Schloss und Schlossgarten Schwetzingen

    Inhalt
  Arkadien   1.   Arkadien in der Rheinebene
  SchlossSchlossgarten   2.   Schloss und Schlossgarten
    SchlossSchlossgarten2   2.1   Schloss und Schlossgarten bis 1748
    Barockgarten   2.2   Der barocke Garten 1749–1772
    Landschaftsgarten   2.3   Der Landschaftsgarten 1773–1824
    Ausstattung   2.4   Die Ausstattung des Gartens
  Gartengebaeude   3.   Die Gartengebäude des Nicolas de Pigage
  Wasserwerke   4.   Die Wasserwerke
    Bildhauer   A 1 Bildhauerische Werke im Schwetzinger Garten
    Symbolik   A2 Symbolik der Gartengebäude im Schwetzinger Garten

1.  Arkadien in der Rheinebene

Schwetzingen
«Der erste Gang, wohl auch der einzige Zweck des Fremden bey seinem Besuche Schwetzingens, ist der Gang nach dem Schlossgarten», schreibt 1816 Helmina von Chézy.[1] Die Feststellung der ausgezeichneten Beobachterin und Schriftstellerin gilt noch heute, und dies seit 1793, dem Jahr der Öffnung für das Publikum. Der pfälzische Kurfürst Carl Theodor ist Vollender des Schwetzinger Gartens.[2] Seit 1777 ist er Kurfürst von Bayern und verlegt 1778 den Hof nach München. Damit endet eine lange Periode der Nutzung Schwetzingens als Jagd- und Sommersitz der Kurfürsten aus der Neuburger Linie der Wittelsbacher, die seit 1685 die Kurpfalz regieren. Sie halten sich mit dem Grossteil ihres Hofes während Monaten hier auf, um mit Jagd-, Musik-, Ballett-und Theatervergnügungen, mit Empfängen und auch mit literarischen und wissenschaftlichen Konversationen ihr privilegiertes Leben zu geniessen. Vor allem Carl Theodor ist treibende Kraft für die Erweiterung des Gartens und seiner Gebäude. Sich selbst als Apoll fühlend, strebt er in Schwetzingen eine Darstellung der Wiederkehr des «Goldenen Zeitalters» an. Sein Schwetzinger Hof wird Anziehungspunkt von Musikern wie Mozart, Komponisten wie Gluck, Philosophen wie Voltaire,[3] Dichtern wie Hölderlin oder Abenteurern wie Casanova. Fürsten und Gesandte aus ganz Europa werden in Schwetzingen empfangen. Viele, wie die Familie Mozart, müssen in den Gasthöfen des kleinen Ortes logieren. Noch 1726 hat der inzwischen gewachsene Flecken erst 420 Einwohner in ungefähr 50 Häusern, darunter aber schon viele Gasthöfe. Inzwischen erhöht sich die Einwohnerzahl im Sommer nicht nur durch die vielen Besucher und Durchreisenden, sondern auch durch die rund 600 Angehörigen des Hofstaates mit ihren Familien. Der Grossteil muss im Dorf untergebracht werden. 1786 wohnen in 191 Häusern bereits 1458 Einwohner.

Kurpfalzkarte 1777/80   «Charte von Teutschland» Blatt Baden 1813
SchwetzingenKurpfalzkarte1776   Schwetzingen1813
Zwei Kartenausschnitte der Lage von Schwetzingen mit der Begrenzung Speyer – Mannheim – Heidelberg zeigen die Lage von Schwetzingen in der Mitte. In beiden Karten ist die damalige Hauptverbindungs-Chaussee Mannheim-Schwetzingen–Heidelberg ersichtlich.
Links der Ausschnitt aus der Kurpfalzkarte des Mannheimer Jesuiten Christian Mayer und des Stechers Aegid II Verhelst (Charta Palatina Iussu Et Auspiciis Seremissimi Ac Potentissimi Electoris Palatini Ducis Regentis Bavariae Caroli Theodori Mannhemio Basileam Usque Producta). Die Widmung an Carl Theodor als bayerischen Kurfürsten legt ihren Druck auf 1780. Sie ist hier im Vergleich zur «Topographisch-militairische Charte von Teutschland in 204 Sectionen 1813» (Ausschnitt Sect. 118, rechts) nach Norden abgedreht. Die Karte von 1776 enthält die noch geplante Achsen und die Sternallee zum südlich gelegenen Jagdpark.
Bildquelle Kurpfalzkarte 1777/1780: Wikipedia (als Gesamtkarte abrufbar). Bildquelle Karte 1813: David Rumsey Map Collection.

Die Lage
Die Umgebung Schwetzingens hat sich seit der Zeit, als die Fürsten und Besucher den Ort noch mit Kutschen erreichten, stark verändert. Ein unbefangener heutiger Reisender kann den damaligen Traum von Arkadien erst verstehen, wenn er sich im Schlossgarten von Schwetzingen befindet. Denn südlich von Mannheim ist die ehemals grüne Ebene zwischen Neckar und Rhein einem heillosen Durcheinander von Schnellstrassen, Autobahnen und Bahnanlagen gewichen. Industrie- und Wohnsiedlungen prägen den Grossteil der früheren Forst- und Landwirtschaftsflächen.
Um sich die Lage Schwetzingens zur Barockzeit vorzustellen, muss man alte Landkarten konsultieren. Wie die Kurpfalzkarte Christian Mayers von 1780, zeigt auch die Militärkarte von 1813 eine freie Landschaft mit nur wenigen Dörfern, die von zwei Chausseen durchschnitten wird. Die eine Chaussee, beidseits von einer Maulbeerbaum-Allee besäumt, führt in gerader Linie von der alten Residenzstadt Heidelberg Richtung Westen in den Schlosshof von Schwetzingen. Mit der heutigen Carl-Theodor-Strasse ist diese Achse in Schwetzingen erhalten und ihre Fortsetzung nach Heidelberg ist noch immer spürbar. Die von Mannheim Richtung Süden nach Schwetzingen führende Strasse wird erst nach der 1720 erfolgten Verlegung der Residenz wichtig. Beide Chausseen werden bis 1763 anstelle der alten Landstrassen angelegt.[4] Sie sind nun als Schnellstrassen für Diligencen nutzbar. Für Fussreisende beträgt die Wegzeit aus Heidelberg zwei, aus Mannheim drei Stunden.


2.  Schloss und Schlossgarten

2.1 Schloss und Schlossgarten bis 1742

   

Ein Jagdschloss wird Sommerresidenz
Im heutigen Schloss ist der Kern des ursprünglichen Jagdsitzes erhalten. Es wird vom 14. bis ins 16. Jahrhundert von den Pfalzgrafen im Zentrum ihres ausgedehnten Jagdgebietes westlich der Residenz Heidelberg gebaut. Eine letzte Erweiterung 1508–1541 formt aus den mittelalterlichen Bauten eine viergeschossige kleine Dreiflügelanlage, die nach Osten in Richtung Heidelberg geöffnet ist. Dieses Renaissance-Schloss ist 37 Meter breit und endet mit zwei Ecktürmen. So zeigt sich der Mittelbau noch heute dem Ankommenden. Das Schloss wird 1635 durch kaiserliche Truppen gebrandschatzt. Eine Vogelschauskizze aus Osten stellt das nach dem Dreissigjährigen Krieg wiederhergestellte Schloss dar. Es ist als Wasserschloss mit einem durch den Leimbach gespeisten Wassergraben umgeben. Schon damals führt der Heidelberger Weg direkt in die Schlossachse. Gezeichnet ist nördlich des Schlosses auch die Ortschaft Schwetzingen. Diese, geteilt in das nördliche Unterdorf mit der Kirche und in das südliche Oberdorf, hat allerdings schon im 17. Jahrhundert mehr Häuser als in der Zeichnung dargestellt. Das 1635 in Brand gesetzte Schloss wird bis 1658 wiederaufgebaut. Dreissig Jahre später, im ersten Jahr des pfälzischen Erbfolgekrieges, zerstören es französische Truppen erneut. Weil die Festung Mannheim und das pfälzische Residenzschloss Heidelberg[5] kurz darauf auch zerstört werden, residiert der seit 1690 regierende Kurfürst Johann Wilhelm[6] weiterhin in Düsseldorf.
Nach der 1693 erfolgten vollständigen Zerstörung Heidelbergs beginnt er mit dem Wiederaufbau der Stadt, ab 1697 auch mit dem Wiederaufbau Schwetzingens. Für den sommerlichen Aufenthalt des Hofes und auch für Regierungsgeschäfte lässt er das Schloss vergrössern. Damit ist er der eigentliche Erbauer der heutigen Schlossanlage. Die Baumeister des Heidelberger Bauamtes, Heinrich Charrasky[7] und Johann Adam Breuning[8] leiten die Ausführung.
1698–1706 ist Charrasky für den Wiederaufbau der Kernanlage zuständig. Breuning erweitert 1711–1713 das Dreiflügelschloss mit zwei neuen, zweigeschossigen Winkelbauten und schafft damit die heutige Ehrenhofanlage.
Die Flügel bilden einen 97 Meter breiten Hof. Sie dienen der Unterkunft von Hofkavalieren und Hofdamen. Der neue Ehrenhof wird anschliessend mit einem vorgezogenen Abschlussgitter und zwei flankierenden Torbauten in Richtung der Heidelberger Ausfallstrasse erweitert.[9]
1715/16 erfolgt, erneut unter Baumeister Breuning, die Erweiterung des Mittelbaus zur westlichen Gartenseite. Er legt der noch aus dem 16. Jahrhundert stammenden Westfassade eine Zimmerflucht vor, die er um zwei turmartige Eckrisalite auf 42 Meter erweitert. Damit zeigt das Schloss in West und Ost das noch heute bestehende Aussehen.
Der Ausbau erfolgt bereits unter dem neuen Regenten Carl Philipp.[10]
Dieser bezieht Schwetzingen 1718 als vorläufigen Regierungssitz, verlegt dann aber 1720 die Residenz nach Mannheim. Dort beginnt er mit dem Bau des neuen Schlosses, in das er 1731 einziehen kann. Schwetzingen bleibt deshalb sein bevorzugter Aufenthalt während der warmen Jahreszeit. Weil er jeweils mit dem Grossteil des Hofstaates übersiedelt, wird das nun umgebaute Schloss eigentliche Sommerresidenz.
Der seit 1742 regierende Kurfürst Carl Theodor belässt das Schloss unverändert, lässt aber 1762–1764 die Anlage um den Küchenflügel erweitern. Dazu wird der an das Kernschloss angefügte Flügel des Ehrenhofs nach Süden in gleicher Breite und Höhe um 36 Meter verlängert. Das Erdgeschoss wird Zugang zum neuen Winkelgebäude des eingeschossigen Küchenflügels, aber auch zum Verbindungsgang in das südliche Zirkelgebäude. Das neue 62 Meter lange Küchengebäude bildet jetzt den südlichen Abschluss der Schlossanlage. Alle Flügel des Ehrenhofes von 1711–1713 und die Erweiterungen von 1762–1764 sind aussen im ursprünglichen Zustand erhalten, innen aber zu Gunsten neuer Nutzungen modern umgebaut.

Schwetzingen1656  
Das Wasserschloss und das Dorf Schwetzingen auf einer Waldkarte des Schwetzinger Hardts nach 1656.
Quelle: GLA Karlsruhe.
 
   
SchwetzingenCarlWilhelm1708  
Kurfürst Carl Wilhelm und seine Gemahlin Anna M. Luisa de Medici um 1708 in einem Porträt von Jan Frans van Douven. Kurfürst Carl Wilhelm lässt ab 1698 das Schloss Schwetzingen bauen.
Bildquelle: Wikipedia.
 
   
SchwetzingenCarlPhilipp1730  
Kurfürst Carl Philipp um 1730 in einem Porträt von Pierre Gaudréau. Carl Philipp baut Schwetzingen zur Sommerresidenz aus und ist Erbauer des barocken Schlossgartens. Bild: LMZ BW Steffen Hauswirth.




 

Der alte Schlossgarten
Schon vor der zweiten Zerstörung Schwetzingens im pfälzischen Erbfolgekrieg besteht westlich des Schlossgrabens ein Garten. Er wird unter Kurfürst Carl Wilhelm wiederhergestellt. Der Garten ist klein, ungefähr 80 Meter breit und 160 Meter lang. In seiner Art ist er dem manieristischen «Hortus Palatinus» des Schlosses Heidelberg angenähert. Im Garten stehen vergoldete Statuen des Bildhauers und Baumeisters Charrasky. Zwei dieser um 1707 gegossenen Statuen, eine arkadische und eine böotische Atalante,[11] befinden sich noch heute am Eingang zum Garten. Durch Alessandro Galli da Bibiena[12] lässt Kurfürst Carl Philipp ab 1718 eine halbrunde Orangerie bauen. Sie ist Westabschluss des Gartens, der sich bis an Stelle des heutigen Arion-Brunnens in der Mitte des Zirkels ausdehnt. Die Orangerie ist konkav zum Garten geöffnet und dient im Sommer vor allem für Hoffeste. 1724-1728 verbindet Galli da Bibiena auf der Südseite des Gartens die Orangerie durch einen Kommunikationsgang mit dem Schloss. Dieser erste Garten und sein Orangeriegebäude weichen nach 1750 dem neuen Barockgarten.

2.2 Der barocke Garten 1749–1775

SchwetzingenPalnLeRouge1775-2   SchwetzingenGarrtenplanLe Rouge1775
1775 veröffentlicht Georges-Louis Le Rouge (1712–1790) in seinem Werk «Les jardins Anglo-Chinois» um 1767 Pläne des Barockgartens Schwetzingen. Es sind wahrheitsgetreue, sehr präzis vermessene, gestochene Plandarstellungen des Gartens und der Gebäude im barocken Zustand, kurz vor den Erweiterungen zum Landschaftsgarten. Die Pläne sind dem damaligen Gebrauch entsprechend nach Westen orientiert. Diese Orientierung des Gartenplans hat sich  in Schwetzingen bis heute erhalten.
Bildquelle: Bibliothèque nationale de France.
Plan links: «Jardins de Schwetzingen a l'Electeur Palatin à 3. Lieues de Manheim et à 2. Lieues de Heidelberg». Übersichtsplan des Gartens im Format 37,3 x 24 cm. In diesem Plan ist der südlich liegende und heute verschwundene Jagdpark eingetragen.
Plan rechts: Der eigentliche Gartenplan ist auf 2 Stichen im Druckplatten-Format von 37,2 x 24,1 cm dargestellt, die hier zusammengesetzt sind. Von den Gartenbauwerken Pigages sind zur Zeit des Stichs (um 1769) erst der Apollotempel mit dem Naturtheater und der Minervatempel in der südlichen Angloise gebaut. Anstelle des zu dieser Zeit schon geplanten Badhauses ist noch «Bains» als Teil der (1778 aufgehobenen) Menagerie eingetragen.
Neubauplanungen, Theaterneubau und Schlossgarten bis 1758
SchwtzingenCarlTheodor   Mit dem Regierungsantritt von Kurfürst Carl Theodor 1742 beginnt für Schwetzingen eine eigentliche Blütezeit. 1748 lässt der Kurfürst als Ersatz der Orangerie von 1718 das nördliche Zirkelgebäude bauen. Geplant von Galli da Bibiena, stellt Guillaume d'Hauberat[13] das Gebäude fertig, nimmt aber noch Korrekturen vor. Fünf Risalitbauten oder Pavillons mit Mansard-Walmdächern prägen das eingeschossige Viertelkreis-Gebäude von 167 Meter Länge. Mit diesem Bau bestimmen die beiden leitenden Mannheimer Baudirektoren die Lage und den Durchmesser des späteren Zirkelparterres und damit auch die neue Süd-Nord-Achse Schwetzingen-Mannheim. Gleichzeitig laufen umfangreiche Planungen für den Neubau der Schlossanlage, deren Verwirklichung erst 1754 aufgegeben wird.[14] Beteiligt an diesen Planungen ist auch Franz Wilhelm Rabaliatti.[15] 1753–1754 erstellt Rabaliatti das südliche Zirkelgebäude baugleich mit dem nördlichen Orangeriegebäude. Die Pavillons sind hier aber Gesellschafts-, Spiel- und Speiseräume der Hofgesellschaft. Seit 1749 ist der 1752 zum Oberbaudirektor ernannte Nicolas de Pigage[16] auch für die  Neubauplanungen in Schwetzingen tätig. Schon 1752 baut er ein neues Hoftheater, das im Juni 1753 mit der Oper «Il figlio delle selve» eröffnet wird. Es liegt hinter dem Westende des nördlichen Zirkelbaus und ist, leider 1971–1974 bis zur Unkenntlichkeit verändert, noch immer für Oper, Konzert und Theater nutzbar.[17]
Kurfürst Carl Theodor, 1763
von Anna Dorothea Therbusch
gemalt. Während einem halben
Jahrhundert prägt er den
Ausbau der Sommerresidenz
und des Gartens als Bauherr.
Bildquelle: Wikipedia.
 

 
Gleichzeitig mit der Erstellung des südlichen Zirkelbaus und des Theaters kann der Kurfürst den Hofgärtner in Zweibrücken, Johann Ludwig Petri,[18] für die Planung des neuen Schlossgartens gewinnen. Der 1753 von Petri erstellte Gartenplan ist die Grundlage für den Ausbau des Schlossgartens bis 1758, dessen Ausführung unter seiner Leitung läuft. Er formt aus dem Halbkreis der Zirkelbauten das grosse Kreisparterre. Den durch die Zirkelbauten vorgegebenen Kreis von 322 Meter Durchmesser vervollständigt er mit Laubengängen aus Gitterwerk. Die breite, offene Hauptachse Richtung Westen, die «allée principale», ist von vier «parterres a l'angloise» begleitet und im Norden und Süden mit offenen Alleen, den «allées secondaires» begrenzt. In der Mitte liegt ein Fontänebecken, das mit vier «parterres de broderie»[19] umgeben ist. In der Nord-Süd-Achse des Zirkels bilden zehn Baumreihen, die drei Alleenwege rahmen, einen massiven grünen Querriegel. Die vier Zirkel-Kreissektoren gestaltet Petri boskettartig mit Blütengehölzen. Diese vier Sektoren sind heute als Grünflächen vereinfacht und entsprechen damit als einzige Elemente nicht der Zirkelplanung von Hofgärtner Petri. Der Petri-Plan von 1753 umfasst aber nicht nur den Zirkel. Er legt den neuen Garten in ein Rechteck von 350 x 510 Meter. Die «allée principale» verlängert er mit einem Wasserbecken und perspektivisch verengt nach Westen. Die seitlichen Flächen sind als Boskette gestaltet. In der heutigen Gestaltung ist das Wasserbecken zwar einer Grünfläche gewichen, die barocke Gartengestaltung von Petri ist aber noch immer vorhanden. Wie alle deutschen Barockgärten ist er trotz der gelegentlichen Bezeichnung als «Französischer Garten» keine reine Übernahme französischer Vorbilder.[20]
Die Erweiterung des barocken Gartens durch Nicolas de Pigage
SchwetzingenPigage1764   Die Nordseite des Schlossgartens erweitert Pigage 1761 mit dem neuen Orangerieparterre. Das Rechteck von 195 Meter Länge und 72 Meter Breite ist von einem Kanal umgeben und wird über vier Brücken erreicht. An seine nördliche Längsseite baut er die neue Orangerie. Zur Zeit des Neubaus muss sie 1000 Kübelpflanzen beherbergen. Mit zwei Glashäusern an den Enden sollte das Gebäude die Länge des Parterres erreichen. Das westliche Glashaus wird nicht verwirklicht, sodass die Orangerie heute 171 Meter lang ist.[21]
1762 wird Pigage auch kurfürstlicher Gartendirektor. Sein erster Plan für die Erweiterung des Schlossgartens ist mit 1761 datiert. Er übernimmt die Grunddisposition von Petri, verlängert aber die Boskettzone um zwei grosse, aber streng barocke Boskette nach Westen. Der Abschluss bildet ein Querbassin von rund 350 Meter Länge. Im Unterschied zu Petri öffnet er die Mittelachse zur Landschaft, der 673 Meter hohe Kalmit in der Ferne ist jetzt Point de vue. Parallelsymmetrisch zum nördlichen Orangeriegarten legt er im Süden den Obstgarten an. In den Plänen von 1761 ist auch die mit dem Garten zusammenhängende «Sternallee», dem grossen und heute verschwundenen Jagdpark im Südwesten (Gebiet Lidl an der Hockenheimer Landstrasse) dargestellt.[22]
1764 malt Anna Dorothea
Therbusch auch den seit 1749
leitenden Hofarchitekten und
Vertrauten des Kurfürsten,
Nicolas de Pigage.
Bildquelle: Wikipedia.
 
