Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Jodok Beer (1650–1688) Au Vorarlberg     Baumeister 1680   1685
Jörg Griesser († 1686) Berwang Tirol     Stuckateur 1681   1681
Matthäus Zehender (1641–1697) Mergentheim ok   Maler 1681   1691
Joseph Anton Feuchtmayer (1696–1770) (Wessobrunn) Linz JosephAntonFeuchtmayer   Stuckateur, Bildhauer, Altarbauer 1747   1748
Gottfried Bernhard Göz (1708–1774) Velehrad (Mähren) Goez   Maler, Freskant 1747   1748
Franz Joseph Spiegler (1691–1757) Wangen im Allgäu ok   Maler, Frekant 1747   1754

Habsthal

Ehemaliges Dominikanerinnenpriorat und Klosterkirche Unserer Lieben Frau, St. Stephanus, St. Dominikus und St. Nikolaus
Heute Benediktinerinnenpriorat

Dominikanerinnenpriorat 1259 bis 1806
Frauen einer Beginensammlung in Mengen, bereits seit 1257 von den Konstanzer Dominikanern betreut, übersiedeln 1259 nach Habsthal. Hier, eine gute Wegstunde südlich von Mengen im Ostrachtal, haben die Pfalzgrafen von Tübingen Besitzungen gestiftet. Sie bleiben bis zur Reformation Schirmherren des Klosters. Ab 1535 üben die Grafen, später Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen Schirmherrschaft und Hochgerichtsbarkeit des nun in österreichischem Gebiet liegenden Dominikanerinnenpriorats aus. Sie haben auch Bestätigungsrecht bei der Wahl der Priorin. Bis ins 15. Jahrhundert dient Habsthal vor allem als Versorgungsanstalt von Töchtern des Landadels. Der städtische Predigerorden der Dominikaner in Konstanz kann sich wenig um die im ländlicher Abgelegenheit nach eigener Regel lebenden Frauengemeinschaft kümmern, er nimmt nur die Visitation und Seelsorge wahr. Wie üblich bildet das frühe 16. Jahrhundert den Tiefpunkt der innerklösterlichen Disziplin. Der Grundbesitz und die Grundherrschaft vergrössert sich in diesen Jahrhunderten trotzdem konstant. Erst materielle Probleme während des Dreissigjährigen Krieges, verursacht durch Plünderungen und ausbleibende Einnahmen, erlauben eine Reform und bewirken nach 1650 einen Neuaufschwung. Die Einnahmen erlauben 1680 einen Klosterneubau. Über die Priorin dieses Neubaus,[2] wie auch über die Vorsteherinnen der nachfolgenden Blüteperiode sind, wenn überhaupt, nur die Namen bekannt. Noch 1748 kann die Kirche nochmals reich ausstattet werden. Aber schon 1782 entgeht Habsthal mit Adelshausen und Kirchberg nur knapp der zweiten Welle der Klosteraufhebungen Kaiser Josephs II., nachdem dieser im gleichen Jahr schon 20 Frauenklöster im vorderösterreichischen Südwesten Deutschlands säkularisiert hat. 1806 fällt Habsthal im unwürdigen Schacher der deutschen Fürsten um den in Vorderösterreich liegenden Klosterbesitz an das Haus Hohenzollern-Sigmaringen. Der neue Besitzer beschlagnahmt sofort alle Wertgegenstände, erlaubt aber den 17 Frauen und 3 Laienschwestern den Verbleib im Kloster. 1841 wird der aus immer noch sechs Frauen bestehende Konvent endgültig aufgehoben.

