Die Meister
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Br. Jakob Kurrer SJ (1585–1647) Ingolstadt Kurrer   Jesuitenbaumeister 1617   1620
Hans Alberthal o. Giovanni Albertalli (um 1575–1648) Rovreredo Alberthal   Baumeister 1617   1620
Johann Matthias Kager (1575–1635) München     Maler ~1618   1620
Br. Oswald Kaiser SJ (1600–1686) Zug Kaiser   Jesuitenbaumeister 1649   ~1673
P. Joseph Guldimann SJ (1656–1736) Solothurn Guldimann   Jesuitenbaumeister 1716   1719

Kirche   Ehemalige Jesuiten- oder Schutzengelkirche

Ehemaliges Jesuitenkolleg Eichstätt, heute bischöfliches Seminar
22   Das neue Kollegium 1624–1626
23   Wiederherstellung nach dem Stadtbrand
24   «Neubau» 1772–1774
25   Veränderungen und Neubauten im 20. Jahrhundert


Der geschichtliche und städtebauliche Rahmen

Bistum und Hochstift
Um 743 gründet Bonifatius das Bistum Eichstätt. Es ist ein eher kleines Bistum in der damaligen Kirchenprovinz Mainz. Die Bistumsgrenzen folgen noch heute dem mittelalterlichen Verlauf. Der Grossteil seiner Einwohner geht in der Reformation dem bischöflichen Zugriff verloren, nachdem Ansbach, Nürnberg, Weissenburg, die Kurpfalz, Pfalz-Neuburg und einige kleinere Herrschaften zum neuen Glauben übertreten. Nur wenige herzoglich-bayrische Gebiete entlang der Donau, der Deutschordensbesitz um Ellingen und das gefürstete Herrschaftsgebiet um Eichstätt verbleiben beim alten Glauben. Dieses Hochstift, wie die gefürstete Bischofsherrschaft genannt wird, ist kaum grösser als dasjenige der nördlich gelegenen Reichsstadt Nürnberg und bis zur Rekatholisierung der Oberpfalz sowie von Pfalz-Neuburg dreiseitig von protestantischem Gebiet umschlossen.
Der Fürstbischof residiert noch bis ins frühe 18. Jahrhundert auf der westlich der Bischofsstadt gelegenen Willibaldsburg. Ihr letzter grosser Ausbau zum eigentlichen Fürstenschloss findet durch Johann Conrad von Gemmingen statt. Der 1595-1612 regierende Fürstbischof lässt die Anlage unter der Leitung von Elias Holl aus Augsburg erweitern. Die adeligen Domherren, die sich bei jeder Bischofswahl neue Privilegien sichern und entscheidende Regierungsfunktionen einnehmen, residieren hingegen schon früh in der Stadt. Mit ihren barocken Domherrenhöfen des 17. und 18. Jahrhunderts, gebaut von Hofbaumeistern aus Südbünden, prägen sie das Stadtbild entscheidend.

