Schwarzach in der Ortenau

Ehemalige Benediktinerabtei und Stiftskirche St. Peter und Paul


1. Ort und Geschichte

Karolingisches Reichkloster
In der Ortenau, der an den Breisgau anschliessenden rechtsufrigen Rheinlandschaft, sind zu karolingischer Zeit vier Klöster der Benediktinerregel unterstellt: Ettenheimmünster,[1] Schuttern,[2] Gengenbach[3] und Schwarzach. Die älteste Gründung ist Schuttern. 817 wird es zusammen mit Schwarzach als Reichskloster erwähnt. Das Gründungsdatum von Schwarzach fällt in die Mitte des 8. Jahrhunderts. Die Legende verweist auf eine Gründung durch den hl. Pirmin. Wie bei den drei andern Benediktinerabteien der Ortenau dürfte der Stifter oder die Stifterin aus fränkischem Adel stammen.[4] Die vier Klöster sind der Diözese Strassburg eingegliedert, deren rechtsrheinisches Gebiet die damalige Ortenau bildet. Zu den frühen Klostergründungen im Bistumssprengel von Strassburg zählen auch die noch im 18. Jahrhundert bestehenden linksrheinischen Benediktinerabteien Ebersmünster[5] und Maursmünster.

Schwarzach1813   Schwarzach1893   SchwarzachKlostergebiet
1. Ausschnitt «Topographisch-militairische Charte von Teutschland 1813» mit dem Gebiet von Schwarzach. Die nebenstehenden Karten sind hier punktiert eingetragen: Blau die Karte 1893 [2], Rot die Karte der Klosterherrschaft [3].
Quelle Karten 1 und 2: David Rumsey Historical Map Collection.
2. Karte des Deutschen Reiches 1893 mit dem korrigierten Rheinlauf, Ausschnitt Greffern-Bühl (Zusammensetzung).
3.«Charta Topographica Territorii Schwarzacensis». Topographische Rahmenkarte ohne Reliefdarstellung des Gebietes zwischen Drusenheim (W), Dalhunden / Stollhofen (N), Steinbach / Bühl (O) und Michelbuch / Unzhurst/ Breithurst (S). Die Grenze des Territoriums des Klosters Schwarzach rot punktiert. Quelle: GLA Karlsruhe.

Abgelegener Klosterort
Schwarzach liegt in der Rheinebene südlich von Rastatt auf einer schwachen Erhebung, unweit des stark mäandernden Rheins. Noch im 16. Jahrhundert liegt die Abtei eine Wegstunde von der Rheinfähre bei Greffern entfernt. Wegen der ständigen Veränderungen des Rheinlaufs muss der zur Klosterherrschaft gehörende Fährplatz allein im 16. und 17. Jahrhundert viermal Richtung Kloster verlegt werden. Den Namen hat der Klosterort vom Schwarzwasser, einem damals bei Sellingen in den Rhein mündenden Sammelgewässer.
Nüchterne bischöfliche Realpolitik zur Raumerschliessung und Herrschaftssicherung bestimmt in karolingischer Zeit die Neugründung an dieser Stelle. Der Rhein ist über alle Jahrhunderte ein viel benutzter Verkehrsweg. Für das Kloster ist das Greffner Marktschiff nach Strassburg und vor allem die Fähre zur linken Stromseite von Bedeutung.[6] Beidseits des Rheins, aber in sicherer Distanz, verlaufen Landwege. Linksufrig ist es die alte, schon in der Römerzeit bestehende Handelsstrasse von Strassburg nach Speyer. Ein schon im Mittelalter benutzter Handelsweg von Kehl nach Rastatt führt über Schwarzach. Zwischen Lichtenau und Stollhofen durchquert dieser das Herrschaftsgebiet der Abtei. Seit 1763 verbindet eine neue Strasse diese beiden Orte in direkter Linie, nachdem der Weg vorher jahrhundertelang über den Klosterort geführt hat.[7] Die Herrschaftskarte des Klosters, entstanden nach diesem Datum, zeigt den neuen und alten Verlauf. In der Karte von 1813 ist Schwarzach nur noch eine abgelegene Ortschaft, erreichbar von der Poststation Stollhofen.[8]

Sechs Jahrhunderte am Rande des Überlebens
Eine kurze Blütezeit der Abtei ist schon 1032 mit ihrer Schenkung an den Bischof von Speyer beendet. Mit Ausnahme weniger Jahrzehnte kämpft Schwarzach bis zum Ende des Dreissigjährigen Krieges nur noch um seine Existenz.
Anhang1 Mehr dazu um Anhang I: Schwarzach 1032–1648

Aufschwung nach dem Dreissigjährigen Krieg
Mit Hilfe zweier Äbte und Konventualen aus den befreundeten Benediktinerabteien St. Blasien im Schwarzwald und Rheinau bei Schaffhausen erreichen Kloster und Herrschaft nach dem Dreissigjährigen Krieg einen kaum erwarteten Aufschwung. Erst die Franzosenkriege im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts und am Anfang des 18. Jahrhundert bremsen ihn erneut.
Anhang2 Mehr dazu im Anhang II «Schwarzach 1649–1714»

Die Äbte des 18. Jahrhunderts und das Ende der Abtei
Anders als bei den meisten süddeutschen Benediktinerabteien ist von den Persönlichkeiten, die Schwarzach im 18. Jahrhundert geprägt haben, wenig oder nichts bekannt. Lebensdaten, Herkunft und Bildung der wichtigen Bauäbte bleiben im Dunkeln oder sind nicht erforscht. Nur über ihre Regierungsmassnahmen sind wir aus Drittquellen informiert. Abgesehen von den barocken Neubauten ist das Gesamtbild ihrer Tätigkeiten eher negativ.
Anhang3 Mehr dazu im Anhang III «Die Äbte des 18. Jahrhunderts und das Ende der Abtei»


2. Die Bauten

Die romanische Abteikirche

Neubau in der Tradition von Cluny und Hirsau
Die Abteikirche wird vermutlich im späten 12. Jahrhundert begonnen. Ihre Baudaten sind unbekannt. Nach einer eher langen Bauzeit muss ihre Fertigstellung um 1230 erfolgt sein. Sie ist die vierte und grösste Kirche an dieser Stelle und auch die letzte romanische Kirche der Oberrheinregion.
Das ältere karolingische Vorgängerbauwerk ist durch Grabungen erwiesen. Weil das kleinere Langhaus dieser Kirche vollständig im heutigen Langhaus liegt, kann von einer Bauetappierung ausgegangen werden. Vorerst könnten Chor und Querschiff und erst in einer späteren Phase das Langhaus entstanden sein. Die Kirche ist eine flachgedeckte Säulenbasilika mit dreischiffigem Chor, Querschiff und Vierungsturm. Wie die grössere und ältere Kirche von Gengenbach hat die Chor-und Querhausanlage fünf Ostapsiden. Das eigentliche Vorbild mit den dominanten Vierungstürmen sind die burgundischen Folgebauten der zweiten Kirche von Cluny (981).[9] Obwohl der Vierungsturm von Schwarzach eher nac9h einer Verlegenheitslösung des 19. Jahrhunderts als nach Mittelalter riecht, dürfte er aus dem 14. Jahrhundert stammen.[10]
Im 13. Jahrhundert werden auch die Konventgebäude südlich der Kirche gebaut, Spolien des Kreuzganges weisen darauf hin. Von diesen Bauten ist nichts bekannt, sie fallen dem barocken Klosterneubau zum Opfer.

Barock im mittelalterlichen Innenraum
Mit dem Aufschwung nach dem Dreissigjährigen Krieg hält auch der Barock Einzug in der Stiftskirche. Wie in jedem Jahrhundert seit dem Bau der Kirche wird auch im 17. und 18. Jahrhundert der Innenraum des Gotteshauses verschönert und auch verändert. Mit der Aufstellung des «Heiligen Leibes» der Katakombenheiligen Rufina im nördlichen Querhaus wird 1653 in Schwarzach die Barockzeit eingeläutet. 1700 folgt das wertvolle Chorgestühl im Typus des ebenerdigen Psallierchors hinter dem Hochaltar. Seine Meister sind unbekannt. Das Massivholzgestühl ist vom Kirchenraum abgetrennt. Die 33 Stallen sind im Psallierchor U-förmig aufgestellt. Der Abt sitzt in der Mitte, die altarähnlich in Form einer Ädikula betont ist.[11] Darüber ist in Akanthusranken-Schnitzereien ein Wappenschild zu sehen.[12] Abt Bernhard II. renoviert die 1735 Kirche, lässt neue Stuckgewölbe einziehen und erneuert die Kirchenausstattung vollständig. Zusammen mit neuen Seitenaltären wird 1752 ein neuer Hochaltar frei vor dem Psallierchor aufgerichtet. Das Rokokoprunkstück ist ein Werk des Altarbauers Martin Eigler aus Rastatt.[13] Er baut den Hochaltar als durchlässigen Kolonnadenaltar, der nur im Sockelbereich geschlossen ist, in der Tradition der transparent vor dem Psallierchor stehenden Altäre.[14] Seit der Altar an die Aussenwand eines Querschiffes verbannt ist, fehlt ihm diese Transparenz. Die um 1730 begonnene Barockisierungsphase wird 1758 mit dem Neubau der Orgel abgeschlossen. Sie ist ein Werk des Strassburger Orgelbauers Johann Georg Rohrer.[15] Es ist die zweite Orgel Rohrers in der Kirche, nachdem er 1731 schon die Chororgel geliefert hat. Die Emporenorgel erstellt er bis 1760 mit 31 Registern, davon 10 im Rückpositiv. Das heute völlig schmucklose Prospektgehäuse der Rohrer-Orgel ist noch erhalten.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist die alte romanische Bausubstanz nicht angetastet. Erst 1765 entschliesst sich Abt Armin zur Erweiterung der Seitenschiffe. Eine Dokumentation der Innenausstattung dieser heute eliminierten Erweiterung fehlt. Nur der Mittelteil des gleichzeitig errichteten, frühklassizistischen Chorgitters soll noch im Badischen Landesmuseum sein.