Der barocke Klosterneubau
1680 übernimmt der Vorarlberger Jodok Beer (1650–1688) den Neubau von Kirche und Konventbau. Er verwendet aufgehendes Mauerwerk der alten Kirche, die heutige Kirche hat demnach noch mittelalterliche Dimensionen. Die Kirche ist 1680, der Ostflügel 1681, der Westflügel 1682 fertig gestellt, 1684 –1685 folgt der Südflügel. Kirche und Konventbau fügt er zu einem eindrücklich kompakten quadratischen Grundriss von 47 auf 47 Metern. Die dreigeschossigen Flügel sind um einen Hof angeordnet. Der Klosterneubau in Habsthal zeigt die pragmatische und gelungene Umsetzung des Raumprogrammes eines kleinen Frauenkonventes aufgrund der Idealvorstellungen aus Lehrbüchern des 17. Jahrhunderts.[3] Die Bauten Michael I Beers, dem Gründer der Auer Zunft, sind Vorbild.[4] Nach dessen Art verzichtet Jodok Beer auf Walmdächer und bildet jeweils einen Giebel pro Ecke aus. Der «nicht sehr begabte Jodok Beer»[5] zeigt in Habsthal, welche Leistungen auch eher unbekannte Vorarlberger erbringen.
1681 werden die Kirche und die Klosterräume von einem Stuckatur Griesser[6] aus Berwang in Tirol stuckiert. Ein Schreiner Johann Walter und ein Bildhauer Hans Georg Martini erstellen die noch heute vorhandenen Seitenaltäre und den Hauptaltar, eigentlich nur als Rahmenarchitektur für die grossen Altartafeln des in Bregenz wohnhaften Mergentheimer Malers Matthäus Zehender (1641–um 1697). Seine 150 Zentimeter breiten und 240 cm hohen Seitenaltarbilder, die Steinigung des hl. Stephanus und die hl. Rosa von Lima, sind zwar reife Hochbarockleistungen, aber zu gross für die schmale Kirche. Besser fügt sich das noch grössere Hochaltarbild mit dem Thema der Gründung des Klosters ein, das er 1691 malt. Seit 1750 ist der untere Teil mit der Darstellung des Klosters durch einen Tabernakelaufbau abgedeckt.

Die Rokoko-Umgestaltung des Kirchenraumes
1747–1748 gestaltet die Priorin Maria Theresia Schürtin (1723–1758)[7] den Kircheninnenraum neu. Sie kann dafür zwei Künstler auf dem Höhepunkt ihrer Meisterschaft gewinnen. Den Stuckateur und Bildhauer Joseph Anton Feuchtmeier (1696–1770) aus Mimmenhausen beauftragt sie mit den Altären und der Kanzel, den Augsburger Freskanten, Maler und Kupferstecher Gottfried Bernhard Göz (1708–1774) mit den Fresken. Die Priorin hat damit eine glückliche Hand in der Auswahl. Könnte es sein, dass Abt Anselm II. von Salem die beiden empfohlen hat?[8] Zur gleichen Zeit arbeitet Feuchtmayer für ihn in der Birnau, Göz, der schon die für die Vorgänger Anselms II. gearbeitet hat, besichtigt im Herbst 1748 die Baustelle am Bodensee auf dem Heimweg von Habsthal. Birnau wird nach Habsthal das grosse gemeinsame Hauptwerk der beiden Meister.
Die Fresken von Gottfried Bernhard Göz,[9] drei grosse Deckengemälde, ein an die Decke gemaltes Zifferblatt und einige kleinere Wand- und Brüstungsfresken sind gut erhalten. Im Chor huldigen Vertreter der vier Erdkreise dem Wunder der Eucharistie. Im Schiff ist der hl. Dominikus vor einer Scheinarchitektur als Verehrer der Muttergottes dargestellt. Über der Nonnenempore verehren Dominikanerinnen die Gottesmutter. Dieses schönste Fresko ist nur auf Betrachtung von der Empore aus angelegt und bleibt deshalb dem Kirchenbesucher nicht zugänglich.
Der Rokokostuck und die Kanzel gelten als Werk von Joseph Anton Feuchtmayer. Er fertigt auch zwei Langhausaltäre, die dann 1867 zerstört werden. Auf einer Fotografie vor der Zerstörung sieht man noch die reiche plastische Gestaltung. Heute ist nur noch der obere Teil, die Rahmung der Altarblätter, vorhanden. In der südlichen Rahmung befindet sich ein Altarblatt des Riedlinger Malers Franz Joseph Spiegler (1691–1757).
Der heutige Eindruck des Innenraumes ist zwiespältig. Blickt man zur Empore, überwiegt originales Rokoko. Im Chor hingegen wirkt noch immer das 19. Jahrhundert nach. Buntglasfenster, düstere Farben des Mobiliars von 1896 und eine fragwürdige Marmor- und Goldfassung der Altäre sind bei der letzten Restaurierung als Zeitdokument verblieben.