Gegenreformation und Jesuitenberufung
Zentrum der bayrischen Gegenreformation wird die 1472 gegründete Landesuniversität Ingolstadt. Hier kämpft Professor Johannes Eck[1] für ein härteres Vorgehen gegen die Lehre Luthers. Die linksufrige Donaustadt liegt im Bistum Eichstätt. Dies mag mit ein Grund sein, warum sich schon 1544 ein Gefährte des Ordensgründers Ignatius von Loyola, der Jesuit Claude Jay, auf Einladung von Fürstbischof Moritz von Hutten drei Monate zu Gesprächen auf der Willibaldsburg aufhält. Auch in den folgenden Jahren, vor allem nach Aufnahme ihrer Lehrtätigkeit in Ingolstadt, sind mehrfach Jesuiten Gast beim Fürstbischof, unter ihnen 1549 auch Petrus Canisius.[2] 1556 eröffnen sie mit Unterstützung von Herzog Albrecht V. von Bayern in Ingolstadt das erste Kolleg der Oberdeutschen Jesuitenprovinz.[3] Obwohl diese Gründung erst 1576 einen finanziell abgesicherten Kollegneubau erhält, geht jetzt das Interesse der Jesuiten an einer Neugründung im nur fünf Wegstunden entfernten Eichstätt zurück. Zudem sind sie nicht immer willkommen, denn der Orden pocht bei jeder Neugründung auf finanzielle Unabhängigkeit in Form einer sicheren Stiftung des Landesherrn. Dies weckt bei den Eichstätter Domherren, wie dies bei Kolleggründungen auch in anderen Domkapiteln sichtbar ist, grossen Widerstand. Die Domherren befürchten nebst Machteinbussen vor allem eine Schmälerung ihrer Pfründe. Der Augsburger Fürstbischof Otto Truchsess von Waldburg erlebt diesen Widerstand 1563 bei seiner Gründung des Kollegs Dillingen, kann sich aber durchsetzen. Nicht so der seit 1560 in Eichstätt regierende Fürstbischof Martin von Schaumberg,[4] der dann an Stelle des Jesuitenkollegs 1564 das Collegium Willibaldinum, ein Seminar mit angeschlossener Lateinschule, eröffnet. Seine Nachfolger zeigen an der Schule kein Interesse, kürzen die Mittel oder können sich gegen die Domherren nicht durchsetzen. Das Willibaldinum muss deswegen 1602 geschlossen werden. Der sich seit seiner Wahl zum Domdekan vergeblich für die Schule einsetzende Johann Christoph von Westerstetten[5] wird 1612 zum Fürstbischof gewählt. Westerstetten ist trotz gegenteiligen Zusagen in der Wahlkapitulation entschlossen, das Collegium Willibaldinum wieder zu eröffnen und die Leitung den Jesuiten zu übertragen. Geschickt umgeht er den erwarteten Widerstand der Domherren, indem er die Jesuiten vorerst als Seelsorger, dann als Lehrer an die neueröffnete Schule holt. 1614 residieren und lehren sieben Jesuiten und der Superior im Willibaldinum.[6] Der Orden ernennt 1616 den bisherigen Superior zum Rektor und errichtet damit das Kolleg Eichstätt ordensrechtlich. Diese faktische Übergabe an den Orden und entsprechend vorbereitete Verträge werden allerdings vom Domkapitel jahrelang bekämpft, was schliesslich 1619 mit der Unterzeichnung des Fundationsvertrags zum Alleingang des Fürstbischofs führt. Die Tatsache, dass schon 1617 die Baupläne in Rom genehmigt werden und im gleichen Jahr die Grundsteinlegung der Kirche erfolgt, sind ein Hinweis auf den unbedingten Willen des Fürstbischofs, das widerspenstige Domkapitel zu übergehen und den Bestand des Kollegs zu sichern. Vom Papst erreicht er 1621 eine Bestätigung des Vertrags und 1623 von Kaiser Ferdinand II. einen Schutzbrief für das neue Jesuitenkolleg.

Das Jesuitenkolleg bis zur Ordensaufhebung 1773
1620 sind die Kirche, 1626 auch der lange Kollegflügel mit dem schräg abstehenden Gymnasiumsgebäude vollendet. Um diese Zeit hat sich die Zahl der immatrikulierten Studenten von 156 auf 250 erhöht. 1634 wird Eichstätt durch die schwedischen Truppen des Generals Bernhard von Weimar gebrandschatzt. Auch Kirche und Kolleg fallen dem Stadtbrand zum Opfer. Provisorisch kann schon 1636 der Unterricht wieder aufgenommen werden. Die Wiederherstellung aller Gebäude dauert aber bis 1672. Die Studentenzahlen bleiben in diesen Jahren entsprechend tief. Sie erreichen mit 350 Immatrikulierten in der Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Der Grossteil der Studenten stammt aus dem Gebiet des Hochstifts Eichstätt.
1773 wird der Jesuitenorden auf Betreiben der absolutistischen Herrscher Europas vom Papst aufgehoben. Zwar versucht Fürstbischof Raymund Anton Graf von Strasoldo, möglichst viele Jesuiten in Eichstätt zu behalten, das Domkapitel beharrt aber auf Auflösung der Ordensgemeinschaft. Der Fürstbischof stellt deshalb 1674 die Ex-Jesuiten vollumfänglich, nun als Weltpriester, in ihrer Lehrtätigkeit wieder ein.

Nach 1773
Das ehemalige Kolleg, jetzt wieder Willibaldinum genannt, wird unter fürstbischöflicher Leitung als Seminar weiterbetrieben, verliert dann mit dem Aussterben der Ex-Jesuiten zunehmend die Bedeutung und wird in den Wirren der europäischen Neuordnung am Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelöst. Es erfährt 1836/43 als Knabenseminar und Lyzeum eine Neubelebung. Das ehemalige Jesuitenkollegium und spätere Seminar wird damit zur Keimzelle der heutigen katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der wir auch die architektonisch hervorragenden Erweiterungen von Karljosef Schattner[7] verdanken. Zu ihnen gehört auch das 1981 eröffnete Alumnat am Westende des Kollegiums-Ostflügels.

