Die Meister des Kirchen- und Klioster-Neubaus 1663–1768
von bis
1662 1674
1663 1688
1672 1673
1673 1692
1675
1673 1675
1673 1674
1674 1674
1685 1688
1686 1686
1688 1688
1765 1768


München, Theatinerkloster und Kirche S. S. Kajetan und Adelaide


Ein Kurfürstenpaar als Stifter

Henriette Adelaide von Savoyen und Ferdinand Maria von Bayern
Am 8. Dezember 1650 wird die 14-jährige Henriette Adelaide von Savoyen[1] in Turin mit dem gleichalterigen Thronfolger Ferdinand Maria von Bayern[2] in einer Stellvertreter-Hochzeit vermählt. Eingefädelt ist die Vermählung schon 1647 durch den französischen Kardinal und Minister Jules Mazarin.[3] Kurfürst Maximilian I. von Bayern,[4] der Vater von Ferdinand Maria, entscheidet sich in Verhandlungen für die jüngere der beiden Töchter aus dem Haus Savoyen. Maximilian I. stirbt 1651, neuer Kurfürst ist nun der erst 15-jährige Ferdinand Maria. 1652 trifft er Henriette Adelaide in Kufstein. Nach dem Einzug des jungen Kurfürstenpaares in München erfolgt in der Hofkapelle der Residenz die zweite Trauung.

Italien in München

Eine gemeinsame viermonatige Italienreise 1667 des Kurfürstenpaars ist vor allem eine persönliche kulturelle Bereicherung. Schon Jahre vorher, gleich nach der Ankunft der Kurfürstin, wird die Münchner Hofgesellschaft mit der lebensfrohen italienischen Hofkultur der Savoyardin konfrontiert. Adelaide bringt die italienische Oper, die Komödie und Musik an den Hof. Sie lässt 1657 ein freistehendes Opernhaus am aufgelassenen Frauenfriedhof hinter der Salvatorkirche erstellen.[5] Es ist das erste barocke Opernhaus nördlich der Alpen. 1660 lässt sie ein Turnier- und Redoutenhaus am Hofgarten bauen.[6] Der Bevölkerung bleiben die Hofvergnügungen, auch das Opernhaus, verschlossen. Nur am Würmsee, dem heutigen Starnberger See, kann sie in den Jahren nach 1665 ein Spektakel besonderer Art sehen. Eine Prunkgaleere, dreigeschossig, von 150 Matrosen gerudert, dient als schwimmendes und nachts illuminiertes Jagdschloss, auf dem Wasserfeste mit Feuerwerk abgehalten werden.[7]
Die höfische Baukunst kennt unter ihrer Regierung nur das Vorbild Italien. In der Residenz gestaltet die Kurfürstin in mehreren Phasen mit italienischen Künstlern Zimmerfluchten und Säle neu. Die Räume sind heute mit Ausnahme des Herzkabinetts nicht mehr erhalten. Bleibende Denkmäler setzt sie sich mit der Theatinerkirche und dem Lustschloss Nymphenburg.[8] Mit diesen Bauten hält der italienische Hochbarock Einzug in München. Für diese Bauten der Kurfürstin sind seit 1662 zwei erfahrene italienische Baufachleute in München tätig, der leitende Baumeister-Architekt Agostino Barelli aus Bologna[9] und der für die Ausführungen verantwortliche Maurermeister Lorenzo Perti aus Rovenna am Comersee.[10]

Berufung der Theatiner nach München

Schon bald nach ihrer Ankunft in München äussert die Kurfürstin den Wunsch, den jungen italienischen Orden der Theatiner auch in München anzusiedeln.[11] Der Ordensgründer, der 1626 seliggesprochene Kajetan von Thiene, ist ihr persönlicher Schutzpatron. Um 1658, anlässlich einer ihrer ersten Wallfahrten nach Altötting, gelobt das bisher kinderlose Ehepaar der Gottesmutter Maria und dem seligen Kajetan bei Erfüllung ihres Kinderwunsches die Berufung der Theatiner nach München. Im November 1660 ist die Geburt des ersten Kindes, der Kurprinzessin Maria Anna Christina, und im Juli 1662 folgt der ersehnte Thronfolger Max II. Emanuel. Schon vorher, im Februar 1662, trifft eine Gruppe von sechs Theatinern in München ein. 1663 ziehen sie in den Wohnsitz des verstorbenen Grafen Kurtz. Dieser für die Theatiner gekaufte grosse Gebäudekomplex liegt fünf Minuten südlich der Residenz.[12] Hier ist auch eine Kapelle vorhanden, welche für die Ordensleute ausgebaut wird. Nach dem Residenzbrand 1674 sucht hier auch die kurfürstliche Familie Zuflucht. Anlässlich der vorgezogenen Einweihung der Theatinerkirche 1675 finden sich im grossen Saal des «Palazzo» Kurtz die geladenen Gäste ein. In diesen Jahren hat der Orden in München schon 23 Mitglieder. Durch die Münchner Theatiner werden 1664 in Prag, 1686 in Salzburg und 1703 in Wien weitere Niederlassungen gegründet.
Vorsteher des Theatinerkonventes von München ist 1662–1665 Pater Stefano Pepe, ein bereits betagter Turiner Lehrer und Beichtvater der Kurfürstin.[13] Er ist auch ihr erster Vertrauter für die laufende Planung der Theatinerkirche. Sein Nachfolger ist Pater Antonio Spinelli, der zwar hochgebildet ist, sich aber ab 1664 zum besserwissenden Gegner der Baumeister Barelli und Zuccalli aufspielt.[14]

Der Bauplatz für den Kirchen- und Klosterneubau
  Die Nähe zur Residenz ist vor allem für die Theatiner ausschlaggebendes Kriterium für den Bauplatz eines Klosters. Deshalb lehnen sie auch den angebotenen Standort bei der Salvatorkirche ab. Weil die Kurfürstin nun aber den Bau der Kirche vorziehen will, werden 1662 vier gegenüber der Residenz an der hinteren Schwabingergasse liegende Häuser aufgekauft und abgebrochen. Die dahinterliegenden Grundstücke entlang der Stadtmauer bis zum Komödienhaus (der Alten Oper) sind schon vorher in Hofbesitz. Erst für den Baubeginn des Klosters 1675 müssen weitere Grundstücke zugekauft werden. Im Zuccalli-Plan von 1675 sind diese Grundstücke aufgenommen. Entlang der Hinteren Schwabingergasse (Theatinerstrasse) sind es zwei Bürgerhäuser [B] [C]. Die kurfürstlichen Grundstücke [E] [F] an der Ecke Kühgasse-Schwabingergasse (Salvatorstrasse-Theatinerstrasse) werden gegen diejenigen des Freiherrn von Berchem [D] [F] getauscht. Dieser lässt 1676 hier das Palais Berchem mit 13 Fensterachsen und mit Überbrückung des Kühbogens erstellen.[15]
  Der Zuccalli-Plan von 1675 zeigt die Überbauung südlich der neuen Theatinerkirche vor dem Neubau des Klosters. Oben die Salvatorkirche [L] und das alte Opernhaus [O] vor dem Falkenhof [M]. Links das «Kiegässel» [G] (Kühgasse), unten die Schwabingergasse [R] und das Schwabinger Tor [Q]. Bildquelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv.


Der Neubau von Kirche und Kloster

Rohbau der Kirche 1662–1674 mit Agostino Barelli


      Planung 1662        Vorbild Sant’Andrea della Valle
    Agostino Barelli legt schon im Oktober 1662 in München eine erste Planung der neuen Kirche vor. Ihr Querschnittplan und ihr Fassadenplan sind erhalten. Planungsgrundlage ist schon jetzt das Vorbild der römischen Theatinerkirche Sant’Andrea della Valle.[16] Dieser Wunsch des Kurfürsten wird von Pater Stefano Pepe im Juni 1662 in Bezug auf Grösse und Kosten kritisch hinterfragt, worauf der Kurfürst kontert, «dass man den Mut zu prächtigen Dingen haben müsse und dabei auf keinerlei Kosten achten dürfe». Die Kurfürstin bestärkt diese Aussage bei der Planpräsentation mit den Worten, «es sei lediglich darauf zu achten, dass diese Kirche die schönste und kostbarste der Stadt werde, einschliesslich jener der Jesuiten».[17]
Barelli legt im Dezember 1662 ein revidiertes Projekt vor, das genehmigt wird. Selbst dieses ist aber, wie schon die vorherige Planung, keine sklavische Übernahme von Sant’Andrea della Valle.
  Bild oben links:
Innenraum von Sant'Andrea della Valle. Farbgebung und Malereien im Mittelschiff sind Werke des 19. und 20. Jahrhunderts. Foto: Reiner Martin 2005.
Bild oben rechts:
Plan der Fassade mit Kuppel von Sant'Andrea aus Giovanni Giacomo de Rossi 1683. Bildquelle: ETH-Bibliothek Zürich.
Bild unten: Planvergleiche der Grundrisse von Sant'Andrea in Rom und St. Kajetan in München. Für Vergrösserung und Erläuterung anklicken!

Baubeginn 1663 und Spinellis grosse Vorstellung 1664
Im April 1663 trifft Agostino Barelli mit dem «im Bauwesen höchst erfahrenen» Palier Lorenzo Perti und vier weiteren Maurer in München ein.[18] Wenige Tage später, am 29. April 1663 ist die feierliche Grundsteinlegung. Die Bauarbeiten mit Perti, vier welschen und einem deutschen Maurer sowie 40 Taglöhnern beginnen Mitte Juni.[19] Im Dezember sind die Fundamente gemauert. Im März 1664 werden die Aufmauerungsarbeiten begonnen. Drei weitere welsche Maurer werden zusätzlich eingestellt. Gleichzeitig lässt Barelli eines der schon seit der Renaissance üblichen grossen Holzmodelle herstellen.
Im Mai dieses Jahres kommt die grosse Stunde des Paters Spinelli. Er lädt nach seiner ersten Baustellenbesichtigung die Hofgesellschaft und das Kurfürstenpaar ein, um mit seinem Predigertalent dem planenden Baumeister Massfehler in den Proportionen nachzuweisen. Generationen von Kunsthistorikern übernehmen die umfassende Anklage ohne Hinterfragung der Wahrhaftigkeit oder gar des Zweckes, nämlich der Zurückstellung eines hervorragenden Baumeisters, dem sich Spinelli überlegen fühlt. «Jetzt haben wir ihn überführt!» triumphiert der Theatinerpater am Ende seiner Beweiskette. Auslöser seiner Anklage ist die Raumgliederung mit Säulen anstelle von Pilastern. Barelli hat die Entwicklung der Baukunst seit dem Baubeginn der römischen Kirche Sant’Andrea della Valle vor 73 Jahren nicht verschlafen. Wo dort flache Pilaster die Wände gliedern, sieht das genehmigte Projekt und der begonnene Bau von Barelli ein gekuppeltes Säulenpaar vor. Diese treten heute rund 70 cm vor. Spinelli spricht von 95 cm. Die Pilaster des breiteren römischen Mittelschiffs sind aber gemäss Spinelli um die 22 cm tief.[20] Barelli hält im neuen Projekt zwar die Proportionen der römischen Kirche ein, die geplanten Säulen verändern aber das Raumbild. Die zirkusreife Vorstellung Spinellis hat dann unerwarteterweise nicht zur Folge, dass dem Baumeister die flachen Pilaster der römischen Theatinerkirche verordnet werden. Barelli muss Schiff, Vierung und Chor gleich um 190 cm verbreitern. Seine spezifischen Grundriss-Abweichungen zu Sant’Andrea della Valle wie die grössere Gleichmässigkeit der Jochteilung stören Spinelli aber offenbar nicht. Der nun offen ausgebrochene Konflikt gipfelt 1669 in der Schenkung der Baustelle an die Theatiner und der Einsetzung Spinellis als Bauleiter, nachdem er der Kurfürstin berichtet hat, dass die Bauleute ihn als Pfaffen bezeichnet hätten, dem sie keinen Gehorsam schulden.

Mehr zu den Eingriffen Spinellis in die Planungen und in die Ausführung siehe im Anhang I

Bauverlauf 1665–1669
Nach der verfügten Verbreiterung des Mittelschiffs, der Vierung und des Chors sind die Bauleute während der verbleibenden Bausaison 1664 mit den Änderungen für die nach Süden zu vergrössernde Kirche an den Fundamenten und den bereits begonnenen Wänden und Pfeilern beschäftigt. 1666 werden weitere fünf italienische und vier deutsche Maurer eingestellt. Die Dachstühle werden 1667 und 1668 aufgerichtet. Die Seitenschiffe mit ihren Kapellen-Laternen können 1668 gewölbt werden. 1669 folgt die Wölbung von Langhaus, Querschiffen und Chor. In diesem Jahr übereignen der Kurfürst und die gesundheitlich angeschlagene Kurfürstin die Grundstücke und den Kirchenrohbau an die Theatiner mit der Versicherung der Kostenübernahme, auch für das noch zu bauende Kloster. Pater Spinelli wird als neuer Leiter des Bauvorhabens bestimmt.
Mehr siehe im Anhang I

Bau der Tambourkuppel und Stuckaturarbeiten 1672–1674
In den sorgfältig detaillierten, von Barelli 1667 gezeichneten Plänen («den letzten und sicherlich schönsten»),[21] entspricht die Kuppel exakt derjenigen, die Carlo Maderno 1624 für Sant’Andrea della Valle entwirft und die 1650 im Stich veröffentlicht wird. Die im Durchmesser nur wenig kleinere Münchner Kuppel wird 1671 nach verbesserten Plänen Barellis begonnen. Der Tambour ist 1672 aufgemauert und das Kuppelgewölbe Ende der Bausaison 1673 fertig. Zwar fehlen noch die Laterne und die Aussenfassade. Der Kirchenrohbau ist aber beendet. Bereits hat der Stuckateurtrupp von Carlo Brentano-Moretti[22] die Stuckaturarbeiten im Langhaus und in den Kapellen der Seitenschiffe fertiggestellt. Der Stuckateurunternehmer, im Dauerkonflikt mit dem noch immer formell als Bauleiter eingesetzten Theatinerpater Spinelli, verlässt München im Spätherbst 1673 endgültig. Für den Stuck der Kuppel, des Querhauses und des Chors sind ab 1674 die Brüder Prospero[23] und Giovanni Battista Brenni[24] zuständig. Den beiden auch als Figuralplastiker hervorragenden Stuckateuren müssen auch die Stuckaturen der vier Kirchenväter an den Querhauswänden zugesprochen werden. Die neuere Vermutung, dass dies Giovanni Battista Carlone sein könnte, entbehrt jeder Grundlage, denn Carlone ist 1675/76 in der Jesuitenkirche Passau tätig.
Auch Agostino Barelli zieht sich 1674 endgültig nach Bologna zurück. Nicht ganz überraschend stellen ihm die Kurfürstin und Pater Spinelli ausgezeichnete Empfehlungsschreiben aus. Schon damals ist es offensichtlich Usanz, nur positive Aspekte in Zeugnisse aufzunehmen. Spinelli lobt ihn hier als Entwerfer und Vollender der grossen Kuppel, die er dann aber im späteren Tagebuch als sein eigenes Werk beschreibt.

Bau des Klosters und Fertigstellung der Kirche bis 1692 mit Enrico Zuccalli 

Kircheneinweihung 1675
Nach dem Weggang von Agostino Barelli ist der neue Hofbaumeister Enrico Zuccalli für die Planung und Leitung der Bauarbeiten verantwortlich.[25] Zuccalli ist seit 1669 oder 1671 in München. Sein Schwager, der Hofmaurermeister Gaspare Zuccalli,[26] ist Wegbereiter. Enrico Zuccalli wird rückwirkend auf 1672 zum Hofbaumeister ernannt und dem amtierenden Marx Schinagel gleichgestellt. Schon bald nach seiner Ankunft beschäftigt sich der selbstbewusste junge Zuccalli auch mit der Planung der Theatinerkirche, wie dies sein vorzüglich gezeichneter Plan der Fassade mit Kuppel von 1672 belegt, der dann von Michael Wening 1696 als Stich veröffentlicht wird.[27] An der Konstruktion der Kuppel ist er, teilweise noch unter Barelli, wesentlich mitbeteiligt, ihre Laterne und ihre Aussenfassaden sind sein Werk. Das Jahr des Wechsels von Barelli zu Zuccalli ist überschattet vom Brand der Residenz in der Nacht vom 9. auf den 10. April 1674. Die gesundheitlich wenig robuste Kurfürstin drängt nun noch vermehrt auf eine schnelle Fertigstellung ihrer Kirche. Dort sind die Stuckaturarbeiten erst im Langhaus und in den Kapellen der Seitenschiffe beendet. Unter grossem Zeitdruck stuckiert der Trupp der Brüder Brenni jetzt die Kuppel, das Querschiff und den Chor. Sie werden auch als Stuckateure der drei Haupt-Altarretabel genannt.[28] Für die Schranke zum Psallierchor mit der Altarmensa fertigt der Hofbildhauer Balthasar Ableitner[29] schon 1673 die ausdrucksstarken vier grossen Evangelistenfiguren und liefert die acht bemerkenswerten Karyatidenengel der seitlichen Choremporen. Er dürfte auch der Bildhauer des Tempietto-Tabernakels und der seitlichen Adorations-Gehäuse sein. Auch die Altarretabel der Seitenschiff-Kapellen werden bis 1674 gebaut, aber nicht nach italienischer Art in Stuck, sondern durch die Werkstatt des Balthasar Ableitner in Holz. Dieser ersetzt wahrscheinlich auch die «stuckierten Säulen» der drei grossen Altarretabel in Chor und Querschiff durch gewundene Holzsäulen.[30]
1674 fertigt der ehemalige Lehrling Ableitners, der Hofbildhauer Wolfgang Leuthner,[31] 49 stehende «Kindl», wie er seine stehenden Figuralplastiken von 145 bis 290 cm Höhe nennt.[32]
Am 11. Juli 1675 findet die vorzeitige feierliche Kircheneinweihung statt. Noch ist vieles unvollendet. Den meisten Altären, selbst dem Hochaltar, fehlt das wichtige Altarblatt. Aussen sind weder die Kuppel noch die Türme oder die Fassade fertiggestellt.