Habsthal als Benediktinerinnenpriorat
Das ehemalige Dominikanerinnenpriorat wird nach 1841 in kurzer Reihenfolge Lehrervorbereitungsschule, Blinden- und Taubstummenanstalt und schlussendlich, nun schon unter preussischer Herrschaft, 1856–1874 Strafanstalt. 1869 werden die Altäre Feuchtmayers zerstört. Dann stehen die Gebäude leer und sollen 1886 abgebrochen werden. Im schweizerischen Hermetschwil haben die Benediktinerinnen ihr 1876 vom Kanton Aargau definitiv aufgehobenes Kloster zwar 1878 wieder zurückgekauft, die Bundesverfassung der Eidgenossenschaft verbietet aber (bis 1972!) Klosterneugründungen. Die Benediktinerinnen von Hermetschwil kaufen daher 1892 Habsthal und errichten hier ein Priorat der Benediktinerabtei Muri-Gries in Bozen.[10] Sie können damit das schweizerische Verbot von Neugründungen und Novizenaufnahmen umgehen und trotzdem Hermetschwil weiterführen. Seit 1986 ist Hermetschwil wieder eine von Habsthal unabhängige Abtei.
Mit dem Kauf von Habsthal haben die Benediktinerinnen von Hermetschwil die Konventgebäude und die Kirche gerettet. Sie haben die Gebäude bis in die heutige Zeit gut unterhalten. Eine letzte Restaurierung des Kirchenraumes erfolgt 1992.

Pius Bieri 2010

 

Benutzte Literatur:

Genzmer, Walther: Habstal, in: Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns, Kreis Sigmaringen, Stuttgart 1948.
Muth, Doris: Dominikanerinnenkloster Habsthal, Geschichte, in: Klöster in Baden-Württemberg. Stuttgart o. J.
Muth, Doris und Kreidler, Sr. Kornelia OSB: Kloster Habsthal in Geschichte und Gegenwart, Lindenberg 2009.
Isphording, Eduard: Gottfried Bernhard Göz 1708–1774, Weissenhorn 1982.
Knapp, Ulrich: Joseph Anton Feuchtmayer 1696–1770, Konstanz 1996.
Beck, Otto: Habsthal, Kunstführer, Regensburg 2007.

Links:

www.leo-bw.de/Dominikanerinnenkloster+Habsthal
https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Habsthal

 

Anmerkungen:
[1] Die Ortsbezeichnung lautet heute, als Ortsteil von Ostrach, wieder offiziell Habsthal und nicht mehr Habstal, wie es im 20. Jahrhundert kurzfristig geschrieben wird.

[2] Sie wird auf dem Stich von 1685 genannt: Maria Theresia Rieder.

[3] Völlig abwegig ist die Interpretation von Otto Beck, dass das Kloster 1259 bereits so gebaut ist («nach dem St. Galler Planschema») und Jodok Beer lediglich ein weiteres Stockwerk aufsetzt. Er nennt dafür keine Befunde. Abgesehen davon, dass die Grundlage für den Bau eines mittelalterlichen Bettelorden-Frauenklosters kaum der karolingische St. Galler Plan ist, wäre eine solch geometrisch ausgewogene mittelalterliche Anlage eine kunstgeschichtliche Sensation. Wahrscheinlicher ist, dass Beer bestehende Teile ergänzt und zu einem Ganzen verbindet.

[4] Michael I Beer beginnt 1665 die Konventgebäude von Rottenmünster und die Konventanlage von Kreuzlingen, beide mit den von Jodok Beer in Habsthal angewandten Giebellösungen. Jodok Beer ist nicht mit Michael I Beer verwandt!

[5] Zitat Walther Genzmer in: Der Einfluss der Bauweise Michael Beers auf die Bregenzerwälder Barockbaumeister, in: Montfort 1966.

[6] Jörg Griesser, gestorben in Habsthal 1686.

[7]Schürtin, Schirdtin. Lebensdaten 1684–1758. Die Umgestaltung erfolgt zu ihrem silbernen Jubiläum (nach Eduard Isphording).