Das manipulierte Denkmal: Wiederherstellung vermeintlicher Romanik

Ein erster Eingriff des 19. Jahrhunderts[16]
Die barockfeindliche Zeit des 19. Jahrhunderts geht fast zu Ende, als 1887-1897 auch die ehemalige Abteikirche das Schicksal vieler ehemals romanischer Sakralbauwerken teilt. Die Romanik soll wiederhergestellt werden. Weil nach 600 Jahren Baunutzung nur noch das tektonische Gerüst aus dieser Zeit stammt, wird das Raumkleid der herrschenden Vorstellung einer buntfarbigen Romanik angepasst. Die Stuckdecken weichen einer bemalten Balkendecke. Die barocken Ausstattungen werden entfernt oder aus dem Blickfeld genommen. Eine eingreifende Änderung ist die Entfernung des Hochaltars. Die wichtige raumdefiniernde Funktion, die sicher lange schon vor der Barockzeit vorhanden ist, will nicht erkannt werden. An seine Stelle kommt ein neuromanisches Gebilde. Immerhin wird der Rokokoaltar nicht zerstört, sondern unter grossen Veränderungen an die Wand eines Querschiffes gestellt. Das Chorgestühl wird verändert neu aufgestellt. Die Kanzel und die Rokoko-Seitenaltäre verschwinden. Das barocke Bodenniveau im Chor wird abgesenkt.[17] Nur die Orgel, das Chorgitter und selbst die Rokoko-Portaltüre[18] bleiben unangetastet. Auch die vergrösserten Fenster und die Erweiterungen der Barockzeit bleiben erhalten. Das Ziegelmauerwerk der äusseren Erscheinung wird überall freigelegt.[19]

Der zweite Eingriff 1967–1969[20]
Wie schon 1887, wird auch 1967 der vorangehende Zustand als unpassend abgelehnt. Wieder versucht der verantwortliche Architekt, dem Bau die jetzt geltende Vorstellung der Romanik aufzuzwingen. Sein Vorgehen ist aber bedeutend radikaler. Nichts mehr soll an den Barock erinnern. Nur der barocke Hochaltar und das Chorgestühl, beide bereits zu musealen Schaustücken entwürdigt, bleiben an Ort. Die barocke Seitenschiff-Erweiterung wird rückgängig gemacht, das Chorgitter entfernt und ein moderner Altartisch in die Vierung versetzt. Selbst das Rokoko-Eingangsportal wird durch ein Bronzeportal ersetzt. Auch die Ausstattungen des 19. Jahrhunderts werden eliminiert. Um den romanischen Eindruck zu verstärken, werden (statisch unnötige) hölzerne Zugbalken in die Arkaden- und Chorbogenöffnungen eingebaut. Nur die Bemalung der Würfelkapitelle erinnert noch an 1887.

Konservierende Restaurierung 1990
Die beiden «Restaurierungen» von 1887 und 1967 sind klassische Beispiele einer «schöpferischen» Denkmalpflege. Diese noch bis in die 1970er-Jahre praktizierte Art ist «sozusagen der negative Umbau: Ein Umbau zur Annullierung der Umbauten».[21] Sie hat, wie in Schwarzach vordemonstriert, einen erheblichen Verschleiss an Kulturgut zur Folge. Die heutige Denkmalpflege hat daraus die Lehren gezogen. Als 1990 für die Kirche erneut eine Restaurierung notwendig ist, wird deshalb nur noch konservierend eingegriffen. Die Sicherung des Bestandes ist jetzt Ziel.

Der barocke Klosterneubau

SchwarzachAnsrichtNO

Bau der Konventflügel 1724–1731
1724 schliesst der Konvent den Vertrag für den Klosterneubau mit dem Vorarlberger Baumeister Peter Thumb.[22] Die Wahl des Baumeisters ist keine Überraschung. In Ettenheimmünster und Ebersmünster, beides auch Klöster der Strassburger Kongregation, baut er grosse Klosteranlagen mit zwei Höfen. Auch in Schwarzach plant er ursprünglich zwei Höfe. Die Westfassade wäre zudem symmetrisch über die Kirchenfassade verlängert worden, die Kirche hätte einen Frontturm erhalten. Das gewählte Projekt der drei Konventflügel um einen Innenhof südlich der Kirche entspricht eher der Realität der finanzschwachen und kleinen Abtei. Ein Kirchenneubau ist in allen Projektphasen kein Thema. Mit Thumb wird für die drei neuen, dreigeschossigen Flügel eine Akkordsumme von 13 000 Gulden vereinbart. Er verpflichtet sich für die Baufertigstellung innert 12 Jahren.[23]
Thumb beginnt mit dem Neubau des Westflügels im gleichen Jahr. Die Vorgängerbauten, über die nichts bekannt ist, werden vorgängig abgebrochen.[24] 1726 steht der Westflügel. 1727–1729 wird am Südflügel gearbeitet. 1731 sind alle Flügel fertiggestellt. Weil Thumb alle Arbeiten im Generalakkord übernimmt, ist auch der Zimmermeister Heinrich Kohler ein Vorarlberger.[25] Für die Stuckaturen wird 1727 Johann Baptist Clerici beigezogen, der im gleichen Jahr auch die neue Stiftskirche von St. Peter im Schwarzwald stuckiert.[26] Vielleicht arbeitet Clerici nur im Westflügel, denn 1728 schliesst man für den Südflügel einen neuen Akkord mit Donato Riccardo Retti.[27]

Die Architektur des Konventneubaus
Nur eine unbeholfene Vogelschauansicht und eine Grundrissaufnahme vermitteln einen Eindruck der Klosteranlage vor der Säkularisation. Thumb baut über ein befenstertes und gewölbtes Untergeschoss drei Stockwerke in unterschiedlicher Höhe (14, 12 und 11,5 Fuss Innenhöhe) um einen quadratischen Innenhof. Jeder der drei Flügel wird mit Eckrisaliten betont, die durch Mansarddächer hervorgehoben werden. Ein Mittelrisalit von 7 Fensterachsen betont den Südflügel. Hier liegt das Refektorium.[28] Ein Portalrisalit mit Volutengiebel betont den Haupteingang in der Mittelachse des Westflügels. Das Portal ist wie dasjenige von St. Peter im Schwarzwald ausgeführt.

Die Wirtschaftsgebäude vor 1765
In der Dorfkarte des 18. Jahrhunderts fehlen die neuen Wirtschaftsgebäude des Abtes Anselm, welche dieser um 1765–1773 bauen lässt. Die Karte zeigt das Dorf zwischen 1750 und 1765. Sie ist nicht von einem Geometer gezeichnet und deshalb nur als Verzeichnis der Grundstücke zu verstehen. Die Gebäude sind in ihrer Grösse und Lage meist verzeichnet, wie zum Beispiel die schon bestehenden Mühlengebäude[29] entlang oder über dem Mühlbach. Zwischen diesem und dem Friedhof liegt vor dem Konvent-Westflügel eine Hofanlage. Zwei querliegende Ökonomiebauten grenzen ihn im Westen ab. Der nördliche Bau ist ein Winkelbau und schliesst zum Friedhof mit der alten Dorfkirche ab. Durch diesen Friedhof führt ein Weg zur Stiftskirche.[30] Wichtiger als der Zugang zur Klosterkirche ist der axiale Zugang über den Klosterhof zum Hauptportal des Konvent-Westflügels. Wie schon in älterer Zeit erfolgt er ab der Klostergasse, die heute Lindenbrunnenstrasse genannt wird. Der alte Portalzugang liegt 20 Meter weiter südlich. An der neuen Zugangsachse stehen bis 1765 zwischen den Wirtschaftsbauten und der Klostergasse mehrere freie Gebäude, im nördlichen Teil das Gasthaus zum Engel und das alte Rathaus, die nicht Klosterbesitz sind.

Die neuen Wirtschaftsgebäude 1765–1773
Nachdem Abt Anselm das alte Gemeindehaus und den Gasthof zum Engel 1765 erwerben kann, beginnt er mit den Neubauten zwischen Klosterhof und Klostergasse. Er lässt die schon von Peter Thumb vorgesehene repräsentative Auffahrt von der Klostergasse zum Klosterportal durch den Karlsruher Hofwerkmeister Dominik Berckmüller[31] ausführen. Die Neubauten fassen den Klosterhof in der Art eines Ehrenhofes. Ökonomie- und Verwaltungsbauten bilden symmetrischen Begrenzungen der Zufahrt. Ein neues Klostertor in der Mitte einer symmetrisch gegliederten Strassenfassade, der damaligen Klostergasse, bildet den Hauptzugang.[32] Das Tor ist beidseits von zweistöckigen Pavillons flankiert, an die sich eingeschossige Stallbauten und Remisen anschliessen. Dreistöckige Pavillons flankieren die Ecken dieser Strassenfront. Sie definieren die Begrenzung zweier Ökonomiehöfe, die aus mehrheitlich eingeschossigen Verbindungsbauten bestehen. Der schräg verlaufende Abschluss des Südhofes ergibt sich aus dem Einbezug der schon bestehenden Mühle.[33] Den Eintritt in den Hof und das Ende der 50 Meter langen und 12 Meter breiten Hofzufahrt flankieren zwei weitere Pavillons. Sie sind eingeschossig und in den Ecken viertelkreisartig ausgerundet. Der Klosterhof selbst wird im Süden und Norden von zweigeschossigen Bauten begrenzt.

Die ehemaligen Klostergebäude heute
Einige der Wirtschaftsbauten sind in ihrer Gebäudehülle noch erhalten. Vor allem die Pavillonbauten entlang der ehemaligen Klostergasse und die flankierenden Gebäude der Zufahrt und des Hofes zeigen noch barocke Fassaden. Allerdings fehlt seit dem Abbruch der Konventgebäude der städtebauliche Höhepunkt am Ende der ehrenhofartigen Anlage. Die sorgfältig renovierte Zufahrt führt seit 1842 ins Leere. Völlig isoliert steht seither die ehemalige Abteikirche. Durch einen breiten Strassenzugang ist sie heute noch mehr von allen zugehörenden Klosterrelikten getrennt. Wie ihre neu platzierte barocke Einrichtung ist sie selbst zu einem Denkmal der Denkmalpflege geworden.
Ein gutes Klostermodell befindet sich im an das nördliche Querschiff angefügten Museum. Es vermittelt dem interessierten Besucher eine Vorstellung der Klostergebäulichkeiten vor 1803.