Der Klosterneubau
Grundstückziffern [B–R] gemäss dem Plan Zuccalli 1675. Die Nummern der Klosterflügel [2] gemäss dem Lageplan.
Im Juni 1675 ziehen die Theatiner vom bisherigen Wohnsitz im Palais Kurtz[33] in das Kloster der Salesianerinnen, die sich hier seit 1667 befinden. Diese werden kurzerhand umgesiedelt.[34] Im Plan Zuccalli ist die Eckliegenschaft an Kühgasse [G] und hinterer Schwabingergasse [R], vor 1667 der Witwensitz der Kurfürstenmutter, mit dem Gebäude [E] und dem Garten [F] eingetragen. Nach dem erneuten Umzug der Theatiner 1676/1677 in den Neubau des Kloster-Westflügels baut an dieser Stelle Graf Berchem sein neues Palais [8]. Seinen bisherigen Wohnsitz [D] kann er vorher zu einem überhöhten Preis an das Hofbauamt verkaufen.
Der Klosterneubau, geplant durch Enrico Zuccalli und ausgeführt durch Lorenzo Perti, wird 1675 mit dem Westflügel [2.1] gegenüber dem Alten Opernhaus begonnen. 1676 folgt der Südflügel-Stumpf [2.2] mit Küche und Refektorium. Erst nachdem Zuccalli das neue Palais Berchem [8] gebaut hat, kann er auch den Ostflügel [2.3] an der heutigen Theatinerstrasse bis 1685 fertigstellen. Bis 1681 ist auch der Kopfbau [2.4] mit Bibliothek und Kapitelsaal gebaut.
  Der Wening-Stich von 1701 zeigt ein geschlossenes Geviert um einen grosszügigen Innenhof, das aber derart im Süden nie gebaut wird. Wening fügt Teile der Palais Vaccieri [9] und Berchem [8] als südliche Ergänzung dem Klostergeviert zu. Seine Gebäudedarstellung mit den zweigeschossigen West-und Nordflügel sowie dem dreigeschossigen Ostflügel an der heutigen Theatinerstrasse und dem Kopfbau des Nordflügels stimmt aber mit den bis 1685 ausgeführten Bauten überein. Die Gebäude werden schon ab 1799 für die Umnutzung als Sitz verschiedener Ministerien verändert und dann 1944 durch Bombardierungen völlig zerstört. Die heute an ihrer Stelle stehenden Gebäudeflügel haben keine Gemeinsamkeiten mit dem Kloster der Theatiner.
  Michael Wening: Das Theatinerkloster in München von Westen gesehen, in «Historico-topographica descriptio». Bildquelle: ETH-Bibliothek Zürich.

Fertigstellung der Kirche 1675–1692

1675:
Im Innenraum vollenden die Brüder Brenni die Stuckaturen noch im Jahr der Einweihung. Nun werden auch das Hochaltarblatt und das Blatt des Nord-Querhauses geliefert. Erst 1677 sind alle Altarblätter der Seitenschiff-Kapellen geliefert.
1676: In diesem Jahr stirbt die Initiantin und Förderin des Kirchenneubaus, Kurfürstin Henriette Adelaide. Sie wird in der neuen Gruft unter dem Chor begraben. Der Baufortschritt verlangsamt sich nun wegen den knapper werdenden Finanzen.
1677: An die Nordseite werden, erreichbar vom vorderen Zwischenjoch, die Loretokapelle und die Heilige Stiege angebaut und bis 1688 vollendet.
1679: Der Südturm wird in diesem Jahr fundiert. Bis zum Spätherbst ist das erste Geschoss gemauert. Bis 1685 erreicht er seine volle Höhe mit dem markanten Helm nach Plänen Zuccallis, die Glocken können nun aufgezogen werden.
1680: Die Fürstengruft unter dem Chor, mit Zugang vom nördlichen Querhausarm, wird bis 1682 ausgemauert. Die beiden verstorbenen Stifter werden erst 1690 hier beigesetzt (sie sind provisorisch zu diesem Zeitpunkt beim Hochaltar beigesetzt).
1681: Die Vierungskuppel, die noch vor der Einweihung ihre markante Laterne erhalten hat, wird nun auch aussen bis 1685 gemäss der Planung Zuccallis zu ihrer Vollendung geführt.
1682: An der Südseite folgt gleichzeitig mit dem Bau des Kloster-Ostflügels bis 1685 das ebenfalls vom vorderen Zwischenjoch erreichbare Heilige Grab. Dieses wird bis 1688 ebenso wie die Heilige Stiege von Nicolò Perti[35] stuckiert.
1683: Gleichzeitig mit der Schaufassade kann der Nordturm begonnen werden. Mit mehreren Unterbrüchen wird er noch bis 1692 fertiggestellt.
Der Bau der Schaufassade muss schon 1685 eingestellt werden. Grund sind mangelnde Finanzen. Die Vervierfachung des Militärbudgets von 1679 bis 1683 durch den Kurfürsten Max II. Emanuel gehen auch zu Lasten der Theatinerkirche.
1686: Chororgel im Emporen-Oratorium hinter der südlichen Seitenloge durch den Münchner Orgelbauer Veit Weinberger. Die Disposition ist unbekannt. Sie wird 1782 durch eine Orgel [I/14] unterhalb des Hochaltarblattes (!) ersetzt. Orgelbauer ist Anton Bayr aus München.[36]
1688: Die Kanzel und die Beichtstühle werden vom Bildhauer Andreas Faistenberger[37] geliefert.
1692: Ende der Bauarbeiten für 73 Jahre. Die Verlegung des Hofes nach Brüssel bis 1701 und der anschliessende Kriegseintritt Bayerns an der Seite Frankreichs gegen die alliierten Kräfte des Reichs verschlingen derart grosse Summen, dass Kurfürst Max II. Emanuel und sein ebenso unvernünftiger Sohn 1745 dem Land 35 Millionen Gulden Schulden hinterlassen.[38]


Fassadenfertigstellung 1765–1768 und Veränderungen nach 1692

François Cuvilliés
1765 erhält der inzwischen 70-jährige Unterhofbaumeister und Wegbereiter des Rokokos in Süddeutschland, François Cuvilliés,[39] den überraschenden Auftrag von Kurfürst Max III. Joseph[40] für die Fertigstellung der Schaufassade an der Theatinerkirche. Obwohl die Aufklärung längst auch in Bayern wirkt, begründet der Kurfürst seinen Entschluss mit dem Gelübde seiner Ahnen und dem eigenen Kinderwunsch. François Cuvilliés legt seine Planung noch im gleichen Jahr vor. Er verändert die von Enrico Zuccalli letztmals 1690 detailliert geplante Fassadengliederung mit dem Vorbau eines Mittelrisalites. Er übernimmt im Grundsatz die Vorgaben Zuccallis, begegnet aber dem durchgehenden Hauptgebälk der Zuccalli-Fassade mit einer betonten und stark plastischen Vertikalen. Die Fassade wird nach dem Tod von Cuvilliés im April 1768 durch seinen Sohn bis Ende des Jahres vollendet. Dieser veröffentlicht 1769 den Plan seines Vaters als Kupferstich.

Laternen der Seitenschiff-Kapellen
Schon 1695 wird der reiche Stuck von Carlo Brentano Moretti in den sechs Seitenschiff-Kapellen ersatzlos entfernt, weil eindringendes Wasser der offenbar ungenügenden Deckung ihn zerstört. Ursache sind die Laternenaufbauten der Kapellen, die in der Klosteransicht Wening 1701 dokumentiert sind. 1735 werden diese markanten und für die Belichtung wichtigen Bauteile kurzerhand abgebrochen. Vorbild ist das basilikale Langhaus der Theatinerkirche in Bologna, wo die noch heute bestehenden Laternen allerdings die einzigen Lichtquellen der durch Kapellenabseiten erweiterten Seitenschiffe sind.

Säkularisation 1801
  Kurfürst Max IV. Joseph verfügt noch vor der allgemeinen Säkularisation der bayerischen Klöster 1801 die Aufhebung des Theatinerklosters. Er braucht dazu keine nominell-rechtliche Grundlage, weil Kirche und Kloster von Anfang weg dem Hof zugehörig und damit Staatsbesitz sind. 1792 sollen noch 23 Theatiner im dazu viel zu grossen Kloster gelebt haben. Die Aufhebung 1801 unter Propst Paul Arezius Thoma betrifft nur noch wenige Patres, Scheglmann (1903) spricht von vier Theatinern, welch nun Pfarreien übernehmen. Schon 1799 verlegt Kurfürst Max IV. Joseph das Departement der auswärtigen Angelegenheiten in das Theatinerkloster, 1801 folgt die Verlegung aller Departemente (später Ministerien) in das Kloster. Sie bleiben dauerhaft in den Gebäuden des ehemaligen Klosters.
Seit 1973 verfügt das Kultusministerium über alle nach dem Zweiten
Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1809.
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek.
 
Weltkrieg neu errichteten Gebäude auf dem ehemaligen Klosterareal. Die Kirche bleibt bis 1918 königliche Hofkirche. Noch bis zu diesem Zeitpunkt lassen sich Mitglieder des Hauses Wittelsbach in der Fürstengruft begraben. Die seelsorgerische Betreuung der Hofkirche übernimmt ein 1839 gegründetes Kollegiatstift. Seit 1954 sind Dominikanerpatres dafür zuständig.


Veränderungen an der Theatinerkirche vom 19. bis ins 21. Jahrhundert


1820
Die an der Nordseite der Kirche angebauten Gnadenorte der Loretokapelle und der Heiligen Stiege oder Scala Sancta werden abgerissen (zu ihrer Lage siehe den Kirchengrundriss). Sie werden von der wallfahrtsfeindlichen Regierung schon Ende des 18. Jahrhunderts für die Bevölkerung geschlossen und nicht mehr unterhalten.
1856 Der markante barocke Tempietto-Tabernakel des Hochaltars wird, zusammen mit den flankierenden hohen Schaukästen, zugunsten eines dreiteiligen Retabel–Aufbaus der damals herrschenden Neorenaissance abgebrochen. Dieses Retabel bleibt bis 1932 bestehen. Mehr zum Aussehen des Hochaltars und seiner Chorschranke siehe im Beschrieb der Ausstattung.

1864

Der Altar der seligen Margarete von Savoyen in der Kapelle [3.N] des nördlichen Seitenschiffs wird abgebrochen. An seiner Stelle entsteht ein Durchbruch für das aussen neu angebaute Mausoleum des Königs Max II. Joseph und seiner Gemahlin Maria Friederike von Preussen.
1932 Eine gelungene (Teil)-Rekonstruktion des Hochaltars mit dem Tempietto-Tabernakel dauert nur 14 Jahre. Sie wird unnötigerweise um 1946 abgebrochen.
1944– 1945
  Im Zweiten Weltkrieg bleibt auch die Theatinerkirche nicht verschont. Hart trifft es das ehemalige Kloster. Dieses ist mit Ausnahme der Mauern des Westflügels 1945 ein Schutthaufen. Auch die südlich an die Kirche anschliessenden Gebäude der Sakristeien und des Heiligen Grabes sind zerstört. Der Kirchendachstuhl ist ausgebrannt. Im Gegensatz zur Frauenkirche oder der Jesuitenkirche St. Michael halten aber die Gewölbe mit den Stuckaturen zum grossen Teil den Bomben stand, trotzdem wird die Ausstattung vor allem im Chor durch Brand zerstört. Hier trotzen die Stuckteile des Hochaltars dem Feuer, Holzteile und Altarblatt verbrennen. Auch der Immaculata-Altar verbrennt. Nur die Kuppel und die Doppelturmfassade überstehen die Bombardierungen ohne grössere Schäden.
  Luftbild 1945 der kriegszerstörten Residenz mit Theatinerkirche und dem Schutthaufen des zerstörten ehemaligen Klosters (links oben). Quelle: Wikipedia.
1946–
1955
Die Sicherungs- und Wiederherstellungsmassnahmen an der Kirche setzen schnell ein. Schon am 18. Januar 1946 ist der neue Dachstuhl aufgerichtet. Bis 1955 ist auch der Innenraum mit Ausnahme der Chorausstattung rekonstruiert oder restauriert.
Die ehemaligen Klosterflügel werden nicht rekonstruiert. Beim Neubau für das Kultusministerium wird der teilweise erhaltene Westflügel aufgestockt, die restlichen Neubauten folgen nur entlang der Theatinerstrasse der alten Lage.
1998–
2005
Letzte Restaurierung der Raumschale. Diese und auch die vorangegangenen Restaurierungen im 19. und 20. Jahrhundert sind leider in der zugänglichen Literatur nicht dokumentiert. Hingegen beschreibt 1789 Ferdinand Sterzinger eine Restaurierung des Innern umfassend.
2014–
2018
Letzte Aussenrestaurierung (Architekten Claus und Forster, München).


Die städtebauliche Situation

Vor 1844
  Die Fassade der Theatinerkirche ist nach ihrem Bau nicht auf einen freien Platz ausgerichtet. Damit steht sie im Einklang mit vielen innerstädtischen Kirchenfassaden des Barock. Vor allem die Fassaden der Jesuitenkirchen mit ihren Kollegien sind vielfach in einen Strassenzug integriert.[41] Wie Ferdinand Jodl in seinem Gemälde der Theatinerkirche 1828 darstellt und dies auch im Lageplan zu sehen ist, verdecken zwei Gebäude am Zusammentreffen der beiden Schwabinger-Gassen die Hälfte der Kirchenfassade. Ihr Kopfbau wird «Bauerngirgl» genannt. Der davor liegende Platz, bis zum Schwabinger-Tor nur 25 Meter breit, trägt keinen Namen.
  Ferdinand Jodl 1828. Die drei vorderen Häuser mit dem Kopfbau des Gasthauses «Bauerngirgl» werden 1844 zu Gunsten des Neubaus der Feldherrnhalle und des freien Platzes vor der Theatinerkirche abgebrochen. Bildquelle: www.muenchenwiki.de

Ludwigstrasse und Odeonsplatz
  Die Erweiterung der Stadt im Vorfeld von Theatinerkirche und Residenz nach Norden ist schon 1811 ein Planungsthema. Hervorragende Architekten des Klassizismus betätigen sich als Stadtplaner.[42] Die ersten Entwürfe stammen vom Garten- und Städteplaner Friedrich Ludwig von Sckell. Der seit 1815 für den Kronprinzen Ludwig tätige Architekt Leo von Klenze (er wird 1833 geadelt) verwirklicht die schnurgerade Ausfallachse der Ludwigstrasse. Das Schwabinger Tor wird 1817 abgebrochen. Der Stadtplan Meyer 1844 zeigt den Kopfbau des «Bauerngirgl» als Ausgangspunkt der Strassenachse, die auf dem Plan noch mit dem markanten Universitätsbau des Architekten Friedrich von Gärtner von 1840 endet. Erst bis 1850 baut Gärtner auch den Triumphbogen des 120 Meter weiter nördlich gelegenen Siegestors als Endpunkt der Ludwigstrasse. Am südlichen Ende liegt der Odeonsplatz. Er erhält den Namen vom 1828 gebauten Konzertgebäude des Architekten Leo von Klenze, das gegenüber seinem 1826 gebauten Bazar am Hofgarten liegt. 1844 baut Friedrich von Gärtner anstelle dreier vor dem Preysing-Palais liegenden Gebäude die Feldherrnhalle. Damit verändert sich die Platzsituation vor der Theatinerkirche und der Residenz radikal. Die Fassade der Theatinerkirche ist nun vollständig auf den neuen Platz ausgerichtet. Die Feldherrnhalle wird zum südlichen Ausgangspunkt der Ludwigstrasse. Sie liegt 150 Meter südlich des alten Odeonsplatzes am Kopf des neuen länglichen Platzes, der bis heute keinen Namen trägt. Selbst das nördlich an die Theatinerkirche angebaute Gebäude hat aktuell die Adresse Theatinerstrasse 23. Trotzdem liegen Feldherrnhalle und Theatinerkirche vernünftigerweise in allen Publikationen «am Odeonsplatz».
  Ausschnitt Ludwigsstrasse aus dem Plan Joseph Meyer 1844. Quelle: Cartography Associates.
     