Stadtgestalt und Jesuitenkolleg
Eichstätt ist eine Stadt auf mittelalterlichem Grundriss. Ihre von der Topografie beeinflusste Gestalt erreicht sie schon im 15. Jahrhundert. Der Verlauf der Altmühl und die umliegenden Höhen bestimmen die Ausdehnung und Struktur des Stadtraums. Dieser formt sich kreisförmig um den Dom und die Kollegiats-Pfarrkirche. Nach Norden, das Benediktinerinnenkloster St. Walburg umfassend, dehnt sich die Westenvorstadt aus. Sie folgt der Ausfallstrasse nach Weissenburg. Als westlicher Brückenkopf liegt, ausserhalb der Stadtmauern, die Spitalvorstadt am Weg zur Willibaldsburg. Jenseits des östlichen Stadttors liegt entlang der Ausfallstrasse nach Kipfenberg und Ingolstadt die Ostenvorstadt. Erst nach der Katastrophe des Dreissigjährigen Kriegs entstehen die das Stadtbild prägenden barocken Bauten, fast immer als rücksichtsvolle Eingriffe in die mittelalterliche Stadtstruktur. Man würde dies heute als Stadtreparatur bezeichnen. Strassenzüge und Plätze, die ganze erhaltene Bausubstanz und selbst die alten Grundstückgrenzen finden Beachtung. Das neue Bauen im historischen Kontext hat damit in Eichstätt schon früh Tradition. Der Diözesanbaumeister Karljosef Schattner knüpft in den 1980er Jahren an diese Tradition an. Seine vorbildlichen Werke bereichern das Stadtbild und setzen Massstäbe für die heutige Architektengeneration.
Eines der ersten grossen Bauvorhaben am Übergang zur Barockzeit ist die neue Kirche der Jesuiten mit dem Kollegbau und dem Gymnasium. Ihre Neubauten werden an die Stadtmauer beim Ostentor gelegt. Die Jesuitenkirche schliesst im Norden direkt an den Torturm an. Die Ostfassade des langen Kollegbaus ersetzt die Stadtmauer. Der Stadtgraben wird südlich des Ostentors aufgefüllt. Der heutige grosszügige Platz vor der Stadtfassade ist noch mit Gebäuden des Domkapitels belegt. Das schrägwestlich aus der Kollegarchitektur ragende ehemalige Kaisheimerhaus ist einziger noch bestehender Baukörper dieser Altbebauung. Dieses Stadthaus der Abtei Kaisheim wird 1564 für das Willibaldinum von Fürstabt Martin von Schaumberg erworben und 1625–1626 als letzte Bauetappe zum Gymnasium mit Aula umgebaut. Zu seinem heute verschwundenen Mittelportal führt damals eine Gasse. Sie ist links vom deswegen abgeschrägten Kollegiums-Westflügel und rechts von alten Kapitelhäusern begrenzt. Der Genehmigungsplan von 1624 zeigt diese Situation.[8] Erst 1765 wird mit dem Neubau der Domdechantei die heutige Platzsituation geschaffen.