Den Zustand des Gartens um 1768 ist im Titeldruck des Kalenders «Étrennes palatines de l'année 1769», aber auch an einem identischen Stich von Le Rouge 1767 ablesbar.[23] Die Stiche zeigen den Barockgarten vor der Erweiterung zum Landschaftsgarten. Noch ist der Garten mit Ausnahme der Binnengliederung einzelner Bosketts in englischer Manier, der «bosquets à l'angloise», streng geometrisch gestaltet. Er ist mit Grenzkanälen umfasst, die von einer erhöhten Allee, der «allée en terrasse» begleitet sind. Auch Gartenbauwerke sind in diesen «bosquets à l'angloise» schon erstellt. Zwei der englischen Bosketts, die heute als «Angloisen» bezeichnet werden, schliessen westlich an den Zirkel an. Hier befindet sich in der südlichen Angloise der Minervatempel und in der nördlichen das «Vogelbad». Hauptaugenmerk richtet der Kurfürst aber auf die Zone westlich der neuen Orangerie. Das in der Flucht des Orangeriegartens liegende Boskett enthält das Naturtheater und den Apollo-Rundtempel. Es ist der südliche Abschluss einer Enfilade von Gartenräumen mit dem Badhaus in der Mitte. Dieses wird 1768–1775 gebaut und soll dann ein Lieblingsaufenthaltsort des Kurfürsten sein. Im Plan ist es noch nicht dargestellt. Hingegen ist im nördlichen Dreieck die heute nicht mehr vorhandene Menagerie mit dem Wasserbecken eingetragen.[24]
    Die erwähnten Gartengebäude sind unten ausführlich beschrieben.

2.3 Die Erweiterung zum Landschaftsgarten 1775–1824

SchwetzingenGartenplan1820   SchwetzingenGartenplan1820Legende
1820 veröffentlicht Gartendirektor Zeyher einen Plan des Schlossgartens von Schwetzingen. Der Stich enthält alle Veränderungen und Erweiterungen nach 1775. Er ist im Wesentlichen noch heute gültig. Wie die Pläne von Le Rouge (1775) ist auch er nach Westen orientiert und kann deshalb gut verglichen werden. Eine Erläuterung zum Plan ist zusätzlich beigelegt.
Die seit 1775 erfolgten Erweiterungen des Barockgartens zum Landschaftsgarten durch Ludwig Sckell und Nicolas Pigage sind folgende:
1777 [g] Arboricum Theodoricum (Englischer Garten) mit Tempel der Botanik [K], Römischer Ruine [M], Aquädukt [L], Wasserwerk [N]
1778 [R] Hofanlage im türkischen Garten. Moschee bis 1784.
1784 [P] Landschaftsgarten mit Merkurtempel über dem Möris-See.
1785 [h] Chinesische Brücke vom Grossen Bassin zum nördlichen Landschaftsgarten mit der Baumschule [Z].
Erweiterungen durch Johann Michael Zeyer ab 1804:
1804 [X] Arboretum mit Mutterschule ausländischer Holzarten [Y] anstelle der Menagerie.
1823      Umwandlung des Grossen Bassins in einen See mit Landschaftsgarten-Umgebung.
Bild aus: Johann Michael Zeyher «Schwezingen und seine Gartenanlagen, mit Kupfern und dem Plane des Gartens», Schwetzingen ca. 1820. Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg.

Abkehr vom barocken Garten
Dem streng formalen barocken Garten begegnet schon im frühen 18. Jahrhundert in England (Stowe House Garden ab 1718) der malerische oder poetische Landschaftsgarten, der sich vor allem bemüht, den Eindruck einer natürlichen Schöpfung zu erwecken. Die Architekturelemente des Gartens sind jetzt vorwiegend Staffage. Mit der beginnenden Aufklärung setzt sich der Landschaftsgarten auch in Kontinentaleuropa durch. «Et in Arcadia ego» ist jetzt Leitmotiv. In Schwetzingen bleibt der barocke Garten erhalten, wird aber seit 1775 unter der Leitung von Nicolas de Pigage behutsam mit Erweiterungen im Sinne des Landschaftsgartens ergänzt.

Arboricum Theodoricum

Eine erste Erweiterung ist das Arboricum Theodoricum, das im Norden angefügt wird. An das westliche Ende des langgezogenen romantischen Wiesentälchens legt Pigage einen Rundbau, den «Tempel» der Botanik und unweit davon das Römische Wasserkastell, eine künstliche Ruine mit Aquädukten und Obelisk. Der Obelisk erinnert an vermeintlich römische Funde während der Bauarbeiten 1777. Dies, aber auch die Aquädukt-Verbindung zum einige Jahre vorher gebauten unteren Wasserwerk, erklärt die römische Ruinenanlage vernünftiger, als symbolische Deutungen der «segensreichen Tätigkeiten des Kurfürsten, die das Land befruchteten, wie das Wasser, das den Garten fruchtbar macht».[25] Das untere Wasserwerk ist eine technische Meisterleistung der Wasserbewirtschaftung, das hohe Gebäude liegt aber bereits ausserhalb der nördlichen Gartengrenze.[26]

Der Türkische Garten mit der Moschee

1778 geht der Kurfürst mit dem Hof nach München. Seinem Gartendirektor Nicolas de Pigage stellt er schon 1777 den jungen, aus einem Bildungsaufenthalt in England zurückgerufenen Friedrich Ludwig Sckell[27] zur Seite. Die nun folgende Erweiterung des Schwetzinger Gartens zu einem klassischen Landschaftsgarten ist zum grossen Teil ein Werk von Sckell, der nach dem Tod von Pigage 1796 auch dessen Amt übernimmt. Sein erstes Werk ist die Anlage des südlichen Türkischen Gartens, der von Pigage noch als symmetrisch-spiegelbildliches Pendant zum Boskett mit dem Naturtheater geplant ist. Nachdem der jetzt in München wirkende Kurfürst für den Schwetzinger Garten weiterhin finanzielle Unterstützung gewährt,[28] wird um 1778 im Türkischen Garten mit dem Bau einer grossen Hofanlage mit Wandelgang, Eck- Mittel- und Stichpavillons begonnen. Die neue anglo-chinesische Mode macht sich damit in Schwetzingen gleich mit einer wirklich bemerkenswerten Architektur bemerkbar. In fernöstlicher Manier ist dieser Innenhof als Blumengarten gestaltet. An seine westliche Längsseite fügt Pigage 1782–1795 eine Moschee mit zwei Minaretten an. Der Hof im Türkischen Garten ist jetzt Vorhof der Moschee. Die Gesamtanlage von Vorhof und Moschee ist einmalig, nicht wegen ihres fernöstlichen Bezugs, sondern wegen ihrer ausserordentlichen Architektur in Einheit mit dem Vorhof. Sie kann nicht mehr als «folie» oder «folly» gelten, wie die Franzosen oder Engländer ihre Lustgarten-Gebäude bezeichnen. Sie ist auch nicht als Gebetstätte für Muslime brauchbar, dazu fehlen alle liturgischen Elemente und auch die Ausrichtung nach Mekka. Dass der in München residierende Kurfürst noch immer die grossen Baukosten übernimmt, deutet auf eine gebaute Verklärung des islamisch-orientalischen Humanismus hin, wie er damals von Voltaire und Lessing zum Ausdruck gebracht wird. Die Moschee soll Tempel der Weisheit und der Tugend sein.

Der englische Landschaftsgarten
Nach dem Neubau der Moschee wird 1784 die westliche Erweiterung durch einen Landschaftsgarten begonnen. Den barocken Kanal, der das Bauwerk rückseitig begrenzt,  verwandeln Pigage und Sckell in eine romantische Seenlandschaft, der auch die erhöhten Promenaden-Alleen zum Opfer fallen. Im See spiegelt sich jetzt die Rückseite der Moschee mit den Minaretten malerisch. Der See liegt im Merkurgarten, der seinen Namen von der 1784–1792 gebauten künstlichen Ruine in Form eines Belvedere verdankt. Dieser Merkurtempel befindet sich auf einer künstlichen Anhöhe, dessen Untergeschoss mit dem Aushub des Sees zugeschüttet wird. Als Fiktion einer klassischen Ruine befeuert er die späteren Besucher zu allen möglichen Theorien zu seiner Symbolik, in neuester Zeit auch die Freimaurer.
Dieser neue Gartenteil mit dem Merkurtempel ist die zweite Erweiterung des Barockgartens. Sckell gestaltet anschliessend auch die Umgebung des grossen Querbassins als Englischen Garten. Mit der Landschaftsgarten-Erweiterung an der Westflanke des grossen Französischen Gartens hat der Schwetzinger Garten seinen heutigen Umfang erreicht. 1793 wird er für Besichtigungen freigegeben. Mit der Besatzung der Kurpfalz durch französische Revolutionstruppen endet 1795 eine 40 Jahre andauernde Schaffensperiode im Garten von Schwetzingen.

Korrekturen 1804–1824
1803 wird die rechtsrheinische Pfalz dem badischen Staat zugeteilt. Sckell wechselt als Hofgarten-Intendant nach München. Der badische Markgraf beruft an dessen Stelle seinen in Basel wirkenden Hofgärtner Johann Michael Zeyher[29] nach Schwetzingen. Zeyher legt schon im ersten Jahr hinter der Orangerie das Aboretum an, das er als dendrologischen Lehrgarten versteht. Zwei schmiedeiserne Tore, 1755 als Abschluss zwischen «Lust- und gemiess garthen» in der südlichen Nutzgarten-Erweiterung erstellt, dienen jetzt als Abschluss des Arboretums.[30] Das grosse westliche Querbecken verwandelt er in einen naturnahen See, der in Verbindung mit dem kleinen See des Merkurgartens steht. Er nimmt zu Gunsten des Unterhalts auch einige Vereinfachungen vor. So füllt er das an den Zirkel anschliessende Spiegelbassin in der Mittelachse auf und vereinfacht die Kreissektoren des Zirkels zu Grünflächen. Um 1824 ist der Garten auch in der heutigen Erscheinung vollendet. Der Besucher erlebt bei einem Rundgang den Werdegang der deutschen Gartenbaukunst vom Barockgarten bis zum Landschaftsgarten.


2.4 Die Ausstattung des Gartens

Skulpturale Ausstattung
Im Schwetzinger Garten gibt es 130 frei aufgestellte Bildhauerarbeiten aus allen Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Viele sind als Figurengruppen den Brunnen und Fontänen zugeordnet, wie die Arion-Gruppe im Mittelbassin des Zirkels. Diese Gruppe stammt aus dem Nachlass von Stanislaus Leszczinski in Luneville. Die meisten Skulpturen sind allerdings Werke kurfürstlicher Hofbildhauer. Nicht alle sind ursprünglich für Schwetzingen geschaffen worden. Nur wenige dieser Skulpturen können sicher einem Künstler zugewiesen werden. Diese sind im Anhang aufgeführt.
Gehe zum Anhang I «Bildhauerische Werke im Schwetzinger Garten».
Alle Skulpturen zählen zum üblichen Repertoire eines fürstlichen Gartens. Sie verkörpern die Jagd, die Elemente, olympische Götter, Flussgötter sowie Figuren der griechischen und ägyptischen Mythologie. Der heutige Besucher darf nicht erwarten, dass die originalen Bildwerke Jahrhunderte im Freien überdauert haben. Viele, vor allem diejenigen in Sandstein, sind überarbeitet. Die meisten sind zudem Kopien.

Treillagen und Spielereien
Im Gegensatz zu den Skulpturen sind die Gartenarchitekturen spezifisch für den Schwetzinger Garten gebaut. Es sind meist überraschende Gestaltungen mit Treillagen. So wird das laubbedeckte Gitterwerk der architektonisch gestalteten Pavillons und der Bogengänge, der «berceaux de treillage», genannt. Die ersten dieser Architekturen sind die ab 1753 gebauten westlichen Zirkel-Abschlüsse. Sie bilden eigentliche architektonische Gartenräume. Auch wenn in den Gärten des 18. Jahrhunderts die vielen mechanischen Spielereien der Renaissancegärten fehlen, sorgen jetzt grüne Kleinarchitekturen mit Spielereien für das Amüsement der Hofgesellschaft.

SchwetzingenTreillage1709   SchwetzingenGarten13Treillage
In «La Théorie et la Pratique du Jardinage» (Paris 1709) stellt Antoine Joseph Dézallier d'Argenville im Kapitel VIII verschiedene «Portiques, Berceaux et Cabinets de Treillage» vor. Für die Bepflanzung des Gitterwerks empfiehlt er Strauchrosen, Jasmin, Geissblatt oder Wilder Wein.
Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg.
  Eine noch nicht bewachsene Treillage in der Gestalt eines Triumphbogens am Diagonal-Eingang vom Kreisparterre zur nördlichen Angloise. Beidseitig dieses Eingangs schliessen die «Berceaux de treillage» (Gitterwerk-Laubengänge) des Kreisparterres an. Im Hintergrund die Marmorgruppe der Galatea von Grupello. Mehr zur Galateagruppe siehe im Einschub «Bildhauerwerke». Foto: Bieri 2021.

Zu den Spielereien zählt die 1776 gebaute Raumgestaltung mit den wasserspeienden Vögeln im Badhaus-Gartenteil westlich des Arboretums. Es ist eine ovale Treillage-Architektur, auf der Vögel das Wasser über den Besucher hinweg in ein Mittelbecken speien. Die Grünarchitektur ist mit zwei Ruhekabinetten in der Querachse und mit vier Volieren in den Diagonalachsen unterbrochen. Diese Art der Wasserspiele ist ein Erbe der Renaissance. Pigage kennt solche Wasserspiele wahrscheinlich aus dem lothringischen Malgrange.[31]
Von der Ovalrotunde mit den wasserspeienden Vögeln gelangt man zu einem grünen Bogengang, der in einen gebauten Querriegel mit Grottenabschluss führt. Die rückwärtige Öffnung der Grotte gibt ein Landschaftsbild auf einer freien, gebogenen Wand frei. Dieses als «Ende der Welt» oder «Perspektiv» bezeichnete illusionistische «Trompe-l'œil» vermittelt dem Näherschreitenden eine weit entfernte Landschaft.

Brücken
Der Schwetzinger Schlossgarten besitzt 14 Brücken. Es sind meist Holzbrücken, die mit ihren weissgestrichenen Brüstungs-Tragwerken sicher nicht mehr ursprünglich sind, aber sich gut einfügen. Eine dreiarmige Drehbrücke am Weg von der Moschee zum Merkurtempel ist leider verschwunden. Erhalten ist die «Chinesische Brücke» am Nordende des heute «Grosser Weiher» genannten naturnahen Sees, der zur Zeit des Brückenbaus noch das «Grosse Bassin» ist. Sckell greift mit der Brücke 1779 ein beliebtes Thema der damaligen Landschaftsgärten auf, das ihm aus England bekannt ist.[32] Die Brücke, dort entsprechend des vorherrschenden englischen Palladianismus als «palladian» bezeichnet, wird von Pigage selbst als Rialtobrücke bezeichnet. Ihren Namen erhält sie später im Zuge der damals an allen Höfen grassierenden Chinamode.

3.  Die Gartenbauwerke des Nicolas de Pigage

«Das Vorzügliche im Garten von Schwetzingen sind die Gebäude, die in der That in einem edlen Stil ausgeführt sind» (Hirschfeld 1785)[33]
Obwohl die Gartenbauwerke sich auf den ersten Blick wenig von den üblichen Follies oder Folies englischer und französischer Vorbilder unterscheiden, besitzen sie trotz ihrer pittoresken Einbindung in den Garten eine erstaunliche Autonomie in Zeichensprache und Architektur. Sie formulieren ein aufklärerisches Programm der Toleranz, auch «inszenierte Memoria und Symbol kurpfälzischer Stammesherrschaft».[34] Die Zeichensprache ihrer Architektur und vor allem ihrer Bildwerke ist vielschichtig und kann unterschiedlich ausgelegt werden. Im Antrag zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbenliste 2007 wird der Garten sogar als Ergebnis freimaurerischer Ideen präsentiert.[35] Diese Interpretation ist irreführend, denn selbst wenn man Aufklärung und Freimaurerei gleichsetzt, bleibt die Ikonologie der Bauwerke und der Bildwerke von Schwetzingen in die übergeordnete Symbolik der Antike und ihrer Rezeption seit der Renaissance eingebunden.
Die im Garten liegenden Staffagen-Bauwerke und Gartenlusthäuser werden hier chronologisch, entsprechend ihrem Baubeginn aufgeführt. Ein Einschub zur Ikonologie wird an jeden Gebäudebeschrieb angehängt.

