Isny im Allgäu
Ehemalige Benediktiner-Reichsabtei und Kirche St. Georg und St. Jakobus
Abtei und Reichsstadt
Stifter des Klosters sind die Grafen von Veringen-Altshausen aus dem Buchhorner Zweig der mächtigen Familie der Ulriche aus Bregenz. In ihrer Herrschaft Trauchburg,[1] bei einem im 9. Jahrhundert vom Kloster St. Gallen in der Nähe der Ach-Quelle erbauten Gutshof, stiften sie im 11. Jahrhundert eine Kirche zu Ehren des heiligen Apostels Jakobus und des heiligen Märtyrers Georg.[2] Um 1090 verlegen sie ihr Hauskloster von Altshausen nach «Villa Ysininensi» oder Isinina,[3] wie der Ort damals genannt wird. 1096 wird die neue Benediktinerabtei, deren Gründungskonvent von Hirsau und Altshausen kommt, vom Konstanzer Bischof Gebhard III. geweiht. 1171 überlässt das Kloster in einem Tauschvertrag das südlich und westlich an das Kloster grenzende Land dem Schirmvogt, dem Grafen von Veringen, für die Gründung einer Stadt anstelle der bereits grossen Siedlung vor den Klostermauern. Die Geschichte des Klosters ist seither nicht mehr von der Geschichte der Stadt zu trennen. Es herrscht aber kein Gleichgewicht wie in Kempten oder St. Gallen. Die Abtei entwickelt sich kaum, bleibt arm und unbedeutend, während die Stadt als bedeutendes Zentrum der Leinenweberei zu Wohlstand kommt. Die vor dem Kloster liegende Nikolauskapelle wird Pfarrkirche. Ein Stadtbrand 1284 und die grossen Pestzüge von 1349 und 1350 sind für die Stadt vorübergehende Rückschläge, für die Abtei bedeuten sie beinahe das Ende. Die Pest hat den ganzen Konvent hingerafft. Nur dank dem Schirmvogt, seit kurzem der Erbtruchsess von Waldburg, der den Pfarrer der Stadtkirche kurzerhand als Abt einsetzt, überlebt das Kloster. Die Stadt hingegen kann sich 1365 vom hochverschuldeten Truchsess freikaufen und wird reichsunmittelbar. Als Reichsstadt wird sie nun ein sehr unbequemer Nachbar der Abtei. Ihr wirtschaftlicher Höhepunkt bildet das frühe 16. Jahrhundert. Wie die meisten der Reichsstädte nimmt sie 1529 die vorerst von Zwingli geprägte Reformation an und tritt dem Schmalkaldischen Bund bei. Die Abtei ist inzwischen unter dem Abt Philipp von Stein (1501–1532) mit Hilfe von Mönchen aus Blaubeuren und Wiblingen einer strengen Reform unterworfen worden. Die Klausur wird durch eine neue Ringmauer gegen die Stadt betont. Arg bedrängt von den Stadtbürgern, die 1534 auch einen Bildersturm im Kloster veranstalten, bleibt der Konvent dank Hilfe der Truchsessen von Waldburg bei der alten Religion und überlebt, wenn auch arg dezimiert. 1548 sind nur noch der Abt und drei Mönche im Kloster. Mit der inzwischen durch wirtschaftlichen Niedergang und Weberaufstände mitgenommenen Reichsstadt einigt sich die Abtei auf Überlassung der Pfarrkirche St. Nikolaus als evangelische Stadtkirche. Kurzfristig teilt die Abtei das Los mit der Stadt und steht um 1607 vor dem Konkurs. Isny ist das Sorgenkind der Oberschwäbischen Benediktinerkongregation. Wegen der ungenügenden Wirtschaftsausstattung und des kleinen Konventes will der Abt von Weingarten die Abtei Isny auflösen und als Priorat führen. So weit kommt es aber nicht, da der inzwischen von der Kongregation eingesetzte Administrator, der Prior Wolfgang Schmid, die Ökonomie und die Ordenszucht wieder ordnen kann und 1612–1617 die Konventanlage umbaut, die spätgotische Hallenkirche und die Marienkapelle umgestaltet und sie mit neuen Altären ausstattet. Er wird 1617 als Abt gewählt, nachdem der bereits im Exil lebende Vorgänger gezwungen wird, zu resignieren. 1631 muss er erleben, wie alles im grossen Stadtbrand wieder zerstört wird. Der Dreissigjährige Krieg hat sich bis zu diesem Zeitpunkt nur mit Durchzügen und Quartiernahmen bemerkbar gemacht, verhindert nun aber durch Besatzungen, Plünderungen und Kontributionen den Wiederaufbau von Stadt und Kloster. Die Reichsstadt erholt sich wirtschaftlich bis zu ihrer Auflösung 1803 nicht mehr. Das Kloster hingegen, noch 1646 von den Schweden das letzte Mal ausgeplündert, kann sich dank einer Reihe von ökonomisch klug führenden Äbten und mit personeller Unterstützung der Abtei Weingarten langsam erholen und schnell einen bisher nicht gekannten Wohlstand erreichen. Dies ermöglicht der Abtei auch, bereits 1675 wichtige landesherrliche Rechte von den Truchsessen von Waldburg zu erwerben. Bis 1781 kann sie sich endgültig freikaufen und als jüngste Reichsabtei im Schwäbischen Reichsprälatenkollegium Einsitz nehmen.