Pius Bieri 2020

Literatur

Sauer, Joseph: Die Abteikirche in Schwarzach, in: Freiburger Diözesan-Archiv, Vol. 32-1904, Seite 361–396 [https://www.freidok.uni-freiburg.de/data/873]
Harbrecht, Alfons: Die Reichsabtei Schwarzach, in: Die Ortenau 1951-1957.
Gubler Hans Martin: Der Vorarlberger Barockbaumeister Peter Thumb. Sigmaringen 1972.
Hotz, Joachim: Die Barockgebäude der Abtei Schwarzach, in Tschira Arnold: Die ehemalige Benediktinerabtei Schwarzach, Karlsruhe 1977.
Gartner Suso: Kloster Schwarzach (Rheinmünster) in: Die Klöster der Ortenau (Zeitschrift des historischen Vereins für Mittelbaden, 58. Jahresband, Freiburg 1978)
[http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1978].
Zückert, Hartmut: Die sozialen Grundlagen der Barockkultur in Süddeutschland. Stuttgart 1988.
Rüsch, Eckart: Die Veränderungen der barocken Ausstattung in Chor und Querhaus der ehemaligen Abteikirche Schwarzach seit 1803, in: Schrifttum zur deutschen Kunst 55. Berlin 1991 (2003)
[https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/schrifttum55/0059/text_ocr].
Scheurer, Werner: Abteikirche St. Peter und Paul, Schwarzach. Kunstführer. Lindenberg 2007.
Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat 26 – Denkmalpflege (Hrsg.): Historische Ortsanalyse, 2014.

Anmerkungen:

[1] Ettenheimmünster wird um 734 gegründet. Mehr siehe unter «Ettenheimmünster» in dieser Webseite.

[2] Schuttern ist schon im 7. Jahrhundert klösterliche Niederlassung. Mehr siehe unter «Schuttern» in dieser Webseite.

[3] Gengenbach wird im frühen 8. Jahrhundert gegründet und nimmt um 750 die Benediktsregel an. Als einziges der vier Klöster bleiben in Gengenbach nach der Säkularisation 1803 die Konventgebäude erhalten. Mehr siehe unter «Gengenbach» in dieser Webseite.

[4] In einer (echten ?) Urkunde erteilt Bischof Heddo von Strassburg 749 der Klostergründung Arnulfsau des Grafen Ruthard und seiner Frau Hirminsind umfangreiche Privilegien. Der gleiche fränkische Adelige wird auch als Stifter von Gengenbach aufgeführt. Die Urkunde von 749 kann aber nicht das 817 als Schwarzach bezeichnete Reichskloster betreffen, denn Ausgrabungen in Schwarzach belegen einen Kirchenbau des 8. Jahrhunderts an heutiger Stelle. Die früheren Annahmen einer Klosterverlegung von Arnulfsau nach Schwarzach stehen damit auf wackeligen Füssen.

[5] Ebersmünster wird 817 als Reichskloster erwähnt. Mehr siehe unter «Ebersmunster (Ebersmünster)» in dieser Webseite.

[6] Noch Anfang des 19. Jahrhunderts führt in Basel die letzte feste Brücke über den Rhein. Die Brücken von Kehl nach Strassburg sind entweder Holzbrücken oder meist (nach Zerstörungen) Bootsbrücken. Alle übrigen Verbindungen über den Rhein sind Fähren. Weil die damaligen Verkehrswege vor allem als Einnahmequelle betrachtet werden, ist auch das Kloster vor allem an den Zolleinahmen aus der Rheinschifffahrt und an den Fährgebühren interessiert.

[7] Die direktere Strassenführung von 1763 deswegen, weil die Abtei nicht mehr an einer «Heer- und Commercialstrasse» liegen möchte (Baer, Strassenbau in Baden, 1878). Offenbar hat der damalige Abt Anselm kein grosses Verständnis für Wirtschaftsfragen.

[8] Heute scheint der Name der Abtei aus der Geografie verschwunden. Wer Schwarzach aufsuchen will, muss die Ortschaft Rheinmünster ansteuern. Dieser Name ist eine Frucht der Baden-Württembergischen Gebietsreform von 1975. Nicht nur alte bekannte Ortsnamen verschwinden damals, das neue Rheinmünster wird gleichzeitig vom Landkreis Bühl zum Landkreis Rastatt «umgesiedelt». Damit ist Schwarzach auch in der Kunstdenkmäler-Topografie ein weisser Fleck. Auch auf diese Art kann man Geschichte auslöschen.

[9] Die Hirsauer Reform knüpft an die Reform von Cluny an. Die Kirchen der Cluniazenser-Klöster (Payerne, Rüeggisberg) übernehmen das Bauschema der zweiten Kirche von Cluny (geweiht 981). Die Hirsauer-Reformkirchen (Hirsau II 1091, Schaffhausen 1103, Paulinzella 1129) sind meist grösser und ohne Gewölbe, im Ostabschluss nicht mehr streng der Kirche Cluny II folgend. Der Vierungsturm entfällt, stattdessen werden den Hirsauer Bauwerken Vorkirchen mit Westtürmen angefügt (Hirsau II 1120/50, Paulinzella um 1180). Erst die Stiftskirche Schwarzach folgt im 13. Jh. wieder dem cluniazensischen Schema mit Vierungsturm. Der Vergleich von Schwarzach mit den burgundischen Klöstern Cluny, Payerne, Rüeggisberg und den Kirchen Hirsau II und Gengenbach ist in der Bilddokumentation der vorliegenden Webseite zu finden .

[10] In den vielen Baubeschrieben ist kein Wort über diesen Backsteinaufbau mit neugotisch wirkenden Schallöffnungen zu finden. Nur im «Lexicon des Grossherzogtums Baden» (1816) steht: «Der Thurm ist, ob gleich neu gebauet, doch unansehnlich». In drei und

atierten Klosteransichten (zwischen 1775 und 1840) ist er in der heutigen Form gezeichnet.

[11] Das ehemalige Chorgestühl ist heute in 3 Teile auseinandergerissen (11 Stallen stehen in der Chor-Seitenkapelle Nord, 9 Stallen in der Chor-Seitenkapelle Süd, der gebogene Teil mit 3 Vorstehersitzen und 10 Stallen vermutlich an alter Stelle im Ostchor). Die Vorsteherplätze sind ädikulaartig betont und enthalten mittig ein Relief der Krönung Mariens (um 1600), das aber erst 1888 eingesetzt wird. Sybe Wartena beschreibt das Gestühl als «unverwechselbar und von hoher künstlerischer und handwerklichen Qualität» [https://edoc.ub.uni-muenchen.de/7999/1/Wartena_Sybe.pdf].

[12] Der Schild wird als Wappen des Abtes Joachim Meyer (reg. 1691–1711) bezeichnet, ist aber das alte Wappen der Abtei Schwarzach. Es zeigt (Gold in Blau) ein Schwert schräggekreuzt mit einem Schlüssel. Schlüssel und Schwert stehen für die Klosterpatrone Petrus und Paulus. In der Bekrönung ist Mitra und Stab zu sehen. Das Schwert als Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit fehlt in der Bekrönung, weil Schwarzach diese schon vor der Reformation verloren hat.

[13] Martin Eigler der Ältere († 1769) aus Bregenz, Hofschreiner der Markgrafen von Baden-Baden.

[14] Ein gutes und noch immer erlebbares Beispiel ist der Hochaltar von Banz (1716, Balthasar Esterbauer). Der ehemals in gleicher Art freigestellte Hochaltar von Schwarzach ist in seiner Art auch dem apsidialen Kolonnadenaltar von Balthasar Neumann für den Wormser Dom (ausgeführt 1740) verwandt. Dies führt zur Vermutung, dass der viel mit dem Rastatter Hofbaumeister Franz Ignaz Krohmer zusammenarbeitende Martin Eigler den Altar zusammen mit diesem Schüler von Balthasar Neumann entworfen hat. Wichtig ist aber zu wissen, dass mit der Neuaufstellung des Schwarzacher Rokoko-Kunstwerkes 1891 dieses in der Breite verändert wird. Damals fallen zwei seitliche Kolossalsäulen weg und die Farbfassung wird nicht nur 1891, sondern auch 1967/69 dem herrschenden Farbempfinden angepasst. Vergleiche die Fotografie vor 1888 mit dem heutigen Zustand.

[15] Johann Georg Rohrer (1685–1765) aus Schlackenwerth in Böhmen, Bruder des Rastatter Hofbaumeister Johann Michael Rohrer, seit 1712 in Strassburg als Orgelbauer tätig. Kurz vor der Orgel von Schwarzach baut er die mächtige Orgel der Jesuitenkirche Mannheim.

[16] Verantwortlich: Josef Durm (1837–1919) aus Karlsruhe. Er studiert Architektur beim Weinbrenner Schüler Friedrich Theodor Fischer und legt die Prüfung bei Heinrich Hübsch («In welchem Style sollen wir bauen?») ab. 1868 wird er Professor in Karlsruhe. Er ist zwischen 1865 und 1895 der bekannteste Architekt des badischen Stilpluralismus. 1887 wird er Baudirektor des Grossherzogtums Baden.

[17] Aufgrund der Fotografien von 1876 (6 Stufen) und 1892 (drei Stufen) ist dies eindeutig.

[18] Eine Fotografie (1904) zeigt ein Doppelportal mit oberem festen Feld, das bis unter das romanische Tympanon reicht. Alle drei Türfelder sind mit reichen Rocaille-Schnitzereien versehen. Im festen Sturzfeld liegt das Klosterwappen in einer Rokokokartusche .

[19] Obwohl viele ursprünglich verputzte oder geschlämmte mittelalterliche Ziegelfassaden (süddeutsch: Backsteinfassaden) heute Sichtmauerwerk sind, dürfte das Sichtmauerwerk in Schwarzach ursprünglich sein. Klösterliche Ziegelhütten des 13. Jahrhunderts sind in unseren Breitengraden, vor allem in lehmreichen Ebenen, weitverbreitet. Beispiel: Kloster St. Urban, dessen Backsteine das gleiche Format wie Schwarzach aufweisen. Modeldrucke fehlen aber in Schwarzach.

[20] Verantwortlich: Arnold Tschira (1910–1969) aus Freiburg im Breisgau. Nach dem Architekturstudium dient er 1933–1945 den Nationalsozialisten. Er ist Bauforscher des Mittelalters. Seit 1950 lehrt er an der TH Karlsruhe. Die Kirche von Schwarzach ist sein einziges architektonisches Werk. Sein Hauptverdienst sind hier die archäologischen Grabungen. Das Vorgehen in Schwarzach widerspricht schon 1967 der 1964 ausgehandelten Charta von Athen. Zur Charta von Athen siehe das Glossar in dieser Webseite, Buchstabe R (Restaurierung).

[21] Lucius Burckhardt und Walter Förderer in «Bauen ein Prozess», 1968.

[22] Peter Thumb (1681–1766) aus Bezau im Bregenzerwald. Der Baumeister ist Schwiegersohn von Franz Beer II. Zu Peter Thumb und Franz Beer II siehe die Biografien und Werklisten in dieser Webseite.

