Barocker Neubau
Der Klosterbrand vom 29. August 1729 ist Anlass zum barocken Neubau, für den bereits Pläne aus 1704 von Bruder Caspar Moosbrugger aus Einsiedeln vorliegen. Aufgrund einer Honorarkonkurrenz wird Baumeister Johannes Rüeff dem bekannteren Johann Michael Beer von Bleichten vorgezogen. Rüeff übernimmt die Konzeptvorgaben Moosbruggers: eine geschlossene Anlage mit Innenhof und der Kirche als nordseitiger Flügel.
Die Kirche
Die Klosterkirche zeigt im Grundriss ein nirgends durchbrochenes Rechteck, in der Länge der mittelalterlichen Vorgängerkirche. Der bergseitige, angefügte Glockenturm wird von diesem Vorgängerbau übernommen.
Der Wandpfeilerinnenraum mit Emporenumgang folgt dem Schema der Vorarlberger Meister um 1700 und überrascht deshalb als Lösung im Übergang zur Rokokozeit um 1730. Doch ist der Raum von innen her zu einer weiten Schale aufgelockert, sodass uns eine überraschende Raumgrösse empfängt. Die Altäre von Joseph Anton Feuchtmayer gliedern den Raum vorzüglich, und die Régencestuckaturen der Vorarlberger Franz und Diethelm Wilhelm schaffen eine heitere Raumatmosphäre.
Rüeffs Bautrupp
Nach damaliger Sitte führt der Vorarlberger Baumeister Johannes Rüeff die Arbeiten als Grossunternehmer aus, wozu er im Durchschnitt jährlich etwa 50 Bauhandwerker im Bregenzerwald anheuert. Hinzu kommen vier bis fünf Handlanger. Sein Bautrupp umfasst zwischen 18 Bauleuten im Jahr 1737 und 65 im Jahr 1733. Rüeff wird vertraglich verpflichtet, alle Maurer-, Steinhauer-, Zimmermanns-, und Stuckateurarbeiten zu übernehmen. Ihm steht es frei, die Arbeiter auszuwählen. Zu seinem Trupp gehören deshalb grösstenteils Arbeiter aus dem vorarlbergischen Raum. Zu ihrer Rekrutierung benützt Rüeff die Winteraufenthalte in seiner Heimat. Die Bauleute kommen jeweils zwischen Ende März und Mitte April in Engelberg an und arbeiten bis zu ihrer Abreise in der zweiten Oktoberhälfte oder Anfang November.
Wenig ist über die Schöpfer des feinen Régencestuckes bekannt. Die beiden Wilhelm (auch als Willam bezeichnet), Franz und Diethelm, sind Onkel und Neffe aus Au im Bregenzerwald. Beide sterben 1737, der Neffe mit erst 23 Jahren.
19. Jahrhundert
1877 wird die Kirche einer umfassenden Erneuerung unterzogen. Die wertvollen figürlichen Ausstattungen Feuchtmayers werden aus Unverständnis zerstört. Der gegenüber Gegenwartskunst sonst aufgeschlossene Abt bezeichnet sie als Karikaturen und ersetzt sie durch brave und steife Figuren zeitgenössischer Künstler. Nachgeholt wird auch die ursprünglich geplante, aber aus Geldmangel nicht ausgeführte Bemalung der Deckengemälde. Sie stammen aus der Schule Paul Deschwandens. Die 2007 abgeschlossene Restaurierung belässt die Kirche im Kleid des 19. Jahrhunderts.
Pius Bieri 2008
Benutzte Literatur:
Tomaschett, Michael: Planung, Bau und Ausstattung der barocken Klosteranlage Engelberg, Dissertation Zürich 2006.
Links:
Die Dissertation Tomaschett (847 Seiten, 21.3 MB) ist als PDF abrufbar und enthält nebst der umfassenden Text und Bilddokumentation zu Engelberg wertvollste Einblicke in die Bautätigkeit auf einer barocken Klosterbaustelle. Diese Arbeit ist Grundlage für die obige Kurzfassung der Baugeschichte.
Link zur Dissertation Tomaschett:
http://opac.nebis.ch/ediss/20070097.pdf
Längsschnitt und Grundriss der Stiftskirche Engelberg Rot eingetragen sind die künstlerischen Eingriffe von Kurt Sigrist, Sarnen (2007): Beichträume, Gruft, Altar und Ambo. |
Pläne {{Bild-CC-by-nc}} Felix Schmid Partner AG, Rapperswil. |
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Das Innere der Klosterkirche nach der Restaurierung von 2007. | |
1653 veröffentlicht Martin Zeiller einen Stich des Klosters Engelberg als Vogelschau von Süden. Stecher ist Kaspar Merian. Diese älteste Ansicht des Klosters zeigt die alte Dreiflügelanlage südlich der Kirche, wie sie bis zum Brand 1729 besteht. Sie ist auf dem Gesamtplan (unten) gelb eingetragen. Als einzige Ergänzung der Anlage entsteht 1716–1719, vorgelagert im Süden, der noch heute bestehende Wirtschaftstrakt, der sogenannte Albinibau. | |
Gesamtgrundriss der ersten Neubauplanung 1704, Br. Caspar Moosbrugger zugeschrieben. Im Vergleich zum gebauten Grundriss (unten) ist ein Kirchen-Querschiff und ein Konvent-Querflügel geplant. | |
Der aktuelle Grundriss von Kirche und Konventflügel mit gelb markiertem Altkloster. > Für Erläuterungen bitte vergrössern. |
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Ansicht von Südwesten, mit fünfgeschossigem Eckrisalit. Bildquelle: Wikipedia by author Bobo 11. |
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Der Konventzugang von Westen. | |
Chorbereich der Klosterkirche mit Hochaltar. Ursprünglich ein Werk des Bildhauers Joseph Anton Feuchtmayer von 1736, werden 1877 alle Stuckplastiken des genialen Künstlers zerstört und teilweise durch brave und steife Figuren ersetzt. Nur das Altarblatt der Himmelfahrt Mariä (1734) bleibt verschont. Anlässlich der Restaurierung 2005–2007 gestaltet Bildhauer Kurt Sigrist mit rotem Sandstein und gewalzten Stahlplatten den neuen Zelebrationsbereich, die Gruft und die freistehenden Beichthäuser. (Siehe oben und seitlich im Plan). Bildquelle: Wikipedia by author Bobo11. |
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Im Festsaal des zweiten Obergeschosses ist an der Decke das Wappen des Bauabtes Emanuel Crivelli angebracht. > Anklicken für Erläuterungen. |