Wiederaufbau unter Abt Dominikus Arzet (1650–1661)
Abt Dominikus Arzet beginnt nach dem Dreissigjährigen Krieg mit dem gezielten Wiederaufbau der seit 1631 brandversehrten Klosteranlage. Eine Erbschaft von über 20 000 Gulden zugunsten des Wiederaufbaus begünstigt die Bauvorhaben.[4] Schon 1645–1648, noch während des Krieges, ist die 1391 erbaute Marienkapelle unter seinem Vorgänger wiederhergestellt worden. Ihr gewölbter Chor hat dem Feuer standgehalten. Sie ist in der Tradition mittelalterlicher Klöster parallel zur Stiftskirche an den Ostflügel angebaut und dient dem kleinen Konvent als provisorischer Gottesdienstraum. Abt Dominikus beginnt 1650 mit dem Neubau des Marstalls, 1653 des Bräuhauses, über das er drei Mönchszellen für die wenigen verbliebenen Konventualen einrichtet, 1654 folgt der doppelte Stall mit Heulaube und 1655 der lange Bau im Bauhof. Die Gebäude sind meist Wiederaufbauten und beweisen in ihrer Reihenfolge die ökonomische Vernunft des Abtes. Seit 1652 ist auch der Vorarlberger Baumeister Michael Beer (1605–1666) im Spiele. Er baut für den Abt Giel von Gielsberg in der benachbarten Fürstabtei Kempten den grossen Residenz- und Kirchenneubau und stellt sich Abt Dominikus mit einem Projekt für den Kirchenneubau in Isny vor. Der Abt berücksichtigt den Baumeister aber erst 1656–1657 für den «Neuen Bau» und den Teilwiederaufbau der Konventflügel. Der «Neue Bau» ist als östliche Klosterhofbegrenzung im rechten Winkel an den Konvent-Südflügel und entlang der Stadtmauer gebaut. Obwohl Abt Dominikus noch 1656 den Vorarlberger Baumeister seinem jüngeren Bruder, dem Schussenriedener Abt Augustinus Arzet für dessen Neubauplanungen empfiehlt, wird der Verding mit Beer im August 1657 nicht verlängert. Im Gegensatz zu seinem 1654 erfolgten Weggang in Kempten scheint aber kein Streit die Ursache zu sein, denn 1659 verspricht ihm Abt Augustin noch den Neubau der Kirche und die Fertigstellung der Klosterneubauten. Es kommt allerdings nicht so weit. Der Abt schliesst den Verding 1660 nicht mit Michael Beer, sondern mit dem Misoxer Baumeister Giulio Barbieri und seinen Brüdern Pietro und Domenico.[5] Wieder einmal hat es Beer nicht geschafft, die Misoxer Konkurrenz zu verdrängen. Es kann nicht das Angebot sein, das den Ausschlag gibt, den die Brüder Barbieri verlangen mit 5700 Gulden sogar 100 Gulden mehr als Beer. Die Gründe für die Bevorzugung der Misoxer sind unbekannt. Sind es vielleicht Referenzen aus Kempten, wo ihr Dorfgenosse Giovanni Serro jetzt für Fürstabt Giel von Gielsberg baut? Oder spielt bereits die seit 1659 vorbereitete Resignation des Abtes Dominikus eine Rolle?[6]
Kirchenneubau unter Abt Theodorich Locher (1661–1676)
Im November 1661 wird der Ochsenhausener Pater Theodorich Locher zum Abt der kleinsten Abtei der Oberschwäbischen Kongregation gewählt. Der Misoxer Bautrupp hat gemäss dem Verding von 1660 im Frühjahr 1661 mit den Arbeiten am Kirchenneubau und dem westlichen Abteiflügel begonnen. Der Verding verpflichtet sie «die Kierch nach der Visierung» zu bauen, das noch stehende Mauerwerk einzubeziehen sowie den Turm abzureissen und neu aufzubauen.[7] Der Vorgängerbau, eine dreischiffige Basilika, bedeutend kürzer als die heutige, aber nach Ansicht der Bauforschung in gleicher Breite und an gleicher Lage, besitzt seit 1617 ein Querschiff und zwei Chortürme. Der eindeutige Basilikaquerschnitt, ähnlich der benachbarten evangelischen Stadtpfarrkirche, wird neuestens fälschlicherweise als Hallenkirche von 1288 beschrieben. Für einen Sakralraum des Bodenseeraums im 13. Jahrhundert ist diese Feststellung baugeschichtlich unmöglich.