Die wichtigsten Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Johann Michael Beer II von Bleichten (1700–1767) Bezau Vorarlberg ok   Baumeister-Architekt 1732   1735
Nikolaus Schütz (1693–1785) Wessobrunn     Stuckateur , Baumeister 1733   1734
Jacob Carl Stauder (1694–1756) Oberwil Baselland ok   Maler 1733   1738
Johann Jakob Bommer (1697–1775) Thurgau     Orgelbauer 1733   1741
Georg Anton Machein (1685−1739) Grossprüfening     Bildhauer, Altarbauer 1734   1737
Sebastian Zureich (1696–1769) Altenburg bei Rheinau     Bildhauer, Stuckateur 1735   1742
Johann Nikolaus Spiegel (um 1706–1759) Messkirch     Fassmaler 1742   1743

St. Katharinenthal (neu: St. Katharinental)

Ehemaliges Dominikanerinnenkloster bei Diessenhofen

Klosteranlage   Barocke Klosteranlage
Stiftskirche   Klosterkirche SS. Katharina und Nikolaus

Ehemalige Klosterkirche SS. Katharina und Nikolaus

Kirchenneubau unter der Priorin Maria Dominica Josepha von Rottenberg
1720 sind die neuen Konventbauten erstellt. Die einfache Bettelordenskirche, die Albertus Magnus 1267 geweiht hat, bildet zusammen mit dem Kornhaus des 16. Jahrhunderts den Südabschluss der Klosteranlage. Gern würde die Priorin jetzt sofort mit dem Neubau der Kirche beginnen, aber eine Bauschuld von 90 000 Gulden verhindert die Realisierung. Der Bauplan von Franz Beer II aus dem Jahr 1719, wir kennen ihn durch den Längsschnitt seines Schwiegersohnes Peter Thumb, bleibt ebenso liegen wie ein Plan des Einsiedler Klosterbruders Caspar Moosbrugger, der bereits um 1690 einen Entwurf abgegeben hat. Inzwischen verstirbt 1726 Franz Beer II und an seine Stelle tritt der Sohn Johann Michael Beer von Bleichten. Mit ihm schliesst die Priorin 1732 den Bauvertrag ab, nachdem die Bauschuld auf 6000 Gulden herabgesetzt ist. Johann Michael übernimmt den Plan seines Vaters ohne entscheidende Veränderungen. Die Grundsteinlegung ist am 24. Juni 1732. 1734 wird die Kirche von den Nonnen bereits genutzt, das Klostergeviert ist zu diesem Zeitpunkt errichtet und die Neubauten sind gedeckt. Die Einweihung der noch nicht vollständig ausgestatteten Kirche folgt am 12. August 1735.

Ein Dachstuhl in «teutscher Manier»
Beim Dachstuhl setzt sich die Priorin gegen Beer durch, der einen «welschen» d. h. französischen, abgestuften und abgewalmten Dachstuhl will. Frau Dominica folgt dem Vorschlag des Zimmermanns Joseph Schlachter aus Diessenhofen, der behauptet, «die wältsche Dächer taugten in Teutschland nicht». Er errichtet einen steilen doppelten Dachstuhl über einem Sprengwerk, das dann aber die Schubkräfte nicht aufnehmen kann. Bereits 1745 zeigen sich grosse Risse in Gewölbe und Fassade, erst bei der letzten Restaurierung 2007 ist diese historische Fehlkonstruktion behoben worden.[1] Das «teutsche» Dach hat der Westfassade auch ein scheunenhaftes Aussehen gegeben, dies wird durch den Verzicht auf Architekturgliederung noch verstärkt.

Die architekturgebundene Ausstattung
Die Stuckaturen werden noch vor der Einweihung durch den Wessobrunner Trupp des Nikolaus Schütz erstellt. Es ist der erste selbständige Auftrag des 38-jährigen Stuckateurs aus Landsberg, nach jahrelangem Dienst bei Dominik Zimmermann, bei dem er vermutlich auch die Lehre abgeschlossen hat. Der Deckenstuck steht zwischen dem Spätbarock und dem Rokoko. Die auf Klarheit bedachten Bänder, Zottelwerke, Akanthusmotive, Muscheln und Girlanden gehen auf Vorlagen des Régence zurück, welche die Wessobrunner Stuckateure auf ihre Weise umdeuten.
Die Wand- und Deckenmalereien sind Werke des Konstanzer Hofmalers Jacob Carl Stauder der Jahre 1733 bis 1738. Er ist ein Jahr jünger als Schütz, aber bereits einer der gesuchtesten Kirchenmaler im Bistum Konstanz. Er erstellt seine Deckenmalereien nicht «al fresco» mit Kalkfarben, wie etwa Cosmas Damian Asam in Einsiedeln, sondern auf bequemere Art «al secco» mit Ölfarben auf Putzgrund. Dies lässt seine Bilder abdunkeln und rasch altern. Stauder wird allerdings gerade wegen seiner Technik sehr geschätzt. In St. Katharinenthal malt er damit 21 Deckenbilder und dazu 6 Wandbilder auf Leinwand. Darunter ist auch eine «Cupola finta» nach dem Traktat von Andrea Pozzo (Rom 1693), ein Meisterwerk, auch wenn Stauder «nicht zu den Grossen unter den Barockmalern unseres Gebietes, wohl aber zu den interessantesten und versiertesten gehört» (Albert Knoepfli).

