Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Johannes Regutz Obernai Elsass?     Baumeister-Architekt 1687   1688
Franz Joseph Salzmann (1724–1786) Messkirch     Baudirektor 1763   1765
Franz Anton Vogel (1720–1777) Wessobrunn     Stuckateur 1764   1765
Anton Morath (1718–1783) Berau bei St. Blasien     Maler, Freskant 1764   1765
Br. Aegidius Butsch OSB (1725–1785) Fridingen an der Donau     Bildhauer 1764   1777

Wallfahrtskirche St. Landelin Ettenheimmünster

Legendäre Gründung
In unmittelbarer Nähe zum Benediktinerkloster Ettenheimmünster ist an der Stelle, an welcher nach einer Legende der heilige Landelin (oder Landolin) den Tod fand, eine bereits im 11. Jahrhundert erwähnte Kultstätte entstanden.
Landelin soll aus schottischer Königsfamilie stammen und hier im 7. Jahrhundert als Einsiedler gelebt haben. Seine Grabstätte wird in Münchweiler verehrt. An der Stätte seines gewaltsamen Todes, im heutigen Ettenheimmünster, entspringen vier wunderheilsame Quellen, die Ursache für den Wallfahrtsbetrieb an Ort sind. Ein Zusammenhang der Landelinlegende mit der Gründung des nahen Klosters Ettenheimmünster (durch den Strassburger Bischof Etto um 734) ist nicht dokumentiert. Eher dürfte es, wie bei vielen Wallfahrtsorten, umgekehrt gewesen sein: Das Kloster pflegt die Wallfahrt und fördert die Legendenbildung um den heiligen Landelin. Die Wunderquellen werden gefasst. Das Wasser soll bei Augenleiden und vielen andern Gebrechen helfen. Ein regelrechter Badebetrieb entsteht. 1711 bezeugt Marktgräfin Sybilla Augusta von Baden, die zu der Zeit ihr Schloss Favorite bei Rastatt errichtet, einen fünfmaligen Badaufenthalt und ihre Heilung dank der Fürbitte bei St. Landelin. Das Kloster errichtet 1727 eine neue Vierflügelanlage als Bad- und Gästehaus westlich der Wallfahrtsstätte. Drei Flügel sind noch vorhanden, aber durch unsachgemässe moderne Renovationen kaum mehr als barocke Gebäude erkennbar.[1] Am Landelinsbrunnen füllen heute die Einheimischen das Wasser gleich mit Kunststoffkanistern für den Wochenvorrat in den Kofferraum ihres Autos. Das Wasser muss nicht nur bei Augenleiden, sondern auch zur Tee- und Kaffezubereitung Wunder wirken.

Kirchenneubau 1688
Eine ältere Wallfahrtskirche beim Landelinsbrunnen ist um 1630 vergrössert worden, wird aber schon bald für die wachsende Pilgermenge wieder zu klein. Abt Maurus Geiger (reg. 1686–1704) verpflichtet deshalb 1687 den Baumeister Johannes Regutz[2] zum Neubau einer grösseren Wallfahrtskirche «oberhalb» der alten Kirche, die erst 1711 abgebrochen wird. Die neue Wallfahrtskirche wird 1688 in der sehr kurzen Zeit von viereinhalb Monaten aufgerichtet. Ihr Aussehen ist auf dem Plan von Pater Carolus Will (1728) und auf dem Stich von Peter Mayer (1759) überliefert. Dieser Kirche werden aber schnell konstruktive Mängel angelastet: Die Aussenwände sind zu schwach oder der Dachstuhl übt unzulässige Schubkräfte aus, sodass sich die Mauern nach aussen neigen. Die kurze Bauzeit scheint sich zu rächen.[3]

Kirchenumbau 1765
Abt Augustin Dornblueth (reg. 1740–1774) legt 1763 dem Konvent den Beschluss vor, die Kirche umzubauen. Beauftragt wird der fürstlich-fürstenbergische Baudirektor Franz Joseph Salzmann (1724–1786). Mit einer querschiffartigen Verbreiterung des Kirchenschiffes löst er die statischen Probleme und gliedert den Innenraum mit Pilastern. Obwohl er die Westfassade nicht verändert und einen grossen Teil des Bauwerkes von 1688 übernimmt, kann die heutige Kirche als Neuschöpfung Salzmanns gelten.
Für die Stuckierung zieht Salzmann den in Freiburg ansässigen Wessobrunner Franz Anton Vogel (1720–1777) bei, dessen Verwandter (?) und Lehrmeister Franz Joseph Vogel (1684–1756) die Stuckaturen des Klosterneubaus und der Vorgängerkirche geschaffen hat. Anton Morath (1718–1783), ein regional bekannter Maler, ist der Schöpfer der Deckenfresken und des Hauptaltarbildes.
Aus der alten Kirche werden die Beichtstühle und die Altäre übernommen. Während die Beichtstühle aus dem ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts noch heute im Längsschiff stehen, werden die Altäre schon nach 1774 durch neue Werke des Klosterbruders und Bildhauers Aegidius Butsch (1725–1785) ersetzt. Br. Aegidius ist auch der Schöpfer der filigranen Emporenbrüstung, vermutlich der Kanzel und sicher der plastischen Aussenportale in Sandstein.
 