[23] Der «Hauptverding» vom 12. April 1724 ist in Gubler (1972) als Abschrift nachzulesen. Er ist einer der typischen Generalakkorde für die Klosterbauten der Vorarlberger. Thum muss auch die alten Gebäude abbrechen. Das Kloster verköstigt Thumb und seinen Palier. Die Maurer und Zimmerleute erhalten Bettstatt (für 41 Personen). Baumaterial und Materiallieferungen gehen zu Lasten des Klosters (resp. bei Fronführen zu Lasten der Untertanen). Schon seit Frühjahr 1723 sind Ziegler und Steinhauer mit Materialbereitstellungen tätig. Im Vertrag mit Thumb wird auch die Umleitung des Mühlbachs und die Wasserzufuhr für Küche und Aborte festgelegt.

[24] Schwarzach ist eines der wenigen Klöster Süddeutschlands ohne Baubeschreibung und ohne Bilddokumente vor ihrem Neubau (in Schwarzach vor 1724). Nur einige romanische Spolien (Kapitelle) des Kreuzganges sind museal erhalten. Die Abbrüche dürften etappenweise erfolgt sein.

[25] Heinrich Kohler (1687–1734) aus Au im Bregenzerwald. Auch er ist Schwiegersohn von Franz Beer II. Als Zimmermeister arbeitet Kohler schon in Ettenheimmünster und 1726 auch in Ebersmünster zusammen.

[26] Giovanni Battista Clerici (1673–1736) und sein Sohn Giuseppe Maria (1701–1761) aus Meride im Tessin. Clerici ist bekannter Stuckateur der Régence in der Kurpfalz und in Franken. Der Vertrag mit Clerici umfasst alle drei Flügel und auch die Kirche. Ob er sich trotz des Vertrages wegen des Auftrages von St. Peter im Schwarzwald zurückzieht, oder ab 1728 mit Retti zusammenarbeitet, bleibt unklar.

[27] Donato Riccardo Retti (1687–1741) aus Laino Valle Intelvi. Er arbeitet vorher in den Residenzen Ludwigsburg und Mannheim. In Schwarzach ist die Zusammenarbeit mit seinem Dorfgenossen Emanuele Pighini verbürgt. Auch Retti ist bekannter Stuckateur der Régence.

[28] Schon in der Planaufnahme ist der Raum geteilt und dient als Lager. Weil auch der zur Klosterzeit völlig freie Kreuzgang im Plan mit vielen Trennwänden neuen Nutzungen zugeführt ist, kann die Planaufnahme erst nach 1804/05 entstanden sein.

[29] Aus der Karte kann herausgelesen werden, dass die Mühle und auch ein schräg über den Mühlbach führendes Gebäude mit dem Turm 1750 schon bestehen. Die Lage dieses zweiten Gebäudes ist allerdings, sicher völlig falsch, direkt vor der Südfassade des Konventbaus eingetragen. Es muss sich um die in der Kloster-Vogelschau und im Grundriss 1804/05 dargestellten Ökonomiebauten [im Grundrissplan 3.9 -3.12] handeln, von denen heute nur noch die ehemalige Kanzlei und das Gastgebäude [3.13] als «Klosterhof» 8 und 9 steht.

[30] Der Friedhof wird Ende des 18. Jahrhunderts verlegt. Heute nimmt sein Platz die im 19. Jahrhundert gebaute Münsterstrasse ein. Dies, weil die Stiftskirche heute Münster genannt wird.

[31] Von Baden-Durlachschen Hofwerkmeister (Baumeister) Dominik Berckmüller sind keine Lebensdaten bekannt. Sein Sohn Joseph wird 1797 Karlsruher Stadtbaumeister, sein Neffe Karl Joseph badischer Hofbaumeister. Weil Berckmüller viel mit dem Baden-Badischen Hofbaumeister Franz Ignaz Krohmer zusammenarbeitet, wird diese Zusammenarbeit auch in Schwarzach vermutet.

[32] Das Klostertor ist eine dorische Portalädikula, mit den typischen Triglyphen im Gebälk, und mit einem gekröpften Segmentgiebel. Im Tympanon ist das Rokoko-Wappenschild des Abtes Anselm zu sehen, das von zwei Löwen gehalten wird. Es ist gespalten, links das Wappen der Abtei (Schlüssel und Schwert gekreuzt), rechts dasjenige von Abt Anselm, eine seitlich aus Wolken hervorbrechende Hand, die eine goldene Rose hält. Zwei seitliche Rundnischen schaffen die Distanz zu den Pavillons, darunter liegen Fussgängerzugänge. In den Nischen Statuen von Placidus und Maurus. Auf dem Giebel der hl. Benedikt mit zwei weiblichen Allegorien.

[33] Im Akkord mit Peter Thumb wird der Baumeister verpflichtet, «weilen der Mühlbach in etwass überbauen wirdt, bey der neüen mühlen an, biss wider in die alte mühlbach» einen neuen Graben mit beidseitigen Mauern zu erstellen. Eindeutig ist damit die «neüe» Mühle [3.7] mit den fünf Wasserrädern als schon bestehend beschrieben. Auch der über den Mühlbach gebaute Trakt mit Beschliesserei, Bierbrauerei und Bäckerei [3.9–3.12] könnte aus der Zeit von Abt Bernhard Steinmetz (1711–1729) stammen, wenn sein am noch bestehenden Querbau («Klosterhof» 8 und 9) in die Stirnwand eingelassenes Wappen keine Zweitverwendung ist. Das Wappen zeigt über einem Dreiberg und Halbmond ein Lothringerkreuz, begleitet von je zwei Fünfsternen. Naiv wird es in der «Historischen Ortsanalyse» (1980) der Denkmalpflege als «Erzbischöfliches Wappen» beschrieben.




Ehemalige Benediktinerabtei und Stiftskirche St. Peter und Paul in Schwarzach (Ortenau)
SchwarzachModell
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Schwarzach Baden-Württemberg Herrschaft Schwarzach und Markgrafschaft Baden
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Speyer 1724
Bauherr und Bauträger
Abt OSB Bernhard Steinmetz (reg. 1711–1729)
Abt OSB Coelestin Stehling (reg. 1729–1734)
Abt OSB Bernhard II. Beck (reg. 1734–1761
Abt OSB Anselm Gaukler (reg. 1761-1790)
Ein Modell im Klostermuseum zeigt das Kloster Schwarzach im barocken Zustand. Hier fotografiert aus Westen mit dem Hofzugang im Vordergrund. Foto: Bieri 2012.
Schwrzach2
Das westliche Eingangstor (um 1770) führt seit 1842 ins Leere. Foto: Bieri 2012.
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Schwarzach1765
Das Klosterdorf Schwarzach in einem Dorfplan der Zeit um 1751–1765, vor der Vollendung der westlichen Ökonomie-Bauten mit dem axialen Zugang zum Kloster. Man beachte die abseitige Lage der Kirche, die nur durch den Friedhof direkt erreichbar ist. Für den Zustand nach 1765 siehe den untenstehenden Lageplan des barocken Klosters. Quelle: GLA Karlsruhe.
SchwarzachLageplan1800
Im genordeten Lageplan ist der Gebäudebestand des Klosters und seiner näheren Umgebung im barocken Zustand (nach Aufnahmen von 1803) dargestellt. Die noch bestehenden Gebäude sind abgedunkelt koloriert, moderne Bauten sind in roter Punktierung eingetragen. Für Vergrösserung und Legende bitte anklicken

Die Konvent-und Ökonomiebauten

SchwarzachAnsichtW
Drei Klosteransichten aus verschiedenen Himmelsrichtungen zeigen, leider stark beschnitten, das barocke Kloster. Der Zeichner ist unbekannt. Sie könnten aus einer heute verschollenen Chronik stammen. Im obigen Bild ist das Kloster aus Westen dargestellt, wie es sich dem barocken Besucher nach dem Eintritt in den Klosterhof zeigt. Quelle: GLA Karlsruhe, hier alle Ansichten aus der Literatur..
SchwarzachAnsichtO
Die Ansicht aus Osten zeigt im Vordergrund den Konventgarten [5.2 im Lageplan].
Im Text «Der barocke Klosterneubau» (unten) die Kloster-Hauptansicht aus Nordwesten eingefügt. In ihr sind alle westlich vorgelagerten Ökonomiebauten erfasst, sichtbar ist auch die geschlossene gemauerte Umfassung des Klosterrs.
SchwarzachKlostergasseWest
Die westliche Abschlussfront der Klosterökonomie zur Klostergasse, die heute Lindenbrunnenstrasse heisst. Mit ihren zwei dreigeschossigen Eckpavillons und den beiden, das Eingangstor flankierenden, zweigeschossigen Mittelpavillons ist hier noch die Ausdehnung des Klosters erfassbar. Auch die Grössenordnung des ähnlich langen, von axial erreichbaren dreigeschossigen, gleich langen und heute zerstörten Konvent-Westflügels (siehe Lageplan) kann hier erahnt werden. Foto: Bieri 2012.
SchwarzachTor
Im Tympanon des Klostertors (das Tor siehe im Titelbild) ist das Rokoko-Wappenschild des Abtes Anselm zu sehen, das von zwei Löwen gehalten wird. Mehr dazu siehe in der Anmerkung 32. Foto: Bieri 2021.
SchwrzachKlostergasseNord
Wie alle Bauten der Klosterökonomie ist auch der Nordwestpavillon nur noch in der Gebäudehülle erhalten. Er beherbergt heute das Rathaus. Foto: Bieri 2021.
Schwrzach5
Aus moderner Zeit stammt nicht nur die nördlich an die ehemalige Klosterökonomie angrenzende Kirchen-Zufahrtsstrasse anstelle des ehemaligen Friedhofes (siehe Lageplan), sondern auch das Feuerwehrgebäude anstelle des ehemaligen Pferdestalles [3.5]. Zur Klosterzeit ist dieser nur vom Ökonomiehof zugänglich.
Foto: Bieri 2021.
SchwarzachWappen
Das etwas unmotiviert in die Stirnwand des ehemaligen Kanzlei- und Gastgebäudes [3.13] eingelassene Wappenschild des Abtes Bernhard Steinmetz (1711–1729) könnte auch in Zweitverwendung hier angebracht sein. Es ist, mitten im Spätbarock, stark französisch-klassizistisch geprägt. Siehe dazu die Anmerkung 33.
Foto: Bieri 2021.
SchwarzachApotheke
Aus der Klosterapotheke, die sich bis 1802 im Kanzlei- und Gastgebäude [3.13] befindet, stammt die heute im Apothekenmuseum auf Schloss Heidelberg zu besichtigende Offizin. Ihr Erhalt ist dem lokalen Dorfapotheker zu verdanken, der sie 1802 erwirbt. Bis 1961 befindet sich die Offizin mit offenen Regalen (Repositorium) und dem Rezepturtisch der Barockzeit in der örtlichen Apotheke.
Foto: DAM Heidelberg TS.
Die Kirche
SchwarzachKircheVergleiche
Die romanische Klosterkirche Schwarzach im Grundrissvergleich mit Vorgängerkirchen (oben Gengenbach). Vergleiche mit Anklicken auch mit weiteren und älteren Kirchen dieses burgundischen Typus der Reform von Cluny und der späteren Hirsauer Reform
SchwarzachKircheGrundriss
Der veränderte Kirchengrundriss der Barockzeit, wie er 1735 bis 1965 besteht. Quellenangabe im Plan.
SchwarzachKirche1
Die Kirche ist seit dem Abbruch der Konventgebäude 1842 ein freigestellter Solitär, hier vom ehemaligen Hof vor dem (abgebrochenen) Konvent-Westflügel aufgenommen. Foto: Bieri 2012.
SchwarzachKirche2
Die Südostansicht der romanischen Kirche, wie sie erst nach dem Abbruch der im Süden vorher immer angeschlossenen Klostergebäude und seit der restaurativen Freilegung der Backsteine möglich wird. Foto: Bieri 2012.
SchwarzachKirche3
Die Westfront der romanischen Kirche ist in Haustein ausgeführt. Derart ist sie auch zur Barockzeit sichtbar. Foto: Bieri 2012.
SchwarzachKircheInnen1
1888 wird die barocke Kirchenausstattung entfernt. Der Hochaltar steht vorher in der Vierung vor dem Psallierchor. Der Wert und die wichtige raumdefinierende Funktion des Hochaltars will nicht erkannt werden. Eine Fotografie, aufgenommen vor 1876, zeigt den grossen Verlust durch die Entfernung des durchlässigen Kolonnadenaltars von 1752, der Seitenaltäre und der Kanzel. Bildquelle Lit. Rüsch 1991.

