„Haubt Plan deß Hochfürstlich-Marggraff-Baadischen Schlosses Scheibenharth sambt deren angrenzenden Gegend und Marckungen, Aufgnohmen und gezeichnet von Franciscus Ignatius Krohmer Ettlingen den 24. April 1742“.


Planzeichnung von Franz Ignaz Krohmer 1742. Original im GLA Karlsruhe.

Franz Ignaz Krohmer (1714–1789) ist Zeichner bei Balthasar Neumann in Würzburg, ab 1745 Mitarbeiter des Rastatter Hofbaumeisters Johann Peter Ernst Rohner (1687–1762), dann dessen Nachfolger.

Die Gebäude sind hier im Bauzustand nach der Attika-Aufstockung durch Johann Michael Rohrer (1721) dargestellt.


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Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Domenico Egidio Rossi (1659–1715) Fano (Italien) Rossi   Hofbaumeister 1699   1707
Johann Michael Ludwig Rohrer (1683–1732) Tissau (Böhmen) Rohrer   Hofbaumeister 1721   1725
Franz Ignaz Krohmer (1714–1789) Ettlingen     Hofingenieur, Hofbaumeister 1754   1754

Scheibenhardt

Ehemaliges Lust- und Jagdschloss der Markgrafen von Baden-Baden

Ein neues Jagdschloss an uralter Lage
Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden[1] nutzt die kurze Friedenszeit nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg zum Neubau eines Lust- und Jagdschlosses im Hofgut Scheibenhardt. Er verwirklicht  damit einen Plan seines im Jahre 1669 bei einem Jagdunfall verstorbenen Vaters. Der für den Neubau vorgesehene Ort liegt an der Verbindungsstrasse von Ettlingen nach Mühlburg,[2] eine gute Wegstunde von Ettlingen entfernt an der Grenze zur Markgrafschaft Baden-Durlach. Früh, vielleicht bereits in keltischer Zeit, ist Scheibenhardt befestigt. [3] 1177 kommt der Ort als Grangie im Besitz des Zisterzienserklosters Herrenalb.[4] Er hat eigenes Hofrecht und gilt innerhalb der Einfriedung als geheiligter Ort. 1454 kauft die Stadt Ettlingen den bedeutenden Klosterbesitz. Anfang des 16. Jahrhunderts erwirbt der Markgraf einen Teil der Hofgebäude, baut innerhalb des befestigten Hofes ein herrschaftliches Jagdhaus und setzt einen Burgvogt ein. In einem Gemarkungsplan von 1563 ist Scheibenhardt mit Ringwall und Wassergraben umgeben, die Hofsiedlung ist wie eine Insel vom Festland getrennt. Die Ellipsenform der «Insel» ist schon auf diesem ältesten Bilddokument festgehalten. 1698 wird Hofbaumeister Domenico Egidio Rossi[5] vom Markgrafen mit der Planung eines Neubaus anstelle des alten Jagdschlosses und der zahlreichen Ökonomiegebäude  betreut.

Erstes barockes Gartenpalais am Rhein
Baubeginn ist 1699. Das Lust- und Jagdhaus, welches Rossi im Zentrum der Ellipse von Scheibenhardt baut, ist ein zweigeschossiges Gartenpalais, mit 13 Fensterachsen in der Länge und 5 Achsen in der Tiefe. Im Zentrum, betont durch einen Mittelrisaliten, liegen im Erdgeschoss die Sala Terrena und in der Beletage der Festsaal. Die inneren Treppenhäuser sind unbedeutend, denn die Beletage wird durch eine zentrale Freitreppe erreicht. Rossi plant sie an der Nord- und Südseite, ausgeführt wird sie aber nur an der Südseite. Das Erdgeschoss ist als Sockelgeschoss betont, die ausgeprägt hohe Beletage hat grosse Fenster mit einer Pilastergliederung. Der Mittelrisalit ist um ein Mezzaningeschoss erhöht und das Gebäude ist mit flachem Walm gedeckt. Diese Schilderung könnte auch auf den Entwurf Rossis für das Gartenpalais des Fürsten von Liechtenstein in Wien zutreffen, das nach seinen Plänen 1691 begonnen wird, dann aber durch Domenico Martinelli verändert wird.[6] Vergleicht man die Planung Rossis in Wien mit dem Bau in Scheibenhardt, fällt die bedeutend reichere Detailausführung des um mehr als einen Drittel grösseren Wiener Palais auf. Zudem erreichen die äusseren dezentralen Freitreppen im Wiener Projekt  jeweils nur das halbe Stockwerk. Die äussere Gestaltung des Lust- und Jagdhauses Scheibenhardt darf deshalb als reduzierte Wiederholung des Wiener Projektes von 1690 für den Gartenpalais Lichtenstein gelten. 1702 ist der Rohbau fertig. Es ist das erste barocke Palais im Westen des Reiches. Mit einer Grundrissgeometrie auf der Basis eines Quadrates von 200 Fuss gestaltet Rossi gleichzeitig auch die hofbildenden Ökonomiegebäude neu.

