zur «rollenden» Planung von Bruchsal
Bischof und Bischofsstadt als Rivalen
Speyer ist seit dem 5. Jahrhundert Bischofssitz. Um 1025 legt der Salierkönig Konrad II. den Grundstein zur grossen Bischofskirche, der als Kaiserdom zur Grablege deutscher Könige und Kaiser wird. Die Handwerker- und Kaufleutesiedlung westlich der Domkirche und der Bischofspfalz löst sich im Spätmittelalter von der geistlichen Herrschaft. Speyer wird 1294 freie Reichsstadt. Die Kleinkriege zwischen dem adeligen Domkapitel und den Stadtbürgern verstärken sich, als 1540 die Stadt zur Reformation übertritt. Mit dem 1610 erfolgten Beitritt zur Protestantischen Union entsteht offene Feindschaft. Der Speyrer Fürstbischof, wichtiger Vertreter der als Reaktion gegründeten Katholischen Liga, baut jetzt die Residenz Udenheim zur neuen Festung Philippsburg aus. Die Weichen zum Dreissigjährigen Krieg sind damit schon gestellt. Das Fürstbistum verliert in diesem grausamen Krieg zwei Drittel der Bevölkerung, im noch härter betroffenen Oberamt Germersheim leben vor dem Krieg 3559 Einwohner, 1648 noch deren 601.[1] Aber erst mit den Vernichtungsfeldzügen der Truppen des französischen Sonnenkönigs, der mit dem System der «Verbrannten Erde» die deutschen Städte am Oberrhein und in der Pfalz zerstört, wird auch die Reichsstadt Speyer 1689 niedergebrannt.[2] Die Bewohner haben ihr Mobiliar in Erwartung der Brandschatzung im vermeintlich sicheren Kaiserdom gelagert. Als die Franzosen auch an dieses Lager Feuer legen, stürzt die westliche Hälfte des Domes unter der Brandlast ein und ist bis 1778 Ruine.[3] Der östliche Teil bleibt Bischofskirche.[4] Bischofsresidenz ist Speyer zu dieser Zeit nicht mehr, denn das Fürstbistum wird nach 1610 in Personalunion mit Trier oder Mainz regiert. Seit 1676 ist Generalvikar Heinrich Hartard von Rollingen Statthalter des Kurfürsten von Trier in Speyer. Er wird 1711, schon 77-jährig, selbst Fürstbischof von Speyer. Nach hundert Jahren wäre Speyer damit wieder Residenzstadt, aber Rollingen wechselt in das ebenfalls völlig zerstörte Bruchsal, wo er in einem wiederaufgebauten Familiensitz residiert. Der Grund ist die kompromisslose, angesichts der zerstörten Stadt unverständliche Haltung der Bürger von Speyer, am alten Ort beim Dom nie mehr eine Residenz zuzulassen. 1716 greifen sie gar in Missachtung der Immunität zu einer kriegsmässigen Belagerung des im Wiederaufbau befindlichen geistlichen Bezirkes. Das zerrüttete Verhältnis der freien Reichsstadt Speyer zum Fürstbischof bleibt bis zum Ende des alten Reiches bestehen. Wirtschaftlich schadet dies der Stadt. Ihre Einwohnerzahl vor dem Dreissigjährigen Krieg erreicht sie erst um 1820 wieder.
Baukonzept und Planung 1720–1721
1716 wird ein Neffe des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn, der Kardinal und Reichsgraf Damian Hugo von Schönborn (1676–1743) zum Koadjutor mit Recht auf Nachfolge des Fürstbischofs von Speyer gewählt. 1719 kann er die Nachfolge antreten. «Ich habe nun den ort ausgelesen, wohe meine residentz hinkommen solle, ich habe mein tag kein schönere situation von allem gesehen, es ist zu Bruchsal, ein statt, viel grösser als Aschaffenburg, rechdt schön wieder gebauet», schreibt er im März 1720 an seinen Bruder Franz Erwein. Hier in Bruchsal will er nördlich der Stadtmauer, an der Ausfallstrasse nach Speyer auf freiem Gelände bauen. Seinen Onkel Lothar Franz bittet er, ihm für die Planung den Oberstleutnant Maximilian von Welsch zu überlassen.[5] Welsch stellt seinen Entwurf im September 1720 in der Favorite von Mainz dem Kurfürsten vor, der sich sehr beeindruckt zeigt. Dass Lothar Franz auch seinen Lieblingsneffen, den in Wien residierenden Reichsvizekanzler Friedrich Carl Reichsgraf von Schönborn in die Planung von Bruchsal einweiht und von ihm eine Zweitmeinung einholt, kann aufgrund des Planfundes von 2010 in der Nationalbibliothek Wien als sicher gelten.[6] Diese erste Planung ist in den Gebäudegruppen um den Ehrenhof, mit Ausnahme des Corps de Logis, identisch mit der Ausführung. Welsch legt rechtwinklig zu einer neuen Strassenachse, die vom alten Stadttor nach Nord-Ost führt, in 1000 Fuss Entfernung die Residenzachse.[7] Vier Pavillons und vier Längsbauten fassen die Strasse auf 660 Fuss Länge und markieren das Achsenkreuz. In der Residenzachse schliesst der Ehrenhof an. Ihn flankieren zwei Flügelbauten von 200 Fuss Länge. Hinter dem Corps de Logis liegt der Garten in einer Breite von 660 Fuss. Die Masse der Anlagen im Plan von Maximilian von Welsch lassen sich noch heute an Ort überprüfen.[8]
Erste Bauten 1722–1726 mit Johann Georg Seitz und Johann Michael Ludwig Rohrer