[8] Die Klosterkirche hat zum Zeitpunkt des Stadtbrandes gewölbte Seitenschiffe, aber die flache Holzdecke im Hauptschiff bietet dem Feuer keinen Widerstand. Das zum Zeitpunkt des Verdings inzwischen seit 30 Jahren ungeschützte Gemäuer im Hauptschiffbereich kann für den Neubau nicht mehr verwendet werden. Der Bautrupp Barbieri bricht deshalb vom Frühjahr bis zum Spätherbst 1661 zuerst die nicht mehr verwendbaren Pfeiler und Mittelschiffmauern ab und erstellt neue Pfeilerfundamente für die Freipfeiler der Hallenkirche. Auch das vereinbarte neue Turmfundament wird nach Abbruch der Chortürme in diesem Jahr erstellt. Gebaut wird, wie im Baugewerbe üblich, von Anfang Mai bis Ende Oktober, aber mit einem ganzjährigen Unterbruch 1663.[9] 1664 kann eingewölbt werden. Einweihung ist im August 1666. Schon vorher müssen die Misoxer Bauleute auch den Abteiflügel mit dem Erker aufgerichtet haben, denn nun arbeitet Giulio Barbieri schon in St. Gallen. Nur der neue Chorturm ist nicht über die Höhe des Innenraumes gewachsen. Er wird erst 35 Jahre später vollendet.
Barocke Freipfeilerhalle
Die Baumeister Barbieri wenden in Isny ist die Tektonik der Freipfeilerhalle für einem barocken Neubau an. Dieser Bautypus der gotischen dreischiffigen Hallenkirchen mit freien Pfeilern, deren Massivgewölbe auf gleicher Höhe aufliegen, wird im Barock eher selten angewendet. .
Für weitere Erläuterungen zum Architekturtypus siehe den Exkurs «Die barocke Freipfeilerhalle und ihre Herkunft» |
Die Baumeister Barbieri wenden diesen Bautypus an, weil sie ihn von der 1641–1680 erbauten Klosterkirche in Neu St. Johann kennen. An dieser von Alberto Barbieri gebauten Kirche des Toggenburger Benediktiner-Priorats der Abtei St. Gallen ist Giulio Barbieri, der Baumeister von Isny, bereits beteiligt. Die Kirche in Neu St. Johann ist im Mittelschiff etwas breiter, hat aber ebenfalls acht Joche, von denen drei Joche jeweils den nahtlos anschliessenden Chor bilden.
Den Innenraum der 1666 geweihten neuen Klosterkirche von Isny müssen wir uns wie denjenigen der Kirche von Neu St. Johann vorstellen. Das strenge, gratbetonende Stuckkleid, ist heute in Isny durch das reiche Rokokokleid ersetzt.
> Zum Vergleich der Klosterkirchen Isny und Neu St. Johann.
Das Chorgestühl von Isny
Die Ausstattung des 17. Jahrhunderts ist heute nicht mehr vorhanden. Ein Rest des um 1666 hergestellten Chorgestühls, das seit der Säkularisation in der Pfarrkirche von Friesenhofen aufgestellt ist, kann eine Ahnung von der barocken Kraft der ursprünglichen Ausstattung geben. Allerdings sind in Friesenhofen nur die phantasievoll geschnitzten Stallen vom alten Chorgestühl, die Dorsale oder Rückwände stammen vom zwischen 1731 und 1735 für den Chor der Stiftskirche geschaffenen neuen Gestühl. Dieses Chorgestühl ist heute teilweise in Isny noch erhalten. Es steht seit der Säkularisation in der Marienkapelle, in reduzierter Anzahl, falsch aufgestellt und ohne die Dorsalen. An ihrer Stelle ist ein durchbrochener Aufsatz mit Akanthusranken angebracht, der Rocaille-Anklänge zeigt und später als das Chorgestühl entstanden ist. Der Grund für diese nachträgliche Änderung ist unbekannt.