 
     
Der Odeonsplatz mit der Feldherrnhalle und der Theatinerkirche in einer Photochrom-Lithographie von 1890 (Bildquelle: Library of Congress) und in einer Aufnahme 2019 von Guido F. R. Radig.



Architektur und Ausstattung der Theatinerkirche

Bautypologie

Das Bauschema
Sant’Andrea della Valle folgt wie die Theatinerkirche in München dem Bauschema der wegweisenden römischen Jesuitenkirche Il Gesù. Dieses Bauwerk ist eine Synthese des zentralen Systems der Renaissance (Vierung, Kuppel und Querarme) und dem Langhausschema des Mittelalters. Ihr damit kreuzförmiger Grundriss ist in München nach Westen orientiert.

Basilikaler Langhausquerschnitt
Max Hauttmann nennt die Theatinerkirche «eine Basilika mit hohem, von Stichbogenfenstern eingeschnittenem Tonnengewölbe über einem geräumigen, breiten Mittelschiff».[43]
Nach diesem Verständnis verfügt die Theatinerkirche über ein Langhaus mit basilikalem Querschnitt vom Typus der frühen römischen Jesuitenkirchen. Das breite, tonnengewölbte Mittelschiff wird auch als Saal, die Nebenschiffe als Abseiten beschrieben.
Kirchen mit basilikalem Langhaus vom Typ der Theatinerkirche müssen den Seitenschub der breiten Längstonne mit äusseren Wandpfeilern nach unten leiten. Diese Elemente sind über den Seitendächer sichtbar. Sie bilden im Erdgeschoss Kapellenräume, die mit Arkaden vom Mittelraum zugänglich sind und in der Längsrichtung verbunden sein können. Damit darf man auch von einer Wandpfeilerbasilika sprechen.[44]
Inzwischen ist der Begriff Basilika recht abgewertet. Als päpstlicher Ehrentitel wird er barocken Kirchen verliehen, die nicht entfernt dem Typus des basilikalen Langhauses entsprechen.
Aber auch die Definition des basilikalen Langhaustypus für «römische Saalbauten mit Abseiten» wird in neuerer Zeit von bayerischen Kunsthistorikern negiert. Basilikale Querschnitte sind ihnen nur noch für barocke Umbauten gotischer Langhäuser und für wenige, nicht in den Saalbautypus einzuordnende dreischiffige Bauten des 17. Jahrhunderts genehm. Zu diesen zählen sie die Theatinerkirche nicht. Im Anhang II wird die gegensätzliche Wahrnehmungsweise der römischen Kirchenbauwerke mit äussern Wandpfeilern näher beleuchtet.

Die Architektur

Der barocke Innenraum
Siehe zu den Raumverhältnissen und dem Vergleich mit Sant’Andrea della Valle auch den Anhang I.
Der Aufbau des Innern hat basilikalen Charakter. Seine Baugestalt wird im Längsschnitt des Baumeisters Barelli von 1667 detailliert vorgegeben. Der Besucher tritt vom Odeonsplatz direkt in den Mittelraum ein, der 15,7 Meter breit und 28,2 Meter hoch ist, und bis zum Scheitel der halbkreisförmigen Apsis 72,4 Meter lang ist.
Das Langhaus ist dreijochig und mit je einem östlichen und westlichen halben Vorjoch gegliedert. Die mittleren beiden Joche sind im Gegensatz zu den äusseren mit gekoppelten Säulen ausgezeichnet. Die in die Wand eingebundenen Säulen tragen ein durchlaufendes Gebälk mit weitausladendem Kranzgesims. Über einer hohen Attika setzt in 18 Meter Höhe das nochmals 2,6 Meter gestelzte Tonnengewölbe an. Sechs Meter hohe Fenster schneiden über der Attika in jedem Joch in das Gewölbe ein, das mit Gurtbogen gegliedert ist.
Die beidseits anschliessenden und zum Langhaus weit geöffneten sechs Kapellenräume der Abseiten sind durch die äusseren Wandpfeiler getrennt, aber mit Durchgängen verbunden. Sie sind überkuppelt. Heute fehlt ihnen das Licht aus den bis 1735 bestehenden sechs Laternen. Die Abseiten der östlichen Halbjoche sind ursprüngliche Zugänge zu heute nicht mehr vorhandenen Gnadenräumen. Die westlichen Halbjoche sind Andachtsräume.
Das den Mittelraum kreuzende Querhaus hat mit 36 Metern die halbe Länge des Langraumes. Die Vierung ist durch Vierungspfeiler mit allseitig gekoppelten Säulen ausgezeichnet.
Der darüberliegende Kuppeltambour ist mit einem Durchmesser von 15 Meter fast so gross wie das Vorbild Sant’Andrea della Valle (16,5 m) und zeigt im Grundriss auch die gleiche Ausbildung (siehe dazu den Aussenbeschrieb). Er ist innen kreisrund. Der Tambour ist mit Einschluss der oberen Attika 15 Meter hoch und hat damit die Proportionen der römischen Kirche, trotz des höheren Sockels im Dachbereich. Unter den acht hohen Fenstern, deren Bänke auf 34 Meter Höhe liegen, sind im Sockel Nischen für die um drei Meter hohen Figuren der acht Seligkeiten eingelassen. Die Laterne auf der steil ansteigenden Kuppel ist eine Verkleinerung der Tambourkuppel, die hier 62 Meter Höhe erreicht.
Der Altarraum schliesst, vier Stufen erhöht, direkt an die Vierung an. Er besteht aus einem mit gekoppelten Säulen ausgezeichneten Joch mit anschliessender halbkreisförmiger Apsis, beide mit den architektonischen Charakteristiken des Langhaus-Mittelraums. Der Altarraum ist nach dem ersten Joch durch eine Chorschranke getrennt, vor ihr liegt der Hochaltar, dahinter der Psallierchor mit dem Hochaltarretabel.

Die Stuckaturen des Innenraums
Wenn die oben beschriebene Raumform noch der Kirche Sant’Andrea della Valle angenähert ist, zeugen die Stuckaturen der Münchner Theatinerkirche von einer hochbarocken plastischen Wucht, die in keinem römischen Bauwerk derart ausgeprägt zu finden ist. Der weisse Raumstuck prägt den Innenraum der Theatinerkirche auch deshalb vollständig, weil zu keinem Zeitpunkt Decken- oder Wandbilder in Betracht gezogen werden.
Der Stuck ist weder Dekor[45] noch Ausstattung, sondern Teil der Architektur. Ich zitiere Werner Heunoske: «Die ganze Wandarchitektur, der ganze tragende Apparat, ist gleichzeitig aber auch Reliefstruktur. Die mit Pfeifenkanelluren versehenen Kompositsäulen erscheinen bezeichnenderweise in ihrer schmuckhaftesten und reliefhaftesten Form. Die füllenden Relieffelder bilden mit ihren Figuren die höchste und freieste Form der Erhebung. Der Stuck bedeckt somit die Architektur nicht nur als blosses Schmuckwerk, er offenbart und interpretiert vielmehr auch deren Eigenschaften». Zum Verständnis des Stuckkleids der Theatinerkirche und seiner Meister ist der Beitrag von Werner Heunoske unentbehrlich.
Siehe dazu: https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=zak-003:2004:61::312#127.

Das Äussere der Theatinerkirche

Die Tambourkuppel
Wie bei Sant’Andrea della Valle ist der Tambour innen kreisrund, aussen aber polygonal in der Form eines Achtecks, dessen Ecken mit einer Vorlage von jeweils zwei gekoppelten Dreiviertelsäulen abgeflacht sind, und welche den Tambour in ein unregelmässiges Sechzehneck verwandeln. Von diesen Vorlagen steigen die starken Rippen auf, welche die Kuppel aussen verstärken. Sie hat in den freien Feldern des Tambours acht hohe Fenster, die im Kuppelfuss mit Lukarnen wiederholt werden. Obwohl die Laterne von Zuccalli nicht derart subtil wie diejenige vom Borromini bei Sant’Andrea gebaut ist und die Fensterverdachungen nicht mehr renaissancehafte Wechsel zeigen, ist mit der Theatinerkuppel ein Stück Rom nach München geholt worden.

Die Doppelturm-Fassade

  Die Frontfassade barocker Stadtkirchen ist vielfach die einzige frei sichtbare Fassade. Wenn sich Kunsthistoriker für eine Fassade interessieren, ist dies in der Regel die Frontfassade. Dies könnte auch eine Erklärung sein, warum die äusseren Wandpfeiler der Langhausfassaden nicht beachtet werden. Mit der Anlage des Odeonsplatzes ist die Fassade der Theatinerkirche dominanter geworden. Sie beherrscht seither mit ihren beiden Türmen den grossen Freiraum.
Die Lösung ihrer additiven Stellung ausserhalb der Kirchenflanke ist nicht mit Sant’Andrea della Valle begründet. Wie bei den meisten Kirchen Roms und auch bei den meisten Jesuitenkirchen fehlen beim Vorbild die Türme. Derart gestaltet Barelli auch seine ersten Fassadenprojekte. Schon bald setzt sich aber der kurfürstliche Wunsch nach Türmen durch. Will man die Frauenkirche übertrumpfen? 1671 erscheint ein Stich Barellis mit absurd hohen, viel zu schlanken Türmen.[46] Sie sind nun beidseits der schon gebauten Kirchenflanken angeordnet.
Derart ist im Werk des Bologneser Architekturtheoretiker Serlio[47] schon 1566 ein Longitudinalbau in Kreuzform mit Doppeltürmen zu finden, den Serlio als deutsche Bauart («opera Todesca») bezeichnet. Er weist auf die Funktion der Türme als Fassadenerweiterung hin.
1672 erstellt Zuccalli ein erstes Fassadenprojekt mit zwei Türmen, das mit Änderungen die spätere Ausführungsgrundlage bleibt. Die im Grundriss leicht hinter die Fassade zurücktretenden Türme werden durch ihn erst 1679 begonnen und 1692 fertiggestellt. Anstelle der sechsgeschossigen Turmlösung Barellis sind die Türme Zuccallis viergeschossig, nun mit einem seit 1672 radikal veränderten vierten, oktogonalen Helmgeschoss, das mit seinen acht voluminösen Volutenstreben ein weiteres Merkmal der Theatinerkirche wird. Anstelle der noch von Barelli vorgesehenen und von Spinelli gewünschten Säulen verwendet Zuccalli entsprechend seinem Plan von 1672 nur Pilastergliederungen.
Die Fassade, ebenfalls mit Pilastergliederungen geplant, kann er nicht mehr vollenden. Als Cuvilliés 1765 mit ihrer Vollendung beginnt, lehnt er sich zwar an die Fassade Zuccallis an, übernimmt Gebälk und Attika des Hauptgeschosses, setzt ihr aber einen Mittelrisalit mit drei Achsen vor. Die mittlere Achse dieses Risalites ist zurückgesetzt und bildet eine bis zum Frontispiz-Giebel durchgehende vertikale und säulenbetonte Nische, die nur vom durchgehenden Horizontalgesims unterbrochen ist. Schön ist diese Fassade im 1769 veröffentlichten Stich von Cuvilliés dem Jüngeren dargestellt.
Die vier grossen Nischen-Figuren (hl. Kajetan, hl. Kaiserin Adelheid, hl. Maximilian von Lorch und hl. Ferdinand von Kastilien) sind Werke von Roman Anton Boos.[48] Auch zwei Stucktondi stammen von ihm. Die restlichen Stuckreliefs der Fassade sind nach Entwürfen Johann Baptist Straub[49] ausgeführt, der auch als Schöpfer des prachtvollen Allianzwappens im Frontispiz gilt, welches das kurbayerische Wappen in Allianz mit dem sächsischen Wappen zeigt.[50]
 
   
 
  Bild oben: Die Turmfassade im Stich von Michael Wenig 1696 nach der Planung Zuccalli 1672 ff. Bildquelle: Stadtmuseum München.
     
Bild unten: François Cuvilliés d. J. veröffentlicht 1769 die Doppelturm-Fassade mit dem von seinem Vater ab 1765 vollendeten Mittelteil.
Bildquelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München.


Die Ausstattung

Die Ausstattung im Altarraum
In der Theatinerkirche ist der Hochaltar vom Retabel durch den ehemaligen Psallierchor getrennt. Die Mensa mit dem Tabernakel ist ursprünglich Teil einer reich gestalteten Bildhauerschranke mit zwei Durchgängen. Beidseits dieses vorderen Altarraums sorgen vor 1944 zudem Logenbalkone für einen weiteren Blickfang. Diese Bildhauerarbeiten werden schon 1856 teilweise, im Zweiten Weltkrieg dann vollständig zerstört und sind bisher nicht rekonstruiert. Die heute aufgestellte Maquette entspricht in keiner Weise der barocken, um vier Stufen erhöhten Altarmensa mit Tempietto-Tabernakel und seitlichen Adorationsgehäusen. Auch die seitlichen Choremporen fehlen. Ich beschreibe deshalb hier den Zustand vor 1856. Im kleinen Kunstführer 2013 ist dieser barocke Zustand in einer Illustration (zeitgenössischer Stich?) veröffentlicht.

Die Chorlogen und die Barockorgeln
Im Joch des vorderen Altarraums sind bis zum Zweiten Weltkrieg beidseits des Hochaltars Emporenlogen zu sehen. Sie liegen zwischen den gekuppelten und kannelierten Säulen der Wandgliederung. Je vier Karyatiden-Engel von Balthasar Ableitner tragen die vorkragenden, balusterbesetzten Balkone. Die Schönheit der Bildhauerarbeit kann heute nur noch in Schwarzweissfotos erahnt werden. Die Emporen tragen ursprünglich keine verglasten Aufbauten, denn auf der südlichen Empore ist während der ganzen Barockzeit die erste Orgel platziert, die 1782 unglücklich in das Hochaltarretabel verlegt wird.

Der Hochaltar
1927 wird der barocke Hochaltar im Modell rekonstruiert. Wahrscheinlich bildet der erwähnte zeitgenössische Stich die damalige Grundlage. Auf der um vier Stufen erhöhten Altarmensa steht der mächtige Tabernakel-Tempietto von über 2,5 Meter Höhe. Die Mensa wird von geschlossenen Schaukästen für die Silberbüsten des hl. Kajetans und des hl. Andreas Avellinus flankiert, die an hohen Feiertagen geöffnet werden. Beidseits folgen Statuen von je zwei Evangelisten, die durch Zugänge getrennt sind. Diese vier Evangelistenfiguren von Balthasar Ableitner stehen auf Podesten und erreichen so eine Höhe von fast drei Meter. Mit dieser bildhauerischen Schranke, vor allem dank des Tabernakel-Tempiettos und seiner 1930 erfolgten Rekonstruktion, ist bis zum Zweiten Weltkrieg auch die heute störende Sicht auf den Orgelunterbau und den Mittelteil der Hochaltarorgel abgedeckt. Ein immer wieder zitierter, aber nie ausgeführter Kugeltabernakel nach einem Entwurf von Spinelli hätte nie die überwältigende Wirkung des Tempiettos erreicht.