SchwarzachKircheAltar
In der Breite zurechtgestutzt wird der Altar 1888 vor eine Querschiffwand gestellt und damit seiner Durchlässigkeit beraubt.
Foto: Bieri 2012.
SchwarzachKircheI3
Das Chorgestühl des Psallierchors von 1700 wird 1887 auseinandergerissen. Nur die 13 Stallen der mittleren Chorapside stehen noch an alter Stelle, allerdings ohne die damals vorhandenen Pulte. Zur Barockzeit befindet sich das 33-plätzige Gestühl hinter dem Hochaltar. Foto: Gerd Eichmann 2017.
SchwarzachKircheOrgel
Von der Orgel des Strassburger Orgelbauers Rohrer ist noch das Prospektgehäuse vorhanden. Foto: Bieri 2021.


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Anhang III Schwarzach

Die Äbte des 18. Jahrhunderts und das Ende der Abtei

Abt Bernhard Steinmetz 1711–1729
1711 wird Bernhard Steinmetz als neuer Abt gewählt. Herkunft und Werdegang dieses ersten Bauprälaten bleiben bisher im Dunkeln. Seine Regierungstätigkeit lässt ihn wenig vorteilhaft erscheinen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern legt sich der prozessfreudige Abt mit Baden-Baden an, das jetzt von der Markgräfin Sibylla Augusta[1] regiert wird. Schwarzach ist de facto längst nicht mehr unabhängig, trotzdem beginnt der Abt einen aussichtlosen, kostspieligen Kampf um die Reichsunmittelbarkeit, den er 1721 vor das Reichskammergericht trägt. Während der folgenden 70 Jahre beanspruchen die Prozesse alle Ressourcen der finanzschwachen Abtei. Noch unverständlicher ist die Sturheit, mit der er dem Unwillen der Klosteruntertanen zu Fronfuhren[2] begegnet. Die 1723 beginnenden Vorbereitungen zum Klosterneubau weiten sich die Unruhen zur Rebellion aus. Der Abt führt nun einen Zweifrontenkrieg gegen Baden-Baden und gegen seine Untertanen. Diese verehren die Markgräfin. Die Klosterherrschaft bringt ihnen keine Vorteile. Aber wie bei allen derartigen Konflikten zur Zeit des Absolutismus verlieren die Bauern 1726 vor dem Reichskammergericht. Der mit Baden-Baden ausgelöste Konflikt spitzt sich hingegen weiter zu und dauert bis zum Ende des Jahrhunderts. Abt Bernhard hat damit die verständnisvolle Aufbauarbeit der Vorgängeräbte zunichte gemacht.
1724 beginnt er mit dem Klosterneubau. Anstelle der alten Konventflügel entsteht eine barocke Dreiflügelanlage. Geplant ist auch ein Neubau der Verwaltungs- und Ökonomiebauten. Sie sollen die Zufahrt symmetrisch begleiten. Als Abt Bernhard 1729 stirbt, sind aber erst die Konvent-West- und -Südflügel gebaut.

Abt Coelestin Stehling 1729–1734
1729 wird der Prior Coelestin Stehling zum Abt gewählt. Er soll aus Eger stammen. Unter ihm kann der Konventneubau vollendet werden.

Abt Bernhard II. Beck 1734–1761
Bernhard Beck aus Gengenbach wird 1734 als Nachfolger gewählt. Er barockisiert die romanische Kirche. Der Umbau ist 1758 abgeschlossen. Über Abt Bernhard II. schreibt das Haus Baden-Durlach 1773 in einer gegnerischen Prozessurkunde «erlebet den Reichskrieg 1734 und 1735, stehet dem Gotteshaus löblich für, wird jedoch durch die heimlichen Einleitungen seines Nachfolgers zu resignieren gezwungen im J. 1761, welchem er ansehnliche Capitalien, baar Geld und Naturalien überliefert, †1771». Damit wird ein Machtkampf im Kloster gegen Abt Bernhard II. angesprochen, dem vorgeworfen wird, die Prozesse gegen Baden-Baden nur schläfrig zu verfolgen und die Klosterökonomie schlecht zu führen. Der erste Vorwurf weist ihn als politisch klug aus, der zweite steht im völligen Widerspruch zu den Angaben von Baden-Baden, die auf der jeweiligen Kontrolle am Anfang einer neuen Regierung erfolgen. 1761 resigniert der Abt und zieht sich in den Pfarrhof von Vimbuck zurück, wo er zehn Jahre später stirbt.

Abt Anselm Gaukler 1761-1790
Anselm Gaukler oder Gauger (1725–1808) aus Bensheim an der Bergstrasse ist Nachfolger. Widersprüchlicher als über diesen dritten Bauabt könnte nicht geschrieben werden. Während Baden-Durlach ihn in der Prozessurkunde für die sofort beginnende Spaltung im Kloster verantwortlich macht und ihn als Verschwender des von seinem Vorgänger hinterlassenen Vermögens brandmarkt, schreibt Alfons Harbrecht 1951 ehrfurchtsvoll vom «edlen Dr. Anselm Gaugler». In Bezug auf Vermögensverschwendung spielen die badischen Behörden auf das vom Vorgängerabt überlassene Vermögen von 44 913 Gulden an. 13 Jahre später sind es Schulden von 50 000 Gulden. Zwar ist Abt Anselm auch Bauabt. 1765 erweitert er die Seitenschiffe der Stiftskirche in barockem Sinn. Er lässt auch die noch von Thumb geplanten Verwaltungs- und Ökonomiebauten als repräsentative Zufahrtsachse und das Klostertor bis 1775 bauen. Diese Bauten sind aber für die plötzliche Verschuldung nicht hauptverantwortlich. Die verbitterten Prozesse gegen die Markgrafschaft und der 1763 begonnene Kampf gegen Feinde im eigenen Konvent sind ebenso kostspielige wie rufschädigende Unterfangen. Bis 1790 beschäftigt der Abt und seine beiden Hauptgegner die Gerichte von Mainz bis Rom.[3] Auch wenn das Bild des Abtes vielleicht durch die gegnerischen Prozessschriften zu seinen Ungunsten verfälsch ist, von einem «edlen Dr. Anselm Gaugler» darf sicher nicht gesprochen werden.

Schwarzach im 19. und 20. Jahrhundert
1790 wird mit Hieronymus Krieg[4] der letzte Abt gewählt. 1803 fällt Schwarzach endgültig an Baden. Der Markgraf löst die Abtei sofort auf. Die jetzt nur noch acht Patres übernehmen Pfarrstellen, der Abt zieht sich mit nicht unerheblichem Vermögen nach Rastatt zurück. Der eher kleine Bibliotheksbestand kommt nach Karlsruhe. Damit ist ein Kapitel Klostergeschichte beendet, das im Laufe von tausend Jahren kaum je Höhepunkte aufweist, vor allem aber mit absoluter Abwesenheit der für barocke Benediktinerklöster üblichen Ausstrahlung in Geistes- Musik- oder Schulgeschichte glänzt. Die Abtei ist im 18. Jahrhundert nur mit sich selbst beschäftigt. Kein Wunder, dass die Bevölkerung ihrer alten Klosterherrschaft keine Träne nachweint. Die Abteikirche bleibt erhalten. Sie wird anstelle der Michaelskirche neue Pfarrkirche der jetzt rund 1000 Einwohner zählenden Gemeinde. Die Pflicht zur Instandhaltung  hat nun der Staat. Die Michaelskirche wird abgebrochen.[5] 1812 kaufen die Strassburger Gebrüder Humann die mächtigen Konventgebäude und richten in ihnen eine Zucker- und Tabakfabrik ein, die sie aber nur bis 1824 betreiben und dann (auf Abbruch?) verkaufen. Bis 1839/42 sind alle Flügel vollständig abgebrochen. Heute erinnern noch einige Gebäude der Ökonomie und die wieder auf Romanik getrimmte ehemalige Abteikirche an das ehemalige Kloster.

Pius Bieri 2021

Anmerkungen:

[1] Zur Markgräfin siehe die Biografie «Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg» in dieser Webseite.

[2] Die Fronfuhren sind verpflichtendes Element für unregelmässig vorkommende Vorhaben. Sie gelten in allen Herrschaften der Barockzeit und treten vor allem bei Bauvorhaben (Schanzen, Strassen, Herrschaftsbauten) auf. Die Untertanen werden nur mit Verpflegung entschädigt. Damit sollen auch schwankende Steuern ausgeglichen werden. Diese Frondienste werden in der Regel akzeptiert, sofern sie nicht von der Herrschaft übertrieben werden. In Schwarzach berufen sich die Untertanen auf ein altes Recht, das sie maximal vier Tage im Jahr verpflichtet. Die Rebellen zeigen auch Vertrauen zur grossen Gegnerin von Schwarzach, der Markgrafschaft Baden-Baden. Sie bedenken nicht, dass bei allen Obrigkeiten des Absolutismus bei solchen Untertanenforderungen immer die Alarmglocken läuten. Sie befürchten ähnliche Bestrebungen in ihrer Herrschaft. Die Forderungen der Schwarzacher Bauern kommen 80 Jahre zu früh. Erst mit der Französische Revolution erhalten sie Recht .