Rokoko-Innenraum unter Abt Basilius Sinner (1757–1777)
Stuck und Fresken
Als Abt Basilius 1757 sein Amt antritt, hat sich der Konvent gefestigt und mit 26 Konventualen den höchsten Personalstand erreicht. Dies ist der Verdienst des Abtes Alphons Torelli (1701–1731). Er begründet die eigentliche Blütezeit der Abtei, die erste seit ihrer Gründung. Den heutigen Rokoko-Innenraum verdanken wir aber Abt Basilius. Kurz nach seiner Amtseinsetzung verdingt er im Mai den Wessobrunner Stuckateur Johann Georg Gigl (1710–1765) und den Maler und Freskanten Johann Michael Holzhey (1729–1762) für die Neugestaltung des Kirchenraums. Noch früher hat der Abt seinen erst 24-jähriger Stiefbruder Matthäus Gigl für Stuckaturen in der Abtei unter Vertrag genommen.[10] Der ältere Johann Georg, dessen Hauptwerk die Ausgestaltung der Benediktinerabtei St. Blasien ist,[11] arbeitet 1750–1757 in der Benediktinerabtei St. Peter im Schwarzwald, wo der junge Holzhey 1752 als Gehilfe des Konstanzer Hofmalers Franz Ludwig Hermann ebenfalls tätig ist. Die beiden Meister des Kirchenraumes von Isny kennen sich demnach schon, der ältere Gigl könnte Holzhey bei Abt Basilius empfohlen haben. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Abt den 28-jährigen Maler aus Grönenbach schon kennt.[12] Zusammen schaffen die beiden Meister ein Rokokojuwel. Gigl entfernt den gratbetonenden Stuck, verschleift die Stichkappengewölbe und setzt grossflächige Rocaille-Stuckrahmen, die Gewölbezwickel überspielt er mit Rocaille-Kartuschen. Er vergrössert und dramatisiert die Pfeilergesimse, fügt Kapitelle ein und setzt die Pfeilerbasen tiefer. So entsteht der vielzitierte optisch schlankere Pfeiler.[13] In diesem solcherart neu gestalteten Gewölberaum kann der junge Maler Holzhey, nun frischgebackener Absolvent der Wiener Akademie, einen bedeutenden Auftrag als sein erstes Werk in Angriff nehmen. Er bewältigt ihn bravourös. Das grosse Mittelfresko mit der Stiftung des Klosters zeigt in der Komposition deutlich den Einfluss seines Wiener Lehrers Paul Troger, der Malstil ist von Franz Joseph Spiegler beinflusst, welcher um 1752–1754 als Arbeitgeber Holzheys vermutet wird.[14] Nach vorgegebenem Programm malt Holzhey nebst dem Hauptbild zwölf weitere Deckenfresken. Dazu kommen die acht Kirchenlehrer und Evangelisten in den Rocaille-Kartuschen der Gewölbezwickel. Putten und Drachenköpfe wachsen plastisch aus den Fresken, der Stuckateur Gigl setzt derart das Fresko Holzheys dreidimensional fort. Die Stuckrahmen der grossen Fresken sind goldgefasst, zarte Grün- und Grau-Blau-Töne fassen den Rocaillestuck. Das neue Rokoko-Raumkleid der beiden Meister ist 1759 vollendet.[15] Es sucht selbst in der reichen Rokokolandschaft Oberschwabens seinesgleichen.
Altäre und Kanzel
Die gleichzeitige neue Ausstattung des Wurzacher Bildhauers Johann Jakob Willibald Ruez (1728–1782) ist dem Raumkleid ebenbürtig. Sein Hochaltar ist als lichtdurchlässiger Kolonnadenaltar vor die geschwungene Chorempore gestellt, auf der die Konventualen ihre Stundengebete bis 1803 verrichten. Das Chorgestühl von 1733 ist heute in der Marienkapelle aufgestellt. Im Hochaltar von 1760 fügt Ruez ein Bild des Vorgängeraltares von 1693 ein.[16] Die Kreuzigungsdarstellung ist ein Werk des aus Memmingen stammenden Augsburger Malers Johann Heiss.
Seitlich des Hochaltares finden wir als Nebenaltäre nordseitig den Agathaaltar und südseitig den Sebastiansaltar. Bei ihnen setzt Ruez ein Alabasterrelief als Altarbild ein. Reine Bildhauerarbeiten sind die vor das erste freie Pfeilerpaar gesetzten Nepomuk- und Josefsaltäre. Sie werden flankiert von den Seitenaltären, dem nordseitigen Benediktsaltar und dem südseitigen Rosenkranzaltar. Diese beiden Rokokoaltäre aus 1734 und 1743 sind als einzige von der alten Ausstattung übernommen worden. Sie enthalten Altarblätter des Kemptener Hofmalers Johann Georg Hermann. Ein weiteres kostbares Ausstattungsstück ist die Kanzel, wieder von Ruez geschaffen. Wie bei allen seinen Altären ist auch hier die Figuralplastik weiss gefasst.