Baugeschichte des Jesuitenkollegs

Der Genehmigungsplan 1624 von Baumeister Jakob Kurrer SJ
Einer der drei in der Bibliothèque nationale de France aufbewahrten Pläne des Kollegs Eichstätt betrifft den Kollegneubau, der 1624 in Rom genehmigt wird. Der Plan ist, im Gegensatz zu den Kirchenplänen von 1617, mit vorgängigen präzisen Umgebungsaufnahmen sehr professionell gezeichnet. Es ist ein Ausführungsplan mit allen notwendigen Details, wie Öfen oder Abortanlagen, gefertigt von einem Baumeister. Mit dem ausgeführten Bau stimmt er genau überein.[9] Verfasser des Plans kann nur der von Fürstbischof Johann Christoph von Westerstetten nach Eichstätt zurückgerufene Jesuitenbaumeister Jakob Kurrer sein. Kurrer trifft im Januar 1624 ein und bleibt bis Ende 1627. Er muss bei der Planung Rücksicht auf umgebende Bauten nehmen. Im Plan sind deshalb vor der Westfront von Kolleg und Kirche das bestehende Kaisheimer-Haus und die bestehenden Gebäude des Domkapitels mit dem grossen Biberbacher-Hof eingetragen. Heute befindet sich anstelle dieser dem Domkapitel gehörenden Häuser und Gärten der Leonrodplatz. Der damals geforderte Erhalt der Bauten des Domkapitels erklärt den Knick in der Kolleg-Westfassade.[10] Das Kaisheimer-Haus wird als Gymnasium ins Kolleg integriert. Auch der nicht genau rechtwinklige Anschluss des Ostflügels an die Kirche bedeutet eine Rücksichtnahme auf Bestehendes. Er folgt in der ersten Hälfte dem Verlauf der Stadtmauer. Der Pariser-Plan dürfte ein sorgfältig gezeichnetes Doppel des originalen Bauplans sein, denn schon am 9. April 1624 ist Grundsteinlegung und erst am 21. Dezember wird der Plan in Rom genehmigt.

Kollegiumsneubau 1624–1626
Der Westflügel
Kurrer beginnt mit dem zweigeschossigen West- und Eingangsflügel im rechten Winkel zur Kirche. Der Flügel ist für den Zugang zum Kaisheimer-Haus abgeknickt. Er ist ein Pfortenbau, betont durch das schlichte Ädikula-Portal des Haupteingangs. Im Gebälkfries des Portals ist, beidseits des Mittelschildes mit dem jesuitischen Christusmonogramm, in Versalien eine Inschrift mit der Widmung an Martin von Schaumberg und Christoph von Westerstetten zu lesen.[11] Darüber prunkt als Sprenggiebel-Auszug ein grosser Wappenstein mit drei Schilden. Vielleicht eine Zweitverwendung, gibt seine Wappenkombination Hochstift Eichstätt, Schaumberg und Westerstetten Rätsel auf.[12] Auch in den Zwickeln am Portalgewände des Nebeneingangs bei der Kirche sind die Wappen des Hochstifts Eichstätt und von Westerstetten zu sehen. Nur die Inschrift Collegium Willibaldinum und das Medaillon im gesprengten Giebel sind moderne Zutaten.

Der Ostflügel

Der Westflügel ist nach einem Jahr Bauzeit unter Dach. Im September 1625 kann das alte Kollegium, das entlang der Stadtmauer am Kirchturm anschliesst, abgebrochen werden, um an dieser Stelle mit dem Neubau des Ostflügels zu beginnen. In der ersten Hälfte folgt seine Ostfassade dem Verlauf der Stadtmauer. Der neue Flügel ist dreigeschossig, 100 Meter lang, und hat am Ende einen kurzen Querflügel von sechs Fensterachsen. Im Erdgeschoss befinden sich die Küche und das Refektorium, darüber ein weiterer Saal, Empfangsräume und die Zimmer der Jesuitenpatres. Zwei zweigeschossige, nur der Verbindung zum Westflügel dienende Querflügel flankieren den Innenhof, der im Erdgeschoss allseitig mit offenen Arkadengängen umgeben ist. 1626 sind auch diese Bauten beendet.

Das Gymnasium
Das neue Gymnasium wird im bestehenden, mächtigen Kaisheimerhaus eingerichtet, welches mit den Neubauten des Kollegs verbunden wird. Schon im Oktober 1625 ist feierliche Eröffnung. Das ehemalige Stadthaus des Klosters Kaisheim dürfte schon jetzt die zwei Schulgeschosse und darüber den eineinhalb Geschosse hohen Saal unter dem dreigeschossigen Steildach haben, wie es noch 1768 in einem Stich gezeigt wird. 

Wiederherstellung nach dem Stadtbrand
Nur acht Jahre nach der Fertigstellung aller Bauten des Jesuitenkollegs fällt der Komplex dem Stadtbrand von 1634 zum Opfer. Schon 1638 ist der Ostflügel, 1644 auch der restliche Teil wieder provisorisch hergerichtet und bewohnbar. Seit 1649 ist Br. Oswald Kaiser SJ bauleitend tätig und kann bis 1665 das Kollegium wieder im ursprünglichen Zustand herstellen. Einige Räume haben die Holzkassetten-Decken dieser über 30-jährigen Wiederherstellungsphase bewahrt.
Dem Stadtbrand fallen auch der Biberbacher-Domherrenhof und die weiteren Liegenschaften des Domkapitels westlich des Weges zum Gymnasium zum Opfer. Die Grundstücke werden im Tausch mit anderen erworben und ihre Gebäude zugunsten des Jesuitenplatzes, des heutigen Leonrodplatzes, abgebrochen.