Das Hochaltar- oder Chorretabel
Das Retabel ist in die Raumarchitektur eingebunden. Der Apsisrundung folgend, öffnet es sich mit vier Säulen konkav zum Raum. Es wird als Stuckretabel beschrieben, die schwer wirkenden Säulen sind aber eine Bildhauerarbeit in Holz. Je zwei gekuppelte Säulen sind gegenständig gedreht und blattwerkumrankt. Sie stehen auf einer rund sechs Meter hohen Postament- und Sockelzone und flankieren die stark vertiefte Mitte mit dem rundbogigen Altarblatt. Über dem mehrfach verkröpften Säulengebälk umklammern geschweifte und gesprengte Giebelstücke das Oberstück («Auszug», Aufsatz). Dieses bildet einen Ädikula-Stuckrahmen des Chorfensters, das damit Bestandteil der Altararchitektur wird. Putti tragen im bekrönenden Schild das Theatinerwappen. Die vertikal durchgehende, vertiefte Mitte wird auch vom Gebälk nicht unterbrochen. An seiner Stelle fasst eine reiche Stuckatur die Wappenschilde Kurbayern und Savoyen.[51] Ein ungeflügelter Putto hält den Fürstenhut ins Licht des darüberliegenden Fensters. Auf den Sprenggiebeln des Retabels stehen steif wirkende Kolossalfiguren. Es sind Brigitta von Schweden, Karl der Grosse, Ludwig der Heilige und Margareta von Savoyen. Weder ihr Bildhauer noch die Entstehungszeit sind bekannt.
Das ursprüngliche Altarblatt, ein Stifterbild, verbrennt im Zweiten Weltkrieg. Heute ist ein kleineres, weder in der Thematik noch in der Grösse passendes, dafür aber zeitgenössisches Blatt eingefügt. Es wird guckkastenartig hinter einer Vorhangdraperie gezeigt. Für einen grösseren Misston im Retabel sorgt die ins Altarblatt eingreifende Freipfeifenorgel.[52]


Retabel Hochaltar
Masse:        Masse: Breite ~12,0 m / Höhe (mit Oberstück) ~24,0 m / Tiefe ~3,7 m. (Alle Masse aus Vorkriegsplan im Archiv der Denkmalpflege).
Altarblatt 1: (bis 1944): Kurfürstliche Familie unter dem Schutz der Kirchenpatrone und der Dreifaltigkeit. Grösse ~4,2 m x ~8,4 m. Maler Antonio Zanchi, Venedig 1673.[53]
Altarblatt 2: (nach 1945): Thronende Maria mit Heiligen. Grösse 3,85 m x 5,94 m. Maler Caspar de Crayer, 1646.[54]

Querhausaltäre
Das Querhaus ist weniger vom Zweiten Weltkrieg und von unsachgemässen Eingriffen betroffen als der Altarraum. Seine beiden Retabel zeigen wie das Chorretabel eine Ädikula-Architektur mit Doppelsäulen. Durch die nach vorn gestuften Säulen erhält der Altar eine Breitenausdehnung, die eine Konzentration des Retabels auf die als Ädikula mit Sprenggiebel gestaltete Mitte bewirken. Obwohl die beiden Querhaus-Retabel die gleiche Breite wie das Hochaltarretabel aufweisen, ist ihre Wirkung ausgewogener. Die Säulen wirken schlanker, weil sie leicht länger sind, und ihre Basis niederer angesetzt ist. Das Säulengebälk ist in der hinteren Ebene durchgehend. Der Sprenggiebel liegt auf der Höhe der Attika des Kirchenraums und fasst jetzt das Allianzwappen Kurbayern-Savoyen. Darüber setzt eine weitere Ädikula an, die das Querhausfenster fasst. Die scheinbar auf der hinteren Retabelebene stehenden vier Stuckfiguren sind mit Sockel abgehoben. Seit 1944 sind nur noch je drei vorhanden.


Kajetansaltar (Querschiff Süd)
Masse: Breite ~12,0 m / Höhe (mit Figuren, ohne Fensterädikula) ~18,7 m / Tiefe ~2,0 m.
Altarblatt: Die Erhörung der Fürbitte des hl. Kajetans bei der Pest in Neapel. Grösse ~4,4 m x ~8,4 m. Maler Joachim von Sandrart 1671.[55] Das stark abgedunkelte Altarblatt ist heute nicht mehr voll lesbar.
Stuckplastiken: Attikabereich v. l. nach r.: Cäcilia, Johannes Baptist, Antonius (zerstört), Katharina.
Predellazone: Hl. Kajetan mit Engel in Rokokorahmen. Maler Nikolaus Gottfried Stuber um 1740.[56]


Sippenaltar oder Frauenaltar (Querschiff Nord)
Masse: Breite ~12,0 m / Höhe (mit Figuren, ohne Fensterädikula) ~18,7 m / Tiefe ~2,0 m.
Altarblatt: Die Heilige Familie mit König David. Grösse ~4,4 m x ~8,4 m.
Maler Carlo Cignani 1674.[57] Die rechte Hälfte des Blattes wird 1945 zerstört und anschliessend rekonstruiert.
Stuckplastiken: Attikabereich v. l. nach r.: Maximilian, Christina, Margarete, Rochus (zerstört). 
Predellazone: Maria Verkündigung in Rokokorahmen. Maler George Desmarées[58] um 1740.

Kapellenaltäre
Zur barocken Lage siehe den Grundrissplan
Die Retabel der Seitenkapellen übernehmen die Architektur der drei grossen Altäre. Ein sorgfältig gezeichneter Plan des Baumeisters Barelli ist erhalten. Entsprechend dieser Vorlage werden alle Retabel durch die Werkstatt Ableitner in Holz ausgeführt. Ihre Fassungen sind sehr unterschiedlich und stammen kaum aus der Bauzeit. Die Retabel füllen mit 4,5 Meter Breite die Nischen der Abseiten. Mit Einschluss der Fensterädikula sind sie 10 Meter hoch. Von ursprünglich sechs Retabel sind noch vier erhalten.


Seitenkapellen Süd
Joch 3 Avellino-Altar. Altarblatt: Tod des Theatiners Andreas Avellinus. Maler: Carl Loth «Carlotto» 1677.
Joch 2 Kreuzaltar. Altarblatt: Kreuzabnahme Christi. Maler: Jacobo Rubusti, genannt Tintoretto, um 1570. Ankauf 1670. Rechteckiges, grösseres Blatt 2,5 x 3,5 m.
Joch 1 (zerstört) Immaculata-Altar. Maria als unbefleckte Empfängnis, zu ihren Füssen Papst Clemens und der hl. Laurentius. Maler Pietro Vanni 1600.

Seitenkapellen Nord

Joch 3 (zerstört) Margareten-Altar. Altarblatt (heute aufgehängt in Joch 1 Süd): Apotheose der sel. Margaretha von Savoyen. Maler: Antonio Triva 1676.
Joch 2 Schutzengelaltar. Altarblatt: Schutzengelgruppe. Maler: Antonio Zanchi 1677. Blattgrösse wie im gegenüberliegenden Südjoch (Tintoretto)
Joch 1 Altar der heiligen Jungfrauen. Altarblatt: Die vier heiligen Jungfrauen Lucia, Margareta, Agata und Apollonia. Maler: Pietro Liberi 1676. Stuckaturen der Ädikula-Fensterrahmung zerstört.

Kanzel und Beichtstühle
Die Kanzel ist in diagonaler Lage am südöstlichen Vierungspfeiler angebracht. Ihr Zugang erfolgt im Pfeiler. Die aufwendige Bildhauerarbeit wird 1688 durch Andreas Faistenberger geliefert. Ihr Detailreichtum ist zwar beeindruckend, aber ein uniformer dunkler Beizton überstimmt die Feinheiten. Die Büsten (Christus, Maria, Kajetan und Andreas) in den durch Volutenpilaster gegliederten Kanzelkorbfelder sind in der dunkeln Einheitstönung kaum erkennbar. Der Grund für den Verzicht auf die im Hochbarock übliche Fassung ist nicht überliefert.[59] Aber selbst mit der damals meistverwendeten Schwarz-Gold Fassung wäre die deutsche Kanzel im italienischen Raum ein Fremdkörper geblieben. Noch mehr gilt dies für die dunklen Beichtstühle von 1688. Sie erinnern an Neorenaissancemöbel des 19. Jahrhunderts.


Pius Bieri 2025


Literatur zur Theatinerkirche
Sterzinger, Ferdinand: Merkwürdigkeiten der kurfürstlichen Hofkirche der P. P. Theatiner in München. München 1789. Eine vorzügliche Beschreibung der Ausstattung und den Kunstwerken der Kirche, ihren Nebenräumen und Gnadenorte. Hier wird auch detailliert die erste grosse Innenrestaurierung beschrieben.
Paulus, Richard A. L.: Der Baumeister Henrico Zuccalli. Strassburg 1912.
Noch immer unverzichtbare (teilweise aber überholte) Grundlagenforschung zu den Bauwerken Zuccallis.
Guldan, Ernst: Italienische Stukkatoren in Bayern, in: Arte e artisti dei laghi lombardi, Como 1964.
Bisher beste Gesamtdarstellung zu den Stuckateuren aus dem Gebiet zwischen Como und Lugano.
Heunoske, Werner: Tessiner Stuckatoren im Umkreis des Münchner Hofes. Die Brüder Prospero und Battista II Brenno, in: ZAK, Band 61, Heft 2/04, Zürich 2004.
Wertvoller Beitrag zu den Brüdern Brenni aus Salorino in München.
Kaiser, Alfred: Theatinerkirche St. Kajetan, München. Kunstführer Nr. 1971. Regensburg 2013.
Der Kunstführer ist ein knappe, aber korrekte und übersichtliche Beschreibung der Kirche.
Huber, Fabian Pius: «Mut zu prächtigen Dingen», die Theatinerkirche in München. Lindenberg 2019.
Das bisher umfassendste und aktuellste Werk zur Theatinerkirche und den Umständen ihres Neubaus.
Hofmeier, Franz: Bayerns Kurfürsten. München 2022.
Ein lesenswerte Publikation, die mit vielen Illustrationen korrekt über alle Kurfürsten informiert und erstaunlicherweise auch online als PDF frei zugänglich ist. [https://armeemuseum.de/images/publikationen/2022_kurfuersten_online.pdf]


Web

Webseiten des Verfassers mit Hinweisen zu weiterer Literatur:
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Barelli_Agostino.html
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/h-r/Nymphenburg_Henriette_Adelheid.html
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Zuccalli_Enrico.html
https://www.sueddeutscher-barock.ch/PDF-Bio_M/Brenni_Famiglia.pdf
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Cuvillies_Francois.html
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Theatinerkirche_(M%C3%BCnchen)



Anmerkungen :

[1] Henriette Maria Adelaide (1636–1676) aus Turin, Kurfürstin von Bayern 1651–1676. Mehr zu Henriette Adelaide von Savoyen (1636–1676) in der Biografie dieser Site unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/h-r/Nymphenburg_Henriette_Adelaide.html.

[2] Ferdinand Maria von Bayern (1636–1679), Kurfürst von Bayern 1651–1679. Er ist ein Friedensfürst, hält Kurbayern während seiner Regierung von Kriegen frei und wird wahrscheinlich deswegen heute in der bayerischen Geschichte wenig beachtet. Siehe zu Ferdinand Maria die PDF-Dokumentation unter:
https://armeemuseum.de/images/publikationen/2022_kurfuersten_online.pdf
oder die Kurzbiografie von Manfred Heim 2015 unter:
https://www.sueddeutscher-barock.ch/PDF/Muenchen_Ferdinand_Maria.pdf

[3] Jules Mazarin (1602–1661). Seine diplomatischen Betätigungen dienen den Hegemonieansprüchen der französischen Krone. Nachdem er im Friedensvertrag 1642 den Einfluss Frankreichs in Savoyen gestärkt hat, sieht er auch in Bayern einen möglichen Bündnispartner. Biografie in der Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Jules_Mazarin.

[4] Maximilian I. von Bayern (1573–1651), Herzog von Bayern ab 1597, Kurfürst 1623–1651. Als führende Persönlichkeit der Katholischen Liga im Dreissigjährigen Krieg ist er hauptverantwortlich für die lange Dauer des Krieges. Biografie in der PDF-Dokumentation [https://armeemuseum.de/images/publikationen/2022_kurfuersten_online.pdf] oder in der Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_I._(Bayern).

  [5] Das Opernhaus wird nach einem Entwurf von Francesco Santurini durch Hofbaumeister Marx Schinagel erstellt. Es wird 1802 abgebrochen. Zur ehemaligen Lage siehe die Nummer 11 im Lageplan (heute: Salvatorplatz 1,2).
  Das heute nicht mehr existente Salvatortheater war das erste freistehende Opernhaus in Deutschland. Es entstand zwischen 1651 und 1654 durch den Umbau eines zuvor als Kornspeicher genutzten Gebäudes zwischen Stadtmauer und Salvatorkirche. Ein erneuter Umbau stattete das Opernhaus bis 1657 mit modernster Bühnentechnik und acht Kulissengassen aus. 1686 wurden die Venezianer Domenico und Gaspare Mauro mit der Neugestaltung des Innenraums und mit dem Einbau einer herrschaftlich ausgezeichneten Loge beauftragt, die dem Kurfürstenpaar bestmögliche Sichtverhältnisse und Präsenz bot. Das von Michael Wening gestochene Blatt, das im Libretto der 1686 aufgeführten Festoper „Servio Tullio“ eingebunden war, zeigt den neuen, an skulpturalem Schmuck reichen Zuschauerraum von der Bühne aus. Der Zuschauerraum ist mit drei offenen Rängen, die sich im Dekor deutlich unterscheiden, sowie einer umlaufenden Ziergalerie unter der Decke ausgestattet: Im Parterre sind es einfache dorische Säulen, im ersten Rang sind die gliedernden Stützen über der mit einer Draperie geschmückten Brüstung mit weiblichen Hermen verziert und darüber fungieren geflügelte Putten als Träger des dritten Ranges.
Bildquelle und Text www.bavarikon.de  
Unterbrochen wird die gleichmäßige Folge der Stützen von der aufwändig gestalteten Fürstenloge. Sie liegt über der von skulpturalen Fackelträgern flankierten Treppe und dem Eingang in der Mitte des Rangtheaters: Kleeblattförmig kragt die von Hermen gestützte Loge im ersten Rang aus, wobei Trägerputten das Auge über Gebälke zu einem die kurfürstliche Krone formenden Baldachin emporführen.

[6] Der Turniersaal ist 23 Meter breit und 103 Meter lang (80 x 360 Fuss nach Michael Wening). Baumeister ist Marx Schinagel.

[7] Die Prunkgaleere wird von Ferdinand Maria in Auftrag gegeben. Er sieht den venezianischen Bucintero auf seiner Italienreise und lässt die Galeere vor allem für Jagdvergnügen der Hofgesellschaft bauen. Die Hirsche werden massenweise in den See getrieben und von der sich auf dem Schiff befindenden Jagdgesellschaft abgeschossen. Die Galeere ist ein Zweimaster, 34 Meter lang, 25 Meter breit und 17 Meter hoch. Sie hat Säle und Decks für mehrere hundert Personen. Michael Wening hat sie in der «Topographia» 1700 auf dem Blatt «Das churfürstliche Schloss Starenberg am Würmsee» festgehalten. Sie wird schon 1758 abgewrackt.

[8] Das Lustschloss Nymphenburg wird 1664–1676 auf einem Landgut gebaut, dass Kurfürst Ferdinand Maria nach der Geburt des Thronfolgers Max II. Emanuel 1662 seiner Gattin schenkt. Mehr dazu siehe in dieser Site unter
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/h-r/Nymphenburg_Schloss.html.

[9] Agostino Barelli (1627–1697) aus Bologna. In München ist er 1662 für Planungen und Besprechungen, 1663–1668 als leitender Baumeister (ital. «architetto»). 1671–1674 ist er nochmals anwesend. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Site unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Barelli_Agostino.html.

[10] Lorenzo Perti (1624–1692) aus Rovenna, dem Heimatort des Vaters von Agostino Barelli. Er ist der eigentliche   Leiter der Bauarbeiten für die Theatinerkirche und die Nymphenburg. Die Wertschätzung durch den Hof zeichnet sich auch durch das Monatsgehalt von 77 Gulden aus, höher als dasjenige von Agostino Barelli. Die damalige (deutsche) Benennung Baumeister für Barelli und Maurermeister für Perti kann mit Architekt Barelli und Baumeister/Bauleiter Perti übersetzt werden. Sein Sohn Giovanni Nicolò (1656–1718) wird später Hofstuckateur in München. Zu Nicolò Perti siehe die Biografie in dieser Site unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/h-r/Perti_Nicolo.html.

[11] Gaetano da Thiene oder Kajetan von Thiene (1480–1547) wird 1626 seliggesprochen und 1671 heiliggesprochen. Er ist 1524 Gründer eines Regularkleriker-Ordens, der nach dem Mitgründer Gian Pietro Carafa, dem Bischof von Chieti (Theate) Theatinerorden genannt wird. Der Orden hat im 17. und 18. Jahrhundert nur in Italien Erfolg. Im deutschsprachigen Norden mit nur vier Niederlassungen hingegen ist er kaum bekannt. Dies auch, weil er im Gegensatz zum gleichzeitig gegründeten Jesuitenorden keine Bildungsanstalten (Gymnasien, Universitäten) betreibt.

[12] Der Wohnsitz des Grafen Max Kurtz von Senftenau geht in der Baugeschichte von München vergessen, weil an seiner Stelle 1747–1754 das Palais Törring-Jettenbach gebaut wird. Zur Lage südlich des erst 1803 entstandenen Max-Joseph-Platzes siehe die Nr. 13 im Plan der Münchner Palais in der nördlichen Altstadt von 1809 unter: https://www.sueddeutscher-barock.ch/Bilder_jpg/grafik/Muenchen/Barockpalais_MuenchenGr.jpg. Zur vorherigen Situation um 1613 siehe den Ausschnitt aus dem Volkmer-Plan (das Franziskaner- und das Riedler-Kloster werden 1802 zu Gunsten des neuen Max-Joseph-Platzes abgebrochen).