Altäre und Kanzel
Maria Dominica Josepha von Rottenberg stirbt am 30. Januar 1738, im 63. Altersjahr. Sie hat noch die weitgehende Fertigstellung ihrer Kirche erlebt und wird beim Marienaltar begraben. Dieser nördliche, und auch der südliche Chorschulteraltar, stammen aus der alten Kirche und werden 1734 vom Überlinger Bildhauer Georg Machein (1658–1739) mit neuen Figuren und neuer Ornamentik versehen. Der Hochaltar, von Machein nach Entwurf von Jacob Carl Stauder im gleichen Jahr begonnen, wird nach einer Erkrankung des Meisters 1636 dem Rheinauer Bruder und Klostervogt Sebastian Zureich (1696–1753) in Auftrag gegeben. Die vertragsbrüchige Frau Dominica zeigt sich gegenüber Machein von ihrer rücksichtslosen Seite und treibt ihn damit in den Ruin. Die Fertigstellung des Hauptaltars und der Chorschulteraltäre dauert bis 1743. Erst dann hat Fassmaler Nikolaus Spiegel (1706–1759) aus Messkirch die plastischen Teile mit Gold- und Farbfassung versehen. Das Hochaltarbild von Jacob Carl Stauder stellt die mystische Vermählung der hl. Katharina dar.
Die Altäre an Süd und Nordseite sind Arbeiten der Jahre 1741–1746 aus der Werkstatt Zureichs.
Die Kanzel ist 1735 noch von Georg Machein geschaffen worden.

Orgelbrüstung und Orgel
Albert Knoepfli, der grosse Kunsthistoriker und Musikkenner, hat die Orgel mit der Brüstung und den zur Deckenmalerei überleitenden Krönungsfiguren zu den «eindrücklichsten und einheitlichsten der architektonisch und ornamental eingebundenen Werke ihrer Zeit» bezeichnet. Die Orgel ist 1733–1741 geschaffen worden. Die Schöpfer des Orgelprospektes und der Brüstung sind nicht genannt, es müssen aber die Werkstätten Machein/Zureich mit dem Fassmaler Spiegel gewesen sein. Das Orgelwerk umfasst 19 klingende Register und ist vom Thurgauer Orgelbauer Johann Jakob Bommer geschaffen worden. Nach der Klosteraufhebung 1878 verwahrlost das Werk und wird 1943 unglücklicherweise weitgehend durch einen Neubau ersetzt. 1965–1969 wird auf der Basis der wenigen noch vorhandenen Originalregister eine Rekonstruktion des Barockzustandes gewagt.
 
Beschrieb des Innenraumes
Wem es vergönnt ist,[2] in das ehemalige Laienschiff einzutreten, den empfängt ein einmaliger Barockraum in harmonischer Abfolge von Ruhe und Bewegung, mit klar akzentuiertem Gleichgewicht von Architektur, Stuck, Malerei und einheitlicher Ausstattung. Die arkadengestützte Westempore, die ursprüngliche Nonnenempore, greift in den beiden Seitengalerien bis tief zu den Freipfeilern des Laienschiffes vor. Dem Schwung der Emporenbrüstung antwortet unten auf der Gegenseite eine Balustrade, die in einem einzigen, kurvenreichen Zuge das schmalere Altarhaus, aber auch die im Querschiff stehenden Altäre von den Bankreihen des Volkes trennt. Damit wirkt das Laienschiff wie ein Zentralraum.
Der Hochaltar füllt den hauptsächlich von Süden belichteten Raum in der gesamten Breite, sodass das Nonnen-Oratorium, welches dahinter liegt, dem Auge völlig entzogen bleibt. Dieses Oratorium ist heute durch Einbauten zerstört. Die Einsiedlerkapelle auf der Nordseite des Altarraumes ist hingegen erhalten.
Der Innenraum bringt die italienisch-klassizistische Unterströmung des süddeutschen Barocks zu schöner Geltung. Franz Beer II und sein in Italien geschulter Sohn Johann Michael haben damit wirklich eine auf «italienische Art erbaute Kirche» erstellt.

Pius Bieri 2008

 

 

Benutzte Einzeldarstellungen:
Knoepfli, Albert: Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band IV, Das Kloster St. Katharinenthal (Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 83 der Gesamtreihe), Basel 1989.
Onken, Thomas: Jacob Carl Stauder, Sigmaringen 1972

 

Links:

Kloster_St._Katharinental in Wikipedia

Denkmalpflege des Kantons Thurgau (mit Link zum Restaurierungsbericht PDF)

Heinrich Murer: Vallis S[anct]ae Catharinae prope Diesenhoffe[n] (Ittingen 1614/1638) in: e-codices


Anmerkungen:

[1] Steife horizontale Ringkonstruktionen aus Stahl, konzentrisch mit den Kuppeln angebracht, übernehmen die Kräfte der unterbrochenen Bundbalken. Siehe auch:
TEC21 6/2007, Seite 18–23.