[3] In der Schrift «Die Klöster der Ortenau» (1978) beschreibt Suso Gartner unter den Titeln «Abt Anselm Gauckler und die Spaltung im Konvent» und «Die badische Herrschaft im Kloster» von Seite 333–338 die Vorgänge von 1761–1790 im Kloster Schwarzach.
[http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1978/0003?sid=9959984406c34fcd88a0a3f26001cbdf]

[4] Hieronymus Krieg (1741–1820) aus Ottenau bei Gaggenau. Von ihm ist nur bekannt, dass er nach der Pensionierung 1803 recht unbesorgt lebt und an Bar- und Sachvermögen 14 117 Gulden hinterlässt.

[5] Die Michaelskirche ist an der Stelle des heutigen Gebäudes Münsterstrasse 3 zu suchen.


 

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Anhänge I–III

I. Schwarzach 1032–1648

Schwarzach hat nur eine kurze Blütezeit. Schon seit dem 11. Jahrhundert ist die Herrschaft Spielball der Mächtigen. 1032 schenkt Kaiser Konrad das Reichskloster an den Bischof von Speyer. Speyer beansprucht bis zur Säkularisation die Lehenshoheit der zum Strassburger Sprengel gehörenden Abtei. Beide Bischofsitze haben keine grossen Interessen an einer eigenständigen Entwicklung der Abtei, dafür umso mehr an den Einnahmen, die das Kloster nun dem Lehensherrn in Speyer und dem geistlichen Oberhirten in Strassburg abliefern muss. Das Kloster verarmt und muss, auch wegen den grossen Geldforderungen für den Neubau des Speyerer Doms, dem Strassburger Bischof 19 Ortschaften in Schwaben abtreten. Der ehemals grosse Streubesitz, der anfänglich weit ins Elsass und bis an die obere Donau reicht, reduziert sich nicht nur durch Verkauf, sondern auch durch kriegerische Annexionen.
Mit zwei Äbten aus dem Reformkloster Hirsau erreicht Schwarzach im 12. Jahrhundert trotzdem einen Wiederaufstieg. Dies erlaubt nach einem Grossbrand um 1220 auch einen grosszügigen Kirchen- und Konventneubau. Im 14. Jahrhundert häufen sich die Schulden wegen mehrfachen kriegerischen Brandschatzungen. Die allgemeine Rechtunsicherheit dieser Zeit bewegt das Kloster, sich im 15. Jahrhundert das Haus Baden als Schirmvogt zu wählen. Weil Baden daraus sogleich Anspruch auf Landeshoheit und Herrschaft ableitet, kämpft jetzt die Abtei die nächsten drei Jahrhunderte für die Wiedergewinnung der Reichsunmittelbarkeit. Bauernkrieg und Reformation setzen ihr schwer zu. Zeitweise sind nur noch vier Konventualen im Kloster. Schwierig wird vor allem die Zeit von 1594 bis 1622, als der Markgraf von Baden-Durlach, ein Calvinist, die bisher katholische Markgrafschaft besetzt und damit nicht nur Strassburg, sondern auch die Schirmherrschaft Baden in protestantischen Händen ist.
Das monastische Leben erlischt aber nie. Nach der Einführung der Hirsauer Reform im 12. Jahrhundert tritt Schwarzach im 15. Jahrhundert der Bursfelder Kongregation bei,[1] zusammen mit den Benediktinerabteien der Strassburger Diözese. Argwöhnisch verfolgen die Strassburger Fürstbischöfe das Neuaufleben der Kongregation um 1600, der bis 1606 alle Strassburger Benediktinerabteien wieder angehören. 1608 wird der Strassburger Bischofsstuhl von Österreich besetzt. Leopold von Österreich[2] zwingt die sechs in Vorderösterreich und im Elsass liegenden Benediktinerabteien zum Austritt aus der Bursfelder Kongregation. Er gründet 1624 die vom Fürstbischof kontrollierte Strassburger Kongregation, der auch Schwarzach als kleinste und schwächste Abtei beitritt. Die Klosterherrschaft ist zu dieser Zeit noch immer von den 1622 erfolgten Verheerungen des Kriegszuges der Bayern gegen Baden-Durlach geprägt. Die jetzt von der Kongregation unterstützte Klostergemeinschaft besteht nur noch aus vier Patres und dem Abt. Noch ahnen aber die wenigsten Untertanen die Schrecken des erst beginnenden Dreissigjährigen Krieges. 1634 greift Frankreich ein. Die Ortenau wird Kriegsschauplatz. Am Ende des Krieges befindet sich in der Herrschaft noch ein Fünftel der vorherigen Bevölkerung, das Land und die Dörfer sind verwüstet und ausgeplündert, die elsässischen Besitzungen sind jetzt in französischer Hand, im Kloster hält sich noch ein Konventuale auf. Der absolute Tiefpunkt der Geschichte Schwarzachs ist damit erreicht.
Pius Bieri 2021

 

II. Schwarzach 1649–1711

Alle Klöster der Ortenau sind nach dem Dreissigjährigen Krieg auf Hilfe von aussen, vor allem aus den weniger betroffenen Klöstern Schwabens und der verschonten Schweiz angewiesen.[3] St. Blasien postuliert den vorher als Verwalter in Lorch und als Visitator der Strassburger Kongregation wirkenden Placidus Rauber als neuen Abt in Schwarzach.[4] Noch 1650 ist die Klosterherrschaft verwüstet, von nur noch wenigen Untertanen bevölkert, Vieh und Vorräte fehlen. Im Kloster hält sich noch ein Konventuale auf. Die Schuldenlast aus Kriegskontributionen beträgt 110 000 Gulden. Der gebildete und im Umgang mit Mächtigeren erfahrene Abt ist aber zupackender Pragmatiker. Er sieht das Überleben der Herrschaft nur in einer Annäherung an das Haus Baden-Baden. 1651 vereinbart er eine Überlassung von 376 markgräflichen Leibeigenen, verzichtet dafür auf die bisher immer von Baden bestrittene Reichsunmittelbarkeit. 1652 verkauft er weitere Rechte. In diesem Jahr zählt das Kloster wieder sieben Patres, die den Vertrag mitunterzeichnen. Ein Versuch, die noch immer hohen Kriegsschulden mit einer kaiserlichen Insolvenzerklärung zu beseitigen, scheitert 1657 wegen des frühen Todes von Kaiser Ferdinand. Zu dieser Zeit ist der Wiederaufbau im vollen Gange, gewerbefreundlichen neuen Ordnungen sorgen für Aufschwung, in Schwarzach wird eine Klosterschule eröffnet. 1660 stirbt der verdienstvolle Abt.
Als Nachfolger wählen die Konventualen den Prior Gallus Wagner.[5] Dieser ist von Abt Placidus 1657 aus der schweizerischen Abtei Rheinau nach Schwarzach geholt worden. Abt Gallus setzt die Aufbauarbeit seines Vorgängers fort, kann aber nur 14 Jahre von Friedenszeiten profitieren. Die erneut über die Region hereinbrechenden Franzosenkriege von 1674 bis 1679 und ab 1688 beanspruchen die Abtei vor allem in der Abwehr von Kontributionsforderungen beider Kriegsparteien. Immerhin erreicht er eine Verschonung von Schwarzach. Von einer Verhandlung im neuen französischen Fort Louis kehrt er krank zurück und stirbt 1691.
Der Nachfolger Joachim Meyer übernimmt das Amt noch während des Krieges, der 1697 endet. Er kann bis 1700 noch das wertvolle Chorgestühl erstellen, im gleichen Jahr wird die Klosterherrschaft wieder Aufmarschgebiet, diesmal im Reichskrieg gegen die mit den Franzosen verbündeten Bayern. Die befestigte Rheinlinie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Stollhofen bis Bühl liegt an der Nordgrenze der Klosterherrschaft. Bis 1707 hält sie stand.[6] Abt Joachim erlebt den Friedensschluss nicht mehr, er stirbt 1711.[7] br> Pius Bieri 2021

 

III. Die Äbte des 18. Jahrhunderts und das Ende der Abtei

Abt Bernhard Steinmetz 1711–1729
1711 wird Bernhard Steinmetz als neuer Abt gewählt. Herkunft und Werdegang dieses ersten Bauprälaten bleiben bisher im Dunkeln. Seine Regierungstätigkeit lässt ihn wenig vorteilhaft erscheinen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern legt sich der prozessfreudige Abt mit Baden-Baden an, das jetzt von der Markgräfin Sibylla Augusta[8] regiert wird. Schwarzach ist de facto längst nicht mehr unabhängig, trotzdem beginnt der Abt einen aussichtlosen, kostspieligen Kampf um die Reichsunmittelbarkeit, den er 1721 vor das Reichskammergericht trägt. Während der folgenden 70 Jahre beanspruchen die Prozesse alle Ressourcen der finanzschwachen Abtei. Noch unverständlicher ist die Sturheit, mit der er dem Unwillen der Klosteruntertanen zu Fronfuhren[9] begegnet. Die 1723 beginnenden Vorbereitungen zum Klosterneubau weiten sich die Unruhen zur Rebellion aus. Der Abt führt nun einen Zweifrontenkrieg gegen Baden-Baden und gegen seine Untertanen. Diese verehren die Markgräfin. Die Klosterherrschaft bringt ihnen keine Vorteile. Aber wie bei allen derartigen Konflikten zur Zeit des Absolutismus verlieren die Bauern 1726 vor dem Reichskammergericht. Der mit Baden-Baden ausgelöste Konflikt spitzt sich hingegen weiter zu und dauert bis zum Ende des Jahrhunderts. Abt Bernhard hat damit die verständnisvolle Aufbauarbeit der Vorgängeräbte zunichte gemacht.
1724 beginnt er mit dem Klosterneubau. Anstelle der alten Konventflügel entsteht eine barocke Dreiflügelanlage. Geplant ist auch ein Neubau der Verwaltungs- und Ökonomiebauten. Sie sollen die Zufahrt symmetrisch begleiten. Als Abt Bernhard 1729 stirbt, sind aber erst die Konvent-West- und -Südflügel gebaut.