[13] Pater OTheat Stefano Pepe (um 1590–1665) aus Reggio Calabria. Profess 1613 in Messina. Mehrere Jahre ist er im Konvent von San Lorenzo von Turin, dort ist er bis 1652 auch Beichtvater und Erzieher der jungen Prinzessin Henriette Adelaide. P. Stefano, seit 1662 Superior der kleinen Münchner Ordensgemeinschaft, ist vermutlich auch Vermittler von Baumeister Agostino Barelli nach München. Er gründet 1662 in München und 1664 in Prag die ersten Niederlassungen der Theatiner im deutschsprachigen Bereich und in Böhmen. Zwar folgen 1684 noch Salzburg und 1703 Wien. Es bleibt aber bei diesen vier Niederlassungen.

[14] Pater OTheat Antonio Spinelli (1630–1705) aus Padua. Profess in Venedig. Dort wird er Novizenmeister. Er ist Doktor beider Rechte und gesuchter Prediger. Seit 1662 ist er als Novizenmeister in München anwesend. 1665 wird er Nachfolger von Superior P. Stefano Pepe. Er ist jetzt Vertrauter und Beichtvater der Kurfürstin. Nach dem Tod von Kurfürst Ferdinand Maria 1679 nimmt er mit Kurfürst Max II. Emanuel an den Ungarnfeldzügen teil und wird 1690 in das Gremium des kurfürstlichen Geistlichen Rates gewählt.
Als Architekturdilettant macht er beim Bau der Theatinerkirche den führenden Bauleuten Barelli, Perti und Zuccalli das Leben schwer. 1669 erreicht er die Leitung des Neubaus. Der Aufgabe ist er aber nicht gewachsen. Er hinterlässt ein wertvolles Tagebuch mit Hervorstellung seiner guten Dienste am Bau der Theatinerkirche und mit viel Selbstruhm. Leider wirkt die Selbstdarstellung bei vielen Historikern bis heute nach. Die Biografie in der Wikipedia erwähnt zum Beispiel, dass er (bei seiner ersten Besichtigung der Theatinerkirchen-Baustelle) dem Baumeister Agostino Barelli nicht nur «einen fatalen Fehler in der Konstruktion nachweisen» kann, er soll 1670 auch mit «dem Entwurf und der Ausführung» des Hochaltars beauftragt worden sein. Mehr dazu siehe in der Beschreibung des Bauverlaufs. Spinelli ist auch mitverantwortlich für das zerstrittene Verhältnis mit den nicht vom Hof abhängigen Münchner Jesuiten. Das Wirken dieses von sich überzeugten Theatiners macht auch das Vorgehen der Jesuiten verständlich, die leitende Persönlichkeiten jeweils nach kurzer Zeit in andere Niederlassungen versetzen.

[15] Anton von Berchem (1632–1700) aus Köln ist seit 1654 Hofsekretär in München. Er ist auch Notar und offenbar guter Geschäftsmann. In kurzer Zeit erwirbt er ein Dutzend Hofmarken. Er erhält 1677 den Erbtitel «Freier Edelmann Berchem zu Blutenburg und Menzing». 1683 wird er Geheimrat und Vertrauter des Kurfürsten Max II. Emanuel. Er lässt ab 1679 das neue Palais durch Enrico Zuccalli erstellen, nachdem er vorgängig den alten Wohnsitz für den Bau des Theatinerklosters zu überhöhtem Preis verkaufen kann. Ein Foto des 1944 zerstörten Palais ist in der Biografie Zuccalli enthalten. Zur Biografie Zuccalli siehe: https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Zuccalli_Enrico.html.

[16] Die Mutterkirche der Theatiner, Sant‘Andrea della Valle, wird 1591 von Giacomo della Porta begonnen, ihr Bau aber schon 1599 eingestellt. 1608–1622 baut sie Carlo Maderno nach neuen und stark veränderten Plänen fertig. Sie muss deshalb als Bauwerk Madernos bezeichnet werden. Die Fassade wird aber erst 1655 und 1663 nach Entwürfen Madernos von Carlo Rainaldi gebaut. Zu den drei römischen Baumeistern siehe die Beiträge in dieser Site unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/ga-wege/m613_Rom_Baumeister_17-Jh.html.

[17] Quellenbelege der Sitzungsgespräche (italienisch) im Hauptstaatsarchiv. Die neue Theatinerkirche soll also die Michaelskirche (1593/97) der Jesuiten übertrumpfen. Kurfürst und Kurfürstin sind sich damit einig, dass die Baukosten Nebensache sind. Sie sind tatsächlich nie gesamthaft erfasst worden, bleiben allerdings keine Nebensache. Nach dem Tod der Kurfürstin 1676 werden nicht nur die riesigen Bauvorhaben in Altötting eigestellt, auch die völlig vom Hof abhängigen Theatiner müssen hart um das Geld für die Fertigstellung kämpfen. Zudem ist der Neubau erst 13 Jahre nach dem Tod des Kurfürsten Ferdinand Maria vollendet, sieht man von der noch späteren Fassaden-Neugestaltung ab. Trotzdem ist die Regierungsperiode von Ferdinand Maria die letzte mit einem ausgeglichenen Staatshaushalt. Wie der französische Sonnenkönig, Vorbild schon der Kurfürstin, wird ihr Sohn Max II. Emanuel Bayern mit Kriegen und Prunksucht finanziell ruinieren.

[18] Die Namen der vier Maurermeister sind bekannt. Sie deuten auf eine Herkunft aus der Region des Comer- und des Luganersees hin. Mit Sicherheit hat sie nicht der Theatinerpater Don Agostino Castano in Bologna auf Wunsch der Kurfürstin angeheuert, wie uns dies P. Girolamo Meazza in seinem Diarium Italicum weismachen will. Vermutlich haben alle unter Barelli und Perti am Neubau der dortigen Theatinerkirche mitgewirkt. Dass sie nach München kommen, entspricht auch dem verständlichen Wunsch der Kurfürstin, für den italienischen Bau keine deutschen Führungskräfte ohne Erfahrung in italiensicher Baukunst zu wählen.

[19] Die Taglöhne der welschen Maurer betragen: Antonio Pedrotti 50 Kreuzer, Francesco Fontana und Bonifazio Perti 40 Kreuzer, Rocco della Porta 30 Kreuzer. Der deutsche Maurer erhält 23 Kreuzer. Die Taglöhner werden mit 16 Kreuzer entschädigt. Baumeister Barelli wird monatlich mit 60 Gulden entschädigt. Sein Palier Lorenzo Perti erhält bis 1677 sogar 72 Gulden im Monat, was seine wichtige Stellung im Bauprozess betont.

[20] In Wirklichkeit aber 45 cm. Zu den Ausmass-Vergleichen von Sant’Andrea alla Valle in Rom und der Theatinerkirche München siehe den Anhang I. Der Palmo romano wird von Spinelli als «piccolo palmo Romano» bezeichnet und bis heute in der deutschen Literatur mit dem undefinierten Begriff «einer kleinen Römischen Spanne» übersetzt. Zum Palmo siehe das Glossar Geld und Mass in dieser Site, Buchstabe P unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/ga-menuseiten/m72_Geld-Masse.html.

[21] Richard Paulus 1912

[22] Carlo Brentano Moretti (um 1634–nach 1675) aus Azzano bei Tremezzo am Comer See. Er wird 1673 in München zusammen mit dem Bruder Giovanni Battista mit ihrem ursprünglichen Namen Brentani in den Büchern geführt. Vor allem der Stamm Brentani-Cimaroli macht gleichzeitig in Frankfurt eine steile Händlerkarriere und wechselt früh zum Namen Brentano. Mehr zur Carlo Brentano siehe in der Biografie dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brentano_Moretti_Carlo.html.

[23] Giovanni Prospero Brenni (1638–1696) aus Salorino Tessin, zu ihm siehe die Biografie in https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_Prospero.html

[24] Giovanni Battista II Brenni (1649–1712) aus Salorino Tessin, zu ihm siehe die Biografie in https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_GiovanBattista-II.html

[25] Enrico Zuccalli (1642–1724) aus Roveredo im Misox (Graubünden). Er wird nach einer Bewerbung 1672 als Hofbaumeister eingestellt. Zu ihm siehe die Biografie und das Werkverzeichnis in dieser Site unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Zuccalli_Enrico.html.

[26] Üblicherweise wird seine Ankunft in München mit der im Februar 1669 erfolgten Rückkehr seines Schwagers Gaspare und dessen Familie verbunden, weil im Reisepass der Familie ein weiterer Mitreisender ohne Namen als «altro giovine» genannt wird. Als giovine oder giovane werden jüngere Männer bezeichnet, was auf den 27-jährigen Zuccalli zutreffen könnte. Dies zieht Fabian Pius Huber im neuen Werk zur Theatinerkirche in Zweifel. Er vermutet die Ankunft erst 1671. Zu Gaspare Zuccalli siehe die Biografie in dieser Site unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Zuccalli_Gaspare_I.html.

[27] Den Plan soll Zuccalli als Bewerbungs-Beilage gezeichnet haben. Die Turmhelme stellt er in zwei Alternativen dar, die dann von Wening in seinem Stich der Ausführung des 1685 fertiggestellten Südturms angeglichen werden.

[28] In Huber (2019) Seite 270. Es sind demnach ursprünglich Stucksäulen vorgesehen (oder schon ausgeführt?). Sie sollen dann durch gewundene Holzsäulen mit Laubwerk ersetzt worden sein.

[29] Balthasar Ableitner (1614–1705) aus Miesbach. Lehre und Geselle bei Christoph Angermair in München bis 1633. Vor 1642 ist er als Stipendiat mehrere Jahre in Rom und Venedig. Er ist 1650–1656 Lehrmeister von Wolfgang Leuthner und wird 1653 Hofbildhauer. Die vier Evangelisten werden ebenso wie die Karyatidenengel im Krieg teilweise zerstört. Die Evangelistenfiguren sind heute restauriert oder rekonstruiert wieder an alter Stelle, aber auf einer Holzatrappe aufgestellt, die vom alten Zustand abweicht. Mehr siehe im Kapitel Ausstattung. Zu Ableitner siehe die Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Balthasar_Ableitner.

[30]  Die Altäre werden durch «Prospero Brenni zwischen 1663 und 1675 stuckiert» (Huber 2019). Dies kann sich aber nicht auf die markanten Holzsäulen mit Laubwerk beziehen. Ihr Bildhauer wird nicht genannt. Da aber Abraham Ableitner der Bildhauer aller Kapellen-Altäre der Seitenschiffe ist, dürfte er auch die Bildhauersäulen der drei grossen Retabel gestaltet haben.

[31] Wolfgang Leuthner (um 1632–1725) aus München. Lehre 1650–1656 bei Balthasar Ableitner. 1657/58 Geselle bei Niklas Prugger. Er wird nach einem Studienaufenthalt in Rom 1662 zum Hofbildhauer ernannt. Falsche Nennung als Stuckateur der Theatinerkirche in der Literatur, auch Verwechslungen mit dem böhmischen Baumeister Abraham Leuthner.

[32] Die Aufstellungsorte der 49 «Kindl» (16 davon 10 Fuss oder 290 cm hoch, 32 nur 5 Fuss hoch) sind in Bezug auf die grossen Statuen umstritten. 26 dieser «Kindl» mit der Höhe von 5 Fuss stehen beidseits der seitlichen Obergaden- und Chorfenster sowie in den Vierungspfeilern und beidseits des Fassadenfensters. Die einleuchtende bisherige Zuschreibung der acht grossen Statuen im Kuppeltambour wird neuestens bestritten. Der Autor Fabian Pius Huber (2019) schreibt die acht grossen Figuralplastiken des Kuppeltambours und auch die vier Kirchenväter in den Querschiffnischen italienischen Meistern zu. Die offenbar 1944/45 nicht beschädigten grossen Statuen im Tambour weisen aber in der Ausführung auf Holz-Bildhauerarbeit hin. Auch die Bezeichnung des Holzbildhauers Leuthner als Stuckateur, für die Theatinerkirche sicher falsch, ist nicht geklärt.

[33] Zu dessen Lage siehe die Anmerkung 12. In das Palais Kurtz rettet sich beim Residenzbrand am 6. April 1774 die Kurfürstin mit den Kindern. Noch anlässlich der Kircheneinweihung 1675 wird der grosse Festsaal für die geladenen Gäste genutzt.

[34] Die italienischen Salesianerinnen kommen 1667 aus Turin (zu Fuss!) nach München, werden von der Kurfürstin in den Alterswohnsitz der Kurfürstenwitwe Maria Anna († 1665) eingewiesen, um dann 1675 in eine freie Liegenschaft im Hackenviertel (heute Altheimer Eck/Damenstiftstrasse) verlegt zu werden. Hier lässt Kurfürst Max II. Emanuel ab 1690 durch Giovanni Antonio Viscardi einen Klosterkomplex bauen, der unter Kurfürst Karl Albrecht 1733 bis 1735 durch Johann Baptist Gunetzrhainer die Kirche erhält (sie wird 1944 zerstört). Weil aber 1783 Kurfürst Karl Theodor den Wunsch der Kurfürstenwitwe Maria Anna von Sachsen erfüllen will, in München ein adeliges Damenstift zu gründen, lässt er das Augustiner-Chorherrenkloster Indersdorf kurzerhand aufheben, um damit das neue Damenstift St. Anna zu alimentieren. Die Münchner Salesianerinnen werden von ihm nach Indersdorf verpflanzt, wo sie aber nur bis 1831 bleiben, um dann nach Dietramszell zu ziehen.  

[35] Nicolò Perti (1656–1718) aus Rovenna am Comersee ist Sohn des Baumeisters Lorenzo Perti. Er kommt wahrscheinlich schon um 1669/70 nach München, macht bei seinem Vater die Maurerlehre und bei einem Stuckateur des Bautrupps Brentano Moretti die Lehre als Stuckateur. Zu Nicolò Perti siehe die Biografie in dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/h-r/Perti_Nicolo.html.

[36] Anton Bayr (gemäss Wikipedia 1716–um 1792) aus Heidingsfeld bei Würzburg. Gemäss https://orgeln.musikland-tirol.at/ob/Bayr-Anton.html aber «Geb. 21. Feb. 1715 in Weldingsfelden b. Ingelfingen (Württemberg), gest. 22. Apr. 1792 in München. Er wird 1745 Bürger in München und heiratet die Witwe des Orgelbauers Joh. Ignaz Philipp Hillenbrandt (Hillebrandt; 1710-1744). Mit angeblich etwa 160 gebauten Orgeln ist er der bedeutendste Orgelbauer Oberbayerns in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts».

[37] Andreas Faistenberger (1646–1735) aus Kitzbühel im Tirol. Er ist auch bekannt als Lehrmeister (1711–1716) von Egid Quirin Asam. Zu ihm siehe die Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Faistenberger.

[38] Schon ab 1683 fliessen ungeheure Geldmengen an den Hof nach Brüssel, wo der Kurfürst von rund 2000 bayerischen Höflingen und Adeligen umgeben ist. Die Summe von 35 000 000 Gulden (1745) entspricht mehr als dem Achtfachen der jährlichen Staatseinnahmen Bayerns. Für die Staatseinnahmen und die nach 1745 erforderliche Schuldentilgung kommen von den damals 1,2 Millionen Einwohnern Kurbayerns (mit Innviertel und Oberpfalz) in erster Linie das «Gemeine Volk» der Bürger und Bauern, aber auch die grossen Abteien auf. Kurfürst Max III. Joseph vereinbart mit den Landständen 1749 ein Schuldentilgungswerk und erreicht eine Reduktion der Staatsverschuldung von 35 Millionen auf 9 Millionen Gulden. Dass er deswegen bei Adel, Kirche und Volk (und vielen bayerischen Historikern) weniger Meriten erwirbt als seine beiden ruhm- und prunksüchtigen Vorgänger, erstaunt nicht. (Quellen: Bayerischer Oberster Rechnungshof 2012).

[39] François Cuvilliés (1695–1768) aus Soignies in den Spanischen Niederlanden. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Cuvillies_Francois.html.

[40] Max III. Joseph von Bayern (1727–1777) ist ein Regent Kurbayerns, der sich von den Grossmachtsträumen seiner Vorgänger verabschiedet und dank seiner klugen Neutralitätspolitik und der damit verbundenen längeren Friedensperiode auch mit der Rückzahlung der hohen Staatsschulden beginnt (siehe dazu die Anmerkung 36). Er ist fromm und gläubig, aber als absolutistisch regierender Fürst ein Feind aller ständischen Privilegien, insbesondere der Klöster. Sein Wunsch im Zusammenhang mit der Fassadenvollendung erfüllt sich nicht, denn seine Ehe bleibt kinderlos, mit ihm stirbt die bayerische Linie der Wittelsbacher aus. Mehr zu ihm siehe in der Kurfürsten-Dokumentation
[https://armeemuseum.de/images/publikationen/2022_kurfuersten_online.pdf] oder in der Wikipedia-Biografie unter
https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_III._Joseph
.