«Neubau» 1772–1774
Ein Jahr vor der Aufhebung ihres Ordens beginnen die Jesuiten mit dem Bau einer Verlängerung des Kollegs nach Süden. Der domkapitularische Maurermeister Domenico Maria Sale[13] erstellt den 40 Meter langen Neubau, schliesst ihn aber um 30 Meter nach Osten versetzt an den kurzen südlichen Querflügel an. Der Neubau wird aus dem Vermögen des aufgehobenen Ordens fertiggestellt.

Veränderungen und Neubauten im 20. Jahrhundert
Erst nach Aufhebung des Jesuitenordens wird das Kolleg bischöfliches Seminar. Mit einem Unterbruch und anderen Nutzungen zwischen 1802 und 1854 dienen die Gebäude noch heute als Seminar. Vom ehemaligen Kolleg des 17. Jahrhunderts ist heute, nach mehrfachen inneren Umbauten und mit Ausnahme weniger Innenräume nur die Hülle erhalten. Besonders übel setzen die vielen Umbauten dem Gymnasiumsgebäude zu. Schon im 19. Jahrhundert verstümmelt und als Casino genutzt, ist selbst der grosse Kongregationssaal heute Teil eines Rechenzentrums der Diözese. 1930 wird der «Neubau» von 1774 nach Norden verlängert. Damit entsteht parallel zum alten Kolleg ein neuer Seminar-Ostflügel. Ein glücklicher Eingriff ist die 1981 von Karljosef Schattner gebaute Dreiflügelanlage, die das Südende des neuen Ostflügels fasst.

Pius Bieri 2017

 

Literatur

Suttner, Joseph Georg: Geschichte des bischöflichen Seminars in Eichstätt. Eichstätt 1859.

Braun, Joseph SJ: Die Kirchenbauten der deutschen Jesuiten. Freiburg 1910.

Mader, Felix: Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken, Band I, Stadt Eichstätt. München 1924.

Kommission für bayerische Landesgeschichte: Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Reihe I, Heft 6, München 1959.

Nising, Horst: «... unseren Zwecken aufs beste angepasst». Die Jesuitenkollegien der Süddeutschen Ordensprovinz im 16. bis 17. Jahrhundert und ihre Darstellung in fünf Bilderzyklen. München 2003.

Sauter, Marion: Die oberdeutschen Jesuitenkirchen 1550–1650, Petersberg 2004.

Grund, Claudia: Templum Honoris, zur Baugeschichte von Kirche und Kolleg der Jesuiten in Eichstätt, in: Die Schutzengelkirche und das ehemalige Jesuitenkolleg in Eichstätt, Regensburg 2011.

Hofmann, Siegfried: Programm und Inhalt der Deckengemälde in der Schutzengelkirche, in: Die Schutzengelkirche und das ehemalige Jesuitenkolleg in Eichstätt, Regensburg 2011.

Domschatz- und Diözesanmuseum Eichtätt (Hrsg.): Eichstätt – Stadtansichten des 15. bis 19. Jahrhunderts, Ausstellungskatalog 2013.


Anmerkungen:

[1] Johannes Eck (1486–1543), eigentlich Johannes Mayer aus Egg an der Günz. Er ist auch Domherr in Eichstätt. Das Eichstätter Domkapitel hat die päpstliche Verpflichtung, jeweils einen Theologie-Professor der Universität als Kanoniker aufzunehmen, der dann allerdings nur die Pfründe beziehen kann und keine weiteren Rechte hat.

[2] Petrus Canisius SJ (1521–1597) aus Nimwegen. Er gründet die Kollegien in Prag (1556), München (1559), Innsbruck (1562), Dillingen (1563), Tyrnau (1561), Würzburg (1567), Hall in Tirol (1569) und Fribourg (1582).

[3] Gleichzeitig mit der Eröffnung des Gymnasiums beziehen 18 Patres das «alte Kolleg», eine zugewiesene Wohnstätte, die erst 1576 durch einen Kollegneubau ersetzt wird, der jetzt durch eine Fundationsurkunde des Herzogs abgesichert ist.