Der Apollotempel und das Naturtheater
Schon 1761, im ersten Plan von Pigage, ist im Boskett westlich des Orangeriegartens und in dessen Mittelachse das Naturtheater vorgesehen. Am Ostzugang flankieren zwei Sphingen die Treppenstufen, die zu einer abgesenkten Zuschauerarena führen. Vier weitere Sphingen bewachen die Stufen in der Nord-Süd-Achse. Vom Zuschauerraum bemerkt man südlich dieser Blickachse den Neptunbrunnen und nördlich die «Wasserglocke» mit dem Porzellanhäuschen. Wieder in der Ost-West-Achse folgt nach dem Zuschauerraum die erhöhte Bühne, auf der heute wieder Kulissenhecken das frühere Proszenium andeuten. Den Bühnenabschluss bildet als Point de vue, sechs Meter erhöht, der Apollotempel. Er steht auf der Terrasse eines Belvederes. Dieser ist vom Theater als Felsenlandschaft mit Kaskade und seitlichen Aufgängen wahrnehmbar. Die Kaskade wird aus einer von zwei Quellnymphen gehaltenen Vase gespeist. Alle Bildhauerarbeiten und auch die Apollo-Statue im Tempel sind Werke von Verschaffelt.
Der Apollotempel ist als Monopteros, als offener Rundtempel angelegt. Mit seiner Kuppelhaube und den zwölf jonischen Säulen unterscheidet er sich nicht von vielen klassischen Tempelarchitekturen in englischen Gärten. Seine Wirkung beruht ausschliesslich in der Einbindung als Point de vue im Apollohain mit dem Naturtheater.
Das Naturtheater wird 1775 mit einer Aufführung eröffnet. Mit dem Wegzug des Hofes nach München wird es nicht mehr benutzt, sodass früh anstelle der Kulissenhecken Bäume das ehemalige Theater säumen. Seit 2006 ist es wieder im ursprünglichen Sinn hergestellt.
> Apollo, Najaden und Sphingen

Der Tempel der Minerva
Vom Arion-Brunnen im Zirkel führt eine Diagonale nach Südwesten in die südliche Angloise. Am Endpunkt der Diagonale steht der Merkurtempel, leicht erhöht hinter dem Bassin des Brunnens mit den beiden Tritonenkindern. Pigage baut den Tempel ab 1766. Er ist eine der ersten frühklassizistischen Architekturen in Deutschland. Wie alle Gartentempel der Klassik in Frankreich und England ist er eine Rezeption römischer Vorbilder.[36] Mehr als diese legt aber Pigage auf Prospektwirkung Wert und vermeidet jede Monumentalität. Er öffnet den quadratischen Innenraum zur Vorhalle, verzichtet damit auf die übliche Cella, setzt die korinthischen Säulen der Vorhalle im Innern fort und erreicht damit eine ungewöhnlich feine Interpretation der Klassik. Die Höherlegung des Tempels nutzt er für die Ausbildung eines gewölbten Untergeschosses, das wegen des eingelassenen Beckens im Boden und den Sitzbänken an den Aussenwänden als Ritualraum gedeutet wird. Die Bildhauerarbeiten des Tempels sind von Grupello, Verschaffelt und Linck.
> Die Göttin Minerva

Das Badhaus
1768 beginnt Pigage mit dem Bau des Badhauses. Es liegt der Nord-Süd-Achse zwischen dem Belvedere mit dem Apollotempel und den wasserspeienden Vögeln. Das Badhaus ist kein Staffagebau wie die Tempel oder Ruinen, aber auch kein «maison de plaisance» wie dies in der Bewerbung zum UNESCO-Welterbe geschrieben wird.[37] Es ist, wenn man unbedingt französische Begriffe verwenden will, ein «pavillon de plaisance», der sich im Garten eines «maison de plaisance» befindet. Trotz seiner Bezeichnung als Badhaus hat es auch nichts mit den wenigen barocken Bade-Lusthäusern wie etwa mit der Badenburg im Garten von Nymphenburg gemeinsam.[38] Denn der dortige Badesaal mit einem zentralen Becken (7,5 m x 4,8 m) ist in Schwetzingen einer ovalen Vertiefung (3,8 m x 2,6 m) im südwestlichen Eckzimmer gewichen. Tatsächlich wird das Gebäude von Pigage einzig als Rückzugsort des Kurfürsten geplant. Derart kann es der Kurfürst nach der Fertigstellung 1773 nur kurz nutzen, schon fünf Jahre später ist er in München.
Pigage baut den Pavillon als frühklassizistisches Schmuckstück mit ausgewogener und strenger, fast ornamentaler Raumsymmetrie. Im Grundriss, der mit den Massen von 17,5 zu 14 Meter nur wenig vom Quadrat abweicht, spart er in beiden Längsseiten halbkreisförmig offene Eingänge aus. Sie führen zu einem zentralen, ovalen Saal, der mit einem Tambour um drei Meter gegenüber den übrigen Räumen erhöht ist. Von diesem Mittelsaal werden axial zwei Vorzimmer erschlossen. Vom westlichen Vorzimmer kann das Ruhezimmer und das Badekabinett erreicht werden, vom östlichen das Schreibzimmer und das Teezimmer, das auch Chinesisches Zimmer genannt wird. Die harmonische Strenge des Grundrisses äussert sich auch in der jeweils dreiteiligen Fassadengestaltung. Seit der letzten Restaurierung besitzt das Dach über dem Tamboursaal wieder die bekrönende, vergoldete Balustradenbrüstung.[39]
Die Architektur des Badhauses wird mit den Zentralbauten der Renaissance verglichen, wie sie im palladianischen England des 18. Jahrhunderts wieder Auferstehung feiern. Eine derart klare Lösung mit halbrunden, axialsymmetrischen Ausschnitten, ihrer Verbindung mit einem zentralen Ovalsaal und der gleichzeitigen Einbindung in einen Rechteckkörper wird aber in Schwetzingen das erste Mal erreicht.[40]
Dass Pigage hier eine Renaissanceidee derart perfekt umsetzen kann, ist auch der Zwecklosigkeit der gebauten Architektur zu verdanken. In Schwetzingen gilt das Primat der Form.
Dies zeigen nicht nur Scheintüren, sondern vor allem die Nichtexistenz aller dienenden Räume. Sie werden bewusst in der Umgebung versteckt. Die «Badküche» ist ein kleiner Winkelbau, nur 10 Meter nördlich vom Badhaus gelegen. Mit zwei erhöhten Reservoirs wird von hier zur Kurfürstenzeit auch das Badwasser zugeführt.
Alle Innenräume sind ungewöhnlich reich mit Stuckreliefs, Bildhauerarbeiten und Malereien ausgestattet. Der Wert, den der Kurfürst dem Badhaus als Rückzugsort beimisst, kann in den Innenräumen erahnt werden. Alle Stuckaturen und Wandreliefs stammen von Joseph Anton Pozzi.[41] In den Nischen des Ovalsaals sind über Konsoltischen die Personifikationen der Jahreszeiten aufgestellt. Die vergoldet wirkenden Nischenskulpturen sind von Verschaffelt, die Tische von Linck. In der ovalen Flachdecke ist ein Gemälde von Nicolas Guibal[42] eingelassen. In den vom Ovalsaal zugänglichen beiden Vorräumen dominieren zartfarbiger Stuckmarmor, Stuck und Reliefs von Pozzi. In den gerundeten Eckübergängen stehen auf Konsoltischen Puttengruppen in Bleiguss von Franz Xaver Messerschmidt.[43]
Aussergewöhnlich aufwändig ist das südöstliche Eckzimmer gestaltet, das als Schreib- oder Arbeitszimmer des Kurfürsten gilt. Korinthische Säulen mit vergoldeten Kapitellen und Basen tragen eine abgesetzte Nische. Ein grosses Landschaftsgemälde bildet die Nischen-Rückwand. Die Wände sind mit einer intarsierten Vertäfelung verkleidet, in der weitere sechs hohe Landschaftsgemälde des kurfürstlichen Kabinettmalers Ferdinand Kobella[44] eingelassen sind.
Im nordöstlichen Teezimmer sind acht Bilder, in chinesischen Werkstätten auf chinesisches Papier gemalt, in die Vertäfelung eingelassen. Deshalb auch der Ausdruck chinesisches Zimmer.
Im südöstlichen Ruheraum-Zimmer sind die Wände mit einer 2006 wieder rekonstruierten Seidentapete bespannt. Hier sind beidseits der Alkoven-Nische durch Tapetentüren zwei Kleinsträume zugänglich, deren einer als kurfürstliche Toilette gilt.[45]
Im südwestlichen Badezimmer dominiert das um sieben Stufen vertiefte ovale Bad, das von der nördlich gelegenen «Badküche» mit Warm- und Kaltwasser bedient wird. Die Wände sind als Grottenwerk mit Naturquarz gestaltet. Stuckreliefs stellen Najaden dar. Ähnlich aufwändig ist die Decke gestaltet, sie ist auch mit Spiegeln versehen. Die Ausführung wird vollständig Pozzi zugeschrieben.
> Eine Architektur ohne Götterbezug

Der Tempel der Botanik
1778/80 wird der Tempel der Botanik als «point de vue» am westlichen Ende des «Arboricum Theodoricum» oder Wiesentälchens erstellt. Es ist ein einfacher, überkuppelter Rundbau von fünf Meter Innendurchmesser. Im Garten von Kew hat Sckell eine solche Rotunde als «Tempel of Solitude» kennengelernt. Pigage gestaltet den Schwetzinger Bau noch einfacher, indem er die Fenster weglässt. Der Tempel liegt erhöht. Der Eingang des rindenartig verputzten Rundbaus wird von liegenden Sphingen flankiert. Das Innere wird durch die Scheitelöffnung der kassettierten Kuppel belichtet. Die Stuckausstattung, wieder von Pozzi, ist thematisch auf die Wissenschaft der Botanik bezogen. In der zentralen Nische steht die Personifikation der Botanik von Carabelli.
> Verherrlichung der botanischen Wissenschaft

Das römische Wasserkastell
Unweit des Tempels der Botanik liegt als gebaute Ruinenlandschaft das römische Wasserkastell. Wie Piranesi dies in seinen Stichen des «castello dell'acqua giulia» darstellt, fällt aus einem Triumphbogen eine Kaskade über Stufen, hier in den darunter durchgeführten Leimbach. Der Bogen wird von zwei Türmen gefasst, von denen nur noch einer hochragt. Der Wasserfall ist heute versiegt. Er wird früher durch eine in Form eines römischen Aquädukts gebauten Zuleitung mit Wasser versorgt. Dieser Aquädukt ist in gerader Linie mit dem 80 Meter entfernt liegenden unteren Wasserwerk verbunden. Ruinenlandschaft und unteres Wasserwerk werden um 1779 gebaut. Der seitlich vom Leimbach begleitete Aquädukt und das barocke Wasserwerk liegen ausserhalb des Gartens. Die Gartenbegrenzung Richtung Ost und West übernehmen deshalb Aquädukte, die als künstliche Ruinen den Garten und den darin aufgestellten Obelisken malerisch rahmen. An der Ausführung der Ruinen ist Sckell ebenso beteiligt wie Pigage. Sie sind aus Tuffsteinen gemauert, die nicht ausgefugt werden. Auch die beiden Tonreliefs des Bildhauers Matthias van den Branden sind derart künstlich gealtert, wobei die zugefügten Beschädigungen so gesetzt sind, dass die Figuren noch voll erkennbar sind.
> Wassermystik und Ruinenromantik


Die Moschee

Hofanlage und Moschee
Das eindrücklichste Bauwerk im Garten ist sicher die Moschee. An ihr wird 1782 bis 1792 gearbeitet. Sie ist eines der wenigen noch erhaltenen Bauwerke dieser Art in einem europäischen Garten. Sie verkörpert das neue Interesse am Orientalischen. Schon Fischer von Erlach stellt in seinem dritten Buch «von einigen Gebäuden der Araber und Türken» Moscheen vor.[46] Dort sind auch die grossen Moscheehöfe abgebildet. In Mode kommen die Moscheen als Gartenstaffage vorerst in England, die erste Moschee steht im Garten von Kew. Sie ist zwar Sckell, Pigage und auch dem Kurfürsten bekannt, hat aber keinen Moscheehof. Dieser entsteht völlig unabhängig von der Planung der Moschee, die vielleicht ursprünglich kein Bestandteil der Neuplanung des «Türkischen Gartens» ist.

SchwetzingenBauwerkeMoscheePlan   Der Hof im Türkischen Garten
Spätestens 1779, eher aber schon 1778 wird im «Türkischen Garten» westlich des Obstgartens der Bau einer grossen Hofanlage in orientalischer Manier begonnen.[47]
Die weite Innenhofanlage von 90 auf 32 Meter dient später als Vorhof zur Moschee. Bei Baubeginn werden der Hof und seine Gebäude als «Türkische Anlage» bezeichnet. Der eher einem Laubengang als dem immer wieder zitierten Kreuzgang gleichende offene Wandelgang wird durch vier Eck- und zwei Mittelpavillons betont. An den äusseren Längsseiten sind, alle durch einen kurzen Verbindungsgang mit dem Wandelgang verbunden, vier kleinere Seitenpavillons erschlossen. An den Schmalseiten sind zwei grössere Pavillons derart angeordnet.
Die Architektur der Wandelgänge ist von England geprägt, wo parallel zum Palladianismus der Stilpluralismus blüht. Vor allem in Gärten werden jetzt anglo-chinesische Bauwerke errichtet, die gleichzeitig mit neugotischen Elementen durchsetzt sind. Im Gegensatz zu den dortigen skurillen Architekturen, wie sie etwa im Londoner Vauxhall-Garden[48] um 1750 zu sehen sind, gestaltet Pigage den Wandelgang in klassisch tektonischer Holz-Struktur mit vorgesetzten Gitterelementen, wie es die chinesische Baukunst lehrt und wie es später Schinkel mit dem Ausspruch formuliert, dass die eigentliche Aufgabe der Architektur sei, jeden Teil der Konstruktion in seinem Charakter schön herauszubilden. Dies sind beim Wandelgang von Pigage die 38 offenen Eingänge in jedem zweiten der 82 Joche. Ihre Arkaden schneiden mit Kielbogen-Quergiebel in das Dach ein, gotisierende Dreipässe rahmen die Öffnungen. Auf den Quergiebeln sitzen vergoldete Halbmonde.
Im Gegensatz zu den dortigen skurillen Architekturen, wie sie etwa im Londoner Vauxhall-Garden[48] um 1750 zu sehen sind, gestaltet Pigage den Wandelgang in klassisch tektonischer Holz-Struktur mit vorgesetzten Gitterelementen, wie es die chinesische Baukunst lehrt und wie es später
Schinkel mit dem Ausspruch formuliert, dass die eigentliche Aufgabe der Architektur sei, jeden Teil der Konstruktion in seinem Charakter schön herauszubilden.
Dies sind beim Wandelgang von Pigage die 38 offenen Eingänge in jedem zweiten der 82 Joche. Ihre Arkaden schneiden mit Kielbogen-Quergiebel in das Dach ein, gotisierende Dreipässe rahmen die Öffnungen. Auf den Quergiebeln sitzen vergoldete Halbmonde.

Die Pavillons der Hofanlage
Alle Pavillons sind Massivbauten, ihre Eingänge und Durchgänge bilden von Säulen getragene Kielbögen. Die Stuckarbeit in allen Pavillons ist ein Werk von Giuseppe und Carlo Luca Pozzi.[49]
Die vier Eckpavillons brechen mit einem sechseckigen Grundriss die Kanten des Innenhofs. Mit der aufgesetzten Rundkuppel wirken sie bereits wie eine kleine Moschee. Viele kleine Rundfenster im Kuppeltambour sorgen für die Belichtung. Interessant sind die Eckdienste, die im Kuppelpendentif als Palmbäume enden. Das Kuppeldach wird von einem vergoldeten Reif bekrönt.

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Links: Der nordöstliche Eckbereich der Hofanlage mit den gotisierenden Kielbogen-Arkaden der Wandelgänge. Foto: Bieri 2010.
Rechts: Blick in einen Wandelgang. Foto: Bieri 2021.
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Links: Der nordöstliche Eckpavillon in Gestalt einer kleinen Moschee . Foto: Bieri 2021.
Mitte: Der östliche, mittlere Pavillon ist grosszügiger Eingang in die Hofanlage. Foto: Bieri 2021.
Rechts: Inschriftentafel am Mittelpavillon, der Spruch in Deutsch und Arabisch. Foto: Andreas Stephan 2008.
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Links: Blick in das Gewölbe eines Eckpavillons. Die Eckdienste sind Palmbäume, die in die Kuppelpendentifs übergreifen. Foto: Bieri 2021.
Die Deckenzone der «Priesterkabinette» überrascht durch ihre Stuck- und Farbgestaltung. Foto: AnRo2002 2018 in Wikipedia.

Die beiden Mittelpavillons sind Eingangs- und Zugangshallen zum Hof, zur Moschee und auch zu den Wandelgängen. Ihr quadratischer Mittelbau wird mit einer Attika überhöht, deren Masswerkbrüstung gotisierend wirkt und die Mittelkuppel fast verschwinden lässt. Terrassenartig sind auch die zu den Wandelgängen überleitenden, leicht zurückgesetzten Nebenbauten mit einer Masswerkbrüstung abgeschlossen. Die Wirkung von Terrassen ist allerdings vorgetäuscht. An den Aussenfassaden sind beidseits der Durchgänge grosse Inschriftentafeln mit dekorativ gestalteten arabischen Sprichwörtern eingelassen.
Von den sechs Aussenpavillons, welche von den Hof-Aussenseiten abgerückt und vom Wandelgang mit Stichgang erreicht werden, sind die beiden an die Schmalseiten des Vorhofes angedockten Zentralbauten sehr anspruchsvoll gebaut. Der Innenraum ist als griechisches Kreuz in einen quadratischen Grundriss eingeschrieben. Die reiche Deckengestaltung überrascht durch ihre Stuck- und Farbgestaltung. Die Quertonnen ihrer Kreuzarme sind als gebrochene Flachbogen ausgebildet. Die Vierung wird kassettenartig zu einer kleinen Kuppel verjüngt, die in den belichteten Raum des chinesischen Daches eingreift und durch farbige Glaseinsätze den Eindruck von Edelsteinen vermittelt. Gotische Türen führen zu den durch das griechische Kreuz ausgeschiedenen Eckkabinetten, die als Räume für die rituellen Reinigungen der «Priester» beschrieben werden. Dies, weil diese zwei grösseren Pavillons aus nicht nachvollziehbaren Gründen als «Priesterkabinette», die kleineren vier an der Längsseite angedockten Pavillons hingegen als Frauenwaschräume bezeichnet werden.

Das Moscheegebäude
Die Lage
Westlich des grossen «Türkischen Gebäudes», wie der Innenhof 1780 genannt wird, baut Pigage ab 1781/82 die Moschee. Ihre Lage grenzt an den damals noch bestehenden barocken Grenzkanal. Schon beim Bau der Moschee muss daher auch die 1786 begonnene westliche Landschaftsgarten-Erweiterung in Form einer Planungsidee bestanden haben.
Der Zugang zur Moschee erfolgt vom westlichen Mittelpavillon des Gartenhofs über einen geschlossenen Gang. Das Bauwerk liegt leicht erhöht.