Musikpflege und Orgeln
Die Blütezeit der Abtei Isny im 18. Jahrhundert ist undenkbar ohne die intensivierte interne Musikpflege seit Abt Alphons Torelli (1701–1731). Die Aufnahme ins Kloster Isny, als Klosterschüler oder als Novize, ist jetzt nebst den guten Grundschulnoten nur noch von der musikalischen Begabung abhängig. Isny unterscheidet sich damit zwar kaum von anderen Benediktinerabteien, kann aber wegen Platzmangel seit 1740 noch verschärft auslesen. Die Auslese zeigt Früchte. Ein reges Musikleben entwickelt sich auch in Isny. Dies betrifft nicht nur die Kirchenmusik, in der die Instrumentalmusik Einzug hält. Auch die Kammermusik wird gepflegt und nun sogar Diener bevorzugt angestellt, die ein Instrument beherrschen. Ein französischer Prämonstratenser, der 1790 durch Oberschwaben reist, findet dann allerdings, dass in den hiesigen Klöstern die Musik wichtiger scheine als die Theologie.
Diese reiche Musiktradition, die selbst eigene Komponisten hervorbringt, wird mit derart aufgeklärten Geistlichen schon früh bekämpft und findet mit der Säkularisation ein abruptes Ende. In Isny erinnern nur noch zwei Orgelgehäuse an die grosse Zeit. Die Westorgel, ein ursprünglich 24-registriges Werk des Konstanzer Orgelbauers Michael Bihler (1687–1756) stammt wie die beiden Seitenaltäre aus einer Vorphase der Rokoko-Umgestaltung. Ihr Rokokogehäuse von 1744 ist erhalten, sie besitzt seit 1976 ein neues Werk mit 32 Registern. Eine zweite Erinnerung an die grosse Musikkultur im Kloster Isny ist auf der Chorempore zu finden. Die heut nicht mehr spielbare Chororgel ist ebenfalls ein Werk des Orgelbaues Bihler aus dem Jahre 1760, dem Jahr der Weihe der neuen Ausstattung der Stiftskirche von Isny.
«Schloss» und katholische Pfarrkirche Isny
Als 1760 der Innenraum im heutigen Rokokogewand von den Konventualen und Klosterangestellten wieder für Gottesdienst und Musik benutzt werden kann, ist das Kloster auch finanziell gut dotiert. 1782 wird es nach langen Bemühungen und verbunden mit unvernünftig hohen Zahlungen als Reichsabtei anerkannt. Noch ist das neue Mitglied auf der Prälatenbank im Reichstag vermögend. Schon zehn Jahre später beginnt sich das Blatt zu wenden. Die Reichsabtei muss 1793–1799 grosse Kontributionszahlungen an die kriegsführenden Parteien zahlen, sie hat nun Schulden. Als 1803 der norddeutsche Graf Otto von Quadt Wikradt als Entschädigung für die verlorene rechtsrheinische Herrschaft Wikradt die Reichsabtei und die Reichsstadt Isny übernimmt, wird für die Abtei ein Reinertrag von 19 000 Gulden bei Schulden von 114 000 Gulden berechnet. Die Reichsabtei besteht zum Zeitpunkt der Besitzergreifung aus Abt und 13 Konventualen. Ihr Gebiet umfasst 80 Feuerstellen, winzig klein im Vergleich zu anderen Reichsabteien. Die Einnahmen sind in der Folge auch nicht so hoch wie berechnet. Hat der neue Besitzer mit der ehemaligen Reichsabtei immerhin noch Reineinnahmen, sieht es bei der ehemaligen Reichsstadt düster aus. Den Gesamteinnahmen von 12 000 Gulden stehen Ausgaben von 12 700 Gulden, hauptsächlich für Schuldzinsen und Kapitalrückzahlungen, gegenüber. 1806 mediatisiert[17] das neue Königreich Württemberg die erst dreijährige Grafschaft Isny. Weder der Graf noch die 1500 Einwohner der praktisch bankrotten Stadt sind darüber unglücklich. Die ehemalige Reichsabtei verbleibt im persönlichen Besitz des Grafen. Die Familie nutzt die Konventgebäude als Herrschaftssitz. Die katholische Pfarrgemeinde, zu der nun auch die wenigen katholischen Einwohner der mehrheitlich protestantischen Stadt zählen, kann die ehemalige Klosterkirche nutzen. Sie wird ihr 1868 von der gräflichen Familie zu Eigentum überlassen. Der Innenraum verbleibt im 19. Jahrhundert von gröberen Eingriffen verschont, Korrekturen finden bei der letzten umfassenden Restaurierung 1994–1996 statt.