Nach diesem Konzept von Welsch wird 1722 der sogenannte Kammerflügel als nördlicher oder rechter freistehender Abschluss des Ehrenhofes begonnen. Damian Hugo von Schönborn hat in der Zwischenzeit Erfolg in der Suche eines ausführenden Architekten. Für die Ausführungsplanung und die Leitung aller Bauten im Hochstift kann er 1721 den Werkmeister Johann Georg Seitz von seinem Bruder in Wiesentheid «ausleihen».[9] 1723, inzwischen ist der Kammerflügel gedeckt und die Marstallbauten mit den Ehrenhof-Pavillons entlang der Strasse sind gebaut, muss Werkmeister Seitz nach zwei Jahren Tätigkeit wieder nach Wiesentheid zurückkehren. Damian Hugo kämpft lange mit seinem Bruder um Seitz. Er bedauert, dass dieser auf die Reputation als Baumeister einer solchen Residenz verzichten muss, kann dann aber im Juni 1723 den Hofbaumeister der Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden, Johann Michael Ludwig Rohrer aus Rastatt, als Nachfolger für 450 Gulden Jahresgehalt einstellen.[10] Das Gehalt ist 150 Gulden höher als dasjenige des Werkmeisters Seitz, was angesichts der Reputation Rohrers nicht erstaunt und im Gegenteil die Wertschätzung des Werkmeisters Seitz zeigt.[11] Rohrer erstellt 1724 die fehlenden Risse für den Kirchenflügel, sorgt für den Ausbau des Kammerflügels, baut die Orangerien und das Damianstor und erstellt die ersten Planungen des Corps de Logis. 1725 ist der Kirchenflügel unter Dach und der Kammerflügel kann bezogen werden. Gleichzeitig plant und leitet Rohrer die weiteren Ökonomiebauten, des Seminar und das Landhospital und beginnt auch mit dem Hauptbau, dem sogenannten Corps de Logis. Die Arbeit Rohrers der Jahre 1724 bis 1727 kann deshalb gut gewürdigt werden, weil 1728 ein minutiöses Verzeichnis der 717 Dokumente seines Zeichnungs- und Entwurfsnachlasses erstellt wird.[12] Allein für die Kirche sind hier 63 Pläne und zusätzliche Altarentwürfe aufgelistet. 13 «Bretter» oder Reissbrett-Aufrisse, die meisten im Baubüro Rohrer gezeichnet, betreffen das Corps de Logis, wie der Hauptbau bezeichnet wird. Erstaunlich, dass Baumeister Rohrer trotz dieses planerischen Leistungsausweises nur als untergeordneter Bauleiter von Mainzer Hof-Kavaliersarchitekten in die heutige Kunstgeschichtsschreibung Bruchsals eingeht.[13]
Die Planungen für das Corps de Logis
Siehe auch:
Bruchsal als rollende Planung
Ein Bauplan von 1725, gezeichnet von Johann Michael Rohrer, zeigt den mittleren Hauptbau, das Corps de Logis, als vierflügeligen rechtwinkligen Baublock.[14] Ein Quertrakt mit ovalem mittlerem Treppenhaus bildet zwei Lichthöfe und stösst als Mittelrisalit an beiden Fassaden vor. Der «Pommersfelder Grundriss» der ersten Mainzer Planung Maximilians von Welsch ist damit spätestens 1725 dem heutigen Konzept gewichen. Zwar ist Welsch noch immer beratend an den Planungen beteiligt und vielleicht sogar auch Urheber des neuen kompakten Grundrisskonzeptes, ebenso könnte es aber auch von seinem jungen Angestellten, dem kurmainzischen Hofkavalierarchitekten Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn stammen.[15] Erste Planungen für das Corps de Logis nach Entwürfen des Freiherrn von Ritter, kaum abweichend vom Grundriss Rohrer-Welsch, entstehen noch 1725.[16] Die 13 Reissbretter-Pläne des Corps de Logis, die nach dem Weggang Rohrers gesichtet werden, lassen vermuten, dass Freiherr von Ritter seine Ideen einbringt, aber die Ausführungspläne zeichnen lässt. Diese werden zudem vom intensiv mitplanenden Bauherrn laufend verändert. Als Freiherr von Ritter im Sommer 1726 nach Bruchsal kommt, findet er ein vom Fürstbischof Damian Hugo zusätzlich unter die Beletage eingefügtes und schon gebautes Mezzaningeschoss vor. Die ursprüngliche eher ländlich wirkende barocke Fassade wird damit plötzlich fürstlich repräsentativ, bedingt aber eine neue Treppenlösung. An ihr scheitert Freiherr von Ritter und zieht sich aus der Planung Bruchsal zurück. Baumeister Rohrer findet im gleichen Jahr die Ungnade des Bauherrn. Damian Hugo schreibt an Kurfürst Lothar Franz, dass etliche sehr böse und gefährliche Dinge passiert seien und er nun jeden Tag selbst auf der Baustelle zum Rechten schauen müsse. Diesen Albtraum eines jeden Bauleiters hält offensichtlich auch Rohrer nicht aus. 1727 ist er bei Baubeginn im Frühjahr krank und wird deshalb im September entlassen. Die Arbeiten auf der Baustelle, vor allem die Ausstattung der Hofkirche, werden nach den Plänen Rohrers weitergeführt. Das Corps de Logis kommt 1728 unter Dach, im Mitteloval klafft allerdings anstelle der Treppe ein grosses Loch. Nach dem Ausscheiden der beiden Planer Rohrer und Freiherr von Ritter ruht die Treppenhausplanung. Die Leitung der Bauarbeiten obliegt jetzt Johann Georg Stahl.[17] Er ist seit Baubeginn verantwortlicher Palier für die Zimmermannsarbeiten und wirkt nun als Werkmeister in gleicher Funktion wie Seitz und Rohrer für das Bauwesen im ganzen Hochstift. Für die Treppe im Mitteloval erreicht der Bauherr 1728 die Mitarbeit des Würzburger Oberstwachtmeisters Balthasar Neumann.[18] Obwohl 1729 der Bruder des Bruchsaler Bauherrn Fürstbischof von Würzburg und damit Vorgesetzter des nun zum Oberstleutnant beförderten Balthasar Neumann wird, kann dieser erst im Januar 1731 nach Bruchsal kommen. Neumann plant bis zu seiner Rückkehr im März die einmalige Treppenschöpfung. Er beweist in Bruchsal ein erstes Mal, dass er vor allem unter sehr schwierigen Vorgaben architektonische Höchstleistungen erreicht. Der grosse Baumeister ist nun bis 1753, immer in Zusammenarbeit mit den Werkmeistern Stahl, als künstlerischer Berater Planer weiterer Bauten der Residenz tätig.[19]
Mehr zur Treppe von Bruchsal in: «Das repräsentative Treppenhaus im süddeutschen Barock».