Das Bauwerk
Der 11 Meter hohe Hauptbaukörper besteht aus einem im Grundriss quadratischen Mittelbau mit eingebogenen Ecken, dem in der Nord-Süd-Achse zwei ebenfalls quadratische Nebenbauten angefügt sind. Dem Mittelbau ist ein Arkadenoktogon eingeschrieben, das zu einer runden Attika überleitet. Diese hohe Attika bildet einen Ring mit türkisch inspirierten Stuckaturen. Darüber setzt die steil geführte Kuppel an, in der hohe Rundfenster einschneiden. Im Innenraum vermittelt vor allem die reiche Ornamentik mit ihren Blautönen einen orientalischen Eindruck.
Aussen sind es die beiden Minarette, die diesen Eindruck vermitteln. Denn die westliche Hauptfassade des Sockelgebäudes ist dem klassizistischen französischen Barock verpflichtet. Spitzbogenaufsätze auf dem Säulen-Portikus und weitere anglo-gotische Fassadenelemente wirken hier eher hilflos. Die Hauptaufmerksamkeit des Bauwerkes beansprucht die hohe Tambourkuppel des Mittelbaus. Pigage täuscht durch einen vorgeblendeten Tambour mit Kuppeldachwerk die doppelte Höhe vor, die er mit der eigentlichen Kuppel erreicht hätte. Damit wird das Bauwerk zum überdimensionalen Staffagebau.[50] Zur osmanischen Baukunst hat die äussere Gestalt der Tambourkuppel keinen Bezug, denn diese kennt weder hohe Tamboure noch Scheinkuppeln. Die Schwetzinger Moschee zitiert trotz aller anglo-gotischen und osmanischen Dekorationen europäischen, klassischen Barock. Auch trotz der beiden Minarette ist dies an der freien Westfassade ablesbar.[51] Die Ostfassade kann nur über den «türkischen» Innenhof erfasst werden, aus dieser Sicht verliert die Tambourkuppel ihre Dominanz und das Bauwerk wirkt wirklich orientalisch.
Die beiden Minarette werden erst 1792 vollendet. Eine gekrümmte Verbindungsmauer mit Spitzbogennischen verbindet sie mit der Moschee. Sie sind türkischen Vorbildern nachempfunden.
> Orientbegeisterung

Der Merkurtempel    
SchwetzingenMerkurtempelGrRiss   Erst mit der landschaftlichen Gartenerweiterung im Westen kann das letzte Gartengebäude verwirklicht werden. Anstelle des begrenzenden Kanals wird ab 1785 an der Westfassade der Moschee ein kleiner See ausgehoben. Am gegenüberliegenden Ufer dient das Aushubmaterial für die Aufschüttung eines Hügels um ein verstecktes Untergeschoss, das als Fundament für ein neues Gartenmonument dienen soll. 1791 wird das Bauwerk als Merkurtempel beschrieben. Der Name, der sich auf eingelassene Reliefs in «wetterfesten Marmorstuck»[52] bezieht, irritiert. Denn der «Tempel» ist ein 20 Meter hohes Belvedere, das mit grossem Aufwand als romantische Ruine gebaut ist. Über den Grottengewölben des Fundamentgeschosses, dessen Innenraum von Süden zugänglich ist, liegt das aussergewöhnliche Sockelgeschoss des Zentralbaus. Sein Grundriss ist geometrisch klar und wird trotzdem verschieden gedeutet.[53] Die im Plan über den dreiachsigen Grundriss gelegte Geometrie zeigt ein Sechseck, das eine innere Kernrotunde umfasst. Die Kanten des Sechsecks sind einwärtsgebogen. Anders als bei vielen klassizistischen Geometriespielereien ist der Grundriss selten, hat aber barocke Vorläufer.[54] Der derart aussergewöhnliche, 10 Meter hohe Kern bildet die Basis der Aussichtsrotunde.
Kreiskonzentrisch kragen drei quadratische Räume aus diesem Sechseck aus. Sie liegen innerhalb eines gleichschenkligen Dreiecks mit 17 Meter Schenkellänge. Auf dem Plateau des inneren Sechsecks steht, als Fortsetzung der Kernrotunde, ein nochmals 10 Meter hoher Rundtempel, der auch als Kuppeltambour gelesen werden kann. Er dient als Aussichtsplattform. Der Ruineneffekt wird mit grossem Aufwand erreicht. Die nach Osten «eingestürzte» Kuppel und der vorgetäuschte Einsturz der Kuppelüberdeckung des auskragenden Nordostkabinetts erfordern innere Wasserabläufe und im Kuppelbereich Eisenanker. Wie beim römischen Wasserkastell sind die Fugen des Tuffsteinmauerwerks ausgewaschen, das Mauerwerk wird mit klaffenden Rissen gebaut und selbst die Reliefs werden künstlich beschädigt. Das beabsichtigte ruinöse Erscheinungsbild des Merkurtempels dürfte das Ergebnis der Mitwirkung Sckells sein.
> Die Fiktion einer klassischen Ruine
   


4.  Die Wasserwerke

Für die Wasserversorgung der Brunnen, Kaskaden und Fontänen wird schon 1726 beim nördlichen Ehrenhofflügel über dem Leimbach ein Wasserwerk errichtet. Es wird 1762–1764 erneuert. Bis 1772 baut Pigage auch den heutigen Wasserturm. Schon vor der ersten Erweiterung zum Landschaftsgarten, dem 1774–1778 gebauten Arboricum Theodoricum, wird nördlich des römischen Wasserkastells ein neues, kleineres Wasserwerk in gleicher Technik errichtet. Weil tiefer gelegen, ist es nun das untere Wasserwerk, das ältere beim Schloss ist seither oberes Wasserwerk. Zeyher bezeichnet dieses Werk im Gartenplan mit N, das obere mit NN. Wider besseres Wissen ist für ihn das untere Werk auch das ältere. Mit seinen Datierungen verursacht er ein gehöriges Durcheinander. Zudem beschreibt er den Neubau von 1762 völlig unglaubwürdig als Schöpfradwerk, das zur Verschlammung geführt habe.[55] Tatsächlich sind beide Wasserwerke von Beginn weg Pumpwerke. Die Technik ist hochinteressant. In jedem der beiden Pumpwerke treiben zwei unterschlächtige Wasserräder mit Zahnradübersetzungen Kolben-Druckpumpen an, die Wasser aus mehreren kommunizierenden Grundwasser-Zisternen saugen und es im oberen Wasserwerk auf ein Niveau von 18 Meter in die Metallreservoire im Wasserturm befördern. Im unteren Werk liegen die Tanks im Dachraum des ländlich wirkenden zweigeschossigen Gebäudes und müssen nur 10 Meter in die Höhe gepumpt werden. Die Technik dieser beiden Wasserwerke ist zwar im 18. Jahrhundert nicht mehr neu und wird für Nymphenburg schon 1716 beschrieben. Um auf dem laufenden technischen Stand zu sein, gehen Brunnenmeister Thomas Breuer und der Bildhauer Verschaffelt 1756 nach Paris, um die gewaltigen «machines de Marly» zu besichtigen, die das Wasser der Seine zu Versorgung von Versailles um 168 Meter anheben. Marly und die meisten dieser barocken Anlagen sind heute verschwunden. Es scheint, dass die beiden Werke in Schwetzingen zu den ältesten noch erhaltenen zählen. Das untere Werk kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden.

Pius Bieri 2021


Literatur

Chambers, William: Plans, Elevations, Sections, and Perspective Views of the Gardens and Buildings it Kew in Surry. London 1763.
Helmina von Chézy: Gemälde von Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen. Heidelberg 1816.
Zeyher, Johann Michael: Schwezingen und seine Gartenanlagen (Ausgabe ohne Verfassernennung 1824), spätere Ausgaben mit Verfasserangaben.
Martin, Kurt: Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Mannheim, Stadt Schwetzingen. Karlsruhe 1933.
Fuchs, Carl Ludwig: Schloss Schwetzingen. Kurzführer. Schwetzingen 1991.
Wertz, Hubert Wolfgang: Massnahmen im «Zirkel» des Schwetzinger Schlossgartens, in: Die Gartenkunst des Barock, ICOMOS-Tagung 1997, Heft XXVIII.
Leopold, Silke und Pelker, Bärbel (Hrsg.): Hofoper in Schwetzingen. Heidelberg 2004.
Niedermeier, Michael: Die Gärten von Schwetzingen. Inszenierte Memoria und Symbol kurpfälzischer Stammesherrschaft, in: Schwetzingen, Kurfürstliche Sommerresidenz. Nominierung zur Eintragung in die UNESCO-Welterbeliste. Antragsband Seite 211–228. Bruchsal 2009.
Landesamt für Denkmalpflege, Stuttgart (Hrsg.): Arbeitsheft 25. Monumente im Garten – der Garten als Monument. Internationales Symposium 31. März bis 2. April 2011 Schloss Schwetzingen.

 

Web

Leuschner, Udo: Arkadien – Entstehung einer Traumlandschaft. Erste Veröffentlichung 1991.
https://www.udo-leuschner.de/sehn-sucht/arkadien/index.htm
Beitmann, Bert: Wanderungen durch deutsche Gärten des Barocks und des Rokokos. O. J.
http://www.gartenkunst-beitmann.de/
(Gartenhistorische Fundgrube mit einem interessanten, aber einseitigen Abschnitt zu maurerischen Bezügen).
Finanz- und Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, Stadt Schwetzingen (Hrsg.): Schwetzingen, Kurfürstliche Sommerresidenz. Nominierung zur Eintragung in die UNESCO-Welterbenliste. Antrags- und Textband 2009. Abgerufen 2012, im Netz nicht mehr verfügbar.
Thomsen-Fürst, Rüdiger: «Es ist nur ein Dorf». Schwetzingen mit den Augen Leopold Mozarts. Begleitpublikation zur Ausstellung 2019.
https://heiup.uni-heidelberg.de/catalog/book/566
Schloss Schwetzingen in der Wikipedia. 
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Schwetzingen

Fotos:
Viele Fotos dieser Seite sind aus den Wikipedia-Commons übernommen. Vor allem den Autoren «AnRo0002», Karl Theo, Roman Eisele, «Maulaff» und «Stanzilla» danke ich für ihre qualitativ hochwertigen Aufnahmen und der Genehmigung zur Weiterverwendung.

Anmerkungen

[1] Helmina von Chézy: Gemälde von Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen. Heidelberg 1816. [de.wikipedia.org/]

[2] Carl Theodor von der Pfalz (1724–1799), 1742–1799 Kurfürst von der Pfalz und 1777–1799 auch Kurfürst von Bayern. Er residiert in den Wintermonaten im Schloss Mannheim, das sein Vorgänger Carl Philipp 1720 begonnen hat und das er bis 1760 fertigstellt. Als ersten eigentlichen Publikumspark lässt er in München den Englischen Garten bauen, der zur gleichen Zeit wie der Schwetzinger Garten dem Publikum übergeben wird. Die Biografie zu Carl Friedrich siehe unter www.deutsche-biographie.de/.

[3] Voltaire (1694–1778) hält sich als Gast von Carl Theodor mehrmals in Schwetzingen auf. 1753 schreibt der Philosoph und Schriftsteller der Aufklärung: «Ich bin augenblicklich im Lustschloss seiner Durchlaucht des Kurfürsten von der Pfalz. Es fehlt mir nur Gesundheit, um alle Vergnügungen zu genießen. Französische und italienische Komödie, grosse italienische Oper, Komische Oper, Balletts, grosse Essen, Konversation, Höflichkeit, Würde, Einfachheit, das ist der Mannheimer Hof». Seine Erzählung «Candide ou l'optimisme» (Manuskript 1758) verfasst er vermutlich in Schwetzingen, wo er auch der Aufführung seiner Tragödie «Le Fanatisme ou Mahomet le prophète» beiwohnt. 1768 schreibt er: «Ich will, bevor ich sterbe, noch einer Pflicht genügen und einen Trost genießen: Ich will Schwetzingen wiedersehen. Dieser Gedanke beherrscht meine ganze Seele». Seine Auflistung von 1753 gilt allerdings dem Hof und nicht dem Garten, der zu dieser Zeit eine einzige Baustelle ist.

[4] Die gerade Chaussee von Schwetzingen bis zum Relaishaus (Pferdewechsel) wird 1751/52 in einer Breite von 9 Meter mit beidseitigen Promenadenwegen von je 3,60 Meter Breite gebaut. Die Fortsetzung nach Mannheim ist seit 1742 gebaut (Breite 4,80 Meter), wird dann aber 1765 verbreitert. Die Chaussee von Schwetzingen nach Heidelberg wird sogar erst 1763 gebaut. Vorbilder des beginnenden Baus von Schnellstrassen in Deutschland sind die Erfolge der königlichen Strassen in Frankreich für den dortigen Handel. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts werden die Strassen und Flussläufe von den deutschen Fürsten nur als Einnahmequelle betrachtet. Reisen auf dem Rhein, der in der Karte von 1780 frei mäandriert, sind noch im 18. Jahrhundert nur in Richtung Norden eine Alternative. Stromaufwärts muss getreidelt werden. Der Strom erfährt ab 1850, zusammen mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt und der Eisenbahn Korrekturen, wie dies die Woerl-Karte 1850 anschaulich schildert. Diese Verkehrsbauten des 19. Jahrhunderts stehen allerdings am Beginn einer Zerstörung der ursprünglichen Landschaft.

[5] Heidelberg wird von den Franzosen 1688 eingenommen. 1689 zerstören sie die Festungsstadt Mannheim und das Schloss Heidelberg. 1693 brandschatzen sie die Stadt Heidelberg auf Befehl des Sonnenkönigs.

[6] Johann Wilhelm Pfalz-Neuburg (1658–1716) regiert 1690–1716 als Pfalzgraf-Kurfürst von der Pfalz und als Pfalzgraf-Herzog von Pfalz-Neuburg. Er entstammt der jüngeren Neuburger Linie der Wittelsbacher. Sein Vater Philipp Wilhelm, Herzog von Jülich-Berg (1619-1690), wird nach dem Aussterben der männlichen Linie Pfalz-Simmern 1685 neuer Kurfürst der Pfalz.

[7] Heinrich Charrasky (1656–1710) aus Komorn in Ungarn ist Bildhauer, Bauschreiber der Stadt und auch Baumeister. Zu ihm siehe die Wikipedia-Biografie [https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Charrasky]. Leiter des Bauamtes und damit Vorgesetzter von Charrasky ist bis 1708 Franz Adam Sartorius. Charrasky dürfte den Wiederaufbau nach Plänen von Sartorius oder des Hof-Oberingenieurs Flémal geleitet haben.

[8] Johann Adam Breunig (um 1660–1727) aus Mainz. Breuning ist seit 1695 am Wiederaufbau Heidelbergs beteiligt. 1699 ist er Werkmeister der Stadt, 1708 städtischer Baumeister und damit Leiter des Bauamtes als Nachfolger von Sartorius. Er ist in Heidelberg Baumeister vieler Universitätsbauten, des Jesuitenkollegiums, der Jesuitenkirche, des Jesuitengymnasiums, der Karmelitenkirche, des Augustinerinnen-Chorfrauenklosters und vieler Privatbauten. Auch er dürfte beim Schlossbau in Schwetzingen den Weisungen des kurpfälzischen «Surintendanten» Simon Sarto (von dem keine Lebensdaten bekannt sind) gefolgt sein.

[9] Der heutige Ehrenhofabschluss ist eine 1927/28 durch Fritz Hirsch erfolgte Rekonstruktion.

[10] Carl Philipp III. von Pfalz-Neuburg (1661–1742) wird 1716 als Nachfolger seines Bruders Johann Wilhelm Kurfürst der Pfalz. Er kommt erst 1718 in die Pfalz und nimmt vorerst in Schwetzingen Wohnsitz, um dann nach einer gescheiterten Heidelberger Residenzplanung 1720 nach Mannheim zu wechseln. Weil mit ihm die Neuburger Linie der Wittelsbacher ausstirbt, fördert er als Vormund seinen entfernten Verwandten Carl Theodor und bestimmt ihn zum Nachfolger als Kurfürst von der Pfalz.
Mehr zu Carl Philipp unter: www.pfalzneuburg.de/pdf

[11] Die Atalanten, Jägerinnen und Begleiterinnen der Jagdgöttin Diana, werden noch im Dehio (1993) mit Atlanten (männliche Figur, die ein Gebälk trägt) verwechselt.

[12] Alessandro Galli da Bibiena (1686–1748) aus Parma. Er wird nur in Deutschland Bibiena genannt. Mitglieder der Familie, die ursprünglich aus Bibbiena in der Toskana stammt, zählen zu den bekanntesten Theaterarchitekten des Barocks. Seit 1716 ist Alessandro im Umkreis des Kurfürsten Carl Philipp tätig, zuerst in Innsbruck, dann in Neuburg an der Donau. 1718 baut er die Orangerie als damaligen westlichen Abschluss des Schwetzinger Gartens. 1737–1742 leitet er in Mannheim, nun als Oberbaudirektor, die Fertigstellungsarbeiten am westlichen Querflügel des Schlosses und erstellt die südlich anschliessenden Hofbauten mit Opernhaus und Ballhaus. Ab 1738 ist er hauptsächlich mit der Jesuitenkirche von Mannheim beschäftigt. 1748 erstellt er den Rahmenplan für die Neuordnung Schwetzingens.

[13] Guillaume d'Hauberat (1680–1749). Schüler von Robert de Cotte, der ihn 1716 in kurkölnische Dienste holt. 1726 ist er in Mannheim Nachfolger von Jean Clément Froimont. Er tritt 1738 in die Dienste des Fürsten von Nassau-Weilburg, worauf Allessandro Galli da Bibiena seine Stellung einnimmt. Nach dessen Tod 1748 wird er kurzfristig nochmals Oberbaudirektor. Mehr zu d'Hauberat in de.wikipedia.org/

[14] Vorerst läuft die etwas utopische Planung für ein neues Schloss an Standorten im Bereich des Zirkels. Mit dem Bau des nördlichen Zirkelgebäudes wird nur noch ein Neubau anstelle des bestehenden Schlosses geplant, wofür sechs Projekte eingereicht werden. Das Vorhaben wird zu Gunsten des bescheideneren Neubaus von Schloss Benrath bei Düsseldorf aufgegeben.

[15] Franz Wilhelm Rabaliatti (1714 oder 1716–1782). Sein Name wird in Italien Rabagliati geschrieben. Er schreibt sich selbst Raballiati. Als Nachfolger von Galli da Bibiena leitet er 1748–1754 die Vollendung der Jesuitenkirche von Mannheim. 1756 ist er für die Barockisierung der Jesuitenkirche von Freiburg im Üechtland (Fribourg) tätig. In Heidelberg leitet er 1749–1759 die Fertigstellung der Jesuitenkirche und baut 1750–1765 das repräsentative, schlossähnliche Seminarium Carolinum südlich des Jesuitenkollegs. Seit 1752 ist Nicolas de Pigage sein Vorgesetzter am Hof. Der Handwerker-Architekt Rabaliatti muss jetzt mit dem Künstler–Architekten De Pigage zusammenarbeiten, was sich auf seine eigenen Planungen positiv auswirkt. Das Verhältnis bleibt aber immer gespannt. Die übergeordnete Stellung von Pigage ist auch der Grund, warum diesem regelmässig die Erstellung des südlichen Zirkelbaus zugeschrieben wird.

[16] Nicolas de Pigage (1723–1796) aus Luneville. Studium 1744–1746 an der Académie royale in Paris. 1749 beruft ihn Kurfürst Carl Theodor nach Mannheim, vorerst für die Neugestaltung von Schwetzingen. 1752 wird er zum kurpfälzischen Oberbaudirektor ernannt. Er vollendet in Mannheim das Schloss. In den niederrheinischen Besitzungen Carl Theodors ist das Schloss Benrath sein Hauptwerk. Unter seiner Direktion bleibt der Mannheimer Hof ein Zentrum der Rezeption französischer Architektur. 1762 wird er auch kurpfälzischer Gartendirektor. Schwetzingen bleibt mit den Gartenbauten seine Lebensaufgabe. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[17] Bühnenbildner ist seit 1758 der Hoftheaterarchitekt Lorenzo Quaglio (1730–1804) aus Laino Valle d'Intelvi. Seine Bühnenbildentwürfe sind erhalten. Das bis dahin original erhaltene Schwetzinger Theater wird in den 1930er-Jahren nach über 130 Jahren wieder in Betrieb genommen. Eine «Restaurierung» von 1971–1974 zerstört das Bühnenhaus. Die originalen Bühnenmaschinerien des 18. Jahrhunderts, 1930 noch vollständig erhalten, sind anschliessend nicht mehr vorhanden. Auch der Zuschauerraum wird auf die doppelte Breite erweitert. Seither ist das Gebäude ein Flachdach-Monster (siehe dazu die GoogleEarth-Foto). Die Schwetzinger Festspiele sind damals wichtiger als der Originalerhalt eines Rokokotheaters. Der mutwillig dem Kommerz geopferte Theaterbau und die schon seit einem halben Jahrhundert zerstörte barocke Bühnenmaschinerie wird noch im zweiten Antrag (2011) zur Aufnahme Schwetzingens in die Liste des UNESCO-Welterbes mit über fünf Seiten in den Antrag einbezogen. Bei soviel Unverfrorenheit erstaunt die Ablehnung 2012 nicht mehr.
Bis 1971 ist der Bühnenraum 15,9 m breit und 19,4 m lang und mit Hinterbühne auf 34,6 m verlängerbar. Die Gesamtfläche der Bühne ist damit viermal so gross wie der Zuschauerraum. Die seitlichen Kulissen beschränken die bespielbare Fläche auf 7 bis 8 m. Mit Schnürboden (Obermaschinerie) und Versenkungsmaschinerie beträgt die Innenhöhe der Bühne 22 m.