Das Schicksal der ehemaligen Konventgebäude ist weniger glücklich. Auf Wunsch der Stadt Isny verkauft die gräfliche Familie die bisher kaum veränderten Gebäude 1942 an die Stadt Stuttgart, die das «Schloss» für die NSDAP-Hitlerjugend zur Erholung und Schulung nutzen will. Die Kriegslage veranlasst 1944 die Stuttgarter, das «Schloss» als Hilfskrankenhaus herzurichten. Als Krankenhaus für die Stuttgarter dient es auch nach dem Krieg, die es 1953–1954 zum Zweck der Weiterverwendung als Chronischkrankenheim umbauen. 1996 muss die Stadt Stuttgart das Heim schliessen. Eine private Stiftung übernimmt die inzwischen mehrfach umgebauten Konventbauten, nachdem die Stadt den Kauf verweigert. Soweit noch möglich, werden die Gebäude restauriert. In einigen Räumen betreibt heute die Stadt Isny als Mieterin eine städtische Kunsthalle mit der Möglichkeit der Besichtigung des «Refektoriums». Seit 2010 ist hier auch die «Städtische Galerie im Schloss» mit der Adresse «Schloss 1» zu finden. Die offiziellen Bezeichnungen zeigen, dass die kurze Schlossnutzung von 1803–1942 im Verständnis der Stadteinwohner die lange Klosterzeit von 1096–1803 verdrängt hat. Man versuche es selbst und frage in Isny nach dem Weg zur ehemaligen Reichsabtei.
Pius Bieri 2010
Benutzte Einzeldarstellungen:
Knoepfli, Albert: Kunstgeschichte des Bodenseeraums, Band 2, Sigmaringen 1969.
Reinhardt, Rudolf (Hrsg.): Reichsabtei St. Georg in Isny, Weissenhorn 1996.
Schulz, Alexander: Anmerkungen zur Baugeschichte des Klosters Isny und seiner Kirche, in: Reichsabtei St. Georg in Isny, Weissenhorn 1996.
Beck, Otto: Kath. Pfarrkirche St. Georg und Jakobus in Isny im Allgäu, Lindenberg 2005.
Wartena, Sybe: Die Süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus. München 2008.
Anmerkungen:
[1] Die Trauchburg wird um 1020 von den Grafen von Veringen und Nellenburg errichtet. Im 13. Jahrhundert erfolgt eine Standortverlegung als Höhenburg beim heutigen Kleinweiler südöstlich von Isny. Die Ruine Alt-Trauchburg ist eine der besterhaltenen des Allgäus.
[2] Das Patrozinium des Klosters ist St. Georg. In der neuesten Zeit wird auch das Kirchenpatrozinium mit St. Georg und Jakobus bezeichnet.
[3] Vom Keltischen: «Schneller Bach»
[4] Erbschaft der Witwe Anna Mohr von Schwarzenberg. Ihr 1611 verstorbener Gemahl ist in der Stiftskirche begraben.
[5] Giulio Barbieri (um 1610–1681), Domenico Barbieri (um 1615–1688), Pietro Barbieri (Lebensdaten unbekannt) sind Söhne des Eichstätter Baumeisters Martino Barbieri (1583–1633) und nach dem Tod des Vaters im Trupp von Onkel Alberto Barbieri, unter anderem auch in Neu St. Johann. Im Winterhalbjahr sind sie in Gesellschaft von Giovanni Serro und Giovanni Zuccalli, dem Vater des Münchner Hofbaumeisters, in ihrem Heimatort Roveredo anzutreffen. Roveredo wird in den damaligen deutschsprachigen Akten als Roffle geschrieben. Daher geben noch heute deutsche Kunsthistoriker die Herkunftsbezeichnung der Barbieri, Serro und Zuccalli mit «Roffle bei Roveredo» an.
[6] Die Resignation, das heisst der vorzeitige Rücktritt, ist in diesem Fall von der Oberschwäbischen Benediktinerkongregation vorbereitet worden und dient auch zur Umgehung der Rechte der Truchsessen von Waldburg bei der Wahl des neuen Abtes, da dann die Neuwahlen auswärts und geheim stattfinden können. Bei der Wahl vom 7. November 1661 von Abt Theodorich Locher sind anwesend: Der Konstanzer Generalvikar mit seinem Notar, den Äbten von Zwiefalten und Ochsenhausen, der resignierende Abt von Isny mit den einzigen zwei Konventualen von Isny. Die Abtei Isny zeigt sich damit wieder einmal ausserstande, einen geeigneten Kandidaten zu präsentieren. Alt-Abt Dominikus Arzet stirbt am 6. September 1669.