Veränderungen im 19. Jahrhundert
Die Wallfahrtskirche wird nach der Aufhebung der Abtei 1803 und deren darauf folgenden Zerstörung Pfarrkirche von Ettenheimmünster. Erst jetzt erhält sie die heutigen wertvollsten Ausstattungen. Es sind gerettete Werke der ehemaligen Klosterkirche. Wir können uns so eine Vorstellung der reichen Ausstattung in der verschwundenen Klosterkirche machen. Wertvollstes Ausstattungsstück ist die Orgel aus der Strassburger Werkstatt des Johann Andreas Silbermann (1740–1774) mit zwei Manualen und 21 Registern. Sie wird 1767–1769 für  die Klosterkirche geschaffen. Das Instrument wird 1804 aus der Klosterkirche in die Landelins-Kirche versetzt.[4] Br. Aegidius Butsch ist Schöpfer des Orgelgehäuses. Von ihm stammen auch die zwei Rokoko-Beichtstühle, die heute im Chor stehen, und die ebenfalls aus der Klosterkirche kommen. Von dort wird 1804 auch das hochbarocke schmiedeiserne und gefasste Chorgitter nach St. Landelin versetzt.
1857 wird an den Chor der Kirche auf Drängen der Gemeinde vom badischen Staat, der seit 1803 die Baupflicht hat, ein Turm angebaut. Architekt ist Baurat Friedrich Fischer. Der Turm ist sehr zurückhaltend als zeittypisches Element angefügt und stört den barocken Kirchenbau nicht.
Eine letzte Restaurierung der Kirche findet 1983–1984 statt.

Pius Bieri 2008

Literatur:
Uttenweiler, Bernhard: Wallfahrtskirche St. Landelin Ettenheimmünster, Kunstführer, Lindenberg 2006.
Weis, Dieter: Klosterkirche Ettenheimmünster, Offenburg 1999.

Anmerkungen:

[1] Das Badhaus mit 3250 Quadratmeter Geschossfläche wird nach der Aufhebung Badhotel, dann Ordensschule, um 1970 psychosoziale Klinik und ist 2010 von einer Immobilienfirma gekauft worden. Sie will das 15 000 Quadratmeter umfassende Gelände spekulativ nutzen und verspricht eine denkmalpflegerische Sanierung des ehemaligen Bad- und Gasthauses.

[2] Aus Obernai im Elsass? (Uttenweiler). Nach anderen Quellen aus Graubünden, dann ist er einer der Regucio oder Reguzzi aus Roveredo. Ein Bauwerk ohne Gewölbe und ohne Wandpfeiler ist allerdings für die Misoxer Baumeister untypisch.

[3] Die Spannweite von 16 Metern für einen nicht gewölbten Kirchenraum ist nicht ungewöhnlich. Beispiel St. Martin in Altdorf (Uri). Dort ist aus dem Jahr 1603 sogar ein «verschnittener» Dachstuhl mit einem Dielen-Tonnengewölbe von 16 Metern Spannweite erhalten, mit einfachen Aussenwänden ohne Wandvorlagen.

[4] 18 Register sind noch Original. 1964 Restaurierung durch Ernest Muhleisen (Strasbourg). Die Disposition wird dabei im Pedal um Clairon 4' erweitert.

Landelin3   Die Beichtstühle im Schiff der Kirche St. Landelin werden in der Regierungszeit von Abt Paulus Vogler (1704–1710) errichtet. Ihre Akanthusblatt- und Früchtemotive sind noch dem Hochbarock verpflichtet. Sie sind nebst dem ebenfalls hochbarocken Lesepult die einzigen Ausstattungsstücke des Neubaus von 1688 in der heutigen Kirche. In der Bekrönung ist das Wappen des Abtes Paulus dargestellt.   Ettenheimmuenster3
  > Die Silbermann-Orgel (1769) aus der Klosterkirche ersetzt 1804 die barocke Landelin-Orgel, welche nach Münchweiher kommt.  

  Wallfahrtskirche St. Landelin Ettenheimmünster  
  LandelinGrRiss  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Ettenheimmünster, Ortenaukreis,
Baden-Württemberg D
Hochstift Strassburg
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Strassburg 1688 (1764)
Bauherr und Bauträger

ok Abt Maurus Giger (reg. 1686–1704)
ok Abt Augustinu Dornblueth (reg. 1740–1774)

 
  Grundriss der Kirche St. Landelin in einer Planaufnahme 1908. Bilderlaubnis: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Freiburg (Dr. Michael Borrmann).   pdf  
   
LandelinInnen
Der Innenraum wirkt sehr grosszügig und licht. Blick zum Chor.  
   
Ettenheimmuenster1759
Eine nun sehr präzise Darstellung der Wallfahrtskirche von 1688 erstellt der Kupferstecher Peter Mayer 1759. Im Zentrum des 9,4 x 16,0 cm grossen Andachtsbild zu Ehren des hl. Landelin ist die Kirche mehrfach überhöht dargestellt.
Bildquelle: «Peter Mayer» (Morath Rudolf l1983), nach einem Druck in den Sammlungen St. Paul Kärnten.
 
Landelin5
Die Westfassade von 1688 wird beim Umbau 1765 nicht verändert. Nur die Zwiebeldachaufbauten der Brunnenkapelle werden durch eine Terrasse ersetzt.
Bild: Wikipedia by author Ralph Hamman.
 
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Die beiden Westportalel erhalten beim Umbau 1765 reiche Portale des Bildhauers Br. Aegidius Butsch. In der südlichen Portalbekrönung ist das Wappen des Abtes Augustin Dornblueth zu finden.
 
Landelin8
Der Hochaltar ist, wie alle Altäre, ein Werk des Bildhauers Br. Aegidius Butsch. Er wird erst in der Regierungszeit von Abt Landelin Fluem (1774–1793) aufgerichtet. Im Gemälde von Anton Morath ist die Aufnahme des hl. Landelin in den Himmel dargestellt. Im unteren Teil ist die Wallfahrtskirche und das Kloster dargestellt.  
Landelin9
Auch das Brüstungsgeländer der Empore ist ein Werk des Br. Aegidius Butsch. Die Silbermannorgel der Klosterkirche findet erst im 19. Jahrhundert hier Aufstellung.