[18] Johann Ludwig Petri (1714–1794) aus Eisenach, Sohn eines Eisenacher Hofgärtners. Er ist seit 1742 Gartenbaudirektor in Diensten des Herzogs von Pfalz-Zweibrücken, einem Wittelsbacher. Der mit dem Herzog verwandte Kurfürst Carl Theodor kann Petri 1753 in seine Dienste nehmen. Er wird zwar 1755 zum Oberhofgärtner ernannt, bleibt aber immer in Zweibrücken wohnhaft. Nachdem der Gartenneubau infolge der prekären Finanzlage nach 1756 nur noch schleppend vorangeht, quittiert er 1758 den kurfürstlichen Dienst und widmet sich nur noch Anlagen im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Petri legt mit seiner Gartenplanung die eigentliche Grundlage für den Schwetzinger Garten.

[19] Zum Gartenbau-Begriff Broderie und Boskett siehe das Glossar in dieser Webseite, Buchstabe B. Im Glossar sind auch die Begriffe Garten und Park erläutert.

[20] Die Bezeichnung «Französischer Garten» bezieht sich auf streng formale Gärten in der Nachfolge der italienischen Renaissancegärten. Sie sind keinesfalls Übernahme französischer Vorbilder, sondern nehmen Anregungen verschiedener Herkunft auf. So sind die holländischen Gärten hauptsächliche Vorbilder für das Anlegen der Kanäle und der Wasserwirtschaft. Antoine-Joseph Dezallier d’Argenville (1680–1765) fasst 1709 in seinem Hauptwerk «La théorie et la pratique du jardinage» 1709 erstmals die einzelnen Komponenten der Gestaltung zusammen und gibt ihnen die noch heute verwendeten Namen. Das Werk ist digitalisiert unter ub.uni-duesseldorf.de/.

[21] Zu den Orangerien von 1718 (Abbruch 1753), 1748 (Zirkelbau Nord) und der neuen Orangerie 1761 siehe die Wikipedia unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Orangerie_(Schwetzingen).
Die instruktive Wikipedia-Seite kann leider keine historischen Pläne zu Schwetzingen in einem sinnvollen Format zur Verfügung stellen, weil das Land Baden-Württemberg (LMZ, auch GLA) offenbar Open Access unnötig findet oder die nicht lesbaren, weil viel zu kleinen Pläne, als für das Publikum genügend erachtet. Haben die verantwortlichen Angst vor Wissensverbreitung? Sie sollten sich ein Beispiel an der Bibliothèque nationale de France (BnF Gallica) oder an der David Rumsey Map Collection nehmen.

[22] Der interessante erste Entwurf von Nicolas de Pigage liegt bei der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Die Verwaltung scheint aber nicht in der Lage, ein brauchbares Digitalisat im Open Access zur Verfügung zu stellen. Wieder muss man Zuflucht zur Bibliothègue nationale de France nehmen, die einen präzisen Stich (1767) von Le Rouge mit dem Schlossgarten und dem benachbarten Jagdpark im Open Access zur Verfügung stellt. Siehe entsprechende Gepflogenheiten bei der LMZ auch in der vorangehenden Anmerkung.

[23] Die «Étrennes» sind Jahreskalender des pfälzischen Hofes, in denen Neuigkeiten vor allem statistischer und genealogischer Art aus allen Höfen Europas einem französischsprechenden Publikum vermittelt werden. Ausführlich ist 1769 auch der Schwetzinger Garten beschrieben. Der Frontispiz-Stich «Plan des jardins de Schwetzingen» von Egid Verhelst ist Grundlage des Beschriebs. Dieser kleine Plan, von der Bayerischen Staatbibliothek mehr schlecht als recht digitalisiert, ist zusammen mit dem Beschrieb eine wichtige Quelle über den Stand der Arbeiten um 1768. Wie immer ist aber in der Bibliothèque nationale de France (BnF Gallica) ein Stich von Le Rouge in hervorragender Qualität im Open Access abrufbar, der auf der gleichen Vorlage beruht und 1767 erscheint. Der eigentliche Ausführungsplan von 1767 ist seit dem Weltkrieg verschollen und nur in einer ungenügenden Fotografie überliefert.

[24] Die Menagerie wird 1784 abgebrochen und dann bis 1802 in ein Arboretum (Baumsichtungsgarten, im Plan Zeyer 1820: «Mutterschule») umgewandelt. Das Arboretum wird in den offiziellen Webseiten der staatlichen Schlösser mit dem jenseits des Wassergrabens liegenden, schon ab 1773 erstellten Arborium Theodoricum verwechselt. Die offizielle, irreführende Erläuterung: «Zu Zeiten des Kurfürsten war das ummauerte Arboretum ein intimer Teil des Gartens, zu dem nur ausgewählte Gäste Zutritt hatten» kann ja kaum für das erst 1802 erstellte Arboretum zutreffen. Dies auch, weil noch heute geglaubt wird, dass die schmiedeeisernen barocken Torzugänge an ihrer ursprünglichen Lage stehen. Siehe auch die Anmerkung 30. Zum Begriff der Menagerie siehe das Glossar in dieser Webseite.

[25] Zitat aus der Webseite «Schloss und Schlossgarten Schwetzingen» der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, abgerufen im März 2021. Die Suche nach einem theosophisch-aufklärerischen Programm des Kurfürsten zur Schwetzinger Gartengestaltung beflügelt solche Erläuterungen. Nur: Alle Bauten und Skulpturen der grossen Barockgärten Europas weisen verwandte Programme auf, ohne dass dort nach dem philosophischen Hintergrund des Bauherrn gefragt wird. Sicher ist der Garten von Schwetzingen eine «inszenierte Memoria und Symbol kurpfälzischer Stammesherrschaft» und sicher sind einzelne Gartengebäude keine reinen Staffagebauten (mehr dazu siehe unter «Die Gartengebäude des Nicolas de Pigage»). Weil aber weder ikonografische noch politische Programme zur Gestaltung des Gartens bekannt sind, blühen heute umso mehr die Spekulationen. Dass die Gartengebäude von Schwetzingen die Aufklärung verkörpern, ergibt sich schon aus dem späten Zeitpunkt ihrer Fertigstellung.

[26] Mehr zu den beiden Wasserwerken siehe im letzten Kapitel. Das untere Werk ist mit Führungen zu besichtigen.

[27] Friedrich Ludwig Sckell (1750–1823), aus Weilburg an der Lahn, Sohn des Schwetzinger Hofgärtners Wilhelm Sckell, kann sich 1773–1777 mit einem Stipendium des Kurfürsten Karl Theodor in England weiterbilden. 1777 beginnt er unter der Oberleitung von Pigage mit der Erweiterung des Schwetzinger Gartens. 1789 wird er nach München berufen, um für Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz und Bayern unter der Oberleitung des Pfälzischen Generalmajors Benjamin Thomson, Reichsgraf von Rumford, den Englischen Garten zu planen. Seit 1799 ist er Gartenbaudirektor in Mannheim, 1804–1823 wirkt er als Hofgarten-Intendant in München.

[28] 1784 werden zwar die Gelder für den Garten gekürzt, aber noch immer fliessen erheblich Geldsummen nach Schwetzingen. Bis 1790 betragen sie um 45 000 Gulden und noch während der Revolutionskriege über 30 000 Gulden. Vor dem Auszug des Hofes nach München sind es bis zu 92 000 Gulden jährlich. Zu einer Zeit, in der das durchschnittliche Jahreseinkommen eines guten Handwerkermeisters 200 bis 250 Gulden im Jahr beträgt, sind dies gewaltige Summen. Der Kurfürst steht zwar nach 1777 einem Staat vor, der dauernd nahe am Bankrott vorbeischlittert (noch 1811 belaufen sich die Staatsschulden Bayerns auf das Vierfache der Staatseinnahmen, dies trotz Enteignung alles Klosterbesitzes), zeigt sich trotzdem nicht nur in Schwetzingen äusserst grosszügig.

[29] Johann Michael Zeyher (1770–1843) aus der seckendorfischen Herrschaft Obernzenn bei Ansbach. Er ist Sohn eines seckendorfischen Kunstgärtners und Kaiserlichen Geheimrates. Seit 1792 ist er als Botaniker in Basel tätig, wo ihn 1801 der badische Markgraf Carl Friedrich zum Hofgärtner (für den Garten des markgräflichen Schlosses in Basel) ernennt. 1804 wechselt er als Nachfolger des jetzt in München wirkenden Sckell als badischer Hofgärtner nach Schwetzingen. 1806 übernimmt er als Garten-Direktor die Leitung aller badischen staatlichen Gärten. 1809–1826 veröffentlicht er in mehreren Auflagen eine ausführliche Beschreibung des Schlossgartens in Schwetzingen mit einem Gartenplan, der noch heute grundlegende Gültigkeit hat. Seine Beschreibung und die ergänzend erscheinenden Stiche der Gartenbauten fördern noch im 19. Jahrhundert den Bekanntheitsgrad des Gartens, der jetzt vermehrt vom aufstrebenden Bürgertum aufgesucht wird.

[30] Zur neuen Lage dieser Tore siehe auch die Anmerkung 24. Sie werden wie selbstverständlich bei allen Stellen als Werke Rabaliattis bezeichnet, der eigentliche Schöpfer von derartigen Toren kann aber nicht der leitende Baumeister, sondern nur ein Kunstschlosser sein. Ist es vielleicht Philipp Reinhardt Sieber in Mannheim?

[31] Kurt Martin (1933) weist auch auf 39 derartige Wasserspiele im Labyrinth von Versailles hin. Weder in Versailles noch in Malgrange oder Luneville sind sie erhalten. Leider wird die Anlage entsprechend den verächtlichen Kommentaren der späteren vielen klassizistisch geschulten Besucher wenig gewürdigt. Thomas Alfred Leger findet sie 1795 «geistlos und gemein», fügt aber an, dass «die Ausführung den Kindern Vergnügen und Freude, und den Erwachsenen vielen Spass» bereite.

[32] Sckell, der längere Zeit in Kew (Surry) tätig ist, kennt die dortigen Bauwerke gut. Die 1763 erfolgte Veröffentlichung der Pläne von William Chambers sind dem Kurfürsten wahrscheinlich auch bekannt. Pigage hält sich 1776 ebenfalls hier auf. Der Garten von Kew hat auch auf weitere Schwetzinger Bauwerke wie die beiden Rundtempel, die Moschee und die römischen Ruinen grossen Einfluss. Chambers beschreibt die Brücke in Plan 32 als «taken from one of Palladios wooden bridges». Andrea Palladio veröffentlicht diese 1570 auf Seite 18 im dritten Buch seiner «Quattro libri». Deshalb wird sie auch als Palladio-Brücke bezeichnet, obwohl Pigage sie Rialtobrücke nennt.
Die Pläne von Kew sind abrufbar unter archive.org/.

[33] Christian Cay Lorenz Hirschfeld: Theorie der Gartenkunst, Band 5, Leipzig 1985. Dieser positiven Bemerkung des Gartenkritikers Hirschfeld folgen sogleich Einschränkungen. Den symmetrischen Barockgarten und vor allem die seiner Ansicht nach unmotivierten Szenenfolgen beurteilt er durchaus negativ.

[34] Michael Niedermeier (Berlin) im Antragsband zur UNESCO-Welterbeaufnahme 2009. Zu dem Thema von freimaurerischen Einflüssen im Garten von Schwetzingen schreibt er: «Nur ausnahmsweise waren die Besitzer und Gartengestalter aber selbst praktizierende Freimaurer oder Mitglieder eines Geheimbundes (Illuminaten, Rosenkreuzer u. Ä.). Sie mussten es auch gar nicht sein, arkane und naturmagische Initiationswege gehören zu Gärten, solange es Gärten gibt, wobei Eros und Thanatos die Spannung von Diesseits und Unterwelt stets umschließen. Gerade im Zusammenhang mit den bayerischen Erbfolgeauseinandersetzungen konnten herrschaftliche Gärten – auch mittels freimaurerischer oder geheimbündlerischer Symbolik – zu feinjustierbaren Leitmedien politischer Selbstinszenierung ihrer Besitzer werden. Für arkane Motive und Anklänge an Einweihungswege erscheint im kurfürstlichen Garten von Schwetzingen dabei eher die Gedankenwelt der Jesuiten verantwortlich als die der Freimaurer oder Illuminaten, die ihrerseits argwöhnten, von den Jesuiten unterwandert zu werden.»

[35] Nachdem 2007 eine erste Bewerbung für die Aufnahme mit dem Titel «Schwetzingen – Die kurfürstliche Sommerresidenz – Gartenkunstwerk und freimaurerische Ideen» scheitert, werden im Antragsband der zweiten Bewerbung 2009 mit dem Titel «Schwetzingen – Kurfürstliche Sommerresidenz» die freimaurerischen Bezüge im Textband negiert. Der Antrag wird 2012 zum zweiten Mal abgelehnt. Der Garten und vor allem die Gartenbauwerke hätten die Aufnahme verdient. Experten stellen aber schnell fest, dass das längst zerstörte Theater nicht das «weltweit ältestes erhaltenes Rangtheater» ist, die Musikkultur nicht europaweit einmalig, und das «Ensemble aus Stadt, Schloss und Garten» nicht «das am authentischsten erhaltenen Beispiel einer europäischen Sommerresidenz» ist. Bei soviel Peinlichkeiten hat offenbar auch der Rückzug der esoterischen «freimaurerischen Ideen» nicht mehr geholfen.

[36] Andrea Palladio stellt 1570 viele Römische Tempel, alle korinthisch, in seinem vierten Buch in mehreren Kapiteln vor.

[37] Weil das Schloss von Schwetzingen bereits ein solches «maison de plaisance» im Sinne des Sommeraufenthaltes ausserhalb der Residenz ist, können sich im Garten deshalb nur Dependancen, wie die «Fabriques de jardin», die «Folies», oder die Lustgebäude vom Typ des Trianons, die «Pavillons de plaisance» oder die italienischen «casinos» befinden. Kunsthistoriker wenden leider den Begriff des «maison de plaisance» auf jedes Garten-Lusthaus an, als wolle man den deutschen Ausdruck vermeiden. Zu den Begriffen siehe das Glossar in dieser Webseite. Siehe auch die Erläuterungen zur Amalienburg in dieser Webseite. Grundlegendes zu den «Maisons de plaisance» siehe in der Abhandlung von Katharina Krause [uni-heidelberg.de/diglit/krause1996]

[38] Fürstliche Badehäuser des Barocks, die ein grosses Bad in einem Hauptraum besitzen (Łazienki in Warschau oder Badenburg im Garten von Nymphenburg), sind in Deutschland selten und in Frankreich unbekannt. Siehe dazu die Erläuterungen in «Die Gartengebäude des Kurfürsten Max II. Emanuel» in dieser Webseite.

[39] Im Gegensatz zur Amalienburg, bei der die Dachplattform als Sitz für die Fasanenjagd dient, ist die Plattformbalustrade in Schwetzingen nicht zugänglich und deshalb nur Gestaltungselement.

[40] Im Textband für die Aufnahme in das UNESCO-Welterbe werden «Vorbilder» wie die Villa Rocca della Pisana (Scamozzi 1576), Chiswick House (William Kent 1720) und Marly-le-Roi (Mansart 1679) aufgeführt. Sogar das Petit Trianon (Gabriel 1761/74) wird bemüht. Diese grossen und immer mehrgeschossigen Landhäuser (Marly hat im Erdgeschoss 16 Räume und im Obergeschoss 20 Zimmer) haben mit dem eingeschossigen, kleinen Schwetzinger Pavillon nur die Renaissance-Wurzeln gemein. Die Kunstgeschichte, die immer nachzuweisen versucht, wer was von wem kopiert hat, versagt beim Badhaus.
SchwetzingenBadhausVergleichSceaux   SchwetzingeBadhausVergleichTrianon   Vergleiche mit eingeschossigen Garten-Lustgebäuden für den Tagesaufenthalt sind hilfreicher. So zeigen die Ménagerie in Sceaux (Jacques de la Guêpière um 1720) oder der Pavillon Français im Garten des Petit Trianon (Jacques-Ange Gabriel 1750) vor allem die Einmaligkeit der Lösung von Pigage.

   
Grundrisse des Ménagerie-Pavillons in Sceaux (links) und des Pavillons Français (rechts) im Trianon.

[41] Giuseppe Antonio Pozzi (1732–1811) aus Bruzella im Tessin. Er ist in allen Gartengebäuden, auch in der Moschee für die Stuckarbeiten zuständig. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[42] Nicolas Guibal (1725–1784) aus Luneville, Maler, seit 1749 am württembergischen Hof, 1751–1755 Romaufenthalt, 1775 «Erster Maler des Herzogs von Württemberg». Das Deckenbild des Ovalsaals in Schwetzingen ist ein «Quadro riportato», das auf Leinwand mit dem Thema «Aurora besiegt die Nacht» gemalt ist.

[43] Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783) aus Wiesensteig, seit 1755 als Bildhauer in Wien tätig. Er ist bekannt für seine expressionistischen Plastiken.

[44] Ferdinand Kobell (1740–1799) aus Mannheim, seit 1763 kurfürstlicher Kabinettsmaler. 1768/69 Ausbildung in Paris.

[45] Nach der Überlieferung sind im Mittelsaal viele Konzerte, und der Kurfürst empfängt hier Besucher. Wo denn die vielen Musikerinnen, Besucherinnen und Hofdamen ihre Notdurft verrichteten, ist nirgends beschrieben.

[46] Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723), Hofarchitekt in Salzburg und Wien. Wegbereiter des süddeutschen Spätbarocks. Sein Werk «Entwurff einer historischen Architektur» erscheint erstmals 1721. Wichtiger als die Abbildungen von Moscheen in Buch 3 sind aber die Pläne und Veduten der Tafeln XII bis XV in Buch vier, in dem Fischer seine Karlskirche in Wien vorstellt. Zu Fischer von Erlach siehe auch die Biografie in dieser Webseite. 

[47] Im Juli 1780 wird das «Türkische Gebäude» bereits als «aufgeführt» beschrieben, im Oktober des gleichen Jahres wird Giuseppe Pozzi für Stuckarbeiten an den Innenräumen bereits entschädigt. Kurt Martin vermutet den Baubeginn noch vor dem Wegzug des Kurfürsten 1778.

Vauxhall1751   [48] Ein frühes Beispiel von anglo-chinesischen Gartenhöfen sind die «Chinese Pavillions and Boxes in Vauxhall Gardens» (Volksgarten in London), die in Stichen von Samuel Wale 1751 veröffentlicht werden. Das «Chinesische» ist hier eine Leichtstruktur als Kombination von Neugotik und Rokoko.
 


Bild: Chinesische Pavillons und Logen in den Gärten von Vauxhall. Später Nachdruck (1830) eines Stiches nach Samule Wale. Quelle: www.britishmuseum.org

[49] Zu den Brüdern Pozzi siehe die Biografien in dieser Webseite.

[50] In Renaissance und Barock wird der hohe Tambour zur Belichtung der Vierung gebaut. Er trägt die meist massive Innenkuppel. Diese Kuppel wird vielfach mit Dachwerk überhöht. Sehr selten, wie bei S. Lorenzo Maggiore in Mailand, werden Fenster der Kuppelbasis durch einen äusseren Tambour abgedeckt. Die eigentliche Kuppel des Innenraums bleibt aber immer auch aussen dominierendes Element. Derart sind auch die osmanischen Kuppeln gebaut. Beispiel: Schehazede-Moschee in Istanbul. Die Eckbauten des Wandelgangs im Vorhof folgen im Kuppelaufbau diesen Vorbildern.
Pigage entfernt sich mit der Staffagelösung der Moschee Schwetzingen weit von den Grundsätzen, die später Schinkel formuliert und die im Wandelgang mustergültig vorgeführt werden. Mit der Vortäuschung einer Tambourkuppel wiederholt er allerdings den Aufbau eines anderen berühmten frühklassizistischen Kuppelbaus. Die Kuppel von St. Blasien, eigentlich ein Werk von Pierre Michel d'Ixnard, ist 1776 aufgrund von Planungen Pigages entscheidend verändert worden.
Gehe zum Beschrieb des Vorgangs in St. Blasien in der Biografie von Pierre Michel d'Ixnard in dieser Webseite.