[41] Auch das Vorbild Sant’Andrea della Valle in Rom hat ursprünglich nur einen kleinen Vorplatz. Der heutige Platz entsteht erst 1938 unter Mussolini als Ausgangspunkt des neuen Corso del Rinascimento. Die weit verbreiteten Stiche, etwa von Giuseppe Vasi 1756, stellen die Platzsituationen vor der Kirche meist idealisiert dar.

[42] Es sind:
Friedrich Ludwig Sckell (1750–1823), aus Weilburg an der Lahn, Sohn des Schwetzinger Hofgärtners Wilhelm Sckell, kann sich 1773–1777 mit einem Stipendium des Kurfürsten Karl Theodor in England weiterbilden, 1789 wird er nach München berufen, um für Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz und Bayern unter der Oberleitung des Pfälzischen Generalmajors Benjamin Thomson, Reichsgraf von Rumford den Englischen Garten zu planen. 1799 Gartenbaudirektor in Mannheim, 1804–1823 Hofgarten-Intendant in München. Seit 1808 Ritter von Sckell.
Mehr siehe in der Wikipedia-Biografie: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ludwig_von_Sckell
Leo Klenze (1784–1864) aus Schladen bei Goslar. Ab 1833 Ritter von Klenze. Ausbildung an der Universität Berlin bei Friedrich Gilly. 1808–1813 Hofarchitekt von König Jérôme in Kassel. Hier Projekte im Stil des französischen Empire. Nach dem Sturz und der Flucht von Jérôme geht er 1813–1815 nach Paris, wo die Hinwendung zum hellenistisch beeinflussten Klassizismus erfolgt. Seit Oktober 1815 ist er in München Privatarchitekt von Kronprinz Ludwig, des späteren Königs Ludwig I. Er wird zum wichtigsten Architekten der Zeit des Klassizismus und der Neurenaissance in Bayern. Mehr siehe in der Wikipedia-Biografie: https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_von_Klenze.
Johann Friedrich Gärtner (1791–1847) aus Koblenz. Ab 1837 Ritter von Gärtner. Ausbildung an der Kunstakademie München, dann Studium in Paris bis 1814. Anschliessend mehrere Jahre in Italien als Zeichner und Maler. 1819 Professor an der Kunstakademie München. Mit dem 1829 begonnenen Bau der Ludwigskirche und der 1831 begonnenen Staatsbibliothek an der nördlichen Ludwigstrasse gewinnt er das Vertrauen von König Ludwig I. 1835 baut er die Universität (siehe Plan der Ludwigstrasse 1844) und vollendet 1844 die Achse der Ludwigstrasse mit der Feldherrnhalle. Gärtners Bauten sind ein Gemisch aus frühchristlich-byzantinischen und italienisch-romanischen Elementen, auch «Rundbogenstil» genannt. Er setzt sich damit vom eher dem Klassizismus verpflichteten Konkurrenten Klenze ab. Mehr siehe in der Wikipedia-Biografie: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_G%C3%A4rtner.

[43] Max Hauttmann (1888–1926) aus Landau in der Pfalz. Er formuliert 1921 in seiner «Geschichte der kirchlichen Baukunst in Bayern, Schwaben und Franken 1580–1780» die Raumarten, sieht aber die nachgotische Basilika als «Eindringling».

[44] Der Typus Wandpfeilerbasilika kann nur bei Langhäusern mit breiten Längstonnen und hohem Obergaden verwendet werden, welche mit äusseren Wandpfeilern die Schubkräfte auffangen müssen, weil ihre niederen «Abseiten» dazu statisch nicht genügen.

[45] Zum Thema des kunsthistorischen Unwortes «Dekoration» siehe meinen Exkurs unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Zusatz/Exkurs_Dekor_1.html)

[46] Der Stich von 1671 wird von Barelli selbst in Auftrag gegeben. Kuppel und Fassade sind aber gegenüber seinem Fassadenplan von 1667 bereits um 20% überhöht. Selbst unter Berücksichtigung dieser bewussten Überhöhung hätten die Türme in einem derartigen Missverhältnis von Breite und Höhe nie ausgeführt werden können. Falls Barelli dies wirklich als beabsichtigtes Projekt 1671 zeichnet, zeigt er mangelndes Verständnis für statische Belange. Ist dieser verunglückte Stich vielleicht Ansporn für Zuccalli 1672, ein eigenes Fassadenprojekt auszuarbeiten? 

[47] Sebastiano Serlio (1475–1553/54) aus Bologna. Er stellt im fünften seiner fünf Bücher zur Architektur, das 1566 in Venedig erscheint, auf Seite 217 kreuzförmigen Longitudinal-Grundrissen mit drei Schiffen (tre andate) und Doppelturmfassaden in deutscher Manier vor. Gehe zum Grundriss und zur Fassade Seite 218.

[48] Roman Anton Boos (1733–1810) aus Bischofswang bei Rosshaupten. Lehre bei Anton Sturm. Mitarbeiter von Johann Baptist Straub seit 1760. Mehr zu Roman Anton Boos siehe in der Wikipedia-Biografie unter
https://de.wikipedia.org/wiki/Roman_Anton_Boos.

[49] Zu Johann Baptist Straub siehe die Biografie in dieser Site unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/s-z/Straub_Johann_Baptist.html

[50] Der Rokoko-Schild, gehalten von einem Engel und von Putti, ruht auf einem Löwenkopf. Unter dem Maul des Löwen ist die kleinere Kette des Ordens vom Goldenen Vlies gespannt. Die darunter weiter gespannte goldene Kette ist die des neuen Hausordens des Heiligen Georg. Der Schild ist mit dem Kurhut bekrönt. Das kurfürstliche Wappen der Wittelsbacher (und von Kurfürst Max III. Joseph) ist in Feld 1 und 4 von Blau und Silber schräg geweckt (Wittelsbach, Alt-Bayern) und enthält in Feld 2 und 3 in Schwarz einen goldenen, rot gekrönten Löwen (Pfalz). Das Herzschild enthält in Rot einen goldenen Reichsapfel. Das zweite Wappen ist dasjenige der Kurfürstin Maria Anna von Sachsen. Es zeigt in Feld 1 und 4 in Rot einen silbernen, golden gekrönten Adler (Königreich Polen) und in Feld 2 und 3 in Rot ein silbernes Ross mit geharnischtem Reiter, der ein erhobenes Schwert schwingt und ein blaues Schild mit goldenem Doppelkreuz trägt (Großfürstentum Litauen). Das Herzschild, bekrönt vom Kurhut, ist von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber liegt ein grüner schrägrechter Rautenkranz (Sachsen, Wettiner).

[51] Das kurfürstliche Wappen der Wittelsbacher ist identisch mit demjenigen an der Fassade und dort beschrieben. Das Wappen der Herzöge von Savoyen ist ebenso reich wie der Machtanspruch des Vaters der Kurfürstin. Das Herzschild ist das alte Wappen der Grafen von Savoyen, in Rot das silberne Kreuz. Das Schild ist geviert. In Feld 1 (nochmals geviert) das Wappen Jerusalem-Zypern; in Feld 2 (gespalten) Westfalen, Haus Wettin Sachsen und (in eingebogener Spitze) Engern; in Feld 3 (gespalten) Chablais und Aosta; in Feld 4 (gespalten) Genf und Monferrato.

[52] Die Bayr-Orgel von 1782 mit 14 Registern und einem Manual (I/14) wächst bis 1960 auf ein Instrument von 50 Registern und drei Manualen an (II/P/50). Zusätzlich ist eine Seitenorgel von 17 Registern (II/P/17) gegenüber der Kanzel versteckt. Dass dieser Gigantismus nur noch mit elektropneumatischen Trakturen zu bewältigen ist, liegt auf der Hand. Aber nicht nur die in das Altarblatt eingreifenden Freipfeifen sind eine Provokation, auch die hässliche Trennwand vor der Retabelbasis zur Abdeckung des Spieltisches ist ein Zeichen von Mangel an Respekt gegenüber einem Kunstdenkmal. Im römischen Vorbild Sant’Andrea della Valle begnügt sich die Kirchgemeinde seit 1909 mit einem vorbildlich eingepassten Prospekt und lediglich 34 Registern (II/P/34). Zudem: Der Einbau einer Orgel in das Chorretabel gründet auf calvinistischen Traditionen.

[53] Antonio Zanchi (1631–1721) aus Este bei Padua. Siehe https://it.wikipedia.org/wiki/Antonio_Zanchi

[54] Caspar de Crayer (1584–1669) aus Antwerpen. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Gaspar_de_Crayer

[55] Joachim von Sandrart (1606–1688) aus Nürnberg, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_von_Sandrart

[56] Nikolaus Gottfried Stuber (1688–1749) aus München, https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Gottfried_Stuber

[57] Carlo Cignani (1628–1719) aus Bologna, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Carlo_Cignani

[58] George Desmarées (1697–1776) aus Österby, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/George_Desmar%C3%A9es

[59] Vergleiche zum Beispiel die gleichzeitige Kanzel von Ferdinand Zäch in Wettenhausen in:  https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Wettenhausen.html. Bedeutend einfühlsamer in den architektonischen Raum bauen zu dieser Zeit die Jesuiten ihre Kanzeln, wie 1677 Br. Christoph Brack SJ in der Jesuitenkirche Luzern oder 1689 Br. Christian Hueber SJ in der Jesuitenkirche Straubing.










Theatinerkloster und Kirche S. S. Kajetan und Adelaide in München
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
München Kurfürstentum Bayern
Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Freising
1663
Bauherr und Bauträger der Barockzeit
Ferdinand Maria von Bayern,
(Kurfürst 1651–1679)
Henriette Maria Adelaide von Savoyen
Kurfürstin 1652–1676.
Superioren des Theatinerordnes in München:
Pater OTheat Stefano Pepe 1662–1665.
Pater OTheat Antonio Spinelli 1665–1705.
ie Theatinerkirche aus Südwesten, über die Dächer der ehemaligen Klosterbauten  gesehen. Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Einblick in die Vierungskuppel und den Chorraum. Foto: Leonhard Westermayr 2024.
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AIm Lageplan ist die städtebauliche Situation des ehemaligen Theatinerklosters und der Theatinerkirche im Zustand am Ende des 18. Jahrhunderts ersichtlich. Für die Legende bitte vergrössern (anklicken).
Kirche und Kloster aussen
Mit der Anlage des Odeonsplatzes 1844 ist die Fassade der Theatinerkirche dominanter geworden. Die Doppelturmfront der Baumeister Zuccalli und Cuvilliés beherrscht seither den grossen Freiraum.
Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Die Fassade mit dem dreiachsigen Mittelrisalit in der Gestaltung von François Cuvilliés 1765. Die vier grossen Nischen-Figuren (hl. Kajetan, hl. Kaiserin Adelheid, hl. Maximilian von Lorch und hl. Ferdinand von Kastilien) sind Werke von Roman Anton Boos. Die Stuckreliefs sind zum grossen Teil nach Entwürfen von Johann Baptist Straub ausgeführt.
Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Johann Baptist Straub ist auch Schöpfer des prachtvollen Allianzwappens im Frontispiz, welches das kurfürstliche Wappen von Max III. Joseph in Allianz mit dem Wappen der Kurfürstin Maria Anna von Sachsen zeigt. Der Rokoko-Schild, gehalten von einem Engel und von Putti, ruht auf einem Löwenkopf. Unter dem Maul des Löwen ist die kleinere Kette des Ordens vom Goldenen Vlies gespannt. Die darunter weiter gespannte goldene Kette ist die des neuen Hausordens des Heiligen Georg. Der Schild ist mit dem Kurhut bekrönt. Mehr zu den Wappen in Anmerkung 50.
Foto: Wilfredo Rafael Rodriguez Hernandez 2024.
Die Türme und die Kuppel der Theatinerkirche von der nördlichen Platzhälfte gesehen. Der nördlich angefügte Bauflügel ist dem südlichen ehemaligen Klosterflügel angeglichen. Es ist ein kurz nach dem Abbruch des Schwabinger Tors 1824/25 von Leo von Klenze erbautes Gebäude, das dieser nach frühen städtischen Denkmalschutz-Vorschriften baut. Es wird 1944 zerstört und bis 1952 rekonstruiert. Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Der südliche Turm der Theatinerkirche vom (nach 1945 gebauten) Innenhof des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst gesehen. Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Die Türme und die Kuppel der Theatinerkirche, hier aufgenommen vom Dach der alten bayerischen Staatsbank gegenüber der Salvatorkirche. Im Vordergrund ein Dachrelief von 1907/08. Foto: Leonhard Westermayr 2024

Kirchenraum

Grundriss der Theatinerkirche im barocken Zustand vor den Veränderungen nach 1803, mit eingetragener Altar-Ausstattung. Für Vergrösserung und erläuternder Legende bitte anklicken!
Schon 1772 veröffentlicht François Cuvilliés d. J. einen Stich des Kirchengrundrisses. Man würde eine derartige Präzision von Zeichnung und Erläuterung gerne auch bei heutigen Veröffentlichungen sehen. Cuvilliés beschreibt korrekt die damaligen Raumnutzungen und auch die Altäre. Sein Grundriss erscheint im Druck durch ein Versehen des Stechers seitenverkehrt. Der hier gezeigte Stich ist aber seitenrichtig korrigiert. Bildquelle (korrigiert): Universitätsbibliothek Heidelberg.
Der Chorraum ist durch eine Balusterschranke von der Vierung getrennt. Er wird nach den Zerstörungen 1944 schnell wiederhergestellt, aber ohne die seitlichen Balkonloggien und mit verändertem Hochaltar und verändertem Retabel. Zum ehemaligen Hochaltar und seiner Schrankenwirkung siehe unten mehr. Foto: Bieri 2025..
Die südliche Längswand des Langhauses mit ihrer Säulengliederung. Die mittleren beiden Joche sind im Gegensatz zu den äusseren mit gekoppelten Säulen ausgezeichnet. Die in die Wand eingebundenen Säulen tragen ein durchlaufendes Gebälk mit weitausladendem Kranzgesims. Über einer hohen Attika setzt in 18 Meter Höhe das nochmals 2,6 Meter gestelzte Tonnengewölbe an. Sechs Meter hohe Fenster schneiden über der Attika in jedem Joch in das Gewölbe ein, das mit Gurtbogen gegliedert ist. Vorne, am beidseits mit gekoppelten Säulen bestückten Vierungspfeiler hängt diagonal die dunkle Kanzel.  Foto: Bieri 2025.
Die rückseitige Wand des Langhauses ist gleichzeitig die Fassadenwand. Sie lebt von den Stuckaturen des Brentano-Brenni-Trupps. Mehr zu den Stuckaturen siehe unten.
Foto: Bieri 2025..
Die eindrücklichen Gewölbekonstruktionen der Vierung mit der Tambourkuppel.
Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Die innen kreisrunde Tambourkuppel ruht über Pendentifs auf den mächtigen Vierungsbögen. Sie ist eine technische Meisterleistung der damaligen Zeit. Ihre Innenhöhe beträgt bis in die Laternenkuppel 62 Meter.
Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Stuckaturen
Die Theatinerkirche ist zwar in der Raumform der römischen Kirche Sant’Andrea della Valle angenähert, nicht aber im Stuckkleid. Die Stuckaturen der Münchner Theatinerkirche zeigen eine hochbarocke plastischen Wucht, die in keinem römischen Bauwerk derart ausgeprägt zu finden ist. Der Stuck bedeckt die Architektur nicht als Dekor, er offenbart und interpretiert vielmehr deren Eigenschaften.
In der Mitte der Langhaus-Rückwand ist über dem Kranzgesims das von Putti gehaltene Allianzwappen Kurbayern-Savoyen stuckiert. Zu den Wappen siehe unten («Stuck der Altarretabel in den Giebelzonen») die Erläuterungen. Foto: Bieri 2025.
Darunter, unter dem umlaufenden Gebälk mit der Akanthus-Wellenranke im Fries, ist als Türbekrönung die lateinische Weiheinschrift von 1675 in goldenen Lettern auf schwarzem Grund angebracht. Zwei sitzende Allegorien begleiten die Tafel. Die Dame links verkörpert den Glauben (fede christiana), rechts sitzt die bekrönte Allegorie der Pracht (magnificenza), die ein Füllhorn mit Münzen und eine Tafel des Kirchengrundrisses trägt. Im Türsturz stellt eine kleine Kartusche wahrscheinlich die Landschaft von Bad Hellbrunn dar, dem Kurort der Kurfürstin mit der wichtigen Bedeutung für ihren erfüllten Kinderwunsch, auf den auch in der Weiheinschrift (Maximilian Emmanuelem…) hingewiesen wird. Foto: Bieri 2025.
Die beiden Joche 2 und 3 der südlichen Mittelschiffwand können stellvertretend für beide Seiten beschrieben werden. Ihre tektonische Gliederung mit gekoppelten Säulen, Komposit-Kapitellen und dem prägnanten Kranzgesims des umlaufenden Gebälks folgt den Vorgaben des Baumeisters Barelli. Die Stuckfelder über den Arkaden und in der Attikazone unter den Fenstern sind aber freie Arbeiten der Stuckateure Moretti (bis 1675 leitend) und der Brüder Brenni. Foto: Leonhard Westermayr 2024.
 