Abt Coelestin Stehling 1729–1734
1729 wird der Prior Coelestin Stehling zum Abt gewählt. Er soll aus Eger stammen. Unter ihm kann der Konventneubau vollendet werden.

Abt Bernhard II. Beck 1734–1761

Bernhard Beck aus Gengenbach wird 1734 als Nachfolger gewählt. Er barockisiert die romanische Kirche. Der Umbau ist 1758 abgeschlossen. Über Abt Bernhard II. schreibt das Haus Baden-Durlach 1773 in einer gegnerischen Prozessurkunde «erlebet den Reichskrieg 1734 und 1735, stehet dem Gotteshaus löblich für, wird jedoch durch die heimlichen Einleitungen seines Nachfolgers zu resignieren gezwungen im J. 1761, welchem er ansehnliche Capitalien, baar Geld und Naturalien überliefert, †1771». Damit wird ein Machtkampf im Kloster gegen Abt Bernhard II. angesprochen, dem vorgeworfen wird, die Prozesse gegen Baden-Baden nur schläfrig zu verfolgen und die Klosterökonomie schlecht zu führen. Der erste Vorwurf weist ihn als politisch klug aus, der zweite steht im völligen Widerspruch zu den Angaben von Baden-Baden, die auf der jeweiligen Kontrolle am Anfang einer neuen Regierung erfolgen. 1761 resigniert der Abt und zieht sich in den Pfarrhof von Vimbuck zurück, wo er zehn Jahre später stirbt.

Abt Anselm Gaukler 1761-1790

Anselm Gaukler oder Gauger (1725–1808) aus Bensheim an der Bergstrasse ist Nachfolger. Widersprüchlicher als über diesen dritten Bauabt könnte nicht geschrieben werden. Während Baden-Durlach ihn in der Prozessurkunde für die sofort beginnende Spaltung im Kloster verantwortlich macht und ihn als Verschwender des von seinem Vorgänger hinterlassenen Vermögens brandmarkt, schreibt Alfons Harbrecht 1951 ehrfurchtsvoll vom «edlen Dr. Anselm Gaugler». In Bezug auf Vermögensverschwendung spielen die badischen Behörden auf das vom Vorgängerabt überlassene Vermögen von 44 913 Gulden an. 13 Jahre später sind es Schulden von 50 000 Gulden. Zwar ist Abt Anselm auch Bauabt. 1765 erweitert er die Seitenschiffe der Stiftskirche in barockem Sinn. Er lässt auch die noch von Thumb geplanten Verwaltungs- und Ökonomiebauten als repräsentative Zufahrtsachse und das Klostertor bis 1775 bauen. Diese Bauten sind aber für die plötzliche Verschuldung nicht hauptverantwortlich. Die verbitterten Prozesse gegen die Markgrafschaft und der 1763 begonnene Kampf gegen Feinde im eigenen Konvent sind ebenso kostspielige wie rufschädigende Unterfangen. Bis 1790 beschäftigt der Abt und seine beiden Hauptgegner die Gerichte von Mainz bis Rom.[10] Auch wenn das Bild des Abtes vielleicht durch die gegnerischen Prozessschriften zu seinen Ungunsten verfälsch ist, von einem «edlen Dr. Anselm Gaugler» darf sicher nicht gesprochen werden.

Schwarzach im 19. und 20. Jahrhundert

1790 wird mit Hieronymus Krieg[11] der letzte Abt gewählt. 1803 fällt Schwarzach endgültig an Baden. Der Markgraf löst die Abtei sofort auf. Die jetzt nur noch acht Patres übernehmen Pfarrstellen, der Abt zieht sich mit nicht unerheblichem Vermögen nach Rastatt zurück. Der eher kleine Bibliotheksbestand kommt nach Karlsruhe. Damit ist ein Kapitel Klostergeschichte beendet, das im Laufe von tausend Jahren kaum je Höhepunkte aufweist, vor allem aber mit absoluter Abwesenheit der für barocke Benediktinerklöster üblichen Ausstrahlung in Geistes- Musik- oder Schulgeschichte glänzt. Die Abtei ist im 18. Jahrhundert nur mit sich selbst beschäftigt. Kein Wunder, dass die Bevölkerung ihrer alten Klosterherrschaft keine Träne nachweint. Die Abteikirche bleibt erhalten. Sie wird anstelle der Michaelskirche neue Pfarrkirche der jetzt rund 1000 Einwohner zählenden Gemeinde. Die Pflicht zur Instandhaltung  hat nun der Staat. Die Michaelskirche wird abgebrochen.[12] 1812 kaufen die Strassburger Gebrüder Humann die mächtigen Konventgebäude und richten in ihnen eine Zucker- und Tabakfabrik ein, die sie aber nur bis 1824 betreiben und dann (auf Abbruch?) verkaufen. Bis 1839/42 sind alle Flügel vollständig abgebrochen. Heute erinnern noch einige Gebäude der Ökonomie und die wieder auf Romanik getrimmte ehemalige Abteikirche an das ehemalige Kloster.

Pius Bieri 2021

 


Anmerkungen:

[1] Die norddeutsche Reformbewegung erfasst nach ihrer Konstitution 1446 auch die süddeutschen Benediktinerabteien im Oberrheingebiet, verliert dann in der Reformation die Hälfte der Mitglieder und auch führende Klöster. Sie ist der erste Zusammenschluss von Benediktinerabteien mit gegenseitiger Hilfe, Austausch von Konventualen, auch Visitationen und Postulierung von Äbten. Nach 1600 erfolgt parallel zu den süddeutschen Benediktinerkongregationen der Versuch einer Neubelebung.

[2] Leopold V. Ferdinand (1586–1632), Erzherzog von Österreich, Fürstbischof von Passau 1598–1625 und Strassburg 1608–1625, Landesfürst von Tirol, auch Fürstabt von Maursmünster. Er tritt 1625 zugunsten seines Neffen Leopold Wilhelm von den kirchlichen Ämtern zurück und heiratet in Innsbruck Claudia von Medici.

[3] Abt in Ettenheimmünster ist 1653 Franziskus Hertenstein, Profess in St. Gallen. Seit 1655 entsendet Einsiedeln Professoren und Novizen nach Gengenbach. In Schuttern folgen 1641 und 1659 Äbte aus St. Blasien.

[4] Placidus Rauber (1595–1660) leistet Profess in St. Blasien. Er ist Novizenmeister in Schuttern, wo sein Mitbruder Tobias Rösch 1624–1638 Abt ist. 1624 und 1625 ist er Professor für Rhetorik an der 1622 gegründeten Universität Salzburg und seit 1643 auch Visitator der Strassburger Kongregation. 1641 übernimmt er als Administrator das Kloster Lorch, das er 1648 wieder an Württemberg zurückgeben muss. 1649 wird er postulierter Abt von Schwarzach. Von ihm sind auch schriftstellerische Werke bekannt. 1788 beschreibt ihn Abt Martin Gebert in der «Historia Nigrae Silvae» als «efficere et habere monachos, qui pii primum, deinde docti et sibi prodesse possint» beschrieben (geschätzter und zupackender Mönch, fromm, gelehrt und dank seiner Persönlichkeit auf andere positiv wirkend).

[5] Gallus Wagner (1613–1691) aus Rheinau ZH, Konventuale von Rheinau, Profess 1630, Studium in Dillingen bis 1638. Professor der Theologie. 1660–1691 Abt in Schwarzach. Er ist Verfasser mehrerer Geschichtswerke, unter anderem der Geschichte der Abtei Schwarzach. Ein weiterer Konventuale aus Rheinau ist P. Basilius Itten (1633–1697), der als Prior, Novizenmeister und Professor 1663–1670 in Schwarzach wirkt. 1682 wird er zum Abt von Rheinau gewählt.

[6] Nach dem Tod von Markgraf Ludwig Wilhelm (zu ihm siehe die Biografie «Türkenlouis» in dieser Webseite) überrennen die Franzosen 1707 die Befestigungen und lassen sie durch einheimische Bauern abbrechen.

[7] Joachim Meyer (um 1625/30–1711) aus Laufenburg ist schon 1654 Konventuale in Schwarzach. In allen Veröffentlichungen zu Schwarzach ist über ihn nur vermerkt, dass er in reifen Jahren gewählt wird und dass seine geistigen Fähigkeiten seit einiger Zeit nachgelassen hätten. Auch über die Anzahl der Konventmitglieder und jeweiligen Vermögensstand bei der Abtswahl wird in den vielen Veröffentlichungen nichts berichtet. Interessiert dies nicht oder fehlen die Quellen?

[8] Zur Markgräfin siehe die Biografie «Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg» in dieser Webseite.

[9] Die Fronfuhren sind verpflichtendes Element für unregelmässig vorkommende Vorhaben. Sie gelten in allen Herrschaften der Barockzeit und treten vor allem bei Bauvorhaben (Schanzen, Strassen, Herrschaftsbauten) auf. Die Untertanen werden nur mit Verpflegung entschädigt. Damit sollen auch schwankende Steuern ausgeglichen werden. Diese Frondienste werden in der Regel akzeptiert, sofern sie nicht von der Herrschaft übertrieben werden. In Schwarzach berufen sich die Untertanen auf ein altes Recht, das sie maximal vier Tage im Jahr verpflichtet. Die Rebellen zeigen auch Vertrauen zur grossen Gegnerin von Schwarzach, der Markgrafschaft Baden-Baden. Sie bedenken nicht, dass bei allen Obrigkeiten des Absolutismus bei solchen Untertanenforderungen immer die Alarmglocken läuten. Sie befürchten ähnliche Bestrebungen in ihrer Herrschaft. Die Forderungen der Schwarzacher Bauern kommen 80 Jahre zu früh. Erst mit der Französische Revolution erhalten sie Recht .

[10] In der Schrift «Die Klöster der Ortenau» (1978) beschreibt Suso Gartner unter den Titeln «Abt Anselm Gauckler und die Spaltung im Konvent» und «Die badische Herrschaft im Kloster» auf den Seiten 333–338 die Vorgänge von 1761–1790 im Kloster Schwarzach. [Link]

[11] Hieronymus Krieg (1741–1820) aus Ottenau bei Gaggenau. Von ihm ist nur bekannt, dass er nach der Pensionierung 1803 recht unbesorgt lebt und an Bar- und Sachvermögen 14 117 Gulden hinterlässt.

[12] Die Michaelskirche ist an der Stelle des heutigen Gebäudes Münsterstrasse 3 zu suchen.