[4] Martin von Schaumberg (1523–1590) aus Nassenfels, regiert 1560–1590 in Eichstätt. Er ist vor der Wahl auch Domherr in Augsburg, Bamberg und Würzburg, ausserdem Kanoniker von St. Burkhard in Würzburg.

[5] Johann Christoph von Westerstetten (1563–1637) aus Wasseralfingen, regiert 1612–1637 in Eichstätt. 1592-1602 ist er Domdekan in Eichstätt. 1602–1612 regiert er als Fürstpropst in Ellwangen. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[6] Superior ist Nikolaus Gall SJ (1577–1633). Er wird 1616 Rektor des neuen Kollegs. Das Gebäude des Willibaldinum ist vermutlich das frühere Kaisheimer Haus, das dann 1625–1626 zum Gymnasium und Konvikt mit Festsaal umgebaut wird. Heute: kirchliches Rechenzentrum Leonrodplatz 5. Siehe auch die Planung 1624.

[7] Karljosef Schattner (1924–2012) aus Gommern in Sachsen-Anhalt, 1957–1991 Leiter des Diözesanbauamtes Eichstätt. Seine Arbeiten sind von Carlo Scarpa (1906–1978) geprägt, der 1945–1978 in Venetien wirkt.

[8] Plan im Format (B x H) 62,5 x 38 cm. Die Genehmigungspläne des römischen Archivs kommen nach der Ordensaufhebung 1773 nach Paris. Der Plan ist in grosser Messgenauigkeit von einem erfahrenen Planer, wahrscheinlich Jakob Kurrer, gezeichnet.         >Zum Plan 1624.          >Zum Original in der Bibliothèque nationale de France.

[9] Ich habe den Plan von 1624 versuchsweise in den aktuellen offiziellen Parzellenplan kopiert. Abweichungen sind im Bereich der Neubauten nicht festzustellen.

[10] Es ist nicht das «winzige Häuschen», das die «unmotivierte Biegung» des Westflügels verursacht, wie dies Claudia Grund 2011 in der Baugeschichte des Kollegs beschreibt. Ein Blick auf den Bauplan zeigt, dass die 1624 noch bestehende Überbauung mit den beiden «domi capituli» (dem grossen Biberbacher-Hof und dem an das Kaisheimerhaus angebaute kleinere Gebäude) zwar die Richtung des Zugangsweges zum Mittelportal am Gymnasium (dem umgebauten Kaisheimer-Haus) bestimmen. Hätte Kurrer aber die Kolleg-Westfassade in einer Geraden fortgesetzt, wäre die Nordfassade des Kaisheimerhauses völlig vom Kolleg verdeckt worden, ein Mittelzugang damit unmöglich. Die Autorin bezeichnet das «störende winzige Häuschen» als Levitenhöflein, es wäre damit das direkt vor dem Kaisheimerhaus liegende Domkapitel-Gebäude. Das «Levitenhöflein» ist jedoch nach Suttner (1859) «hinter» dem Kaisheimerhaus zu suchen. Nach ihm soll es die gerade Richtung der Korridore des Ostflügels verhindert haben. Auch diese Interpretation wird im Plan von 1624 widerlegt. Der Knick entsteht nur durch die Anpassung an die Gymnasiums-Südfassade. Der Chronist Suttner kann allerdings den Pariser-Plan von 1624 noch nicht kennen und muss sich auf nicht immer klare schriftliche Quellen verlassen.

[11] Die Inschrift über dem Hauptportal lautet:
COLLEGIVM∙ S∙WILLIBALDI∙QUOD∙MARTIN∙A∙SCHAVMBERG∙EPISCOPVS∙AICHSTADIANVS∙ANNO∙M∙D∙LXII∙CAEPIT
IOAN∙CHRISTOPHOR∙A∙WESTERSTETTE∙EP¯VS∙A∙FVNDAMENTIS∙EREXIT∙ET∙SOCIET∙IESV∙ATTRIBUVIT∙ANNO∙M∙DC XXVI
(CAEPIT sollte COEPIT heissen, dann sinngemäss: Martin von Schaumberg beginnt mit dem Willibaldinum 1562 /Johann Christoph von Westerstetten baut es von Grund auf neu und übergibt es 1626 der Gesellschaft Jesu)