[8] Verbindungen zu Salem bestehen nur schon aus der direkt an Habsthal angrenzenden Salemer Herrschaft Ostrach. Das Pfarrdorf Einhart im Salemer Oberamt Ostrach ist ein knappe halbe Wegstunde von Habsthal entfernt.

[9] Mit den Gehilfen und Schülern Franz Anton Zeiller (1716–1793) und Schulz aus Augsburg.

[10] Die Benediktinerabtei Muri wird 1841 vom Kanton Aargau in bösartiger Weise enteignet. Abt und Mönche ziehen in das schon von Kaiser Joseph II. säkularisierte Kloster Gries bei Bozen und nennen sich seither Abtei Muri-Gries. Das Frauenkloster Hermetschwil ist eine Gründung Muris vom Ende des 12. Jahrhunderts. Vaterabt bleibt daher der exilierte Abt in Muri-Gries. Konvent und Anlage von Hermetschwil weisen ähnliche Grösse wie das ehemalige Dominikanerinnenkloster Habsthal auf.


 



  Ehemaliges Dominikanerinnenpriorat Habsthal  
  Habsthal1  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Habsthal (Ostrach)[1]
Baden-Württemberg D
Vorderösterreich
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Konstanz 1680
Bauherr und Bauträger

Priorin Maria Theresia Rieder (reg. um 1680)

Priorin Maria Theresia Schürtin (reg. 1723–1758)
 
  Die kompakte Anlage des Klosters Habsthal hat sich über die Jahrhunderte erhalten. Hier die Ansicht von Süden.   pdf  
   
HabsthalGrRiss
Idealvorstellungen aus Lehrbüchern des 17. Jahrhunderts bestimmen den Grundriss.  
   
Habsthal11
Typisch für die Generation der Vorarlberger Baumeister in der nachfolge von Michael Beer ist der Verzicht auf Walmdächer mit der Ausbildung von betonten Eckgiebeln. Hier die Nordansicht mit der Kirche.  
Habsthal1830
Ein Aquarell um 1830 zeigt das Kloster ebenfalls aus Norden, mit den östlich vorgelagerten grossen Wirtschaftshöfen, die in der Grundstruktur bis heute erhalten sind und inzwischen eine kleinen Weiler bilden.
Bildquelle: Wikipedia, nach Original im Kreisarchiv Sigmaringen.
 
Habsthal2
Beim Blick zur tiefen Nonnenempore offenbart sich die Rokokoausstattung, geschaffen von den Meistern der Birnau, Feuchtmayer und Göz.
Bildquelle: Wikipedia by Andreas Praefcke.
 
Habstthal3
Dominiert wird der Chorbereich durch die drei grossen Altäre mit den Blättern von Matthäus Zehender, die er 1681 malt. Das Rokoko ist nur noch mit dem Deckenfresko von Göz präsent. Die Fenster und das Mobiliar, auch die Altarfassungen sind von 1896.  
Habsthal4
Das Hochaltarbild von Matthäus Zehender (1691) zeigt die Muttergottes mit Kind über dem hl. Dominikus, der von den Klosterstiftern flankiert wird. Sie weisen auf die Klosterdarstellung, die durch den Tabernakelaufbau seit 1750 verdeckt ist.  
Habsthal5
In die Stuckaturen von Joseph Anton Feuchtmayer malt Gottfried Bernhard Göz 1747 und 1748 die Fresken. Im mittleren Deckenfresko ist der hl. Dominikus in einer scheinperspektivischen Raumdarstellung zu sehen, darüber Maria als Fürbitterin bei ihrem Sohn. Alle Einzelheiten, wie die Sonnenmonstranz und die Petrusbüste am Altar, der Schild des Dominikus mit dem Namenszug MARIA, der Hund, Amor und die Personifikation der Falschheit auf den unteren Stufen sind Attribute des hl. Dominikus.
Habsthal6
Wenig ist nach den zerstörerischen Eingriffen von 1867 von den beiden Feuchtmayer-Altären an den Längswänden verblieben. Aufbau und Unterbau sind verschwunden, sodass nur noch die Rahmung des Gemäldes von Franz Joseph Spiegler (1747) verbleibt. Das ehemalige Altarblatt stellt die Vermählung der hl. Katharina von Siena dar.