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An jeder Seitenwand der Querhausarme stehen über den Durchgängen zu den Seitenkapellen die vier Kirchenväter in einer Ädikulanische. Auf der Segmentbogen-Bedachung der Ädikula sitzen lebhaft gestikulierende Putti, deren mittleres eine beiderseits fallende Draperie hält. Seitlich der Ädikula, unter der Draperie, halten weitere Putti die Attribute der in der Nische stehenden, überlebensgrossen Kirchenväter.
1.  Papst Gregor der Grosse. Querschiff Süd. Westwand.
Foto: Bieri 2025.
2.  Augustinus. Querschiff Süd, Ostwand.
Foto: Bieri 2025.
3. Ambrosius. Querschiff Nord, Westwand.
Foto: Ricardalovesmonuments 2018.
4.  Hieronymus. Querschiff Nord, Ostwand.
Foto: Bieri 2025.
Ein Stuckrelief an der Ostwand des Langhauses mit Akanthus-Ornamentik.
Foto: Leonhard Westermayr 2024.
Die Durchgänge der Seitenkapellen sind in eine Pilaster-Ädikula mit Sprenggiebel eingebunden, der eine weitere Ädikula mit dem Theatinerwappen als Oberstück fasst. Alle Durchgänge sind gleich gestaltet. Links ist einer der kistenartigen Beichtstühle von 1688 zu sehen. Foto: Bieri 2025.

Stuck der Altarretabel in der Giebelzone
Die drei Retabel in Chor und Querschiff sind als Säulen-Ädikula mit Sprenggiebel gestaltet.
Sie enthalten im oder über dem durchlaufenden Gebälk die Wappen des kurfürstlichen Ehepaars. Das links liegende kurfürstliche Wappen der Wittelsbacher ist identisch mit demjenigen an der Fassade und dort beschrieben. Das rechts liegende Wappen der Herzöge von Savoyen ist ebenso reich wie der Machtanspruch des Vaters der Kurfürstin. Das Herzschild ist das alte Wappen der Grafen von Savoyen, in Rot das silberne Kreuz. Das Schild ist geviert. In Feld 1 (nochmals geviert) das Wappen Jerusalem-Zypern; in Feld 2 (gespalten) Westfalen, Haus Wettin Sachsen und (in eingebogener Spitze) Engern; in Feld 3 (gespalten) Chablais und Aosta; in Feld 4 (gespalten) Genf und Monferrato.
Über dem mehrfach verkröpften Säulengebälk des Hochaltar-Retabels umklammern geschweifte und gesprengte Giebelstücke das Oberstück. Dieses bildet einen Ädikula-Stuckrahmen des Chorfensters, das damit Bestandteil der Altararchitektur wird. Putti tragen im bekrönenden Schild das Theatinerwappen.
Auf den Sprenggiebeln des Retabels stehen steif wirkende Kolossalfiguren. Ein Putto, der den Fürstenhut trägt, trennt die beiden Wappenschilde. Foto: Bieri 2025.


Fast identisch sind die beiden Querhaus-Retabel auch in ihrer Giebelzone. Hier halten auf dem Kranzgesims sitzende, elegante Engel den Wappenschild mit dem Allianzwappen Kurbayern-Savoyen.
Oben: Querhausaltar Süd. Unten: Querhausaltar Nord. Fotos: Bieri 2025.
Hochaltar
Das Hochaltarretabel liegt in der Apsisrundung und ist ihr in der Tiefenstaffelung der Säulen und des Gebälks angepasst. Es ist seit seinem Bau um 1673/75 mehrfach verändert worden. So wird schon 1782 die vorher seitlich auf dem Balusterbalkon stehende Orgel in das Retabel eingebaut. Nach der Brandzerstörung 1944 wird ein kleineres Altarblatt eingefügt. Die Orgel hat nun einen völlig unpassenden Freipfeifenprospekt. 
Vor dem Retabel liegt in rund zehn Meter Distanz, als Schranke ausgebildet, ehemals der barocke Hochaltar. Heute sind davon nur noch Relikte vorhanden. Die Hochaltarmensa steht jetzt frei im vorderen Chorraum. Mehr dazu siehe im Bild unten. Foto: Bieri 2025.
Das heutige Altarblatt des Hochaltarretabels ist ein kleineres, weder in der Thematik noch in der Grösse passendes, dafür aber zeitgenössisches Blatt. Es ist ein 1646 gemaltes Werk von Caspar de Crayer, und  wird guckkastenartig hinter einer Vorhangdraperie gezeigt.
Das ursprüngliche, 1944 verbrannte Blatt des Malers Antonio Zanchi aus Venedig, das dieser 1673 liefert, ist als grosses Ölbozzetto (B 67cm; H 110,5 cm) in der Alten Pinakothek erhalten.
Links: Crayer 1646. Foto Bieri 2025.
Rechts: Zanchi 1673. Quelle: Wikipedia.

Querhausaltäre
Die Stuck-Retabel der beiden Querhausaltäre sind baugleich und bleiben im Zweiten Weltkrieg verschont. Wie das Retabel des Hochaltars sind sie in italienischer Auffassung als Teil der Raumarchitektur gestaltet und beziehen die Fenster in die Retabelarchitektur ein. Sie sind viersäulig, das innere Säulenpaar formt eine vorgesetzte Ädikula mit gesprengtem Giebel. Das auf der hinteren Ebene liegende Altarblatt ist in eine zusätzliche Säulenarkade eingefügt. Foto: Bieri 2025.
Die laubbekränzten und mit Putti bevölkerten Säulen (hier am Querhausaltar) sind an den drei grossen Altären ein späterer Ersatz der glatten Stuckmarmorsäulen italienischer Art durch Holzschnitzarbeiten eines Bildhauers. Die Auswechslung ist zeitlich nicht dokumentiert, muss aber noch in die Bauzeit fallen. Auch der Bildhauer bleibt ungenannt, es ist aber wahrscheinlich Abraham Ableitner.
Foto: Leonhard Westermayr 2024.
 
Bild links: Das Altarblatt des Retabels im Querhaus Nord wird von Carlo Cignani aus Bologna 1674 geliefert. Es stellt die heilige Familie über dem harfenspielenden König David dar. Maria und Kind sind im Zentrum, darüber Gottvater und der Hl. Geist. Foto: Bieri 2025.

Bild rechts: Im südlichen Kajetansaltar ist das Altarblatt des Malers Joachim von Sandrart von 1671 nur noch schlecht lesbar. Es stellt die Erhörung der Fürbitte des hl. Kajetans bei der Pest in Neapel dar. Foto: Semofa 2017 in Wikipedia.

Altäre  der Seitenkapellen
Der Entwurf für einen Kapellenaltar des Baumeisters Barelli um 1670/71 weist darauf hin, dass diesem die Vorgaben für alle Altäre zu verdanken sind. Im erhaltenen Entwurf schlägt der Baumeister als Alternative zu den glatten Säulen auch Spiralsäulen vor. Im Wesentlichen folgt die Ausführung der Schreineraltäre durch den Bildhauer Ableitner für die sechs Altäre (nur vier sind erhalten) den Vorgaben Barellis. Die Retabel sind viersäulig, das innere Säulenpaar formt wie bei den Hauptaltären eine vorgesetzte Ädikula mit gesprengtem Giebel. Bildquelle: Bayerisches Staatsarchiv, Scan aus Literatur.

Altäre Seitenkapellen Südseite
Im Avellino-Altar (Joch 3 Süd) zeigt das Altarblatt den Tod des Theatiners Andreas Avellinus. Es wird 1677 von Carl Loth («Carlotto») geliefert. Foto: Bieri 2025.
Im Kreuzaltar (Joch 2 Süd) ist ein grosses, schon um 1570 vom venezianischen Maler Tintoretto gemaltes Altarblatt eingefügt. Es zeigt die Kreuzabnahme Christi. Foto: Bieri 2025.

Altäre Seitenkapellen Nordseite
Der Margareten-Altar in Joch 3 Nord wird im 19. Jahrhundert zerstört. Erhalten ist nur das Altarblatt, das heute  in Joch 1 Süd museal aufgehängt ist. Es wird vom Hofmaler Antonio Triva 1676 geliefert und stellt die Apotheose der sel. Margaretha von Savoyen dar. Bildquelle: Wikipedia.
In der Kapelle des mittleren Nordjoches steht der Schutzengelaltar. Sein Altarblatt ist in der Grösse dem Tintoretto in der gegenüberliegenden Kapelle angeglichen. Der venezianische Maler Antonio Zanchi liefert die Darstellung des Schutzengels mit dem Knaben 1677.
Foto: Bieri 2025.
In der Kapelle von Joch 1 Nord steht der Altar der heiligen Jungfrauen. Das Altarblatt zeigt die vier heiligen Jungfrauen Lucia, Margareta, Agata und Apollonia. Der Maler Pietro Liberi aus Padua liefert das Werk 1676. Foto: Bieri 2025.
Kanzel

Die Kanzel hängt in diagonaler Lage am südöstlichen Vierungspfeiler. Ihr Zugang erfolgt im Pfeiler. Die aufwendige Bildhauerarbeit wird 1688 durch Andreas Faistenberger geliefert. Ihr Detailreichtum ist zwar beeindruckend, aber ein uniformer dunkler Beizton überstimmt die Feinheiten. Foto: Bieri 2025..
Verschwundene Werke
Die Heilig-Grab-Kapelle ist von 1687 bis zu ihrer Zerstörung 1945 durch das vordere südliche Zwischenjoch erreichbar. Sie besteht, wie im Kirchengrundriss ersichtlich, aus einem Vorraum und einer Art tiefem Guckkasten. Die Bildhauerarbeiten sind von Andreas Faistenberger, die Stuckaturen von Nicolò Perti und, wenn man dem Stich trauen darf, sind ursprünglich Malereien von Johann Anton Gumpp vorhanden. Bildquelle: Cuvilliés 1772 in Universitätsbibliothek Heidelberg.
Noch früher als die Heilig-Grab-Kapelle wird die nördlich angebaute Loreto-Kapelle und die Heilige Stiege abgebrochen, die von vorderen nördlichen Zwischenjoch erreichbar sind. Sie werden von der wallfahrtsfeindlichen Regierung schon Ende des 18. Jahrhunderts für die Bevölkerung geschlossen und nicht mehr unterhalten, um dann 1820 abgebrochen zu werden. Die Heilige Stiege ist eine Kopie der Scala Sancta im Lateran in Rom. Nur kniend darf man sich auf der Treppe zur Kapelle (im Turm) hinaufbewegen. Der 1697 von Johann Stridbeck veröffentlichte Stich zeigt drei parallelen Treppenläufe, die allerdings durch die kleingezeichneten Personengruppen zu gross wirken. Bildquelle: Theatrum der vornehmsten Kirchen…, Augsburg 1697.

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Anhang II

Basilikales Langhaus oder römischer Saalbautypus mit Abseiten?

Ein Exkurs zur verwirrenden Sprache der Kunsthistorik

Das basilikale Langhaus mit Abseiten
Der Kunsthistoriker Hauttmann[1] definiert die Theatinerkirche als «eine Basilika mit hohem, von Stichbogenfenstern eingeschnittenem Tonnengewölbe über einem geräumigen, breiten Mittelschiff». Jakob Burckhardt stellt 1855 bei der römischen Jesuitenkirche Il Gesù richtig fest, dass hier erstmals die Nebenschiffe in abgeschlossene Kapellen umgewandelt sind.[2] Er stellt die Dreischiffigkeit für den Bautypus von Il Gesù aber nicht in Frage. Cornelius Gurlitt sieht 1887 wie Burckhardt die Kapellen von Il Gesù als «Ersetzung der Nebenschiffe», die nun Abseiten genannt werden.[3] Sind dann aber diese Kapellen miteinander durch Durchgänge verbunden, wie zum Beispiel bei der baugleichen römischen Jesuitenkirche Sant’Ignazio, wandelt sich der Begriff Abseiten wieder in Nebenschiffe.[4] Bei solch frühen sprachlichen Unklarheiten überrascht auch die Wikipedia-Definition der Abseiten nicht mehr, welche diese nun sogar quer zur Längsrichtung des «Gebäudes» unterhalb des «Obergadens» anordnet.[5]

Der negierte äussere Wand- oder Strebepfeiler
Nochmals zurück zur Wikipedia. Zum Thema Abseiten lautet ihre Fortsetzung: «Um die Last des Gewölbes abzufangen, verwendete man keine äusseren Strebepfeiler». Keine äusseren Strebepfeiler an römischen Sakralbauten vom Typus Il Gesù? Diese sieht sogar Burckhardt 1855, wenn er schreibt: «Wo Strebepfeiler an die Mauer des Oberschiffes hinansteigen, sind sie meist von todter oder sehr barocker Gestalt». Die Wikipedia-Negierung von äusseren Strebe-oder Wandpfeilern bei tonnengewölbten Mittelschiffen und niederen Abseiten entspricht allerdings der neueren kunsthistorischen Usanz. Man beschreibt, was man im Innenraum oder an der Frontfassade sieht. Statik ist ebenso unwichtig wie ein Querschnittsplan. Dies erklärt auch, warum der basilikale Querschnitt trotz der vielgestaltigen Tektonik der Langhäuser der Periode des 16. bis zum 18. Jahrhundert nur noch ganz wenigen Aussenseiter-Bauwerken zugesprochen wird. Die Theatinerkirche zählt nun in der bayerischen Kunsthistorik nicht mehr dazu.[6]
Ich halte mich nicht an diese neue Deutung. Die Theatinerkirche hat einen basilikalen Querschnitt, ist mit einer breiten Tonne gewölbt, deren Schubkräfte ausserhalb des Obergadens mit äusseren Strebepfeilern nach unten geleitet werden müssen. Diese Strebe- oder Wandpfeiler bilden in den tieferliegenden Abseiten, der Jochteilung folgend, die Kapellen. Die Typologisierung dieser im Norden der Alpen recht raren Langhäuser als Wandpfeiler-Basiliken ist naheliegend.[7]

Pius Bieri 2025


Anmerkungen:

[1] Max Hauttmann (1888–1926) aus Landau in der Pfalz. Er formuliert 1921 in seiner «Geschichte der kirchlichen Baukunst in Bayern, Schwaben und Franken 1580–1780» für die erste Phase 1580–1600 «drei Raumarten: Die Freistützen-Kirche, unmittelbar vom Mittelalter übernommen, die Wandpfeilerkirche als Neuschöpfung aus deutsch-mittelalterlichen Konstruktionsgedanken heraus und der Zentralbau, der von der Antike her eine neue Belebung erfuhr. In Verbindung mit der erst später einsetzenden Basilika bildet die Abwandlung dieser Raumarten das Thema der neuzeitlichen deutschen Kirchenbaukunst».

[2] Jakob Burckhardt (1818–1897) schreibt in seinem «Cicerone» 1855: «Endlich ist der Gesù in Rom (1568) ein höchst einflussreiches Gebäude geworden; hier zuerst war möglichste Höhe und Weite eines gewölbten Hauptschiffes und Beschränkung der Nebenschiffe auf abgeschlossene Kapellen in derjenigen Art und Weise durchgeführt, welche nachher der ganze Barockstyl adoptirte».

[3] Gurlitt schreibt 1887 in «Geschichte des Barockstils in Italien» von Il Gesù:
«Die wesentliche Neuerung des Gesù besteht nur darin, dass die Seitenschiffe ganz fortgelassen, das Hauptschiff dafür um so breiter angelegt wurde, und dass die mit demselben nun in direkte Verbindung tretenden Kapellen somit an Bedeutung gewinnen»

[4] Im gleichen Band schreibt Gurlitt von der baugleichen Kirche Sant’Ignazio in Rom (1626–1650): «Die Differenz im Grundriss (von Il Gesù besteht) ferner darin, dass die Kapellen, zwar je ein unter eigener Kuppel geschlossenes Bauglied, doch unter sich durch breite, an den Seiten von jonischen Säulen eingerahmte Öffnungen verbunden, zusammen selbständige Nebenschiffe bilden».

[5] «Bei katholischen Neubauten richtete man an den Längswänden gerne Reihen von Seitenkapellen ein. Diese quer zur Längsachse des Gebäudes ausgerichteten Raumteile unterhalb der Obergaden werden als Abseiten bezeichnet». (Abgerufen 1. Feb. 2025)

[6] In seinem Hauptwerk «Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben 1580-1780» (München 2000) beschreibt Bernhard Schütz vor allem den Spätbarock mit Schwerpunkt Bayern in grossartiger Weise. Zwar behandelt er kurz die Basilika und den Longitudinalbau, diesen aber ausschliesslich aus der Sicht des Innenraums (Saalbau mit Abseiten). Aussenliegende Wandpfeiler an diesen Saalbauten mit Abseiten sind für ihn ebenso nicht vorhanden wie ihr basilikaler Querschnitt.

