur. Er ist gemäss Dehio (1980) 1634–1636 Stuckateur in der Jesuitenkirche Innsbruck. Das Lexikon der Wessobrunner (1988) meldet diese Tätigkeit 1627–1640.
[6] Jörg Schmuzer (um 1575–1645) aus Gaispoint-Wessobrunn. Maurer und Stuckateur. 1621/26 baut er die Stiftskirche Polling als ausführender Meister nach Plänen von Hans Krumpper um und erstellt die Stuckaturen. 1626 und 1627 dürfte er in Beuerberg nach Vorgaben von Steinle tätig sein. 1628 ist er in der Stadtpfarrkirche Weilheim tätig. 1629–1631 baut er in Füssen das Franziskanerkloster. 1633 ist er Stuckateur in der Jesuitenkirche Innsbruck. Sein Enkel ist der Baumeister Johann Schmuzer (1642–1710).
[7] Elias Greither der Ältere (um 1569–1646) erwirbt 1591 in Weilheim das Bürgerrecht. Er scheint auch die Freskotechnik beherrscht zu haben (Friedhofkirche St. Salvator und Sebastian in Weilheim) und diese seinen Söhnen Johann und Elias weitervermittelt zu haben. 1646 wird er von den Schweden getötet.
[8] Johann Greither (n. 1591–1641) aus Weilheim. Von ihm sind nur wenige weitere Werke erhalten.
[9] Johann Sebastian Westner, Pflegverwalter, stiftet den Kreuzaltar. Bürgermeister Caspar Mayr stiftet den Urständ-Altar mit dem alten «wundertätigen Bild unseres Herrn Rast». Bürgermeister Peter Fasser, einer der Schwedengeiseln von 1632, stiftet den Martins-Altar. Die Priesterschaft des Landkapitels stiftet den Ulrichs-Altar. Spitalpfleger und Bürgermeister Johann Furthuber stiftet den Johannes-Altar. Der Bildhauer Melchior Bendl und der Maler Johann Greither stiften den Margarethen- oder Isidori-Altar. Friedrich Hueber, Stadtrat und Gürtler, stiftet die Kanzel.
[10] Johann Ulrich Loth (um 1600–1662) aus München. Lehre bei Peter Candid 1615–1619. Herzog Maximilian finanziert ihm 1619 bis 1623 einen Italienaufenthalt. 1624 heiratet er die Tochter von Hans Krumpper. Loth malt ausschliesslich Tafelgemälde und Altarblätter in der Bildsprache von Peter Paul Rubens. Auch das Altarblatt in Weilheim folgt einem Kupferstich des themengleichen Hochaltarblatts in der Kathedrale Antwerpen (1626).
[11] Franz Xaver Schmädl (1705–1777) aus Oberstdorf. 1734 Übernahme der Bildhauerwerkstatt von Martin Dürr in Weilheim. Erste gesicherte Altäre 1744 in Rottenbuch. Er wird in diesen Jahren zum führenden Rokokobildhauer im Pfaffenwinkel. Schmädl ist 1756/62 auch als Bildhauer des Hochaltars von Fürstenfeld belegt, der nach einem Entwurf von Egid Quirin Asam ausgeführt wird.
[12] Philipp Jakob Daisenhofer (1716–1795), Stadtpfarrer 1765–1795, aus Landsberg.
[13] Die Kelheimer oder Solnhoferplatten werden 1895 durch einen Mosaik-Terrazzoboden ersetzt. 1977 wird dieser, aber auch die Tonplatten-Pflästerung von 1630 zugunsten eines neuen Solnhofer-Plattenbodens entfernt.
[14] Das Datum 1765 nennen Böhaimb (1865) und Bezold (1895). Abweichend nennen Kunstführer (1982) und Paula (2003) das Datum 1760. Es scheint das Lieblingsdatum der neueren Historiker zu sein, denn sie verwenden es auch für den Kreuzaltar. Differenzen der alten zu den neuen Historikern sind auch bei der Neustuckierung im vordersten Joch vorhanden: Böhaimb nennt 1765 («ein Jahr nach seiner Amtsübernahme») während der Kunstführer und Paula 1755/60 nennen. Die Datierungen der älteren Chronisten sind glaubwürdiger. Denn kein Bauherr lässt in seiner Kirche zuerst die Altarretabel neu errichten, um dann anschliessend die darüberliegenden Gewölbe neu zu stuckieren. Das Jahr 1765 gilt deshalb für die Stuckierung und den anschliessendem Retabelneubau.
[15] Franz Thoma (1753–1803) aus Unterhalten bei Buchenberg im Allgäu. Orgelbauer in Aitrang, Schwiegersohn des Orgelbauers Balthasar Freiwiss (Rottenbuch, Irsee, Oberammergau), von dem er 1783 die Werkstatt übernimmt. Er baut 1783 die Orgel in St.Tertulin von Schlehdorf in ähnlicher Grösse wie Weilheim.