[7] Die Kirche wird «nach der Visierung», das heisst nach einem vorhandenen Modell gebaut. Gemäss Alexander Schulz (Literatur) wird im Verding zudem vereinbart, «den Turm abzureissen und neu aufzubauen», obwohl ja offensichtlich noch zwei Chortürme stehen. Der Widerspruch wird nicht erläutert. Auch in den Plänen in «Die Kunstdenkmäler des ehemaligen Kreises Wangen» ist der heutige Chorturm im Fundament als vorbarock dargestellt. Vermutlich ist der Verding aber falsch interpretiert. Denn einen Turm reisst man damals nur ab, um das Material an anderer Stelle wieder zu verwenden. Der heutige Mittelturm dürfte demnach vollständig barock und aus dem Material der beiden seitlichen Chortürme gebaut sein. Wäre der heutige Turm aber auf dem Fundament einer der ehemaligen Chortürme entstanden, müsste die Vorgängerkirche nördlicher gelegen sein. Dies wird aber in der zitierten Literatur verneint. Die Vorgängerkirche wird in der heutigen dreischiffigen Breite und an gleicher Lage beschrieben.
[8] Der Vorgängerbau von 1288 soll gemäss Alexander Schulz (Literatur) eine «gotischen Hallenkirche» sein. Er benutzt als Dokumentation seiner Baugeschichte eine hundert Jahre nach dem Brand entstandene lateinische Chronik. Der Begriff «Hallenkirche» wird dabei missbraucht. Erst die heutige Kirche, mit annähernd gleicher Raumhöhe der Seitenschiffe, ist eine Hallenkirche. Die Annahme der «Hallenkirche» basiert auf einer laienhaften Zeichnung eines Paters von 1737, über hundert Jahre nach dem Brand, die das Kloster vor 1631 zeigt. Der zeitgenössische Zeichner P. Gabriel Bucelin hingegen zeichnet eine Basilikaform der Kirche. Diese wird von Albert Knoepfli (Literatur) wie folgt beschrieben: «Gleichfalls basilikal angelegt war St. Jakob, die heutige Stadtpfarrkirche beim Schloss, deren Abseiten noch vor 1513 der Überlinger Münsterbaumeister Christian Wohlgemuth überwölbt hatte. Dieser Bau wurde 1617 ersetzt durch eine wieder basilikal dreischiffige, aber um ein Querhaus und ein Turmpaar erweiterte Anlage. Sie fiel dem Brand vom 15. September 1631 zum Opfer, so dass die heutige dreischiffige Hallenkirche auf den erst 1660 erfolgten Neubau zurückgeht.»
[9] Eine Aufforderung an Giulio Barbieri vom 4. April 1664, im Mai wieder mit den Arbeiten fortzufahren, weist auf die Absenz des Misoxer Bautrupps, der 1663 und vielleicht schon 1662 parallel andernorts tätig ist. Die Kirche Fiegenstall bei Ellingen könnte der Grund sein.
[10] Schon Anfang März verdingt Abt Basilius den Maler Holzhey und den Stuckateur Matthäus Gigl zur Ausstattung des «Refektoriums», eines fürstlichen Tafelzimmers in der Abtei. Hier erstellt Holzhey drei Deckenbilder.
[11] Die reiche Ausstattung geht 1768 in einem Grossbrand des Klosters bis auf wenige Reste zugrunde.
[12] Interessant sind in diesem Zusammenhang Zahlungen der Abtei an Holzhey vom April bis Juli 1754, die mit keinem Auftrag verbunden sind. Hat Isny vielleicht das Studium an der Akademie in Wien mitfinanziert?
[13] Die «gedungenen», frühbarocken Pfeiler werden «schlanker» gemacht, so zitieren noch heute Kunsthistoriker die Veränderungen aufgrund einer zeitgenössischen lateinischen Chronik. Dass dies bautechnisch nicht möglich ist, kümmert sie nicht. Der Vergleich mit Neu St. Johann zeigt aber, wo die Veränderungen stattgefunden haben. Vor allem die wahrscheinliche Verkürzung der Pfeilerbasen (und nicht deren Verlängerung, wie Otto Beck schreibt) führt zum Effekt der «schlankeren» Pfeiler.
[14] Holzhey stellt einen über dem irdischen Bereich schwebenden Abt mit dem Klosterplan dar, der auf den Neubau von 1666 zeigt. Die Deutung dieser Person reicht vom ersten Abt Manegold bis zu Abt Alphons Torelli. Holzhey gibt dem Abt allerdings die Züge von Wolfgang Schmid, der die Abtei als Administrator und Abt am Beginn des 17. Jahrhunderts vor dem Erlöschen rettet. Ein Vergleich des Freskos mit der Äbtegalerie zeigt die Übereinstimmung.
[15] Zusätzlich fertigt Holzhey einen Gemäldezyklus von acht Ölgemälden zwischen den Fenstern der Langhausseiten, mit vier Szenen aus der Benediktsvita und gegenüber zugeordneten analogen biblischen Ereignissen.
[16] Das Blatt der Kreuzigung Christi ist 1690 von Johann Heiss gemalt. Der alte Altar kommt nach Frauenzell.