SchwetzingenVergleichKarlskirche   [51] Vergleicht man die Veröffentlichung der Karlskirche mit der Moschee von Schwetzingen, sieht man aber erstaunliche Parallelen. Im Gegensatz zur Wiener Karlskirche, die durch Fischer von Erlach erbaut und 1721 veröffentlicht wird, sind die beiden Minarette von Schwetzingen aber türkischen Vorbildern nachempfunden. Zum Werk von Fischer von Erlach und seiner Wichtigkeit für Schwetzingen siehe die Anmerkung 46. Pigage dürfte die wichtigsten Anregungen zur Moschee und ihrem türkischen Hof dem Studium der Werke von Johann Bernhard Fischer von Erlach und Williams Chambers verdanken
Bild: Karlskirche aus «Entwurff einer historischen Architektur» 1725.

[52] Der Ausdruck «wetterfester Marmorstuck» wird noch heute in Publikationen verwendet, seit Zeyher 1816 die Reliefs als «wetterfeste Masse» des Stuckateurs Pozzi bezeichnet. Die Zuschreibung an «wohl von Linck» erfolgt später, inzwischen wird auch das «wohl» weggelassen. Begründungen für diese Zuschreibungen fehlen. Der «wetterfeste Stuck» etwa an den Minaretten ist nicht der gleiche wie für die Reliefplatten. Der eine ist sicher Antragsstuck, der andere vermutlich Werkstattguss. Für die Zuschreibungen sind aber derartige technologische Details wichtig. Antragstuck im Freien beherrschen nur erfahrene Stuckateure.

[53] Die Beschreibung des Gebäudes macht vielen Kunsthistorikern Mühe. Sie ist nicht einfach, weil seit hundert Jahren nur ein einziger Grundriss (Sockelgeschoss, ohne Angabe der Nordrichtung) zur Verfügung steht und unverständlicherweise jeder Schnitt fehlt. Am verständlichsten beschreibt Kurt Martin 1933 den Grundriss als «konstruiert über der Grundform eines gleichseitigen Dreiecks, dessen Ecken abgeflacht sind. Besonders ärgerlich sind die wiederholten Verwechslungen der Himmelsrichtungen in neueren Publikationen.

VergleichAnnakapelle   [54] Übereinstimmend in Grundriss und Form ist die Annakapelle in Panenské Břežany (Jungferbreschan) in Böhmen, 1705 von Santini-Aichl gebaut. Sie ist rund einen Drittel grösser als der Merkurtempel (vergleiche den Grundrissplan). Der Vergleich zeigt die Aktualität des dreiachsigen Grundrisses am Anfang des 18. Jahrhunderts. Auch in einigen Entwürfen Fischers von Erlach fliesst die Dreiachsigkeit ein.



Bild: Grundriss der Annakapelle in Panenské Břežany (Jungferbreschan) aus «Der politische Bezirk Karolinenthal» (Topografie der historischen und Kunst-Denkmaleim Königreich Böhmen, Prag 1903).

[55] Seine Schilderung des Schöpfradwerkes von 1762 stellt für die Verantwortlichen ein schlechtes Zeugnis aus, vor allem weil das alte Werk von 1726 schon 1731 als Pumpwerk beschrieben ist. Ein Pumpwerk entspricht damals dem Stand der Technik. 1716 erscheint das Werk «Traitté de l’elevation des eaux» (Autor Graf Ferdinand Franz Xaver von der Wahl), das in Bild und Text das Pumpwerk des Gartens von Nymphenburg beschreibt. Auch die Datierungen Zeyhers sind verheerend. Obwohl Kurt Martin 1733 die beiden Werke und ihre Bauzeit präzise und nachvollziehbar beschreibt, werden sie noch 2018 im offiziellen Bericht des Landes Baden-Württemberg für das untere Wasserwerk («1762–1764») übernommen. Zwar ist der Bericht auch sonst sehr oberflächlich und mit vielen Politiker-und Beamten-Vorworten aufgeblasen, trotzdem lohnt sich der Download wegen der Pläne und Bilder des unteren Wasserwerks [fm.baden-wuerttemberg.de/pdf].

 

 

 

 

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Ansicht des Schlosses in der Hauptachse, mit dem ehemaligen Spiegelbassin und dem Hirschbassin im Vordergrund. Foto: Bieri 2010.

 

 

 

 

 

 

 

 




Schloss und Schlossgarten Schwetzingen
Schwetzingen1
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Frauenalb Baden-Württemberg Herrschaft Frauenalb und Markgrafschaft Baden
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Speyer 1663
Bauherr und Bauträger
Äbtissin OSB Maria Margaretha von Greuth
(reg. 1643–1689)
Äbtissin OSB Marie Salome von Breitenlandenberg
(reg. 1689–1715
Äbtissin OSB Maria Gertrud von Ichtratzheim
(reg. 1715–1761)
Das nördliche Zirkelgebäude wird 1748 von Alessandro Galli da Bibiena begonnen. Es begrenzt das nordöstlichen Viertel des Kreisparterres. Foto. Bieri 2010.
Schwetzingen2
Die Moschee ist das Wahrzeichen im südlichen Schlossgarten. Foto: Bieri 2010.
PDF11
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Schwetzingen
Baden-Württemberg
Kurfürstentum Pfalz
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Mainz 1698
Bauherr und Bauträger
Johann Wilhelm von der Pfalz und von Pfalz-Neuburg (reg. 1690–1716)
Kurfürst Carl Philipp von der Pfalz und von Pfalz-Neuburg (reg. 1716–1742)
Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz und Herzog von Jülich Berg (reg. 1742–1777), 1777–1799 Kurfürst von Bayern.
SchwetzingenGoogleEarth1985
Die georeferenzierte Luftaufnahme zeigt den grössten Teil des Schlossgartens und die angrenzende städtische Bebauung. Deutlich sind die nachfolgend beschriebenen Gartenteile und Gartenbauten zu erkennen. Foto: Google Earth 2018.
Das Schloss
SchwetzingenSchloss1
Der Schlosseingang am Marktplatz. Das Eingangsportal unterbricht mit Freipfeilern ein Balustradengeländer entlang des Leimbachs. Eine Brücke führt von hier zum Durchgang in den Schlosshof, der von zwei ehemaligen Wachhäusern flankiert ist.
Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenSchlossW1   SchwetzingenSchlossW2
Die beiden Portalpfeiler tragen als Abschluss vollplastische Wappen des Kurfürsten Johann Wilhelm (links) und seiner Ehefrau Anna Maria Luisa de Medici. Es sind Werke des Bildhauers Joseph Mauchert, der die Wappensteine 1713 liefert. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenSchloss2
Der Mittelbau des Schlosses ist nach zwei Kriegszerstörungen (1635, 1688) seit 1698 wieder in der ursprünglichen Form des ausgehenden 16. Jahrhunderts aufgebaut. Die abgewinkelten Seitenflügel des Ehrenhofs werden 1711-1713 gebaut.
Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenSchloss3
Zum westlich gelegenen Garten baut Baumeister Breunig 1715–1716 die Schlosserweiterung mit den beiden Eckrisaliten. Die Panorama-Aufnahme (anklicken!) zeigt das Schloss mit den beiden ab 1748 gebauten Zirkelbauten.
Foto: Bieri 2010.

Parterre

SchwetzingenParterrePetri
Johann Ludwig Petri zeichnet diesen Plan des Parterres von Schwetzingen 1753. Er ist damit der eigentliche Gestalter des barocken Gartens mit dem Kreisparterre, den beiden die Hauptachse nach Westen flankierenden Angloisen und der beiden Bosketts.
Bildquelle: Veröffentlichung des Planes im Kurpfälzischen Museum Heidelberg, Verschaffelt-Album, Z 1875.
SchwetzingenParterre1
Der nördliche Zirkelbau, 1748 von Alessandro Galli da Bibiena als Orangerie begonnen. Hier in einer Ansicht aus Westen.
Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenParterre2
Die Südwestfassade des nördlichen Zirkelgebäudes. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenParterre3
Das auf einem wasserspeienden Seeungeheuer reitende Putto in der Mitte eines der vier kleineren Bassins im Kreisparterre. Im Hintergrund das nördliche Zirkelgebäude. Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenParterre4
Das Arionbassin in der Mitte des Kreisparterres, im Hintergrund das Schloss.
Foto: Berthold Werner 2014.
Orangerie
SchwetzingeOrangerieGoogleEarth
Ausschnitt der Google Earth Aufnahme mit dem Kreisparterre und den östlich anschliessenden Schloss- und Zirkelgebäuden. Man beachte das moderne Flachdachmonstrum des Theaters am nördlichen Zirkelgebäude. Deutlich ist in der georeferenzierten Luftaufnahme die 1761 von Pigage geplante nördliche Erweiterung mit dem Rechteck des Orangerieparterres zu sehen. Bild: Google Earth 2018.
SchwetzingenOrangerie1
Die Orangerie bildet den Nordabschluss des 1761 gebauten Orangerieparterres, hier aus Südost gesehen. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenOrangerie2
Das Orangerieparterre und die Orangerie aus Südwest gesehen. Foto: Bieri 2021.

Der barocke Garten von Petri und Pigage

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Zwei Bildhauerarbeiten von Verschaffelt gelten der Erstellung des Barockgartens. Die Originale stehen heute in der Orangerie, ihre weissen Kopien im südlichen Boskett. Das Denkmal der Gartenbaukunst (links) wird zum Abschluss der Arbeiten am barocken Garten 1771 aufgestellt. Das Denkmal für die gefallenen Römer und Teutonen (rechts) bezieht sich auf falsch interpretierte Funde von 1765 während der Arbeiten in der südlichen Angloise.
Fotos: Karl Theo 2015.
SchwetzingenGarten3   SchwetzingenGartenImpression2
Wegachsen im Barockgarten. Links im südlichen Boskett. Rechts die nördliche Lindenallee beim Spiegelbassin. Sie endet am am Beginn der Boskettzone, wo die Minervastatue von Gruppello steht.
Zur Minerva-Statue siehe den Einschub «Bildhauerwerke».
Fotos: Bieri 2010.
SchwetzingenGarten11
In der Nord-Süd-Wegachse der nördlichen Angloise liegt in der Mitte das Vogelbad mit Plastiken von Guibal.  Das Bassin wird in der Wegachse beidseits durch ein mit schlängelndem Grottenwerk gefasstes Wässerchen bedient. Diese Zick-Zack oder Schlangenform gibt dem Vogelbad nun plötzlich den Namen «Schlangenbad». Am Ende der Wegachse ist die Bacchantengruppe von Linck zu sehen.
Zu den Bildern des Vogelbades und der Bacchantengruppe siehe den Einschub «Bildhauerwerke».
Foto: Karl Theo 2015.
SchwetzingenImpressionGarten3
Das ehemalige Spiegelbassin (westlich in der Hauptachse an das Hirschbassin anschliessend) ist heute Rasenfläche. Beidseits sind Lindenalleen als Arkaden gestaltet. Hier ein Durchblick von der nördlichen zur südlichen Angloise, diese mit dem lykischen Apoll von Egell. Die Vasen sind von Verschaffelt.
Foto: AnRo0002 2018 in Wikipedia
SchwetzingenGartentor1755
Gitterportal, 1755 nach Entwurf von Rabaliatti als eines der beiden Tore zum südlichen Nutzgarten (Obstbaumgarten) von einem unbekannten Kunstschlosser erstellt. Die beiden Tore werden 1802 als Abschluss zum neuen Arboretum versetzt. Siehe auch die Anmerkung 24.
Foto: Paddy 2009 in Wikipedia.
SchwetzingenGartenImpression1
Südliches Gegenstück zum Orangerieparterre ist der Obstgarten, der als «Gmiess»-Garten noch von Perti gebaut wird. Im Plan Le Rouge ist der Garten mit «Potager» bezeichnet. Hier kann man sich unter Kirschbäumen aufhalten.
Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenVoegelbad
Mit dem Bau des Badhauses entsteht um 1770 auch das Bassin der wasserspeienden Vögel. Die barocke Spielerei folgt (längst nicht mehr existierenden) Vorbildern in Versailles. Die Figuralplastik Guibals dürfte aus Luneville stammen. Ein Bogen-Laubengang (Berceaux de treillage) öffnet sich in der Mitte zu einer offenen Treillage-Kreisarchitektur mit zentralem Wasserbecken, in das Vögel über die Besucher hinweg Wasser speien. Bild: Tonlithographie um 1850 von Nicolas Marie Joseph Chapuy. Quelle: Wikipedia.
SchwtzingneGarten10Voegel
In der Querachse der Treillage-Rotunde mit den wasserspeienden Vögel baut Pigage zwei kostbar mit Quarzkristallen und Achaten ausgelegte Ruhekabinette, die heute vergittert sind. Ihr bildhauerischer Schmuck stammt von Konrad Linck. Zusätzlich stehen in den Diagonalachsen vier weitere kleine Gebäude, die als Vogelhäuser dienen. Die lebendigen Vögel sollen das künstliche Spiel sinnfälliger machen. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenGarten10Voegel2
Zwei der wasserspeienden Vögel.
Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenGarten7Perspektiv
Durchblick zum Bassin der wasserspeienden Vögel und in den langen Bogen-Laubengang des «Perspektivs», einer weiteren barocken Spielerei. Sie täuscht am Ende des Ganges eine entfernte Landschaft vor.
Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenGarten8Juno   SchwetzingenGarten9Vulkan
Der barocke Garten lebt auch von den vielen, immer symmetrisch aufgestellten Bildwerken. Mehr dazu im Einschub «Bildhauerwerke». Das ehemalige Spiegelbassin hinter dem Hirschbassin ist von der Gruppe der vier Elemente umgeben. Seitlich des Hirschbassins befindet sich nördlich (links) die Göttin Juno mit ihrem Begleiter, dem Pfau. Sie verkörpert hier die Luft. Südlich (rechts) ist es Vulcanus mit Hammer und phrygischer Mütze, der das Feuer verkörpert. Die ruhenden Götter werden 1766 an Verschaffelt in Auftrag gegeben. Fotos: Bieri 2021.

Die Gartenbauwerke von Nicolas de Pigage

Apollotempel und Naturtheater
SchwetzingenBauwerkeApollotempel
Der Apollotempel, gesehen von seiner westlichen Rückseite. Hier ist der Aufbau des ersten Garten-Bauwerks von Pigage ablesbar. Pigage beginnt 1762 mit der Anlage des Naturtheaters in der neuen Angloise westlich des Orangerieparterres. Als westlicher Abschluss ist ursprünglich ein Belvedere über einer Grottenarchitektur geplant. Nach Westen ist dieser auf sechs Meter ansteigende Unterbau zweigeschossig terrassiert. Gebaut wird dann auf der oberen Terrasse anstelle des Belvederes ein Monopteros als Tempel des Apollo.
Foto: Roman Eisele 2018 {{CC BY-SA 4.0 }} in Wikimedia Commons.
Schwetzingen Bauwerk1Apollotempe
Auf Seite des Naturtheaters ist der Rundtempel die Bekrönung einer künstlichen Felsenlandschaft. Zwei Quellnymphen speisen aus einer Vase die ansteigende Kaskade als Hintergrund-Szenerie des Naturtheaters.
Foto: AnRo0002 2018.
SchwetzingenNaturtheaterWiki
Das Naturtheater. Im Vordergrund der vertiefte Zuschauerraum, dessen drei Eingänge von sechs Sphingen bewacht werden. Erhöht folgt das Proszenium mit Kulissenhecken. Den Abschluss bildet als Point de vue der Apollotempel über einer Kaskaden- und Felsenlandschaft.
Foto: Karl Theo 2015.
SchwetzingenGarten6Sphingen
Zwei der Sphingen, die den Zuschauerraum bewachen. Es sind Werke von Verschaffelt, die 1773 aufgestellt werden.
Foto: AnRo0002 (2011).
SchwetzingenGarten6Najaden
Die beiden Najaden oder Quellnymphen unter dem Tempel mit der Apollostatue, alles Werke von Verschaffelt 1766–1770.
Foto: Karl Theo 2015.

Minervatempel

SchwetzingenBauwerke1Minervatempel1
Der Minervatempel über dem Brunnen mit den Tritonenkindern. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenBauwerke3
Das Frontispiz-Relief von Linck stellt eine Huldigungsszene an die Göttin Minerva dar. Das Relief wird als Verherrlichung der Gartenwerke des Kurfürsten Carl Theodor gedeutet. Mehr dazu siehe in der  Anmerkung 3 im Anhang «Symbolik der Gartengebäude». Foto: Karl Theo 2015.
SchwetzingenBauwerke4
Im Innenraum setzt Pigage die korinthischen Säulen der Vorhalle fort und erreicht damit eine ungewöhnlich feine Interpretation klassischer Architektur. Die Marmorstatue der Minerva ist ein 1716 geschaffenes Werk von Grupello, die von Verschaffelt 1767 umgearbeitet wird.
Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenBauwerke4-1
Horizontalaufsicht der Decken des Vorraums und des quadratischem Innenraums. Deckenstuck, Kapitelle und Wandreliefs sind Arbeiten des Hofstuckateurs Giuseppe Antonio Pozzi.
Foto: Bieri 2021.
SchwetzigneBauwerkeMinervatempel5
Der Eingang zum Raum im Untergeschoss, der ausgebaut ist, und dessen Zweck unbekannt bleibt. Siehe dazu die Anmerkungen 4 und 5 im Anhang «Symbolik der Gartengebäude». Foto: Bieri 2021.

Badhaus

SchwetzingenBauwerkeBadhausGrRiss
Grundriss des Badhauses, das als Rückzugsort des Kurfürsten Carl Theodor 1768–1773 gebaut wird. Pigage entwickelt hier eine einmalig klare Lösung des Bautypus der Gartenlusthäuser oder «Pavillons de plaisance». Bildquelle: Kunstdenkmäler Badens 1933.
SchwetzingenBadhausSchnitt
Der instruktive Längsschnitt durch das Badhaus mit den eingezeichneten Stuckaturen von Joseph Pozzi. Bildquelle: Kunstdenkmäler Badens 1933.
SchwetzingenBauwerke5Badhaus1
Südliche Eingangsfassade des Badhauses.
Foto: Bieri 2013.
SchwetzingenBauwerke6Badhaus2
Die Ostseite des Badhauses.
Foto: Karl Theo 2015.