Cosmas Damian Asam in der Hofkirche
Im Sommer 1726 kann Damian Hugo von Schönborn in den Kammerflügel, einem Werk von Johann Georg Seitz, einziehen. Er wird hier bis zum Bezug der Beletage im Corps de Logis 1730 wohnen. Der dem Kammerflügel gegenüberliegende Kirchenflügel ist unter Baumeister Johann Michael Rohrer bis 1725, in grosser Schnelligkeit und mit einem ungeduldigen Bauherrn im Rücken, soweit fertiggestellt worden, dass im gleichen Jahr schon provisorische Altäre eingerichtet werden können. Auf massive Gewölbe ist dabei verzichtet worden.[20] Im Gegensatz zu seinem Onkel in Mainz und vor allem zu seinem Bruder in Wien scheint Damian Hugo keine direkten Beziehungen zu gestaltenden Künstlern zu haben und ist in der Wahl sehr unsicher, scheut auch grosse Ausgaben. Zwar hat er für die Bildhauerarbeiten im Hochstift schon früh Johann Valentin Götz als Hofbildhauer verpflichtet.[21] Alle Bildhauerarbeiten der Hofkirche stammen von diesem Meister. Anfänglich beschäftigt Damian Hugo auf Empfehlung des Abbés Bonporti italienische Maler und Stuckateure.[22] Der Tridentiner Maler und Freskant Antonio Gresta stirbt aber 1727 und hinterlässt unvollendete Deckenfresken im Chor.[23] Die im nahen Rastatt residierende Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden hilft ihrem Freund Schönborn, wie schon mit ihrem Baumeister Rohrer, auch jetzt mit Empfehlungen für die Künstler. Nachdem sie ihm schon den Rastatter Stuckmarmorplastiker, den «Marbolierer» Matthäus Brückner, für die Altäre vermittelt hat, kommen nach dem unerwarteten Tod des Italieners Gresta die Brüder Asam nach Bruchsal. Die Markgräfin kennt die Brüder Egid Quirin und Cosmas Damian Asam aus ihrem siebenten Besuch 1727 in Maria-Einsiedeln, wo die Asams soeben die Stiftskirche stuckiert und freskiert haben. Im Mai 1728 besuchen beide Bruchsal. Im Juni wird der Akkord von 5000 Gulden für die Fresken vereinbart und Cosmas Damian Asam beginnt mit der Arbeit. Ende September hat er das Langhaus freskiert, allerdings nicht mit der vereinbarten Architekturmalerei in den Randzonen, sondern mit «stucco finto», was Damian Hugo nicht goutiert. Asam glaube, es sei ihm alles erlaubt, aber mit ihm könne dieser nicht wie mit einem Bauern verkehren, schreibt er nach der Besichtigung der Arbeit an die Hofkammer. Als aber Schönborn im Oktober 1729 die Arbeit der Kuppel und des Chores abnimmt, scheint er mit dem Werk zufrieden zu sein. Er lässt für Asam einen Rehbock schiessen. Die weitere Fertigstellung der Hofkirche, vor allem die Vergolder- und Fassungsarbeiten bleiben bis 1737 unterbrochen. Wieder einmal hat Schönborn 1732 auf einen grossen Meister, den Wangener Judas Thaddäus Sichelbein, wegen vermeintlich zu hohen Forderungen verzichtet. Erst 1737 findet er, sicher unter Vermittlung des Bruders Friedrich Carl, in der Person des Paters Coelestin Schwab aus der Benediktinerabtei im bambergischen Obertheres einen Meister, der nicht nur malt und vergoldet, sondern auch die Leitung der Fertigstellungsarbeiten übernimmt und gleichzeitig geschätzter künstlerischer Berater ist.[24] 1739 ist die Hofkirche völlig fertiggestellt. Über ihre reiche Ausstattung und die Fresken von Cosmas Damian Asam sind wir durch viele gute, auch farbige Fotoaufnahmen dokumentiert. Seit der Bombardierung 1945 ist an Ort nichts mehr erhalten.
Die künstlerische Ausstattung des Corps de Logis
Die lange fehlende Haupttreppe ist 1732 nach dem Plan von Balthasar Neumann fertig, auch die letzten Bildhauerarbeiten an den Fassaden des Corps der Logis sind jetzt vollendet. Für die «Illuminierung» der Fassaden und die Architekturmalereien im Innern stellt Damian Hugo von Schönborn im Juli 1732 den vorher für Lothar Franz arbeitenden Giovanni Francesco Marchini ein.[25] Der Bauherr zeigt mit diesem Schritt, dass er die Architekturmalerei der Fassaden als ebenso wichtig wie die inneren Fresken betrachtet. Illuminierung ist für ihn, ähnlich einer illuminierten Handschrift, die vom Maler zu vollendende und farbige Fassadenarchitektur. Schon 1726 sind die Grundtöne, ein Rot für die Hausteine der Pilaster und Gewände, Grau und Weiss für die Flächen und Gelb für die kleinen Felder, von Schönborn vorgegeben.[26] Marchini vervollständigt alle Fassaden, beginnend mit den Orangeriegebäuden, mit architektonischen und allegorischen Motiven in Grisailletechnik. Im Corps de Logis freskiert er die Eingangshalle, die anschliessende Grotte unter der von Neumann ins Treppenhaus eingefügten Plattform und die Sala Terrena. Dies Malereien sind rekonstruiert noch erhalten. Zerstört sind seit 1945 aber die Deckenfresken, die Marchini 1736 im Musiksaal des Kammerflügels anbringt. Es sind die letzten von ihm bekannten Werke. Als angestellter Hofmaler hat er in den Jahren von 1732 bis 1736 ein Jahresgehalt von 700 Gulden bezogen.[27]