Umbauten unter Johann Michael Rohrer
Rossi wird 1707, nach dem Tod des Markgrafen, von der neuen Regentin Franziska Sibylla Augusta entlassen.[7] In Scheibenhardt will sie vor allem in die Landwirtschaft investieren und hier ein Mustergut nach böhmischem Vorbild aufbauen.[8] Ihr neuer Hofbaumeister ist Johann Michael Rohrer.[9] Schwerpunkt seiner Bautätigkeit bildet vorerst die Region Rastatt. In Baden-Baden baut er 1716–1721 für den Erbprinzen ein Jagdhaus auf dem Fremersberg.[10] Auch Scheibenhardt wird von den Söhnen und dem Hofstaat als Jagdschloss geschätzt. 1721 gibt die Regentin Rohrer den Auftrag, Scheibenhardt zu vergrössern. Rohrer stockt die seitlichen Terrassen auf und erstellt an den Schmalseiten des nun 15-achsigen Gebäudes zwei neue Treppenhäuser. Mit einem als Attika zurückgesetzten dritten Geschoss verändert er den Bau von Rossi fundamental.

Mansarddach unter Franz Ignaz Krohmer
Franz Ignaz Krohmer,[11] Hofingenieur seit 1733 und Mitarbeiter des Hofbaumeisters Johann Peter Ernst Rohrer, erstellt 1742 präzise Aufnahmepläne des «Hochfürstlich=Marggraff=Baadischen Lustschlosses Scheibenhardt». Mit Ausnahme der inzwischen abgebrochenen Freitreppe zeigen sie den Gebäudezustand nach den Umbauten von Johann Michael Ludwig Rohrer. Das von Roher zurückgesetzt gebaute Attikageschoss ist 1754 reparaturbedürftig. Krohmer lässt das Geschoss abbrechen und ersetzt es durch ein Mansarddach mit Dachgauben. Damit ist die heutige, von Rossis ursprünglichem Bau weit entfernte Gebäudeform gegeben. Mit einer Hirschjagd und einem Jagdfest weiht der «Jägerlouis» 1754 das mehrfach veränderte Schloss ein.

Nach 1771
Die Markgrafschaft Baden-Baden fällt nach dem Aussterben der Linie an den Markgrafen Karl Friedrich von Baden-Durlach. Wieder wird vorerst dem Landwirtschaftsbetrieb Aufmerksamkeit geschenkt und deshalb vor allem die vernachlässigten Ökonomiegebäude renoviert. Die markgräfliche Familie benutzt das Lust- und Jagdschloss aber weiterhin für Kurzaufenthalte. 1886 wird es zu einem Mädchenheim umgebaut und geht in dieser Funktion 1918 in den Besitz der Republik Baden über. 1970 brennt der Dachstuhl. Er wird nur in der äusseren Form rekonstruiert. Innen ist heute, nach dem gleichzeitigen weiteren Umbau für die Staatliche Akademie der bildenden Künste, von der barocken Bausubstanz nichts mehr vorhanden. Auch die barocke ellipsenförmige Wallanlage ist nur noch zu erahnen, der Wassergraben ist verlandet. Mit der Umwandlung der ausserhalb des Grabens liegenden Landschaft in einen Golfplatz, dessen Auto-Parkplatz direkt vor dem ehemaligen Hofgut angelegt ist, erfolgt 1993 vorläufig der letzte Akt in der Veränderung eines geschichtsträchtigen Ortes.

Pius Bieri 2011

Benutzte Einzeldarstellungen:
Badisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Karlsruhe Land, Kreis Karlsruhe. Karlsruhe 1937.
Kitzing-Bretz, Martina: Der Markgräflich  Baden-Badische Hofbaumeister und Bauinspektor Franz Ignaz Krohmer (1714−1789). Dissertation. Heidelberg 2001.
Fellhauer, Manfred: Gut und Schloss Scheibenhardt, in: 100 Jahre Grünwinkel in Karlsruhe, Hrsg. Bürgerverein Grünwinkel. Karlsruhe 2009.

Anmerkungen:
[1] Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (1655–1707), auch Türkenlouis genannt.

[2] Stadt und Burg, Sommerresidenz des Markgrafen von Baden-Durlach, wird 1622 im Dreissigjährigen Krieg und 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg niedergebrannt und nicht mehr aufgebaut. Seine Steine werden zum Bau des neuen Karlsruhe verwendet, das 1715 östlich der alten Stadt in kurzer Entfernung entsteht. Mühlberg ist heute ein westlicher Stadtteil von Karlsruhe.