[7] Man würde vermuten, dass die Jesuiten der oberdeutschen Provinz für die Kirchenneubauten den Typus der Kirche Il Gesù bevorzugen würden. Tatsächlich wird aber nur die Jesuitenkirche Luzern bis 1677 als «Wandpfeilerbasilika» gebaut. Viele italienische dreischiffigen Langhäuser der Renaissance entziehen sich schon früh dieser Typologisierung. Die Kirche Sant’Andrea in Mantua mit ihren raumhohen Arkaden-Abseiten ist ein frühes Beispiel. Hier werden die Seiten zu einer Mittelraum-Erweiterung. Die Kirche wird 1470 von Leon Battista Alberti begonnen. Ihre Nachfolgebauten sind in Venedig (San Salvatore) und in der Lombardei zu suchen. Prominenter Nachfolgebau ist auch die Abteikirche St. Mang in Füssen (Herkomer 1701/17).
Eine umfassende Differenzierung der italienischen Wandpfeiler-Basilika und der süddeutschen Weiterentwicklung zur Wandpfeilerhalle (oder des Wandpfeilersaals) ist bei Marion Sauter in « Die oberdeutschen Jesuitenkirchen 1550–1650, Bauten, Kontext und Bautypologie» (Petersberg 2004) nachzulesen. Eine Zusammenfassung siehe im Glossar dieser Site (Buchstabe W) unter https://www.sueddeutscher-barock.ch/ga-menuseiten/m71_Glossar.html#BuchstabeW

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Anhang I

Pater Spinelli als Ankläger der Baumeister


1664: Der «Massfehler»

Pater Antonio Spinelli betritt nach eigenen Angaben im April 1664 das erste Mal die Baustelle, in der das nördliche Seitenschiff schon aufgemauert ist, aber im grösseren Teil noch an den Fundamenten gearbeitet wird. Sogleich stellt er einen «schweren und entscheidenden Massfehler» fest. Er beanstandet beim Kurfürsten, dass Baumeister Barelli das Mittelschiff gegenüber dem vereinbarten Vorbild Sant’Andrea della Valle um genau fünf Bologneser-Fuss zu schmal begonnen habe.
Schon hier stellt sich die Frage, wie denn jemand bei einem ersten Besuch einer Baustelle, die zum grossen Teil nur aus Fundamenten besteht, einen derartigen Planungsfehler sehen kann. Dies würde selbst einen erfahrenen Architekten überfordern. Die weitere Frage ist, warum denn Spinelli die Einwände nicht bei den Planpräsentationen 1662 und 1663 vorbringt, die eine Mass-Skala aufweisen.[1] Ist er ausgeschlossen worden? Vielleicht haben ihm und dem Baumeister aber wirklich Originalpläne der römischen Theatinerkirche vorgelegen. Heute sind diese Informationen nur noch in den präzisen Stichwerken von Valérien Regnard (Verleger Domenico Fontana 1650) und Giovanni Giacomo de Rossi (1683) einsehbar.

Massvergleiche
Die Vergleiche basieren auf dem römischen Palmo von 223 mm (Abkürzung Plmo), dem Bologneser-Fuss von 379 mm und dem Münchner-Fuss von 229 mm.

         
       
       
       
       
       
       
       
       
       
   
  Sant’Andrea della Valle in Rom
Korrekte Massaufnahmen fehlen auch bei diesem Bau. Alle Masse sind dem Stich Regnard/Fontana 1650 entnommen. Dieser und auch der hier darübergelegte Plan von Le Tarouilly 1853 sind dem modernen Catasto romano angepasst worden. Die Längen in Palmi sind mit dem Mass von 223 mm in Meter übersetzt und entsprechen mit Ausnahme der unterschiedlichen Längenangaben[3] den in der Literatur genannten Längen und Höhen.
 
Plan: Theatinerkirche Sant‘Andrea della Valle in Rom.
Grundriss aus Édifices de Rome moderne III, Paul Marie Le Tarouilly; Liège [1853]. Korrigiert gemäss röm. Kataster.
   
  Theatinerkirche München
Das ausgeführte Bauwerk der Theatinerkirche ist heute im Katasterplan der Landesvermessung mit seinen Aussenmassen ablesbar. In der Literatur werden nur die Mittelschiffbreite (15,7 m), die Gesamt-Innenlänge der Kirche (72,4 m) und die Scheitelhöhe (28,2 m) angegeben, die weiteren Masse sind dem Grundriss der Denkmalpflege entnommen. Die Mass-Vergleiche betreffen deshalb die ausgeführten Bauwerke.
  Theatinerkirche SS. Kajetan und Adelheid in München.
Grundriss Vorkriegszustand (gelb: nach 1945 abgebrochen, rot: 19. Jahrhundert). Aus: Huber 2019. Zeichnung (ohne Datierung) Joachim Sowieja, Gilching.

Spinellis Anklage
Die Anklage Spinellis betrifft nicht den Nachweis eines «fatalen Fehlers in der Konstruktion» (Wikipedia). Dies wäre ein Fehler von Lorenzo Perti. Er klagt die Abweichung von den Raumproportionen des Vorbildes an, weil Barelli in München die heute das Raumbild prägenden gekoppelten Säulen anstelle der flachen Pilaster der römischen Kirche für die Raumgliederung verwenden will. Die Raumbreite verengt sich damit optisch um die Differenz der Pilastertiefe (je 44–45 cm) in Rom zu den Säulentiefen in München. Sie betragen gemäss Spinelli je 95 cm (heute sind es aber je knapp 70 cm).[4] Nun würde die logische Folgerung den Ersatz der Säulen durch Pilaster bedeuten. Spinelli verlangt aber die Verbreiterung des Mittelschiffs um das doppelte der von ihm behauptete Säulentiefe, also um 190 cm.

Die Änderung
  Selbstverständlich geben die «Hoheiten» dem Theatinerpater recht und verfügen eine markante Vergrösserung des Innenraums. Im Querschnittsplan von 1662 oder 1663, nach welchem der Bau begonnen wird, sind die Mittelschiff-Proportionen 1/1,8 gezeichnet und entsprechen damit denjenigen der römischen Kirche. In diesem Plan kann auch die Breite des Mittelschiffs mit 37 Bologneser Fuss oder 14,0 Meter gelesen werden. Heute beträgt sie 15,7 Meter. Damit wird die geforderte Verbreiterung von 1,90 Meter zwar nicht voll erreicht, aber die nun verfügte Vergrösserung der Innenräume von Langhaus–Mittelschiff, Vierung und Chor sind eindeutig eine Folge der späten Intervention von Pater Spinelli. Vollends kann er den Triumph erst 1669 geniessen, als ihm die Leitung der Bauarbeiten übertragen wird.
  Der Querschnittsplan des Baumeisters Barelli, der 1663 vorliegt, entspricht dem Bauplan, der zur Intervention des Paters Spinelli führt. Der Bau wird anschliessend in den gleichen Proportionen mit einer Verbreiterung von 1,7 Meter gebaut. Die Laternen auf den Seitenkapellen werden 1735 abgebrochen. Bildquelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv.

Übernahme der Baustelle 1669 durch Pater Antonio Spinelli
In seinem Tagebuch berichtet Spinelli, dass sich die Kurfürstin im Frühjahr 1669 bei ihm nach dem Stand der Bauarbeiten erkundigt habe, worauf er antworten musste, dass er das nicht wisse, weil ihn die Bauleute belehrt hätten, dass sie den Pfaffen keine Auskunft geben müssten. Die Kurfürstin habe daraufhin, entsetzt über das Wagnis solcher Worte gegen «ihre Theatiner», den Bauplatz sofort dem Orden übergeben und die bestehende Bauleitung entlassen. Als Bauleitung («direzione») bezeichnet Spinelli «Antonio Pistorini, provisore e pagatore (Verwalter und Zahlmeister); Magistro Agostino Barelli, architetto; e Magistro Lorenzo Perti, Capo Mastro». Diese drei «sogetti» (Subjekte) sollen von der Baustelle entfernt werden. Doch selbst der Theatinerpater sieht ein, dass es ohne Agostino Barelli und Lorenzo Perti nicht weitergehen kann. Er sorgt für ihre schnelle Wiedereinstellung, aber, wie Spinelli triumphierend bemerkt «verbunden mit dem rigorosen Befehl der totalen Abhängigkeit von mir». Er glaubt zudem in seinem Tagebuch zu wissen, dass eine undurchsichtige Finanzverwaltung auf der Baustelle (Pistorini) der Grund für die kurzzeitige Entlassung gewesen sei. Im Widerspruch zu dieser Anschuldigung sorgt Spinelli umgehend für eine Stelle Pistorinis als Kammerdiener beim Kurfürsten.

Pater Antonio Spinelli und Enrico Zuccalli
1674 löst Enrico Zuccalli den in die Heimat zurückgekehrten Agostino Barelli als planenden Baumeister ab. Spinelli wird jetzt «Sopraintendente» genannt, was nicht die Baustellendirektion, sondern die Vertretung des Bauherrn bedeutet, aber auch mit künstlerischer Gesamtleitung übersetzt werden darf. Mit dem wenig pflegleichten Zuccalli kommt es vor allem bei der Fassaden- und Turmplanung zu Konfrontationen. Spinelli schreibt, dass die Architektur der Türme von «diesem Zuccalli» entgegen Vorgaben der «durchlauchtigsten Gründerin verstümmelt» seien.[5] Er beklagt zudem, dass Zuccalli seinen Anweisungen und Wünschen kein Gehör schenke, weil dieser sich von Anton von Berchem,[6] Geheimrat und Vertrauter des Kurfürsten, beschützt wisse. Zudem interessiere sich «il Zuccalli» mehr für Altötting als für die Theatinerkirche.[7]
Im Gegensatz zu seinem Erfolg 1664 kann sich Spinelli mit seinen Gegenplanungen bei Zuccalli nicht mehr durchsetzen. Zudem begleitet er den Kurfürsten Max II. Emanuel 1683–1685 auf mehreren ungarischen Feldzügen im Krieg gegen die Türken. Diese Abwesenheiten dürften zu einem Aufatmen der Baubeteiligten geführt haben.

Spinellis Verdienste
Der hochintelligente und gebildete Theatinerpater Spinelli nutzt seine gesellschaftliche Überlegenheit als Angehöriger des ersten Standes[8] skrupellos aus, um das ambitiöse Bauvorhaben im Sinne der Kurfürstin zu fördern und zu beenden. Die Kurfürstin will die schönste und kostbarste Kirche der Stadt, dafür dürfe man keine Kosten scheuen. Die Theatiner-Hofkirche müsse eines Ordens würdig sein, welche der erstrangige der Welt sei. Jede versuchte Einsparung der Baukosten wird deshalb von Spinelli bekämpft. Er handelt damit im Sinne der Kurfürstin. Deren Sohn treibt dann mit seiner ähnlichen Einstellung Bayern tatsächlich in den finanziellen Ruin. Aber wie Kurfürst Max II. Emanuel heute in München nur als erfolgreicher Türkenkrieger oder als Schöpfer der Gartenanlagen und der Schlösser von Nymphenburg, Lustheim und Schleissheim in Erinnerung bleibt, hat auch Spinelli trotz seiner Rolle als unsympathischer Architekturdilettant Verdienste. Die 1664 von ihm erreichte Vergrösserung der Theatinerkirche führt zu einem grosszügigeren Innenraum, sein Kampf um Geldmittel nach dem Tod der Kurfürstin führt zu einer geordneten Fertigstellung.

Pius Bieri 2025

Anmerkungen:

[1] Die Kunsthistorik schweigt sich über das Datum und die Basis des Auftrags an den Baumeister aus. Ein Akkord ist nicht erhalten. Anhand der späteren Planungsdiskussionen wird offensichtlich keine Kopie der römischen Theatinerkirche, sondern die Übernahme ihrer Proportionen erwartet. Die korrigierten Baupläne der Kirche präsentiert Barelli bereits im Dezember 1662 und nochmals anhand der Plangenehmigung am 21. April 1664. Das üblicherweise einem Baumeistervertrag zu Grunde liegende Modell oder Visier ist erst seit dem 20. März 1664 in Arbeit. Von seiner Fertigstellung hören wir nichts. Das Modell ist nicht erhalten. Es dürfte (mit abnehmbaren Seiten) auch den Innenraum gezeigt haben. Ein Modell deshalb, weil ähnlich heutigen Bauherren weder der Kurfürst noch die Kurfürstin in der Lage sind, Grundriss- und Schnittpläne in Dreidimensionalität zu übersetzen. Besitzt das «Genie» Spinelli diese Gabe? Oder hat er vorgängig seiner Anklage das entstehende Modell gesehen?

[2] Der Autor der neuesten Publikation definiert das Verhältnis I allerdings mit 2/4,6 (Langhauslänge damit 38,5 m).

[3] Abweichend nennt die Webseite der Kirche https://santandrea.teatinos.org/accenni-storia-arte/la-navata/ eine Länge von 78,4 m, die aber mit einem Palmo von 221,5 mm hochgerechnet ist. Offensichtlich sind nicht nur in München, sondern auch in Rom korrekte Innenmasse keine Notwendigkeit.

[4] Spinelli spricht von 2,5 Bologneser-Fuss (94,5 cm) als Mass, mit dem die gekoppelten Säulen in den Innenraum vorspringen, obwohl ihm Barelli die Auskunft gibt, dass diese Säulen nur zu zwei Drittel in den Raum vorspringen würden (63 cm). Die Tiefe der Pilaster in Sant’Andrea bezeichnet er mit einem «kleinen römischen Palmo» (22,3 cm). Auch dies ist, wie jedermann sich in Rom überzeugen kann, falsch. Der Pilaster ist dort abgestuft, jede Stufe beträgt ein Palmo. Er steht damit rund 440 mm vor. Dass Barelli 1664 mit Säulen von 95 cm Durchmesser plant, ist plausibel. Sie können aber nicht zu zwei Dritteln mit 95 cm aus der Wand vorspringen, wie dies Spinelli behauptet, denn mit dem Durchmesser von 142 cm könnten sie gekoppelt auf der verfügbaren Basis von rund 290 cm unmöglich platziert werden. Im ersten bekannten Plan von 1692 springen sie rund 70 cm vor. In der Planüberarbeitung 1664 reduziert sie Barelli auf das heutige Mass von weniger als 70 cm. Leider hinterfragen die gläubigen Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen auch die Massangaben im Tagebuch von Spinelli nicht. Und auch die Einbindung der Säule wird unterschiedlich übermittelt. Ist es nun eine Halbsäule (Kaiser 2013), eine Zweidrittel-Säule (Barelli 1664) oder eine Dreiviertel-Säule (Dehio 2006 und Huber 2019)?

[5] Gemäss Spinelli sollten die Türme entsprechend dem Wunsch der 1676 verstorbenen Kurfürstin mit einer Säulengliederung versehen werden, die nun von Zuccalli ohne «unsere Zustimmung» in Pilaster ausgeführt worden seien. Das Aussehen der Türme wie auch dasjenige der Fassade zeige nun nicht mehr die von der Kurfürstin gewünschte Erhabenheit. Die Streitigkeiten um Säulen oder Pilaster und um deren Ordnungen muten heute grotesk an. Sie belegen aber, dass Zuccalli für die Aussenerscheinung von Kuppel, Türmen und damaliger Fassade der einzige Gestalter ist. Umso erstaunlicher sind die Zuschreibungen eines Turmfassadenplanes (Dischinger mit 1675/76, Huber mit 1677/78) an Spinelli. Der Turm mit Pilastergliederung und der Turmhaube Zuccallis entspricht im Wesentlichen der Ausführung. «Der» Zuccalli als Vorbild für den Architekturdilettanten Spinelli? Oder ist die Zuschreibung falsch?

[6] Anton von Berchem (1632–1700), der 1677 geadelt wird, ist ein Protektor von Enrico Zuccalli. Zu ihm siehe die Anmerkung 15.

[7] Zuccalli ist zu dieser Zeit mit der Fertigstellung des Komplexes von Theatinerkirche und Kloster, mit dem Palais Berchem, den Neubauten in Altötting und der Nymphenburg beschäftigt. Kein Wunder, dass er Baustellen ohne konkurrenzierenden Bauherrenvertreter bevorzugt.

[8] katholische Klerus ist im Absolutismus noch vor dem Adel erster Stand. Nur der Herrscher steht über ihm. Auf Rang drei folgen die Stände, die den Staat finanzieren: Die Bürger und die Bauern. In einen Stand wird man hineingeboren oder der Adelsbrief des Herrschers erlaubt den Wechsel. Auch in der Standespyramide des Klerus ist ein Wechsel (nach oben) möglich. Der Rang eines Menschen am Hof misst sich im Absolutismus nach seiner Entfernung von der höfischen Spitze.




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