Als Damian Hugo von Schönborn 1743 stirbt, ist das Corps de Logis vollendet. Von der Ausstattung des Treppensaales und der repräsentativen Festräume mit Stuck und vielleicht auch mit Fresken sind nur Namen der Künstler überliefert, denn der nachfolgende Fürstbischof von Speyer, Franz Christoph von Hutten (1706–1770) lässt diese Räume umgestalten. Vorerst stellt der neue Fürstbischof die Peterskirche in Bruchsal fertig.[28] Die Grabkirche der Fürstbischöfe, noch von Damian Hugo von Schönborn begonnen, ist ein Werk Balthasar Neumanns. Der Würzburger Baumeister, inzwischen Oberst, ist für die Bauten und Umbauten in Bruchsal nun auch Vertrauensarchitekt Huttens, wobei die Ausführung und Leitung der Arbeiten weiterhin durch die beiden Stahl, jetzt vermehrt durch den Sohn Leonhard, wahrgenommen wird. Als erstes wird in der Residenz der Fürstensaal, der «Vordere Saal» über der Eingangshalle, umgebaut. 1751 erhält der schwäbische Maler Johann Zick, der 1750 die Fresken der Sala Terrena in der Würzburger Residenz vollendet hat, den Auftrag für das grosse Deckenfresko im Fürstensaal mit dem Thema der guten Herrschaft über das Hochstift Speyer.[29] Trotz den Konkurrenzentwürfen von Giuseppe Appiani und Gottfried Bernhard Göz kann sich Zick mit der Empfehlung Neumanns durchsetzen. 1752 folgt der Auftrag für das grosse Kuppelfresko über den «Haupt-Stiegen» mit dem Thema der Geschichte des Hochstifts Speyer. Erst nach der Fertigstellung der Stuckaturen folgt 1754 das Deckenfresko im Grossen Gartensaal, der heute Marmorsaal genannt wird. Das Thema ist hier die ewig fortdauernde Beständigkeit des Hochstifts Speyer. Gleichzeitig mit diesen drei Hauptfresken erstellen Vater und Sohn Zick Deckengemälde, Supraportenbilder und Leinwandgemälde in den angrenzenden Räumen der Beletage. Alle Arbeiten sind seit 1945 zerstört, nur die drei grossen Deckenfresken sind als Rekonstruktionen wieder hergestellt worden.[30]
Als Stuckateur für die Neugestaltung der Repräsentationsräume verpflichtet 1752 Fürstbischof von Hutten den Wessobrunner Johann Michael Feichtmayr.[31] Wessobrunner sind schon vorher in den von Balthasar Neumann aufgestockten Verbindungsflügeln tätig, so wird Tassilo Zöpf erwähnt.[32] Ein erster Akkord mit Feichtmayr für das Treppenhaus lautet auf 2200 Gulden, Zick erhält für das Kuppelfresko 3000 Gulden. Schon für Grossen Gartensaal ist das Verhältnis umgekehrt. Hier wird mit Feichtmayr 5500 Gulden und mit Zick 2200 Gulden vereinbart. Die umfangreichen Stuckmarmorarbeiten im Grossen Gartensaal, der deswegen heute Marmorsaal genannt wird, erklären diese Differenz. Feichtmayr stuckiert noch bis 1756 im Corps de Logis und ist auch Schöpfer der Giebelstuckaturen an den Aussenfassaden der Mittelrisalite. Seine Arbeiten in Bruchsal werden 1945 zerstört und ab 1960 mindestens in den Haupträumen vollständig rekonstruiert.
Residenzgarten
Kardinal und Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn legt ab 1723 einen Barockgarten mit einer Hauptallee in der Achse des Corps de Logis an. 1728 verlängert er den Garten um mehr als das Doppelte und markiert die neue Querachse mit vier pavillonartigen Wohnhäusern des Baumeisters Rohrer, der auch nordwestlichen Abschluss zur Rheinebene mit dem Ovalhof der Dragonerkaserne erstellt. Der in der südöstlichen Hälfte erhöhte klassische Barockgarten mit Broderieparterres und Wasserspielen weicht nach 1770 einer einfacheren und unterhaltsärmeren englischen Gartengestaltung. Der heute noch vorhandene südöstliche Residenzgarten kommt in die Nähe dieser letzten Umgestaltung des 18. Jahrhunderts.[33]
Säkularisation, 19. Jahrhundert und frühe Denkmalpflege
1803 wird das Hochstift Speyer säkularisiert und fällt an den Markgrafen von Baden. Dem letzten Fürstbischof wird im Nordflügel des Corps de Logis der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz noch Wohnrecht eingeräumt, der Südteil wird bis 1832 Sitz der verwitweten Markgräfin Amalie. Eine Militärnutzung folgt. Mit viel Glück entgehen die Kernbauten der Anlage rücksichtslos geplanten Umbauten. Einen Verlust stellen die 1885 teils abgebrannten, teils abgebrochenen, für das Ensemble wichtigen Marstallgebäude dar. Inzwischen ist aber das Verständnis für Rokoko und Barock wieder zurückgekehrt und mit grossem Aufwand wird die Residenz von 1900 bis 1909 in einer fast den heutigen Denkmalpflegeforderungen entsprechenden Restaurierung unter der Leitung von Fritz Hirsch unterzogen.[34] Dem Pionier der staatlichen Denkmalpflege verdanken wir auch eine Abschlussdokumentation mit grossformatigen Farbdrucken, Lichtdrucken und Fotolithografien. Auf der Arbeit von Fritz Hirsch erarbeitet Hans Rott 1913 seine bis heute nicht übertroffene Baugeschichte der Residenz.[35]
Zerstörung und Wiederaufbau
Am 1. März 1945 fallen die Residenz und die Stadt Bruchsal einem durch ein Flächenbombardement ausgelösten Feuersturm zum Opfer. Auch die Residenz brennt vollständig aus. Da massive Gewölbe über Kirche und der Beletage des Corps de Logis fehlen, stehen nach dem Feuersturm nur noch die Aussenmauern. Die Beletage mit ihrer Rokokoausstattung existiert nicht mehr. Die Wiederherstellungsarbeiten beginnen 1947 am Kammerflügel. 1953–1956 wird das Corps de Logis im Rohbau erstellt. Der Hofkirchenflügel, der im Gegensatz zum Corps de Logis kein Notdach erhalten hat, muss 1959 abgebrochen werden. Er wird nur in der Gebäudehülle rekonstruiert.[36] Bis 1977 sind alle Hauptbauten im Äussern entsprechend den wiederentdeckten Malereibefunden restauriert. Mit einem unglaublichen Aufwand und unter Einbezug der besten Kräfte werden dagegen die Haupträume des Corps de Logis bis 1991 originalgetreu rekonstruiert. Der heutige Besucher der Residenz Bruchsal kann ein vollendetes barockes Ensemble geniessen, das in dieser Perfektion allen Beteiligten des Wiederaufbaus grosse Ehre macht.
Pius Bieri 2011
Benutzte Literatur:
Rott, Hans: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogtums Baden, Band 9-2: Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Bruchsal, Tübingen 1913.
Rott, Hans: Bruchsal. Quellen zur Kunstgeschichte des Schlosses und der bischöflichen Residenzstadt, Heidelberg 1914.
Lupp, Kurt: Schloss Bruchsal - Bau, Zerstörung und Wiederaufbau, Ubstadt-Weiher 2003.