[2] Die Klosterkirche ist nicht mehr in kirchlichem Gebrauch. Aus diesem Grund ist das Betreten der Kirche nur im vorderen Eingangsbereich möglich. Der eigentliche Kirchenraum, die Einsiedlerkapelle mit der schwarzen Madonna und die Sakristei können bei angemeldeten Besichtigungen angeschaut werden. Für eine Anfrage wenden Sie sich bitte an die Verwaltungsangestellten der Klinik St. Katharinental:
Tel.: +41 52 631 60 60 E-Mail: verwaltung.tkk@stgag.ch

 

 

 

 

 

 

  Kirche des ehemaligen Dominikanerinnenklosters St. Katharinental  
  KatharinenthalKirchengrundriss  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
St. Katharinental
Diessenhofen
Thurgau CH
Gemeine Herrschaft Thurgau der eidgenössischen Orte
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Konstanz 1732
Bauherr und Bauträger
ok Priorin Maria Dominica Josepha von Rottenberg (reg. 1712–1738)

 
  Der Kirchengrundriss als Ausschnitt aus dem Gesamtgrundriss. Für Legende und Vergrösserung anklicken!   pdf  
   
KatharinenthalKirche1
Der Kirchenraum mit Blick zum Hochaltar, vom zugänglichen Vorraum her gesehen.  
   
KatharinenthalKirche2
Jacob Carl Stauder malt 1738 das Altarblatt mit der mystischen Vermählung der hl. Katharina.
> Bildbeschrieb.
Stauder entwirft auch den Altar, ein Meisterwerk des Bildhauers Georg Anton Machein aus Überlingen.
 
KatharinenthalKirche3
Die 22 direkt auf die Decke oder die Wand gemalten Gemälde von Jacob Carl Stauder in der Kirche von Sankt Katharinenthal bedeuten einen der letzten grossen Aufträge an den unsteten Maler aus Konstanz, der seinen künstlerischen Höhepunkt schon zehn Jahre überschritten hat. Es sind keine Fresken, denn Stauder malt nur in Öl, was auch die dunkle Tonalität erklärt. In die Vierungskuppel malt er die Ausgiessung des Heiligen Geistes, getreu in Scheinarchitektur nach den Traktaten Pozzos (1709). Das Bild oben zeigt, wie ein Normalbesucher ohne Führung die Deckenbilder erfahren kann: Oben der untere Teil der Pozzo-Adaption, unten das heilige Abendmahl im Altarraum.  
KatharinenthalKirche4
Auf der Höhe der Zeit sind die Architektur und die Wessobrunner Régencestuckaturen. Zusammen mit der Ausstattung der Machein-Zureich-Werkstatt und den dunkeltonigen Bildern Stauders ist 1733–1743 in Sankt Katharinenthal ein stimmungsvoller spätbarocker Raum entstanden.
Bild: Blick in das Süd-Querhaus.
 
KatharinentalKirche5
Das Nord-Querhaus lehnt an die Konventgebäude an. Die Blindfenster enthalten Staffeleibilder Stauders (1735). Rechts ist die Darstellung der Rosenkranzspende zu sehen, ein Thema, das sich in jeder Kirche des Dominikanerordens wiederholt. Der Dominikusaltar enthält den Sarkophag der Katakombenheiligen Columba. Der Altar ist ein Werk der Zureich-Werkstatt (1741–1746). Das Altarblatt von Johann Jakob Lenz (1746) stellt die das «Sorianische Bild» des hl. Dominikus dar, welches die Muttergottes einem Predigermönch überreicht. Im Obblatt ist die hl. Katharina von Ricci zu sehen, die hier im Jahr ihrer Heiligsprechung schon präsent ist.
Bildquelle: Andreas Praefcke in Wikipedia.
 
«Die grossformatige, von drängender Bewegung erfüllte Darstellung ist in drei Figurenschichten unterteilt, die dicht ineinander verflochten sind. Zuunterst kniet links auf kugeliger Wolke Johannes der Täufer mit Taufmuschel und Lamm. Rechts neben ihm schwebt der Evangelist Johannes auf dem Adler heran, umringt von lebhaft agierenden Putten. Ein schräg schwebender Engel mit ausgebreiteten Armen vermittelt hinauf zur thronenden Muttergottes, die das Jesuskind auf dem Schoss hält. Dieses wendet sich der vor ihr knienden hl. Katharina zu, um ihr den Vermählungsring anzustecken. Zuoberst schliesslich, über einem Engelskonzert und von der Gloriole munterer Himmelskinder umgeben, Gottvater mit ausgebreiteten Armen».
(Thomas Onken in: Jacob Carl Stauder, 1972).