[3] Scheibenhardt ist eine Zusammensetzung der althochdeutschen Wörter «sciba» für Scheibe, Kreis und «hart» für Wald, das heisst es bezeichnet eine gerodete kreisförmige Fläche im Wald.

[4] Grangien sind landwirtschaftliche Aussenstellen eines Zisterzienserklosters, mit befestigtem Gutshof, Kapelle und Wohnräumen für den Leiter, einem Konversen des Klosters.

[5] Domenico Egidio Rossi (1659–1715), aus Fano, Planer von Residenzbauten für den Wiener Adel 1690–1695, Hofbaumeister des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden 1696–1707.

[6] Rossi wird nach Baubeginn vom Fürsten von Liechtenstein entlassen. Martinelli, der jetzt die Ausführung übernimmt, stockt das Gebäude um ein Mezzaningeschoss auf und verlegt die Treppen ins Innere.

[7] Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg (1675–1733) ist seit 1690 mit Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden verheiratet.

[8] Das Hofgut umfasst 160 Morgen Ackerland und 90 Morgen Wiesen. An Viehbestand sind es 35 Kühe, vier Ochsen, zwei Farren oder Muni, 25 Stück Jungvieh, 78 Schweine, 540 Hühner, 50 Gänse, 30 Bienenstöcke und 300 Schafe.

[9] Johann Michael Ludwig Rohrer (1683–1732) aus Schlackenwerth in Böhmen. Er arbeitet seit 1699 unter Rossi in Rastatt tätig.

[10] Das Jagdhaus St. Hubertus baut sie für den Erbprinzen Ludwig Georg Simpert (1702–1761), den sogenannten Jägerlouis. Es ist ein Zentralbau in der Form des achtspitzigen Kreuzes des kurpfälzischen Hubertusordens.

[11] Franz Ignaz Krohmer (1714–1789), ist 1733–1740 Zeichner im Baubüro des Balthasar Neumann in Würzburg, ist aber gleichzeitig Baden-Badischer Hof-Ingenieur. 1745 wird er Mitarbeiter des Hofbaumeisters Johann Peter Ernst Rohrer, dem jüngeren Bruder Johann Michael Ludwigs und dessen Nachfolger als Hofbaumeister in Rastatt.

  Ehemaliges Jagdschloss der Markgrafen von Baden-Baden in Scheibenhardt  
  scheibenhardt1742  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Karlsruhe, Stadteil Beitersheim-Bulach.
Kreis Karlsruhe (D)
Markgrafschaft Baden-Baden
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Strassburg 1699
Bauherr und Bauträger
ok Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (1655–1707).
ok Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg (1675–1733), Markgräfin von Baden-Baden.
 
  Fassadenpläne, als Aufnahmepläne 1742 von Franz Ignaz Krohmer gezeichnet. Quelleninfo.   pdf  
   
scheibenhardt1
Die Zufahrt von Süden.
Bildquelle: Wikipedia by author ikar.us
 
   
ScheibenhardtLageplan
Die betonte Ovalform der Insel ist wahrscheinlich mittelalterlich und früher mit einem Wassergraben umgeben. Das Jagd- und Lustschloss liegt im Zentrum.
> Weitere Planinformationen.
 
schema
Domenico Egidio Rossi legt die Gebäude in einen Quadratraster von 400 Fuss in die Mitte der Insel.  
ScheibenhardtGrRiss
Zwei Phasen des Erdgeschoss-Grundrisses. Oben eine Planung um 1699 von Rossi, mit freier Aussentreppe. Unten das Erdgeschoss nach dem Umbau durch Johann Michael Rohrer.  
RossiLiechtenstein
Das Palais Liechtenstein in Wien, von Rossi 1690-1691 projektiert. Mit anderer Anordnung der Freitreppe und mit kargerer Fassadenplastik bildet der Wiener Entwurf die Projektgrundlage für Scheibenhardt.
Bildquelle: Wikipedia.
Original im Kupferstichkabinett Wien.
 
scheibenhardt2
Die Südfassade im heutigen Zustand, mit den Verlängerungen von Johann Michael Rohrer und dem Mansarddach von Franz Ignaz Krohmer.
 
Scheibenhardt3
Einer der beiden, in der Querachse des ovalen Ökonomiehofes liegenden Pavillons. Ihre freie Südseite lässt vermuten, dass nur das nördliche Halboval verwirklicht ist.  
Scheibenhardt4
Der Brückenzugang über den ehemaligen Wassergraben ist von zwei Wachthäuschen flankiert. Vom Schloss führt ab dieser Brücke eine pappelbesäumte Strassenachse Richtung Rastatt