Links:
https://www.monumente-im-bild.de/ (eine neue Seite mit vielen sehr guten Fotos von Manfred Schneider)
http://www.schloss-bruchsal.de/
http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde
[1] Quelle: Günter Franz, Der Dreissigjährige Krieg und das deutsche Volk, Stuttgart 1979.
[2] Der Befehl des französischen Kriegsministers lautet: «Brûlez le Palatin».
[3] Nach Abbruch der barocken Neubauten von 1778 rekonstruierender Neubau der Westhälfte 1854–1858 durch Heinrich Hübsch.
[4] Hier wird 1689 nur das Innere verwüstet und die Grablege der Kaiser und Könige zerstört.
[5] Maximilian von Welsch (1671–1745) ist von 1706 bis 1729 bambergischer und kurmainzischer Oberbaudirektor, bis er 1729 von Balthasar Neumann in Bamberg, und 1730 von Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn in Mainz abgelöst wird.
[6] In Wien wird 2010 eine Situation (Plan B 2 nach Manuel Weinberger), gefunden, die das heutige Gesamtkonzept in Beziehung zur Altstadt darstellt, aber den Corps de Logis als Dreiflügelanlage entsprechend der 1711 entstandenen Planung von Pommersfelden darstellt. Diese frühe Pommersfelder Planung stammt von Johann Dientzenhofer und stellt den schon 1712 überholten Grundriss mit dem Ovalsaal im Norden dar. Welsch kennt ihn und auch die Veränderungen von 1712, denn 1714 wird er für den Marstall und die Gartenanlagen von Pommersfelden beigezogen. Warum er trotzdem den Dientzenhoferplan von 1711 zitiert, ist nicht nachvollziehbar. Der Wiener Plan für Bruchsal ist, vielleicht als Kopie, eine der ersten Planungen des beigezogenen Maximilian von Welsch. Auch wenn die entsprechende Korrespondenz mit Friedrich Carl fehlt, muss dieser Plan um 1721–1724 in Wien angekommen sein.
[7] Die Strassenachse heisst heute Schönbornstrasse. Die heutige Rollingenstrasse markiert ungefähr den Stadtmauerverlauf, deren Einmündung in die Schönbornstrasse das Tor.
[8] Es ergibt sich dabei ein Fuss- oder Schuhmass entsprechend dem damaligen Mainzer Fuss von 301,12 mm (nach Penther 1744).
[9] Johann Georg Seitz (1689–1739), aus Bichlbach bei Reutte im Tirol, ist unter dem Bauinspektor Nicolaus Loyson in Wiesentheid tätig und wird später Kurfürstlich Trierischer Werkmeister.
[10] Johann Michael Rohrer (1683–1732), aus Tissau bei Karlsbad, ist seit 1707 Hofbaumeister am Rastatter Hof der Markgräfin. Er ist der Erbauer der Schlosskirche, der Kapelle Maria-Einsiedeln und der Pagodenburg in Rastatt, auch des Schlosses und Schlossparks Favorite mit der Eremitage bei Rastatt.
[11] Das Jahresgehalt von Seitz für 10 Monate Dienst ist 200 Taler oder 300 Gulden. Mit Rohrer werden 12 Monate zu 300 Taler oder 450 Gulden vereinbart. 1726 stellt Seitz Nachforderungen. Der Kardinal und Fürstbischof, der noch 1723 verzweifelt nach gleichwertigen Baumeistern gesucht hat, lässt jetzt vernehmen, dass er im Land solche Maurermeister wohl auf allen Storchennestern finden könnte. Ob sie allerdings alle mit ihm zusammenarbeiten möchten, ist fragwürdig, denn Hugo Damian von Schönborn ist neben allen seinen Verdiensten bei Untergebenen als misstrauischer und streitsüchtiger Charakter gefürchtet. Er beschwert sich bereits 1725 auch über Rohrer und stellt anschliessend den Gardeoberst Christian Freiherr von Vogelsang mit grossen Vollmachten als Bauinspektor ein.
[12] Aufgelistet werden 717 Plandokumente, davon 331 der Residenz, 52 von Bauten der Stadt Bruchsal und 334 Pläne von Bauten im übrigen Hochstift. 13 Pläne des Corps de Logis sind noch auf das Reissbrett gespannt, sind also im Baubüro Rohrer gezeichnet worden. 10 Residenzpläne stammen aus dem Büro Maximilian von Welsch in Mainz.
[13] Die barocke Rangordnung des Hofes mit dem entsprechenden Schriftverkehr scheint auch heutigen Kunsthistorikern und Kunsthistorikerinnen noch Richtschnur bei Zuschreibungen zu sein. So gestehen sie dem jungen Hof-Kavaliersarchitekten mehr planerische Kompetenz zu als einem Baumeister, der mit der Planung und dem Bau der Rastatter Residenzbauten tatsächlich einen weit besseren Leistungsausweis mitbringt, als dies alle Herren am Mainzer Hof um 1725 haben. Die Kompetenz Rohrers bestätigt auch Hans Rott in «Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Bruchsal» (1913), wenn er schreibt: «Rohrers Bedeutung für das Bruchsaler und hochstiftische Bauwesen ist nicht gering einzuschätzen, seine früheren architektonischen Schöpfungen wie auch der Bau der Eremitage zu Waghäusel und der glänzende Umbau des Kisslauer Schlosses stellen den Meister allein schon in die Vorderreihe der Barockarchitekten». Siehe dazu auch den Anhang «Bruchsal als Beispiel einer rollenden barocken Planung».
[14] Abgebildet in: Kurt Lupp, Schloss Bruchsal (Ubstadt 2003), Seite 40. Das Corps de Logis ist auf diesem Plan noch eine Fensterachse schmaler als die Ausführung. Beiden Risaliten ist eine Freitreppe wie im Schloss Favorite bei Rastatt (1711, Johann Michael Rohrer) vorgelagert.
[15] Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn (1692–1765) ist seit 1718 als Kammerherr in Diensten des Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn und baut 1721 zu dessen Zufriedenheit das Jagdschloss Jägersburg bei Forchheim. Er ist als Mitarbeiter des Maximilian von Welsch bis 1723 an der Würzburger Residenzplanung beteiligt. 1730 löst er Welsch als kurmainzischen Baudirektor ab.