[12] Die üppigen Akanthus-Helmdecken korrespondieren nicht mit dem einfachen Knorpelwerk der Wappenschilde in Kirche und Kolleg. Aufgrund des Westerstetten-Wappens ist die Bearbeitung zwar 1620/26 anzusetzen, könnte aber eine Überarbeitung einer Platte der Schaumbergzeit (Mitte des 17. Jahrhunderts) sein. Sie zeigt oben das Wappenschild des Hochstifts, in Rot eine silberne Krümme. Die untenliegenden Wappen sind beide geteilt, unten blau, oben von Silber und Rot gespalten. Kein Wunder, dass Felix Mader 1924 glaubt, beides seien Schaumberg-Wappen. Dies trifft auf das untere Wappen mit dem Mannes-oder Heidenrumpf als Helmzier zu. Das Wappen Westerstetten hat hingegen einen roten Flug als Helmzier. Die Helmdecken sind leider nicht in den Wappenfarben Silber-Rot-Blau bemalt. Eine sachkundige Restaurierung wäre nötig.

[13] Domenico Maria Sale (1727–1808) aus Roveredo. Palier von Giovanni Domenico Barbieri und Landbaumeister unter Maurizio Pedetti.

 

 

 

 

 

 


  Ehemaliges Jesuitenkolleg Eichstätt  
  EichstaettKoll1  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Eichstätt
Bayern D
Fürstbistum Eichstätt
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Eichstätt   1624
Bauherr und Bauträger
Westerstetten  Fürstbischof Johann Christoph von
      Westerstetten (reg. 1612–1637)
      Fürstbischof Marquard II. Schenk von
      Castell (reg. 1637–1685)
      Fürstbischof Johann Anton II. von
      Freyberg-Hopferau (reg. 1736–1757)
 
  Gesamtansicht des ehemaligen Jesuitenkollegs und heutigen Priesterseminars, aufgenommen vom gegenüberliegenden Hang. Foto: WaldiWulff 2013 in Wikipedia.   pdf  
   
EichstaettKollA2
Westfront von Kirche und Kolleg (heute Seminar). Foto: Tilman2007 in Wikipedia.  
   
Eichstaett1814
Plan von Eichstätt in der barocken Stadtgestalt, wie sie sich 1814 zeigt. Hervorgehoben (1) ist die Schutzengelkirche und das Jesuitenkolleg am südöstlichen Stadtrand. Siehe dazu den Text «Stadtgestalt und Jesuitenkolleg». Für die Planlegende und Vergrösserung bitte anklicken.  
Eichstaett1814Ausschnitt
Etappenplan des ehemaligen Jesuitenkollegs und der Schutzengelkirche mit den modernen Ergänzungen des Seminars.  
EichstaettKoll1624
Bauplan von 1624 für den Neubau des Kollegs, von Baumeister Jakob Kurrer als Genehmigungsplan gezeichnet. Er ist sehr detailgenau und vor allem in Geometrie und Ausmass mit den heutigen Gebäuden völlig übereinstimmend. Man vergleiche dazu die GoogleEarth-Aufnahme im nachfolgenden Bild. Die im Plan eingetragenen Bauten westlich des Zuganges zum bestehenden Mittelportal des Gymnasiums erklären den abgeschrägten Kolleg-Westflügel. Grund des noch heute feststellbaren Knicks am Südende des 100 Meter langen Kolleg-Gangs ist die Freihaltung der bestehenden Gymnasiums-Südfassade. Am Gymnasium, dem alten Kaisheimer-Haus, ist westlich ein Sacellum angebaut. Es ist wahrscheinlich die alte Jakobskapelle des Domkapitels , die später einer freistehenden Kapelle (im Stich von 1768 unten zu sehen) weicht.
Quelle:
Bibliothèque nationale de France, Paris.
 
EichstaettKollGoogle
Ausschnitt aus der Google Earth Aufnahme des Geländes im gleichen Massstab, zum Vergleich mit dem Plan von 1624.  
Eichstaett1766
Johann Michael Franz (1715–1793) und Maurizio Pedetti (1719–1799) stellen 1766 die «Residenz Statt Eychstaett» in einer Vedute aus Nordosten dar. Leicht überhöht, aber äusserst präzis sind alle wichtigen Gebäude der Stadt dargestellt. Ihre Bezeichnung und Bedeutung kann in der Planlegende (oben) erfasst werden. Im Vordergrund liegen die Gebäude der Ostenvorstadt mit dem Domherrenhof Speth, dem Kapuzinerkloster, dem Waisenhaus und der Sommerresidenz. Noch vor den Stadtmauern liegt das Kloster Notre Dame. Am linken Stadtrand ist das im obigen Ausschnitt erfasste Jesuitenkolleg mit der Schutzengelkirche zu sehen. Gut sichtbar ist auch das heute verschwundene Ostentor am Chor der Kirche.
Quelle: Gemälde in Schloss Hirschberg, hier als Scan aus Ausstellungskatalog 2013.
 