Botaniktempel

SchwetzingenBauwerkeBotaniktempel1
1778 baut Pigage den Tempel der Botanik, nun bereits als «point de vue» im nördlichen ersten Landschaftsgarten des Hofgärtners Sckell. Aussen ist der Rundtempel rindenartig verputzt. Zwei Sphingen bewachen den Aufgang.
Foto: Bier 2021.
SchwetzingenBauwerkeBotaniktempel2
Im Portalfries weist die Inschrift «Botanicae Silvestri Anno MDCCLXXVIII» auf den Zweck des Tempels im Umfeld der erwachenden wissenschaftlichen Begeisterung für die Botanik, der das Innere gewidmet ist. Im Relief über dem Frontispiz von Konrad Linck sind zwei Greife als «Hüter des Heiligtums» dargestellt.
Foto: Karl Theo 2015.
SchwetzingenBauwerkeBotaniktempel3   SchwetzingenBauwerkeBotaniktempel4
Links: Das Gewölbe ist eine Anlehnung an das römische Pantheon (Stuck von Pozzi).
Rechts: Die Statue der Göttin Ceres von Carabelli, deren Attribute für die Aufstellung im Tempel der Botanik umgeändert werden. Bis vor kurzem trägt sie als Göttin der Botanik anstelle der Ähren einen Stoss Manuskriptblätter. Heute fehlen der Statue selbst diese Attribute.
Fotos: Karl Theo 2015.
Römisches Wasserkastell
SchwetzingenBauwerkeWasserkastell1
Gleichzeitig mit dem Tempel der Botanik wird im nördlichen Landschaftsgarten des Hofgärtners Sckell auch die Ruine eines römischen Wasserkastells gebaut. Die Ruinen der Acqua Giulia in Rom sind Vorbild. Mehr dazu siehe im Anhang «Symbolik der Gartengebäude».Die wasserspeisende Funktion des römischen Wasserkastells ist in Schwetzingen in Verbindung mit dem Unteren Wasserwerk zu sehen, bleibt aber Staffage. Der Leimbach tritt unter der Kastellruine sogar aus dem Garten aus.
Foto: Bieri 2021.
SchetzingenGarttenWasserkastell1830
Die Fiktion des wasserspeisenden Kastells wird  im Stich von P. Veit (1820) festgehalten. Vom Unteren Wasserwerk führt ein Aquädukt zur Ruine und speist noch im 19. Jahrhundert die Wasserfälle über die beiden Geschosse. Sie sind heute verschwunden.
Bildquelle: Zeyher 1830 in Uni Heidelberg.
SchwetzingenBauwerke14Wasserkastelll2
Auch die Reliefs in gebranntem Ton am Wasserkastell werden 1779 vom Bildhauer Matthäus van der Branden aufwendig ruinös hergestellt, wobei die eigentliche Darstellung (hier ein Quellnymphe) von Rissen verschont bleibt. Foto: AnRo0002 2018 in Wikipedia.
SchwetzingenBauwerkeWasserkastell3
Beidseits des Römischen Wasserkastells bilden Ruinen römischer Aquädukte den Abschluss des Gartens. Der grössere, nach Osten verlaufende und konkav gebogene Aquädukt umfasst in der Mitte einen Obelisken. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenBauwerkeWasserkastell4
Blick vom römischen Wasserkastell zum Unteren Wasserwerk. Die Kastellruine und das Wasserwerk (1762)  sind durch einen Aquädukt verbunden, der noch lange das Wasser für den im Stich von 1830 dargestellten Wasserfall liefert. Links unten ist der Leimbach zu sehen.
Foto: Bieri 2021.

Die Moschee

SchwetzingenBauwerkeMoschee1
Die Moschee und die beiden Minarette vom Innenhof gesehen. Sie wird über den mittleren Eingangspavillon im Vordergrund erreicht.
Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenBauwerkeMoschee2
Die Moschee aus Westen, gespiegelt im See Möris. Sie wäre ohne ihre türkischen Minarette schwer von einem klassischen barocken Zentralbau zu unterscheiden. Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenBauwerkeMoschee3
Die Kuppel der Moschee in einer horizontalen Untersicht. Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenBauwerkeMoschee4
Das Arkadenoktogon des Erdgeschosses leitet in die kreisrunde Attika der Kuppel über. Der Eindruck des Orientalischen wird trotz der klassisch barocken Architektur mit Inschriften, vor allem aber mit den Stuckaturen von Giuseppe Antonio und Carlo Luca Pozzi, sowie den Farbfassungen von Giuseppe Quaglio erreicht. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenBauwerkeMoschee6
Die Stuckaturen der kleinen Seitengebäude-Kuppeln zeigen sich in der Horizontaluntersicht als schöne Ornamentik. Foto: Karl Theo 2015.

Merkurtempel

SchwetzingenBauwerkeMerkurtempel1
Der Merkurtempel (hier von Nordost gesehen) steht auf einem künstlichen Hügel. Mit dem Aushub des Sees Möris wird ein gebautes Grottengeschoss zugeschüttet. Darauf steht das in ein gleichseitiges Dreieck eingeschriebene Sockelgeschoss, auf dem der runde Belvedere steht. Als Merkurtempel wird er wegen der drei Reliefs am Sockelgeschoss erstmals 1791 bezeichnet. Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenBauwerkeMerkurtempel2
Die Ansicht aus Süden zeigt den Zugang ins Grottengeschoss und kaschierenden Hügelaufbau. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenBauwerkeMerkurtempel3
Die Nordseite des Merkurtempels mit dem Hauptzugang. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenMerkurtempel4
Die drei konkav gewölbten Seiten des (in ein Dreieck eingeschriebenen) Oktogons tragen über ihren Rundportalen Reliefs mit mythologischen Szenen. Sie sind aus Stuck, und deshalb eher Pozzi als Linck zuzuschreiben. Dei Bildszenen sind dem griechischen Götterboten Hermes gewidmet, der von den Römern Merkur genannt wird. Deshalb der Name Merkurtempel. Im Relief der Südwestseite (Bild) steht Hermes in der Mitte einer allegorischen Szene und vermittelt als Unterhändler zwischen Erdenbewohnern (mit Widder als Opfergabe) und den Göttern Zeus und Hera. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenMerkurtempel5
Weitere Reliefs sind an den Stirnen der drei vorstehenden Eckbauten des Sockelgeschosses angebracht. Ihre Stierschädel sind als «Bukranion» ein beliebtes Dekorationsmotiv der Antike und der Renaissance. Foto: Bieri 2021.

Der Landschaftsgarten von Ludwig Sckell


Seit 1775 gestalten Sckell und Pigage die Erweiterungen im Sinne des malerischen und poetischen (englischen) Landschaftsgartens. Die Bauwerke, wie die römischen Ruinen oder der Merkurtempel sind jetzt vorwiegend Staffagebauten.
SchwetzingenEnglischerGarten1
Der erste Landschaftsgarten ist das ab 1775 erstellte romantische Wiesentälchen (Arboricum Theodoricum) im Norden des Gartens.
Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenEnglischerGarten2
Den Abschluss des Tälchens bilden die römischen Ruinen. Ruinöse Aquädukte und der Obelisk ans der Stelle von vorgeschichtlichen Funden sind nun auch Landschaftsstaffage. Foto: Bieri 2021.
SchwetzingenEnglischerGartenBrücke
Für die Verbindung vom grossen Bassin zum nördlichen Landschaftsgarten muss der barocke Kanal aus Kostengründen zwar belassen werden, mit der Chinesischen Brücke und ihrem Spiegelbild im Wasser wird aber mit einfachsten Mittel dem romantischen Empfinden Genüge getan. Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenGarten3Bruecke
Die Chinesische Brücke. Mit ihr greifen Sckell und Pigage 1779 ein beliebtes Thema in englischen Gärten auf. Foto: Bieri 2010.
SchwetzingenEnglischerGarten3
Nach dem Bau der Moschee wird südwestlich die grosse Landschaftsgarten-Erweiterung mit dem See Möris und dem  Merkurtempel begonnen. Es ist die vielleicht gelungenste Partie des Gartens.
Foto: Roman Eisele 2016.
SchwetzingenEnglischerGarten4
14 Brücken sind im Garten vorhanden und bilden vor allem in der westlichen, romantischen Erweiterung weitere «points de vue». F
oto: Bieri 2021.


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Anhang II

Symbolik der Gartengebäude von Schwetzingen

Apollo, Najaden und Sphingen
Am Ende des Naturtheaters steht auf einem Belvedere der Monopteros (Rundtempel) mit der Statue von Apollo. Er gilt als Gott der Musen und Beschützer der Künste. Das Attribut ist die Lyra. Schon der lyraspielende römische Kaiser Nero sieht sich als Apoll. Der Apoll mit der Lyra im Rundtempel wird auch als Apollo Palatinus beschrieben, als Verherrlichung des Kurfürsten Carl Theodor, der das pfälzische Arkadien in das goldene Zeitalter führt. Apollo ist auch Gott des Lichtes und löst Helios oder Sol als Sonnengott ab. Derart, nun mit Quadriga und Strahlenkranz, ist er auch Herrschersymbol.
VersaillesBainApollon   1678 demonstriert diese Eigenschaft Louis XIV in der Thetis-Grotte von Versailles, wo er als Sonnengott Apoll in Begleitung von Meeresnymphen ein Bad nimmt. Schon 1653 erscheint er in einem Ballett als Sonnengott Apoll und wiederholt das Apoll-Thema im Bassin d'Apollon vor dem Schloss Versailles.
Die beiden Quellnymphen am Fusse des Schwetzinger Apollotempels werden schon früh als Najaden beschrieben. Aber «was sollen bey einem Tempel des Apoll die zwey Najaden, die aus einer Urne Wasser giessen»,[1] wenn nicht die Grotte von Versailles mit dem Bad des Apoll oder der aus dem Wasser steigende Versailler Apoll Anregung ist? Die Sphingen mit Frauenköpfen, ohne ägyptische Kopfbedeckung und ohne Flügel, sind ein beliebtes barockes und klassizistisches Wächtermotiv. Athanasius Kircher macht sie 1652 in seinem «Oedipus Aegyptiacus» einem breiten Publikum bekannt.[2] Sie stehen als Symbol der Unsterblichkeit, auch für das Geheimnis und das Schweigen.Mehr zum Bad des Apollo in Versailles

Das Bad des Apollo in der Thetis-Grotte von Versailles in einem Stich von 1678.
Bildquelle: Bibliothèque nationale de France.
Mehr zum Bad des Apollo in Versailles.
 

Die Göttin Minerva

Das frühklassizistische Juwel von Nicolas de Pigage ist der römischen Göttin Minerva gewidmet, die mit der griechischen Göttin Athene identisch ist. Ihr Attribut ist die Eule mit dem Olivenzweig. Sie ist Göttin der Weisheit, Hüterin des Wissens, Beschützerin des Handels und des Handwerks, der Dichter und Poeten, des Schiffbaus, auch der taktischen Kriegsführung und der Stärke. Kein Wunder, dass eine Göttin mit diesen Eigenschaften für den Kurfürsten von besonderer Bedeutung ist. Die künstlich erhöhte Tempellage am Ende der beim Arionbrunnen beginnenden Diagonale zeigt die Bedeutung, die der Kurfürst der Göttin Minerva gibt. Die Tempelarchitektur ist vor allem innen eine gelungene Rezeption römischer Vorbilder. Die übliche Beschreibung des Minerva-Reliefs im Giebel-Tympanon weist die Darstellung als Verherrlichung der Gartenwerke des Kurfürsten Carl Theodor aus.[3]
Weil Minerva mit ihren Eigenschaften auch für die Freimaurerei von grosser Bedeutung ist (die Eule der Minerva ist auch wichtigstes Symbol des Illuminatenordens), wird der Tempel mit teilweise abenteuerlichen Annahmen als Ergebnis freimaurerischer Ideen gedeutet.[4] Der ausgebaute Sockelraum soll auch für Zeremonien gedient haben. Die Argumente vermögen aber nicht zu überzeugen.[5]

Eine Architektur ohne Götterbezug
Das Badhaus ist privater Rückzugsort des Kurfürsten. Es zeigt in der Architektur keine ausgeprägte Symbolsprache, wie etwa bei den gleichzeitigen Badhausentwürfen für einen Pavillon im Basler Kirschgarten.[6] Gemeinsam mit den Basler Planungen ist das Primat der Form. Die Ausstattung des Schwetzinger Badhauses mit Stuck, Malerei und Chinoiserien ist vielschichtig, folgt aber nur innerhalb der Räume einem ikonologischen Konzept. Das zentrale Deckenbild mit dem Thema des anbrechenden Morgenlichts, das die Nacht vertreibt, könnte den Triumph der Aufklärung über die Dunkelheit der Unwissenheit bedeuten.

Verherrlichung der botanischen Wissenschaft
Die klassizistischen Stuck- und Ausstattungselemente im überkuppelten Rundbau des Tempels der Botanik sind eine Verherrlichung der botanischen Wissenschaft. Das ikonologische Programm handelt von der Fruchtbarkeit, dem jahres- und tierkreiszeitlichen Wachsen, Reifen und Absterben. Unter umlaufenden Tierkreiszeichen sind in vier Wandfeldern über den Symbolen der Jahreszeiten Stuckmedaillons von Plinius, Theophrast, Linné und Tournefort eingelassen. Die Fruchtbarkeitsgöttin Ceres ist zuständig für Tod und Wiedererweckung, sie ist Göttin des Ackerbaus. Ihr ursprüngliches Attribut, das Ährenbündel, ist heute nicht mehr vorhanden.
An zwei in den Seitennischen aufgestellten Marmorvasen mit Alabasterdeckel winden sich neben einem bärtigen Männerkopf Schlangen. Schlangen in Form des Hermesstabes sind auch in den Stuckaturen der Jahreszeiten zu sehen. Sie gelten als Symbole der Heilkunst. Der Tempel wird von zwei Sphingen bewacht, was erneut in die Symbolwelt des Athanasius Kircher führt. Über der Eingangsverdachung ist als Wandrelief eine Schale mit Herbstfrüchten eingelassen, die an Akanthusgirlanden von Greifen gehalten werden. Die Greife können hier wie die Sphingen als Symbol der Wachsamkeit betrachtet werden.

Wassermystik und Ruinenromantik
Piranesi1   Piranesi2
PiranesiAquaGiulia3   Das Wasserkastell ist das erste arkadische Ruinenmotiv im Schwetzinger Garten. Pigage formt nach den malerischen Vorbildern der römischen Ansichten Piranesis die Ruine eines Wasserschlosses. Beteiligt ist auch Sckell. Wie dieser später schreibt, sollte die Lage der Ruinen gewöhnlich in fernen Gegenden des Parks, vorzüglich auf Anhöhen und da gewählt werden, wo Einsamkeit und schauerliche Stille wohnt. Weitere symbolische Bezüge müssen in dieser erstmals reinen Staffagearchitektur nicht gesucht werden.
  1761 erscheinen die Stiche der Ruinen des römischen Wasserkastells Acqua Giulia. Sie sind, wenn man den Schnitt von Giovanni Battista Piranesi betrachtet, Vorbild der Ruinenlandschaft von Pigage und Sckell. Wo allerdings in Rom das Wasser aus dem Kastell austritt, fliesst in Schwetzingen der Leimbach in die entgegengesetzte Richtung.
Bildquellen: Yale University Art Gallery

Orientbegeisterung
Der Bau des Innenhofs im türkischen Garten beginnt fast gleichzeitig mit dem Wegzug des Kurfürsten nach München. Er bildet heute mit der Moschee eine Einheit. Die beiden Gebäudekomplexe sind unzweifelhaft baulicher Höhepunkt des Gartens. An ihnen kann beispielhaft die Orientbegeisterung des späten 18. Jahrhunderts abgelesen werden. Sie sind im Gegensatz zu ihren englischen Vorbildern keine Staffagebauten, sondern bilden eine ernsthafte Auseinandersetzung mit fernöstlichen Kulturen. Die arabischen Inschriften am Wandelgang und an der Moschee sind Zeugnis eines versuchten interkulturellen Dialogs. Kein Gebäude im Schwetzinger Garten kann die Ziele der Aufklärung besser ausdrücken als dieser Tempel der Humanität mit seiner Hofanlage.

Die Fiktion einer klassischen Ruine
Die als letztes Gartenbauwerk begonnene Belvedere-Ruine jenseits des hinter der Moschee angelegten Sees beflügelt seit Anfang des 19. Jahrhunderts die Phantasie der Gartenbesucher. Drei über den Eingängen eingelassene Reliefs nehmen Bezug auf Merkur, dem Gott der Kaufleute, des Verkehrs und der Unterwelt. Deswegen wird das Ruinenmonument erstmals 1791 Merkurtempel genannt. Merkur ist mit dem griechischen Gott Hermes identisch. Als synkretistische Verschmelzung des Hermes mit dem ägyptischen Gott Thot ist er Schutzpatron der Alchemisten. Auch für die Überführung der Seelen in die Unterwelt sind Merkur, Hermes und Thot zuständig. Christian Cay Lorenz Hirschfeld notiert 1785, dass er die Arbeit an einer «ägyptischen Parthie» verfolge, bei der über einem künstlichen Berg mit Gewölben ein Monument des Königs Sesostris neu erstellt werde. «In die Gewölbe des Berges kommen Begräbnisse und Mumien zu stehen, und die Toten soll, wie man sagt, Charon dahin bringen. Um den Berg werde der See Moeris gegraben». Mit der Nennung der ägyptischen Könige Moeris und Sesostris und ihrer Grabmonumente kann die von einem antiken Tempel (auch vom Salomonischen) abweichende Form erklärt werden. Sie beruht im dreiachsigen Grundriss auf dem Dreieck, dem Oktogon und dem Kreis. Es sind Ur-Symbole, die schon den Baumeistern der Renaissance geläufig sind.[7]

Pius Bieri 2021

Anmerkungen

[1] Christian Cay Lorenz Hirschfeld: Theorie der Gartenkunst, Band 5, Leipzig 1985.

[2] Athanasius Kircher: Oedipus Aegyptiacus. Hoc est Universalis Hieroglyphicae Veterum Doctrinae temporum iniuria abolitae Instauratio. Romae MDCLII /MDCLIV.

[3] Im Sandsteinrelief des Tempelfrontispizes sitzt die Göttin Minerva erhöht im Zentrum. Sie trägt den Helm und stützt sich auf ihren Gorgonenschild. Mit der Linken deutet sie auf einen Plan, den zwei Begleiterinnen vor ihr ausbreiten. Ein Wasserfall schliesst das Relief rechts ab. In der linken Frontispiz-Hälfte befinden sich drei weitere Frauengestalten. Direkt hinter der Göttin hält eine der beiden eine Schaufel und eine Sichel in den Händen. Am linken Ende sitzt, getrennt durch eine bepflanzte Vase, eine weitere Begleiterin. Sie lehnt sich an den Kopf einer Statue an, der von einem Putto mit Steinmetz-Werkzeugen bearbeitet wird.Plan, Wasserfall, Gartenwerkzeuge, Vase, Relikte von Kapitellen und die Steinmetzarbeit führen zur Deutung, dass das Relief eine Verherrlichung der Gartenwerke des Kurfürsten Carl Theodor darstellt. Minerva wird damit als Beschützerin des Gartenbau-Handwerkes versinnbildlicht.

[4] Siehe dazu Vortrag Dr. Monika Scholl-Frey, Offenburg über die Symbolik im Schwetzinger Schlossgarten am 14. Dezember 2007 in www.ag-landeskunde-oberrhein.de/.

[5] Reinhard Stupperich in «Monumente im Garten – der Garten als Monument» (Schwetzingen 2011) schreibt als Anmerkung zu den Freimaurer-Thesen von Dr. Monika Scholl-Frey: «Dass der unterirdische Bau mit dem verfallenen Hintereingang für Freimaurerprüfungen dienen sollte, erscheint nicht überzeugend».

[6] Die Basler Entwürfe für ein nicht verwirklichtes Badhaus im Garten des Hauses zum Kirschgarten von 1774/75 zeigen eine Nähe zu Nicolas de Pigage, werden aber Johann Ulrich Büchel zugeschrieben. Ihre Grundrisse basieren auf dem reinen Dreieck und dem im Kreis eingeschriebenen Oktogon. Die Grundrisse sind auch deshalb bemerkenswert, weil der Bauherr als Mitglied einer Freimaurerloge auftritt. Mehr in Burkard von Roda: Das Haus zum Kirschgarten. Basel 2020.

[7] Dazu mehr im Baubeschrieb und in den dortigen Anmerkungen 53 und 54. Die ägyptischen Bezüge sind wieder eindeutig auf Athanasius Kircher zurückzuführen. Eine freimaurerische Konnotation wird auch beim Merkurtempel behauptet. In Schwetzingen gleitet die Kunstwissenschaft gelegentlich in esoterische Gefilde ab.