[17] Mediatisierung: Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit und Unterstellung unter den Staat, ohne Enteignung des Privateigentums, hier der ehemaligen Reichsabtei.
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Die Abtei aus Westen in der sehr aussagekräftigen Stadtansicht von 1737. | |
Isny vor und nach dem Brand von 1631 in der Darstellung von Matthäus Merian in der Topographia Sueviae 1643. | |
Nach dem Dreissigjährigen Krieg werden 1650–1655 vorerst die Ökonomiegebäude errichtet. Sie schliessen den Klosterhof Süden und Westen ab (im Lageplan mit 6 beziffert). Bildquelle: Andreas Praefcke in Wikipedia. |
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1656–1657 baut Michael Beer den an die Stadtmauer angelehnten «Neuen Bau» und den östlichen Konventteil, im Lageplan mit 5 beziffert. Die heutigen neobarocken Riesenfenster wirken allerdings an einem Gebäude des 17. Jahrhunderts sehr fremd. Bildquelle: Andreas Praefcke in Wikipedia. |
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1661–1664, gleichzeitig mit dem Kirchenneubau, baut der Misoxer Bautrupp von Guilio Barbieri auch den Westteil des Klosters mit der Abtei, hier von Süden gesehen. Die Giebel- und Erkerausbildung zeigt den Einfluss von Michael Beer. Auch hier sind die ursprünglichen Fenster (mit geradem Sturz!) in neuerer Zeit vergrössert worden und haben einen unpassenden Segmentbogensturz erhalten. Foto: Bieri 2009. |
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Grundriss der Hauptgebäude und der neuen, 1661–1664 errichteten Stiftkirche. | |
Einige Stuckaturen haben sich trotz der vielen Umbauten der letzten 200 Jahre auch in den Abteiräumen erhalten, wie hier eine Stuckdecke von Nicolò Perti aus dem Jahr 1718. Foto: Bieri 2013. |
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Die Westfassade der Kirche, seit dem Bau 1661–1664 kaum verändert. Bildquelle: Andreas Praefcke in Wikipedia. |
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Seit der Säkularisation ist ein Teil des Chorgestühls der 1730er Jahre in der Marienkapelle aufgestellt. Ein anderer Teil befindet sich in der Pfarrkirche Friesenhofen, dort mit den dazugehörenden Dorsalen, welche hier durch einen rätselhaften späteren durchbrochenen Aufsatz ersetzt sind. Foto: Bieri 2009. | |
Der Innenraum der 1666 geweihten Freipfeilerkirche erhält 100 Jahre später ein schönes Rokokokleid. Foto: Bieri 2009. | |
Die Westorgel findet schon 1745 Aufstellung und wird im Rokoko-Umbau übernommen. Ihr Prospekt ist erhalten, im Gegensatz zum ursprüngliche Orgelwerk mit 23 Registern. Foto: Bieri 2009. | |
Der Chorbereich als festlich-frohes Rokokoensemble mit dem Kollonadenaltar des Bildhauers Ruez, den Stuckaturen von Johann Georg Gigl und den Fresken von Johann Michael Holzhey. Das Altarblatt (1690) ist ein Werk des Augsburger Malers Johann Heiss. Foto: Bieri 2009. | |
Auch die Kanzel, eine hervorragende Bildhauerarbeit des Rokoko, ist ein Werk von Johann Jakob Willibald Ruez. Foto: Bieri 2009. |
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Das Mittelfresko stellt einen über dem irdischen Bereich schwebenden Abt mit dem Klosterplan dar, der auf den Neubau von 1666 zeigt. Der Abt trägt die Gesichtszüge von Wolfgang Schmid, der die Abtei als Administrator und Abt am Beginn des 17. Jahrhunderts vor dem Erlöschen rettet. > Ausschnitt. Unter ihm die Klosterstifter, über ihm die Kirchenpatrone mit weiteren Heiligen, darüber der zur Heiligen Dreifaltigkeit auffahrende hl. Benedikt. |
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Johann Georg Gigl, dessen Hauptwerk die später zerstörten Stuckaturen in St. Blasien sind und der anschliessend die Stiftskirche von St. Gallen stuckiert, zieht in Isny alle Register seiner Meisterschaft, wie hier in der Deckenpartie vor dem Chorbogen. Das Fresko von Johann Michael Holzhey stellt die Übergabe der Kreuzpartikel an den Abt von Isny dar, der den Boten des Papstes auf den Stufen einer Scheinarchitektur empfängt. Im Himmel schwebt die hl. Helena mit dem von ihr wiederaufgefundenem Wahren Kreuz. Im Kavalier rechts vom Abt scheint sich Holzhey selbst verewigt zu haben. Foto: Bieri 2009. |