 

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Schwarzach 1649–1711

Alle Klöster der Ortenau sind nach dem Dreissigjährigen Krieg auf Hilfe von aussen, vor allem aus den weniger betroffenen Klöstern Schwabens und der verschonten Schweiz angewiesen.[1] St. Blasien postuliert den vorher als Verwalter in Lorch und als Visitator der Strassburger Kongregation wirkenden Placidus Rauber als neuen Abt in Schwarzach.[2] Noch 1650 ist die Klosterherrschaft verwüstet, von nur noch wenigen Untertanen bevölkert, Vieh und Vorräte fehlen. Im Kloster hält sich noch ein Konventuale auf. Die Schuldenlast aus Kriegskontributionen beträgt 110 000 Gulden. Der gebildete und im Umgang mit Mächtigeren erfahrene Abt ist aber zupackender Pragmatiker. Er sieht das Überleben der Herrschaft nur in einer Annäherung an das Haus Baden-Baden. 1651 vereinbart er eine Überlassung von 376 markgräflichen Leibeigenen, verzichtet dafür auf die bisher immer von Baden bestrittene Reichsunmittelbarkeit. 1652 verkauft er weitere Rechte. In diesem Jahr zählt das Kloster wieder sieben Patres, die den Vertrag mitunterzeichnen. Ein Versuch, die noch immer hohen Kriegsschulden mit einer kaiserlichen Insolvenzerklärung zu beseitigen, scheitert 1657 wegen des frühen Todes von Kaiser Ferdinand. Zu dieser Zeit ist der Wiederaufbau im vollen Gange, gewerbefreundlichen neuen Ordnungen sorgen für Aufschwung, in Schwarzach wird eine Klosterschule eröffnet. 1660 stirbt der verdienstvolle Abt.
Als Nachfolger wählen die Konventualen den Prior Gallus Wagner.[3] Dieser ist von Abt Placidus 1657 aus der schweizerischen Abtei Rheinau nach Schwarzach geholt worden. Abt Gallus setzt die Aufbauarbeit seines Vorgängers fort, kann aber nur 14 Jahre von Friedenszeiten profitieren. Die erneut über die Region hereinbrechenden Franzosenkriege von 1674 bis 1679 und ab 1688 beanspruchen die Abtei vor allem in der Abwehr von Kontributionsforderungen beider Kriegsparteien. Immerhin erreicht er eine Verschonung von Schwarzach. Von einer Verhandlung im neuen französischen Fort Louis kehrt er krank zurück und stirbt 1691.
Der Nachfolger Joachim Meyer übernimmt das Amt noch während des Krieges, der 1697 endet. Er kann bis 1700 noch das wertvolle Chorgestühl erstellen, im gleichen Jahr wird die Klosterherrschaft wieder Aufmarschgebiet, diesmal im Reichskrieg gegen die mit den Franzosen verbündeten Bayern. Die befestigte Rheinlinie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Stollhofen bis Bühl liegt an der Nordgrenze der Klosterherrschaft. Bis 1707 hält sie stand.[4] Abt Joachim erlebt den Friedensschluss nicht mehr, er stirbt 1711.[5]

Pius Bieri 2021

Anmerkungen
[1]
Abt in Ettenheimmünster ist 1653 Franziskus Hertenstein, Profess in St. Gallen. Seit 1655 entsendet Einsiedeln Professoren und Novizen nach Gengenbach. In Schuttern folgen 1641 und 1659 Äbte aus St. Blasien.

[2] Placidus Rauber (1595–1660) leistet Profess in St. Blasien. Er ist Novizenmeister in Schuttern, wo sein Mitbruder Tobias Rösch 1624–1638 Abt ist. 1624 und 1625 ist er Professor für Rhetorik an der 1622 gegründeten Universität Salzburg und seit 1643 auch Visitator der Strassburger Kongregation. 1641 übernimmt er als Administrator das Kloster Lorch, das er 1648 wieder an Württemberg zurückgeben muss. 1649 wird er postulierter Abt von Schwarzach. Von ihm sind auch schriftstellerische Werke bekannt. 1788 beschreibt ihn Abt Martin Gebert in der «Historia Nigrae Silvae» als «efficere et habere monachos, qui pii primum, deinde docti et sibi prodesse possint» beschrieben (geschätzter und zupackender Mönch, fromm, gelehrt und dank seiner Persönlichkeit auf andere positiv wirkend).

[3] Gallus Wagner (1613–1691) aus Rheinau ZH, Konventuale von Rheinau, Profess 1630, Studium in Dillingen bis 1638. Professor der Theologie. 1660–1691 Abt in Schwarzach. Er ist Verfasser mehrerer Geschichtswerke, unter anderem der Geschichte der Abtei Schwarzach. Ein weiterer Konventuale aus Rheinau ist P. Basilius Itten (1633–1697), der als Prior, Novizenmeister und Professor 1663–1670 in Schwarzach wirkt. 1682 wird er zum Abt von Rheinau gewählt.

[4] Nach dem Tod von Markgraf Ludwig Wilhelm (zu ihm siehe die Biografie «Türkenlouis» in dieser Webseite) überrennen die Franzosen 1707 die Befestigungen und lassen sie durch einheimische Bauern abbrechen.

[5] Joachim Meyer (um 1625/30–1711) aus Laufenburg ist schon 1654 Konventuale in Schwarzach. In allen Veröffentlichungen zu Schwarzach ist über ihn nur vermerkt, dass er in reifen Jahren gewählt wird und dass seine geistigen Fähigkeiten seit einiger Zeit nachgelassen hätten. Auch über die Anzahl der Konventmitglieder und jeweiligen Vermögensstand bei der Abtswahl wird in den vielen Veröffentlichungen nichts berichtet. Interessiert dies nicht oder fehlen die Quellen?

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Schwarzach 1032–1648

Schwarzach hat nur eine kurze Blütezeit. Schon seit dem 11. Jahrhundert ist die Herrschaft Spielball der Mächtigen. 1032 schenkt Kaiser Konrad das Reichskloster an den Bischof von Speyer. Speyer beansprucht bis zur Säkularisation die Lehenshoheit der zum Strassburger Sprengel gehörenden Abtei. Beide Bischofsitze haben keine grossen Interessen an einer eigenständigen Entwicklung der Abtei, dafür umso mehr an den Einnahmen, die das Kloster nun dem Lehensherrn in Speyer und dem geistlichen Oberhirten in Strassburg abliefern muss. Das Kloster verarmt und muss, auch wegen den grossen Geldforderungen für den Neubau des Speyerer Doms, dem Strassburger Bischof 19 Ortschaften in Schwaben abtreten. Der ehemals grosse Streubesitz, der anfänglich weit ins Elsass und bis an die obere Donau reicht, reduziert sich nicht nur durch Verkauf, sondern auch durch kriegerische Annexionen.
Mit zwei Äbten aus dem Reformkloster Hirsau erreicht Schwarzach im 12. Jahrhundert trotzdem einen Wiederaufstieg. Dies erlaubt nach einem Grossbrand um 1220 auch einen grosszügigen Kirchen- und Konventneubau. Im 14. Jahrhundert häufen sich die Schulden wegen mehrfachen kriegerischen Brandschatzungen. Die allgemeine Rechtunsicherheit dieser Zeit bewegt das Kloster, sich im 15. Jahrhundert das Haus Baden als Schirmvogt zu wählen. Weil Baden daraus sogleich Anspruch auf Landeshoheit und Herrschaft ableitet, kämpft jetzt die Abtei die nächsten drei Jahrhunderte für die Wiedergewinnung der Reichsunmittelbarkeit. Bauernkrieg und Reformation setzen ihr schwer zu. Zeitweise sind nur noch vier Konventualen im Kloster. Schwierig wird vor allem die Zeit von 1594 bis 1622, als der Markgraf von Baden-Durlach, ein Calvinist, die bisher katholische Markgrafschaft besetzt und damit nicht nur Strassburg, sondern auch die Schirmherrschaft Baden in protestantischen Händen ist.
Das monastische Leben erlischt aber nie. Nach der Einführung der Hirsauer Reform im 12. Jahrhundert tritt Schwarzach im 15. Jahrhundert der Bursfelder Kongregation bei,[1] zusammen mit den Benediktinerabteien der Strassburger Diözese. Argwöhnisch verfolgen die Strassburger Fürstbischöfe das Neuaufleben der Kongregation um 1600, der bis 1606 alle Strassburger Benediktinerabteien wieder angehören. 1608 wird der Strassburger Bischofsstuhl von Österreich besetzt. Leopold von Österreich[2] zwingt die sechs in Vorderösterreich und im Elsass liegenden Benediktinerabteien zum Austritt aus der Bursfelder Kongregation. Er gründet 1624 die vom Fürstbischof kontrollierte Strassburger Kongregation, der auch Schwarzach als kleinste und schwächste Abtei beitritt. Die Klosterherrschaft ist zu dieser Zeit noch immer von den 1622 erfolgten Verheerungen des Kriegszuges der Bayern gegen Baden-Durlach geprägt. Die jetzt von der Kongregation unterstützte Klostergemeinschaft besteht nur noch aus vier Patres und dem Abt. Noch ahnen aber die wenigsten Untertanen die Schrecken des erst beginnenden Dreissigjährigen Krieges. 1634 greift Frankreich ein. Die Ortenau wird Kriegsschauplatz. Am Ende des Krieges befindet sich in der Herrschaft noch ein Fünftel der vorherigen Bevölkerung, das Land und die Dörfer sind verwüstet und ausgeplündert, die elsässischen Besitzungen sind jetzt in französischer Hand, im Kloster hält sich noch ein Konventuale auf. Der absolute Tiefpunkt der Geschichte Schwarzachs ist damit erreicht.
Pius Bieri 2021

Anmerkungen:
[1] Die norddeutsche Reformbewegung erfasst nach ihrer Konstitution 1446 auch die süddeutschen Benediktinerabteien im Oberrheingebiet, verliert dann in der Reformation die Hälfte der Mitglieder und auch führende Klöster. Sie ist der erste Zusammenschluss von Benediktinerabteien mit gegenseitiger Hilfe, Austausch von Konventualen, auch Visitationen und Postulierung von Äbten. Nach 1600 erfolgt parallel zu den süddeutschen Benediktinerkongregationen der Versuch einer Neubelebung.

[2] Leopold V. Ferdinand (1586–1632), Erzherzog von Österreich, Fürstbischof von Passau 1598–1625 und Strassburg 1608–1625, Landesfürst von Tirol, auch Fürstabt von Maursmünster. Er tritt 1625 zugunsten seines Neffen Leopold Wilhelm von den kirchlichen Ämtern zurück und heiratet in Innsbruck Claudia von Medici.

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