[16] Die Daten aus dem Kirchenführer 1982 und «Denkmäler in Bayern» 2003. Die Restaurierungen 1860–1900 werden teilweise von den Pfarrherren beschrieben. Für die Restaurierungen 1946, 1975 und 2004 sind die Dokumentationen nicht veröffentlicht. Egon Albert Bauer fasst die Restaurierung 1975/78 (siehe Literatur) kurz zusammen. Über die letzte grössere Restaurierung ab 2004 ist nichts veröffentlicht.
[17] «Wir scheuen uns nicht, bauliche Restaurationen auf der Basis des neuesten und vermeintlich ewigen Stils zu vollziehen. Da solches seit rund 150 Jahren betrieben wird und jede Generation die durch massive Eingriffe untermauerten Stilinterpretationen der vorausgegangenen Generation wieder entfernen muss, vollzieht sich dieser Vorgang mit erheblichem Verschleiss von gebautem Kulturgut.» Luzius Burckhardt und Walter M. Förderer in «Bauen ein Prozess» (1963).
[18] Die Dillinger Jesuiten- oder Studienkirche ist ein Werk von Matthias Kager und Hans Alberthal. Mehr zur Dillinger Kirche siehe in dieser Webseite. Mehr zum Typus der Wandpfeilerhalle siehe im Glossar dieser Webseite, Buchstabe W. Hier wird auch der grosse Unterschied zur Münchner Jesuitenkirche erläutert, die mit der Dillinger in nichts, und mit Weilheim nur in den Stuckaturen verwandt ist.
[19] Bernhard Schütz in «Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben» (2000).
[20] Die Orgelempore überspannt die Westseite mit drei Arkadenjochen. Diese Empore wird 1869 nach vorne erweitert. In allen baugeschichtlichen Beiträgen zur Kirche findet die Empore kein Interesse.
[21] Peter Heinrich Jahn weist 2002 auf die Verwandtschaft der Chorgestaltung Krumppers mit der Kirche S. Maria dei Miracoli in Venedig hin, die auch den Chorbogen betrifft. Krumpper könnte die venezianische Kirche 1591 gesehen haben oder kennt sie aus Informationen von Sustris.
[22] Peter Heinrich Jahn weist 2002 auf die Verwandtschaft mit dem Palazzo Vendramin-Calergi in Venedig hin, dessen feingliedrige Steinhauerfassade von 1509 Hans Krumpper in Weilheim in eine Putz-Stuck-Architektur umformt. Als gotisches Element wendet es Filarete noch im 15. Jahrhundert am Ospedale Maggiore in Mailand an.
[23] Das fünf Meter höhere Dach der Münchner Frauenkirche hat 54 Grad, St. Peter in München und auch die Jesuitenkirche St. Michael haben hingegen 61 Grad Neigung. Die Neigung und Höhe des Weilheimer Dachstuhls sind hier den Aufnahmeplänen 1895 entnommen. In der zugänglichen Literatur ist zu diesem Dachstuhl nichts zu finden. Die Stuhlkonstruktion ist mir deshalb, auch wegen der Unmöglichkeit einer Besichtigung, nicht bekannt. Falls der Dachstuhl noch aus der Erbauungszeit stammt, ist sein Totschweigen kein Ruhmesblatt für die Kunsthistorik.
[24] Mehr zum Typus des offenen Dachwerks siehe im Glossar dieser Webseite, Buchstabe D.
[25] Eva Maria Vollmer in: Von Caspar Feichtmayr bis Thassilo Zöpf – Die Arbeiten der Wessobrunner Stuckatoren im Landkreis Weilheim -Schongau. 2003.
[26] Die reine Freskotechnik, das heisst das Malen in nassen Putz, geht auch im Norden der Alpen nie ganz vergessen. Das wirkliche, tageweise auf den feuchten Verputz gemalte Fresko setzt aber eine so grosse Meisterschaft voraus, dass selbst Hans Holbein in Basel oder Tobias Stimmer in Schaffhausen im 16. Jahrhundert für die wetterempfindlichen Fassadenmalereien nicht rein «al fresco» malen, sondern ergänzend «al secco» fertig modellieren. Die «Fresko»-Malereien im Antiquarium der Residenz München (1584) sind sogar reine Seccomalereien nach Entwürfen Sustris. Ob die Deckenbilder von Weilheim 1677/28 von den beiden Greither, wie dies im Corpus der Deckenmalereien Band 1 (1976) beschrieben ist, ursprünglich tatsächlich in den nassen Putz gemalt sind, dürfte bei den Kuppelbildern des Altarraums nach den vielen Übermalungen nur eine Annahme sein.
[27] «Denkmäler in Bayern, Landkreis-Weilheim-Schongau» (2002) Seite 564. Die Aussage «einer der frühen Zyklen», oder die Beschränkung auf das heutige Süddeutschland wäre korrekter, denn schon 1623 beginnt Fra Arsenio Mascagni mit seinem grossen Freskenzyklus im Dom von Salzburg.