[16] Als Freiherr von Ritter nach knapp zwei Jahren Mitarbeit im September 1727 aus dem Planungsprozess ausscheidet, behält er einige Pläne. Sie tauchen später im Ritterschen Archiv in Kiedrich auf. Diese Pläne, seine Namenserwähnung im Schriftverkehr der Schönborns und sein Besuch im Jahr 1726 in Bruchsal, sind die einzigen Indizien für seine Autorenschaft an der Planung des Corps de Logis. Obwohl schon 1913 Hans Rott schreibt: «Die Frage, ob Ritter nun als Baubegutachter oder als Bauentwerfer und -ausführer aufzufassen ist, lässt sich aus den verschiedenen Plänen im Kiedricher Archiv nicht endgültig entscheiden», wird Freiherr von Ritter heute als «Planführender Architekt des Hauptbaus» (in: Stratman, Schloss Bruchsal, sowie in offiziellen Publikationen) aufgeführt.
[17] Johann Georg Stahl (1687–1755) kommt 1720 als Maurergeselle nach Bruchsal, ist unter Rohrer Zimmerpalier und in dieser Funktion für die Risse und den Bau der Holzkonstruktionen von 50 neuen Gebäuden der Residenz verantwortlich. Nach 1727 ist er als Baumeister für alle Bauten im Hochstift zuständig, wird aber nur als Werkmeister bezeichnet. Sein begabter Sohn Leonhard Stahl (1729–1774) wird 1752 als «junger Werkmeister» in Hofdienste genommen und ist später als Nachfolger seines Vaters Hofbaumeister im Hochstift Speyer.
[18] Balthasar Neumann (1687–1753) steht 1724–1729 in Diensten des Würzburger Fürstbischofs Christoph Franz von Hutten. Am Würzburger Residenzbau wird zu dieser Zeit nur der Nordflügel vollendet. Hingegen baut Neumann im Fürstbistum Bamberg, dem der Mainzer Kurfürst Lothar Franz vorsteht, zu dieser Zeit die Stiftskirche von Münsterschwarzach, das Katharinenspital von Bamberg und erweitert die Gartenanlagen des Schönborn-Schlosses in Pommersfelden.
[19] Schlosswachthaus (am Eingang des Ehrenhofs) 1737–1739. Schlosskirchturm 1736–1743. Jagdamt 1737–1739. Zeughaus 1737–1739. Neumann ist auch Architekt der Peterskirche in der Stadt Bruchsal, die Vater und Sohn Stahl 1742–1756 ausführen. In ihr sind die Erbauer der Bruchsaler Residenz begraben.
[20] Ob der Verzicht auf massive Gewölbe in der Hofkirche und später im Corps de Logis dieser Ungeduld, Kosteneinsparungen oder den Beratungen aus Mainz zu verdanken ist, ist nicht bekannt. Im Schriftverkehr wird dieses Thema gar nie angegangen, obwohl der Bauherr 1723 betont, dass er die Pavillonbauweise der Residenz wegen der Brand- und Kriegsgefahr gewählt hat.
[21] Johann Valentin Götz (*1694 in Bamberg, †1758 in Bruchsal), Sohn des Johann Georg Götz (†1697) aus Karlstadt am Main. Bildhauerausbildung bei Stiefvater Johann Sebastian Degler (1675–1730), der auch die zwei weiteren Stiefsöhne in die Bildhauerlehre nimmt. 1723 wird Götz Hofbildhauer in Bruchsal und erhält hier 1729 Bürgerrecht. Sein Hauptwerk sind die (1945 zerstörten) Bildhauerarbeiten der Hofkirche. 1748 wird er zum Rats-Bürgermeister der Stadt ernannt.
(Die korrigierten Daten zur Herkunft verdanke ich einer Mitteilung von François Stenger, Bamberg).
[22] Francesco Antonio Bonporti (1672–1749), Komponist und Priester aus Trient (Trento), widmet dem Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn 1712 eine Oper. Die Familie Schönborn führt ihn am Wiener Hof ein. 1727 erhält er von Kaiser Karl VI. den Titel «familiare aulico», ist aber nie am Hof tätig.
Biografie siehe: http://www.treccani.it
[23] Antonio Gresta (1671–1727), aus Ala bei Trient, trifft im Herbst 1726 in Bruchsal ein. Er stirbt am 12. September 1727. Biografie siehe: http://www.treccani.it
[24] Die Benediktinerabtei Theres in Obertheres wird unter Abt Gregor II. Fuchs (reg. 1715–1755) seit 1716 nach Plänen Joseph Greissings neu erbaut. Der Bamberger Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn lernt vermutlich bei diesem Neubau den kunsterfahrenen Pater kennen.
[25] Giovanni Francesco Marchini (1672–1745) aus Como, bambergischer und kurmainzischer Hofmaler unter Lothar Franz von Schönborn, ist Spezialist für Quadraturmalerei. Er ist vor seiner Anstellung in Bruchsal von 1728 bis 1731 in der von Johann Georg Seitz gebauten Kirche von Wiesentheid tätig, wo er das Kirchengewölbe scheinarchitektonisch nach den Traktaten von Andrea Pozzo freskiert. Für Kurfürst Lothar Franz ist Marchini 1716–1719 in Pommersfelden tätig.
[26] Schönborn beschreibt die Farbe der Hausteine in Vergleichen: Ein Rot wie der rote Stein von Miltenberg oder des Schlosses von Mainz und Aschaffenburg.
[27] Der Bruchsaler Vertrag ist sehr detailliert, unter anderem muss Marchini Pinsel und Farbmaterial selber beschaffen, mit der Ausnahme der teuren Pigmente für die blaue Farbe, «ultra marino genannt», die von der Herrschaft bezahlt wird.
[28] Die Pfarrkirche St. Peter, erhöht südlich der ehemaligen Altstadt liegend, wird 1689 eingeäschert und 1740–1745 nach Plänen von Balthasar Neumann von den beiden Werkmeistern Stahl erbaut. In ihr liegen die Fürstbischöfe des 18. Jahrhunderts. 1945 bleibt sie als einzige der alten Bruchsaler Kirchen vom Feuersturm verschont. Letzte Innenrestaurierung 1996. Sie bleibt dem Besucher ausserhalb der Gottesdienstzeiten leider verschlossen.