EichstaettKoll1673
«Sub triplici Scuto» Unter dreifachem (Schutz-) Schild ist das Kolleg und die Kirche von Eichstätt 1673 als Vogelschau-Ansicht aus Osten dargestellt. Die Schilde zeigen in der Mitte das Jesuitensignet, links das Wappen Johann Christoph von Westerstetten und rechts das Wappen Marquard II. Schenk von Castell. Die Erläuterungen verweisen auf die Baugeschichte und die Bezüge zu den beiden Fürstbischöfen. Der Stich erscheint als Beilage zur Festschrift «Rationale Aaronicum» zum Abschluss der Wiederherstellungsarbeiten nach dem Dreissigjährigen Krieg. Verleger ist Zinck in Ingolstadt.  
EichstaettKollA3
Das Hauptportal an der Westfassade ist eine schlichte Ädikula. Im Gebälkfries ist, beidseits des Mittelschildes mit dem jesuitischen Christusmonogramm, in Versalien eine lateinische Inschrift zu lesen. Sie lautet sinngemäss: Martin von Schaumberg beginnt mit dem Willibaldinum 1562 / Johann Christoph von Westerstetten baut es von Grund auf neu und übergibt es 1626 der Gesellschaft Jesu. Darüber prunkt als Sprenggiebel-Auszug ein grosser Wappenstein mit drei Schilden mit zeituntypischen üppigen Akanthus-Helmdecken. Unter dem Wappenschild des Hochstifts Eichstätts sind die   Schilde Schaumberg und Westerstetten angebracht.  
EichstaettKollA4
In den Zwickeln am Portalgewände des Nebeneingangs bei der Kirche sind die Wappen Hochstift Eichstätt und Westerstetten zu sehen. Die Inschrift Collegium Willibaldinum und das Medaillon im gesprengten Giebel sind moderne Zutaten.  
EichstaettKoll1768
Auf einer Aufnahmeurkunde der Marianischen Kongregation von 1768 sind Kirche, Kolleg und Gymnasium in einer Westansicht unter dem Signet des Jesuitenordens dargestellt. Dem Gymnasiumsgebäude mit Mittelportal und Kongregationssaal im Obergeschoss wird später übel mitgespielt. 1819 wird der «Betsaal» zum Theater der Casinogesellschaft umgebaut. Heute ist das Gebäude, aussen mit verschwundenem Mittelportal und innen vollkommen modernisiert, Rechenzentrum des Bistums. Dargestellt ist auch die nach 1803 verschwundene barocke St. Jakobskapelle, welche damals im Garten der Domdechantei liegt und vom Jesuitenplatz zugänglich ist.
Quelle: Stich von Klauber in Augsburg nach Zeichnung von Johann Michael Franz.
 
EichstaettKollA5
Das ehemalige Kaisheimerhaus und spätere Jesuitengymnasium im heutigen Zustand. Im Vordergrund der 1905 zu Ehren der Wittelsbacher Herrscherdynastie errichtete Brunnen. Foto: WaldiWulff 2012 in Wikipedia.  
EichstaettKollegA6
Ostansicht des heutigen Seminars mit der 1772 begonnenen Erweiterung nach Süden (links) und dem neuen Ostflügel von 1930, der den alten Ostflügel von 1624 verdeckt. Foto: WaldiWulff 2014 in Wikipedia.  
EichstaettKollegA7
Der Winkelbau der Erweiterung von 1772 aus Süden gesehen, mit dem Seminarneubau von Karljosef Schattner rechts im Bild. Foto: WaldiWulff 2013 in Wikipedia.  
EichstaettKollegA8
Stimmungsbild der Gebäudegruppe des heutigen Seminars mit dem Neubau (1981) von Karljosef Schattner, gesehen von der Altmühl bei der Einmündung des nur noch in seinem südlichsten Teil nicht kanalisierten Buchtalbaches (vergleiche seinen Verlauf auf dem Bauplan von 1624 oben ). Foto: WaldiWulff 2013 in Wikipedia.