[28] Johann Ulrich Loth (vor 1599–1662) aus München, Schüler von Peter Candid, erhält von Herzog Maximilian ein Stipendium für einen Italienaufenthalt von 1619 bis 1623. 1624 heiratet er Libia Krumpper, die Tochter des Entwerfers der Weilheimer Stadtpfarrkirche.
[29] Das Datum des Neubaus 1792 ist im Kunstführer (1982), in Paula (2003) und im Dehio (2006) zu finden. Die älteren Chronisten Böhaimb und Schmidtner erwähnen das Datum nicht. In der Biographie der Tätigkeiten des Stadtpfarrers Daisenhofer von 1765 bis 1795 findet sich lediglich die «Herstellung der gegenwärtigen Altäre». Herstellung bedeutet nicht Neubau. Ob dies vielleicht einen weitgehenden Umbau des noch immer zweisäuligen Hochaltars umfasst, ist unklar. Sicher ist aber, dass das heutige Hochaltarretabel eine Neurenaissance-Kreation des 19. Jahrhunderts ist. Angemerkt muss auch werden, dass Daisenhofer 1792, im behaupteten Neubaujahr des Hochaltars (und auch der Altäre im zweiten Joch) schon 76 Jahre alt ist und dass sich Bayern in diesem Jahr am Reichskrieg gegen Frankreich beteiligt.
[30] Joseph Hagn (1685–1764) aus Weilheim, Bildhauer und Altarbauer (auch Mitglied des inneren Rats und Bürgermeister?)
[31] Auch die hintersten beiden Retabel sind Vereinfachungen der Altararchitektur Schmädls, dort des Ulrichaltars. Sie enthalten trotz ihrer Rokokoarchitektur (wenige) klassizistische Ornamente. Allerdings könnten alle drei Altäre auch Ergebnisse der ungezügelten Restaurierungswut von 1860 bis 1899 sein.
[32] Die Zuweisung an Johann Greither deswegen, weil er zusammen mit dem Bildhauer Melchior Pendl 1630 als Stifter des Margarethenaltars genannt wird.
[33] Gabriel Wagner (1760–1836) aus Kraiburg am Inn, Bildhauer in Weilheim. Die Zuschreibung der Altäre erfolgt wegen der beiden von ihm stammenden Assistenzfiguren des Magdalenenaltars. Auch acht Nischenfiguren der Heilig-Geist-Kirche Weilheim (1827/30) sind sein Werk.
[34] Melchior Pendl oder Bendl (um 1590–1639) aus Waldsee. Er kommt 1616 nach Weilheim und wird hier 1617 Meister. Ein Prozess wegen Nachrede der Unredlichkeit von Bendl gegen Degler und Steinle wird 1625 zugunsten Bendls entschieden. Sein älterer Bruder Jakob zieht 1640 nach Pfarrkirchen. Quelle: Gisela Koch in «Georg Petel (1601/2–1634)».
[35] Vom Chorgestühl nimmt wegen seiner über drei Jahrzehnte dauernden Auslagerung keine neuere Veröffentlichung (Führer 1982 , Inventarband 2003, Dehio 2006) Notiz. Nur in der Kurzbiographie des Pfarrers Eduard Komprecht (1840-1905), dem Stadtpfarrer seit 1892, wird der Einbau im Rahmen der zweiten grossen Restaurierung erfasst. Das Gestühl der Stadtpfarrkirche ist im Inventarband «Denkmäler in Bayern» (2003), Seite 546, als Ausstattung der Heilig-Kreuz-Kapelle beschrieben: «1898 vom Weilheimer Schreinermeister Anton Geisenhofer (nach Vorbild des Gestühls in der Münch[e]ner Jesuitenkirche St. Michael) für die kath. Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt angefertigt». Die Abbildung des Gestühls zeigt je acht Dorsale und Brüstungsfelder, das von der Heilig-Kreuz-Kapelle wieder in die Stadtpfarrkirche verschobene Chorgestühl ist demnach verkleinert worden. Dieses Herumschieben von Kulturgut ist unverständlich, auch weil eine aktuelle Information des Normalbesuchers fehlt. Seit 1982 ist kein Kunstführer mehr erschienen.
[36] Sybe Wartena in «Die süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus. München 2008.
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Ort, Land (heute) | Herrschaft (18. Jh.) |
Weiheim Oberbayern |
Stadt Weiheim im Kurfürstentum Bayern |
Bistum (18. Jh.) | Baubeginn |
Augsburg | 1624 |
Bauherr und Bauträger | |
Rat der Stadt Weilheim, vertreten duch Baudirektor Bartholomäus Steinle 1624–1631 | |
Lic. theol. Johannes Weiss, Stadtpfarrer 1621–1625 |
|
Philipp Jakob Daisenhofer, Stadtpfarrer 1765–1795 |