[29] Johann Zick (1702–1761) arbeitet 1749–1750 in der Residenz Würzburg und anschliessend im Damenstift St. Anna in Würzburg. Auch hier ist das Baubüro Neumann leitend. Förderer des Klosterneubaus, der 1945 zerstört wird, ist der kurmainzische Oberamtsmann in Amorbach, Graf von Ostein. Dieser beruft Johann Zick 1753 auch für die Fresken der Pfarrkirche in Amorbach.
[30] Das Fresko im «Vorderen Saal» 1968–1969 von Wolfram Köberl, Innsbruck. Das Kuppelfresko über den Hauptstiegen 1964–1966 von Karl Manninger, Pöcking. Das Fresko im Marmorsaal 1970–1974 von Wolfram Köberl, Innsbruck.
[31] Johann Michael Feichtmayr (1710–1772), arbeitet 1738–1749 mit Balthasar Neumann in der Stiftskirche von Münsterschwarzach und leitet 1745–1751 die Altar- und Stuckausstattung der Stiftskirche von Amorbach. Wahrscheinlich erstellt er 1752 auch den Stuck im Würzburger «Käppele», einem weiteren Neumann-Bau. Spätere Hauptwerke: Ottobeuren, Zwiefalten, Vierzehnheiligen. Johann Michael Feichtmayr ist einer der hervorragendsten Stuckateure und Altarbauer des süddeutschen Rokoko. Siehe zu ihm die Biografie in dieser Webseite.
[32] Tassilo Zöpf (1723–1807) ist vielleicht in Münsterschwarzach als damaliger Lehrling von Johann Michael Feichtmayr mit Neumann bekannt geworden. Die Arbeit an «Tassy Lozeph» wird 1751 mit 350 Gulden entlöhnt.
[33] Der ehemalige Residenzgarten ist seit 1843 durch eine Bahnlinie getrennt und dabei von 800 Metern Länge auf 300 Meter geschrumpft. Der verbleibende südöstliche Teil wird nach dem Krieg bis 1996 unter Beibehaltung der Hauptallee neu gestaltet. Der nordwestliche, abgeschnittene Teil ist heute teilweise Grünflache, teilweise Industrieareal. Der alte Garteneingang an der Schwetzinger Strasse wird durch zwei verbliebene Pavillons markiert.
[34] Fritz Hirsch (1871–1938) aus Konstanz, Architekt, Bauhistoriker und Pionier der Denkmalpflege. Link zur Biografie: http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Hirsch
[35] Hans Rott (1876–1942). «Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Bruchsal» (Tübingen, 1913) aus der Reihe die Kunstdenkmäler des Grossherzogtums Baden. Das Werk ist bei der Universitätsbibliothek Heidelberg unter dem Link:
http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/ als PDF-Dokument abrufbar.
[36] Das Innere des Kirchenflügels wird auf Druck der Kirchgemeinde und ihres Pfarrers modern gestaltet. Der Kircheninnenraum wird wegen vermeintlichem Platzmangel verlängert, die alte Vierung negiert. Der Raumeindruck der neuen Kirche ist ernüchternd.
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Grundriss 1913 auf Hauptgeschossniveau. > Vergrössern. |
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Lageplan der Schloss- und Gartenanlage im Zustand von 1913. Die gelb markierten Gebäude sind heute zerstört. Für Vergrösserung und Erläuterung bitte anklicken. | |
Maximilian von Welsch zeichnet 1721 diesen (hier genordeten) Plan der Residenz. Die rot hinterlegten Baugruppen im Aussenmass von 660 x 400 Fuss entsprechen der Ausführung. Das Gebäude des Corps de Logis ist eine Dreiflügelanlage mit grosser Ähnlichkeit zu Pommersfelden (1711, Johann Dientzenhofer). Pommersfelden ist hier in den Welsch-Plan eingetragen. Die Welsch-Planung, eingetragen im Stadtplan von 1780 (bitte vergrössern) zeigt, dass nur das Corps de Logis nicht seiner Planung entspricht. Quelle Plan Welsch: Österreichische Nationalbibliothek, Kartensammlung, Wien. |
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Der nach Südwesten offene Ehrenhof, von Osten gesehen, mit Corps de Logis und dem Kirchenflügel. | |
Der Mittelrisalit des Corps de Logis. Dem Bau von Johann Michael Roher wird 1752 der Eingangsbalkon vorgesetzt und im gleichen Jahr der Frontispiz durch Johann Michael Feichtmayr stuckiert. Die verglaste Eingangspartie des Erdgeschosses entspricht nicht dem barocken Zustand. | |
Phantasievolle Wasserspeier am Corps de Logis, getreu dem Original (schon im 19. Jahrhundert museal deponiert) nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges erneut rekonstruiert. | |
Am Kammerflügel des Ehrenhofs, von Baumeister Seitz 1723 gebaut, ist über dem Balkonausgang das Prunkwappen des Fürstbischofs und Kardinals Damian Hugo von Schönborn zu sehen. Es enthält unter dem roten Kardinalshut und dem Fürstenhut drei Wappenschilde. Es sind die Schilde des Hochstifts (Speyer, Wissembourg), der Familie Schönborn (Löwe) und zwei Deutschordenskreuze für Alden-Biesen und Marburg. Das Doppelportal mit Balkon und Wappen ist das erste Werk des Hofbildhauers Götz aus Bamberg. Die Jahreszahl 1726 gilt wohl dem Datum der Farbfassung. Mehr dazu unter www.welt-der-wappen.de |
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Blick zum freistehenden Kirchturm hinter der Hofkirche (1736–1743 von Balthasar Neumann). | |
Das Deckenfresko (1728) von Cosmas Damian Asam im Chor der Hofkirche, die Allegorie der kirchlichen Macht darstellend, wird wie alle weiteren Fresken Asams in der Hofkirche, 1945 zerstört. Die Hofkirche wird im Wiederaufbau innen nicht mehr rekonstruiert, sodass die Fresken nur noch auf alten Fotografien überliefert sind. | |
1732 beginnt Giovanni Francesco Marchini mit der «Farbillumination» der Fassaden und mit den Fresken im Corps de Logis und im Kammerflügel. Als einzige haben die durch Massivgewölbe geschützten und Fresken der Eingangshalle (Intrata) und der anschliessenden Sala Terrena den Zweiten Weltkrieg überlebt. Hier das Fresko der Intrata. Im scheinarchitektonisch gerahmten Deckenspiegel ist der Triumph des auf dem Taubenwagen vom Himmel herniederkommenden Christentums über die zu Boden gestürzte Barbarei des Heidentums dargestellt. | |