 

 

 


 

 

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Anhang I

Bildhauerische Werke im Schwetzinger Garten

Die aufgeführten Werke sind, wo nichts anderes vermerkt, gesicherte Arbeiten.

Bildhauer der Kurfürsten Johann Wilhelm und Carl Philipp

Gabriel de Grupello[1] (1644–1730)
Grupello ist flämischer Bildhauer italienischer Abstammung. 1695–1716 ist er Hofbildhauer in Düsseldorf. Im Schwetzinger Garten sind folgende Werke von Grupello aufgestellt:
Die Gruppe der Galatea im Bassin der nördlichen Angloise, die Statuen des Merkur und der «Minerva pictura» in der südlichen Angloise, auch die Minerva im gleichnamigen Tempel, als Abschluss der nördlichen Seitenalleen des Parterres beim Hirschbrunnen eine Justitia und als Pendant eine weitere Minerva. Grupello fertigt alle diese Marmorstatuen um 1710 für die Düsseldorfer Galerie. Sie werden erst 1767 nach Schwetzingen gebracht.
Um 1709/16 erstellt Grupello auch die Gruppe der aus dem Wasser steigenden Pferde, die von Poseidon und einer Nereide gehalten werden. Der Brunnen liegt versteckt im Boskett hinter dem südlichen Zirkelgebäude. Er kommt 1824 in den Stadtgarten von Karlsruhe und wird 1996 in Schwetzingen wieder aufgestellt.[2]
SchwetzingenSkulpturGruppello1   SchetzingenSkulptur11Grupello   SchwetzingenSkulturGrapellOGalatea  

Bild 1: Gruppe der aus dem Wasser steigenden Pferde mit Poseidon und Nereide (1710/16), von Gabriel de Grupello.
Foto: Bieri 2021.

Bild 2: Minerva am Abschluss der nördlichen Seitenallee des Parterres. Marmorstatue von Gabriel de Grupello. Das um 1716 geschaffene Werk könnte ein idealisiertes Porträt der Kurfürstin Anna Maria Luisa de Medici sein. Foto: Christian Spannagel 2011.

Bild 3: Die Nereide Galatea mit dem Meeresgott Nereus zu ihren Füssen. Die Marmorgruppe von Gabriel de Grupello (um 1715) steht in der nördlichen Angloise.
Foto: AnRo002 201u8 in Wikipedia.

1.

  2.

  3.

 
             
SchwetzingenSkulptur2Branden   SchwetzingenSkulptur3Branden   Peter van den Branden[3] († um 1720)
Vier Statuen der Rhetorik, der Gnomonik,[4] der Geometrie und der Poesie sind hinter dem grossen See der englischen Anlage aufgestellt. Sie werden noch von Kurfürst Johann Wilhelm bestellt, stehen vermutlich im Hortus Palatinus und kommen dann 1722 in den Garten von Carl Philipp. 1767 werden sie am heutigen Standort aufgestellt. Ihre Datierung in das erste Viertel des 18. Jahrhunderts ist gesichert, die Werke sind eine Zuschreibung an den damaligen Hofbildhauer.

    1. Statue der Geometrie. Foto: Christian Spannagel 2011.
2. Statue der Poesie (mit Buch). Foto: Stanzilla 2017 in Wikipedia.

1.

  2.

   
SchwetzingenSkulptur4   SchwetzingenSkulptur5   SchwetzingenSkulptur51Charrasky   Heinrich Charrasky[5] (1696–1710)
Er ist schon 1698–1706 massgeblich am Schlossbau beteiligt und ist Schöpfer der beiden vergoldeten Atalanten, die heute als Kopie am Eingang stehen. Vermutlich hat er sie nach einem Modell von Grupello gegossen.
Die böotische und die arkadische Atalante sind Gefährtinnen der Diana, Göttin der Jagd. Die vergoldeten Statuen rechts und links vom Schloss unterstreichen die Zweckbestimmung des Schlosses als Jagd- und Lustschloss.

1. Böotische Atalante mit einem der sagenhaften Äpfel in der rechten Hand, hinter ihr ein erlegter Hase. Foto: Bieri 2021.

2. Arkadische Atalante. Zu ihren Füssen ein erlegter Eber, der ursprünglich mit der rechten Hand gehaltene Speer fehlt heute der nackten Dame. Foto: Bieri 2021.
1.


  2.


  3.


 
3. Die Bacchus-Statue («Dionysos» beschriftet, als Abschluss der Querachse des Parterre) steht stilistisch den Werken Charraskys nahe und könnte von ihm stammen. Die Statue kann mit dem Marmor-Bacchus von Andrea Vaccà (siehe unten) verwechselt werden.
Foto: AnRo002 2011 in Wikipedia.
SchwetzingenSkulptur6   Paul Egell[6] (1691–1752)
Von ihm ist die Marmorstatue des Lykischen Apolls in der südlichen Angloise, den er für den Rittersaal des Mannheimer Schlosses um 1730 erstellt.

 







Lykischer Apoll von Paul Egell. Die Marmorstatue steht als Abschluss der Querachse in der südlichen Angloise. Foto: AnRo002 2018 in Wikipedia.

 

Bildhauer des Kurfürsten Carl Theodor

Johann Matthäus van den Branden[7] (1716–1787)
SchwetzingenSkulptur7Branden   SchwetzingenSkulptur8Branden   Van den Branden ist seit 1740 kurpfälzischer Hofbildhauer. Von ihm sind einige Vasen und Reliefs gesichert. Er erstellt auch Kapitelle für Gartenbauten und ist an den bildhauerischen Arbeiten der Moschee beteiligt.

    1. Vase vor dem  Botaniktempel, um 1779. Foto: Karl Theo 2015.
2. Vase im Orangerieparterre, um 1763. Foto: AnRo0002 2018 in Wikipedia.
Beide Vasen in Sandstein, bemalt.

Peter Anton von Verschaffelt
[8] (1710–1793)
Er ist der bedeutendste Bildhauer des Schwetzinger Gartens. Schon 1762 erhält er Aufträge für Schwetzingen. Vorerst sind es acht Steinvasen und drei Dutzend Urnen für den Garten.[9] 1766 folgen die vier Obelisken im Parterre. Bis 1769 liefert er die beiden Hirschgruppen am Ende des Parterres, die ursprünglich ein Wasserspiel mit Verbindung zum heute nicht mehr existierenden Spiegelbassin flankieren. Gleichzeitig erstellt er seine Gruppe der vier Elemente Luft, Erde, Feuer und Wasser (personifiziert durch Juno, Cybele, Vulcanus und Neptun) beim Hirschbassin.
SchwetzingenSkulptur9Verschaffelt   SchwetzingenSkulptur10Verschaffelt

Die beiden Hirschgruppen, die Verschaffelt 1769 beidseits eines heute verschwundenen Wasserspiels am Ende des Parterres aufstellt, sind 1753 im Gartenplan von Petri schon vorgesehen. Sie stellen ein Jagdereignis dar, bei dem sich ein verfolgter Zehnender in den Garten rettet, aber dort von den Hunden eingeholt wird. Die Steinfiguren sind ursprünglich dunkelgrün bronziert mit Ölfarbe gestrichen, heute aber weiss. Fotos: Bieri 2021.

SchwetzingenSkulptur11Donau   SchwetzingenSkulptur12Rhein
Als Abschluss der beiden Hauptalleen vor dem grossen Bassin erstellt Verschaffelt 1776/77 die beiden Flussgötter, welche Donau (links) und Rhein (rechts) personifizieren. Auch diese beiden Sandsteingruppen sind heute weiss gestrichen. Fotos: Bieri 2021.
Auch die Gruppe der vier ruhenden Löwen ist zu dieser Zeit an den Eingängen des Parterres in den Orangeriegarten und in den Türkischen Garten aufgestellt. Weitere Arbeiten folgen bis 1773, so die sechs Sphingen um die Vertiefung des Naturtheaters und die zwei Najaden über der Kaskade unter dem Apollo–Tempel, die Verschaffelt direkt aus dem Felsen herausarbeitet. Für den Tempel erstellt er die Marmorstatue des Apollo. Den Delphinbrunnen für den Apollohain fertigt er anschliessend. Im Tempel der Minerva sind die Statue[10] und die Altäre eine Arbeit Verschaffelts. Im Badhaus sind es die vier Statuen der Jahreszeiten. Bis 1777 liefert er auch die beiden Flussgötter vor dem grossen Bassin. Weitere Arbeiten Verschaffelts sind die bis 1771 aufgestellten Denkmäler im südlichen der beiden grossen Bosketts am Ende des Parterres.[11] Sein Werk sind auch die beiden Kolossalbüsten Alexander des Grossen und Antinous in der nördlichen Angloise. 12 seiner Büsten sind verschollen oder nicht mehr aufgestellt.
Verschaffelt ist auch Architekt des Frühklassizismus. Sein Hauptwerk ist die 1774–1777 erbaute Wallfahrtskirche Maria Loreto in Oggersheim.
     
SchwetzingenSkulptur13Linck   Franz Conrad Linck (1730–1793)[12]
Linck ist in Schwetzingen nur mit wenigen gesicherten Werken vertreten, darunter als einzige grössere Skulptur die spielenden Kinder mit dem Ziegenbock, heute Bacchantengruppe genannt und in der nördlichen Angloise beim Bassin des Vogelbades zu sehen. Er liefert zwei dieser Gruppen 1775 für den Platz vor dem Badhaus, die eine ist nicht mehr erhalten. Am Badhaus erstellt er vier Stuckmedaillons. Zugeschrieben werden ihm das Sandsteinrelief am Giebel des Minervatempels, die Tritonenkinder am Brunnen vor dem Minervatempel, hauptsächlich aber einige schon stark klassizistisch betonte Büsten und Vasen.
 
Bacchantenkinder spielen mit dem Ziegenbock. Foto: Stanzilla 2015 in Wikipedia
SchwetzingenSkulptur14Lamine   Peter Simon Lamine[13] (1738–1817)
Von Lamine stammt die Skulptur des Pan auf einem Tuffsteinfelsen in der nördlichen Angloise, die er 1774 versetzt.

  Die heute fast unbeachtete Figur des Pan sitzt auf einem künstlichen Tuff-Felsen, von dem Wasser herabträufelt. Der flötenspielende Satyr trifft die arkadische Stimmung der Zeitgenossen nach der Öffnung des Gartens derart, dass der Panfelsen noch in der Romantik zum Besten gezählt wird, das im Schwetzinger Garten anzutreffen ist.

«Das schöne Plätzchen: wo die stillen Bächlein gehen, und der reizende Felsen mit dem darauf sitzenden Faun. Unter diesem undurchdringlichen Schatten ruhten wir einige Zeit aus.» (Joseph von Eichendorff, Tagebuch 28. Juli 1807).


Ankäufe von Arbeiten auswärtiger Bildhauer 

SchwetzingenSkulptur15Guibal   Barthélemy Guibal[14] (1699–1757)
Seine Hauptwerke stehen in Nancy. Für die Schlossgärten von Luneville erstellt Guibal zwischen 1737 und 1745 verschiedene Skulpturengruppen in Blei, die nach dem Heimfall des Herzogtums an Frankreich 1766 zum Verkauf angeboten werden. Der aus Luneville stammende Nicolas de Pigage erwirbt mehrere Arbeiten für Schwetzingen. Es handelt sich um die Ariongruppe in der Hauptfontäne des Zirkelbassins und um die Gruppen in den vier kleineren Begleitbassins. Auch die Puttengruppe auf den Meerungeheuern im Mittelbassin der nördliche Angloise und die Wildschweingruppe, die heute im Bereich des Badhauses aufgestellt ist, sind wahrscheinlich Werke Guibals. Alle Werke sind Zuschreibungen.
  Der Delphin, auf dem der griechische Sänger Arion reitet, speit in der Sommerzeit die grosse Fontäne des Bassins im Kreisparkett und hüllt die Ariongruppe in Wassernebel. Foto: Arion im trockengelegten Bassin zur Winterzeit, aufgenommen 2018 von AnRo0002 in Wikipedia.
SchwetzingenSkulptur16Vacca   SchwetzingenSkulptur17Vacca   Andrea Vaccà[15] (um 1660/65–nach 1745)
Vom Bildhauer aus Carrara stammen die Statuen des Bacchus in der nördlichen Angloise beim Vogelbad und die Agrippina in der südlichen Angloise, die ursprünglich von Kurfürst Carl Philipp für die Düsseldorfer Galerie erworben werden. Seit 1768 befinden sich die Werke in Schwetzingen.
    Die beiden Statuen aus Carrara-Marmor stehen schon 1731 in der Düsseldorfer Galerie. Beide Statuen sind von Vaccà signiert.

Die Statue links stellt Agrippina, Mutter des Nero, im Augenblick ihrer Selbsttötung dar.
Foto: Bieri 2021

Die Statue rechts ist der jugendliche Bacchus. Sein Haupt ist mit Trauben bekränzt, in den Händen hält er ein Füllhorn mit Herbstfrüchten. Foto: AnRo0002 2013 in Wikipedia.
SchwetzingenSkulptur19Carabelli   SchwetzingenSkulptur18Carabelli   Francesco Carabelli[16] (1737–1798)
Der in Mailand tätige Tessiner Künstler liefert 1775 die Statue der Göttin Ceres, deren Attribute für die Aufstellung im Tempel der Botanik umgeändert werden. Bis vor kurzem trägt sie als Göttin der Botanik anstelle der Ähren einen Stoss Manuskriptblätter. Heute fehlen der schönen, halbentblössten weiblichen Statue selbst diese Attribute. Von Carabelli sind auch die vier Vasen um das grosse Mittelbassin des Zirkels.
    Links: Eine der vier Marmorvasen, die den Künsten gewidmet sind. Hier die Vase mit der Reliefdarstellung der Bildhauerkunst (und der Malerei).
Foto: Radosław Drożdżewski 2015.
Rechts: Die oben beschriebene Ceres im Botaniktempel, die dann zur Göttin der Botanik umfunktioniert wird, aber heute (der Raum ist nicht mehr zugänglich) keine Attribute mehr aufweist. Foto: Karl Theo 2015.


Pius Bieri 2021

Anmerkungen

[1] Gabriel de Grupello (1644–1730) aus Kerkrade in Flandern, wo er auf Schloss Erenstein geboren wird. Kurfürst Johann Wilhelm ernennt ihn 1695 zum Hofbildhauer in Düsseldorf. Hauptwerk dieser Zeit ist das Bronzedenkmal des Kurfürsten auf dem Marktplatz in Düsseldorf. Er kehrt 1616 wieder nach Brüssel zurück, wo er 1719 zum «Gross-Statuarius» der jetzt österreichischen Niederlande ernannt wird.

[2] Die Gruppe mit den gewaltigen Pferden wird in den offiziellen Seiten als «Seepferdchen»-Brunnen bezeichnet. Es handelt sich um ein Duplikat in Epoxidharz. Das Original befindet sich im Zirkelgebäude.

[3] Peter van den Branden (†1720), flämischer Herkunft, ist Schüler von Gabriel de Grupello und seit 1714 Hofbildhauer bei Kurfürst Johann Wilhelm. Er wirkt vor allem in Heidelberg.

[4] Gnominik ist die Lehre der Zeichnung von Sonnen-und Monduhren, einer Wissenschaft als Verbindung von Astronomie und Geometrie. Die Gnomonik wird in Schwetzingen durch einen Steinhauer personifiziert, der eine Sonnenuhr bearbeitet. Diese ungewöhnliche Darstellung für die Kunst, Sonnenuhren herzustellen, verleitet die Freimaurer-Kunsthistorikerin Monika Scholl-Frey 2007 in einem Vortrag zur Behauptung, diese Statue und auch diejenigen der Rhetorik (Attribut Bienenstock als Sinnbild der Beredsamkeit) und der Geometrie (Attribut Winkel, Zollstab, Lot und Zirkel) seien die frühesten Darstellungen der Freimaurerei in Gestalt grossformatiger Plastiken. Wie eine Kunsthistorikerin zu solchen Aussagen kommt, ist schon erstaunlich. Denn die von ihr bezeichneten Attribute sind altes Kulturgut und an vielen derartigen Personifikationen zu finden.  

[5] Heinrich Charrasky (1656–1710) aus Komorn in Ungarn ist Bildhauer, Bauschreiber der Stadt und auch Baumeister. Zu ihm siehe die Wikipedia-Biografie [https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Charrasky]. Kurt Martin (1933) sieht in sechs Statuen des Gartens Werke, die stilistische Verwandtschaft aufweisen und Werke Charraskys sein könnten.

[6] Paul Egell (1691–1752) aus Waibstadt. Sein Lehrmeister ist Balthasar Permoser in Dresden. 1721–1752 ist er Hofbildhauer in Mannheim, auch Lehrer von Ignaz Günther. Er ist unter anderem Schöpfer der Fassadenplastik und der Chorlogen der Jesuitenkirche von Mannheim.

[6] Johann Matthäus van de Branden (1716–1787). Sohn des Peter van den Branden. Ausbildung beim Stiefvater Christian Litz. Er wird (mit 24 Jahren) Hofbildhauer bei Kurfürst Carl Philipp. Seine Tätigkeit in Schwetzingen unter Nicolas de Pigage dauert von 1753 bis 1783.

[8] Peter Anton von Verschaffelt (1710–1793) aus Gent in Flandern. Bildhauerlehre. 1731 wird ihm ein Studium an der Pariser Akademie ermöglicht, welches er 1734–1737 als Volontär bei einem Bildhauer ergänzt. 1737–1751 ist er in Rom und erhält in den letzten Jahren Aufträge vom päpstlichen Hof. 1745 wird er Mitglied der Academia S. Luca. Seit 1752 ist er als Nachfolger von Paul Egell erster Hofbildhauer am kurpfälzischen Hof. Zu seinen Werken in Schwetzingen siehe die Dissertation Hofmann 1982 unter [http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2188/1/Hofmann_Verschaffelt_2013.pdf].

[9] Insgesamt liefert er vier Deckelvasen und acht Steinvasen sowie 70 überziselierte Bleiurnen.

[10] Eigentlich eine Pallas Athene, die von Grupello 1716 unvollendet in Düsseldorf zurückgelassen wird.

[11] Sie beziehen sich auf die vermeintlichen frühgeschichtlichen Funde (Denkmal für die gefallenen Römer und Teutonen) und auf den Garten (Denkmal der Gartenbaukunst).

[12] Franz Conrad Linck (1730–1793) aus Speyer. 1763 wird er kurpfälzischer Hofbildhauer in Mannheim, ab 1790 ist er Professor der kurpfälzischen Zeichnungsakademie.

[13] Peter Simon Lamine (1738–1817) aus Mannheim. Nach einer Ausbildung bei Verschaffelt ermöglicht Kurfürst Carl Theodor 1766–1771 einen Studienaufenthalt in Italien. 1805 wird er in München Direktor der Antikensammlung.

[14] Barthélemy Guibal (1699–1757) aus Nîmes. 1726 Hofbildhauer am lothringischen Hof in Nancy. 

[15] Andrea Vaccà (um 1660/65–nach 1745) aus Carrara in der Toskana. Vom italienischen Bildhauer und seinem Bruder Ferdinando sind zwischen 1697 und 1745 Werke in Ferrara, Florenz, Livorno, Pescia und Pistoja nachgewiesen (Campori, in: «Scultori, Architteti, Pittori Ec. della Provincia die Massa» 1873). Die beiden Statuen dürften von Kurfürst Johann Wilhelm um 1710 für seine Skulpturensammlung angekauft worden sein.

[16] Francesco Carabelli (1737–1798) aus Castel San Pietro im Tessin. Er ist Bildhauer in Mailand. Zu ihm siehe die Biografie unter: [https://www.artistiticinesi-ineuropa.ch/deu/carabelli-f-deu.html]


 

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