Johann Michael Feichtmayr erstellt 1762–1754 die Stuckmarmorarbeiten und die Stuckaturen des Marmorsaals, hier ein Durchblick zum Treppenhaus. | |
Ein Detail zu obigem Bild mit den über dem Stuck ansetzenden Malereien von Johann Zick. Stuck und Malerei sind Nachkriegsrekonstruktionen. | |
Im westlichen Teil des grossen Kuppelfreskos über der Haupttreppe (1752 Johann Zick, 1964–1969 Karl Manninger) sitzt Fürstbischof Franz Christoph von Hutten auf dem Thron, er verweist auf die rechts aufgeführten Werke für die Stadt Bruchsal, insbesondere die Salinen und der Wasserburg. | |
Links an der obigen Darstellung mit den Werken von Fürstbischof Franz Christoph von Hutten ist als alter Mann mit dem Plan der Kaserne vermutlich der 64-jährige Baumeister Johann Georg Stahl dargestellt, während der aufsteigende Jüngere mit dem Plan des Corps de Logis sein 22-jähriger Sohn Leonhard Stahl sein muss. | |
Im östlichen Teil des grossen Kuppelfreskos über der Haupttreppe (1752 Johann Zick, 1964–1969 Karl Manninger) ist, stehend an eine Brüstung, der greise Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn dargestellt, dem ein Genius den Plan zur Nordhälfte des Corps de Logis präsentiert. | |
Das Rote Lackkabinett, das auch «Watteau-Kabinett» genannt wird, liegt im nördlichen Teil der Beletage im Corps de Logis. 1756 stuckiert Johann Michael Feichtmayr die Decke. Bis 1758 stattet der Kunstschreiner Ferdinand Hundt das Kabinett Wandverkleidung und Rokoko-Schnitzereien aus. Die Supraporten und Wandfelder werden von Januarius Zick mit ländlichen Idyllen bemalt, die in ihrer Ähnlichkeit zu Watteau zur irrtümlichen Raumbezeichnung führen. Es ist eines der vielen Räume der der Beletage, die nach 1945 nicht mehr rekonstruiert werden und nur noch auf alten Abbildungen (hier Foto aus 1890) erhalten ist. Die Arbeiten von Ferdinand Hundt in den Räume der Beletage sind von Reiner Schulz in der «Badischen Heimat» 2018-04 beschrieben. |
Grosse barocke Bauwerke entstehen am Anfang des 18. Jahrhundert noch nicht gemäss der heutigen Arbeitsteilung zwischen Bauherr, Architekt und Unternehmer. Der Beruf des Architekten ist unbekannt, auch wenn diese Bezeichnung für den verantwortlichen und planenden Bauleiter oder Baumeister schon lange benutzt wird. Die finanzielle Geringschätzung der Planungsarbeit führt dazu, dass freiberuflich nur der Unternehmer überlebt, der seine Planung auch ausführen kann, meist als Pauschalanbieter mit grossem finanziellem Risiko. Die Vorarlberger Franz Beer von Bleichten oder Peter Thumb werden so zu wohlhabenden Baumeistern. Immer mehr werden aber dermassen gut ausgebildete und geschulte Unternehmer in Hofdienste genommen. Hofbaumeister wie Zuccalli, Gabrieli, Dientzenhofer, Greissing oder Rohrer prägen das Bild von Residenzstädten. Ihr Arbeitsbereich, ob sie nun als Hofwerkmeister, Hofbaumeister oder gar Hofingenieur bezeichnet werden, entspricht demjenigen des heutigen Architekten. Sie planen und leiten alle Bauvorhaben im gefürsteten Gebiet und beziehen ein Jahresgehalt. Zu ihnen zählen in Bruchsal die Baumeister Seitz, Rohrer und Stahl. Diesen Baumeister-Architekten werden Anfang des 18. Jahrhunderts an deutschen armierten Höfen[1] militärisch ausgebildete, auch in Zivilbaukunst geschulte Offiziere vorgezogen. Für Bürgersöhne ist die militärische Laufbahn einzige Aufstiegsmöglichkeit an Höfen. Ob Fähnrich oder Oberst, die barocke Klassengesellschaft stellt sie über den bürgerlichen Hofbaumeister.[2] Dies gilt in Mainz für den 1714 geadelten Maximilian von Welsch. In Würzburg ist es das Ausnahmetalent Balthasar Neumann. Den adeligen Fürsten noch näher sind die ebenfalls adeligen Hofkavaliersarchitekten, die ihre nur noch theoretische Ausbildung meist auf einer Kavalierstour in Frankreich oder Italien vervollständigen. Zu diesen am Mainzer Hof tätigen Liebhaberarchitekten zählt der auch für Bruchsal tätige Freiherr von Ritter zu Groenesteyn. Nicht unterschätzt werden darf aber das theoretische Wissen vieler der an Universitäten in Baukunst gebildeten Bauherren. Haben diese dann ihre baukünstlerischen Interessen auf der Kavalierstour in Italien, Frankreich oder Holland noch vertieft und sind wie die Schönborns zudem dem «Bauwurmb» verfallen, sind sie in der Planung die bestimmenden und dank ihrer umfassenden Kenntnisse der Künste auch die wirklichen Schöpfer der barocken Gesamtkunstwerke. Dies gilt für die Äbte von Ottobeuren und Zwiefalten ebenso wie für das Dreigespann Lothar Franz, Friedrich Carl und Damian Hugo von Schönborn.
Die geschilderte höfische Rangordnung im barocken Bauwesen trifft auch auf das Hochstift Speyer zu und zeigt sich in den Schilderungen der Bruchsaler Planung in der Korrespondenz der Schönborns. Ihr, und nicht den tatsächlichen Leistungen der Beteiligten, folgen viele baugeschichtliche Dokumentationen zu Bruchsal. Bruchsal ist das Beispiel einer rollenden Planung unter der Regie eines dominanten und kompromisslosen Fürsten. Während 23 Jahren, von 1720 bis 1743, sind die Anweisungen und Eingriffe des Bauherrn Damian Hugo von Schönborn in das Baugeschehen so umfangreich, dass alle Beteiligten eigentlich nur noch ausführende Organe für die Umsetzung seiner Programme und Ideen sind. Vielleicht zählt schon Oberstleutnant Maximilian von Welsch dazu. Ihm verdanken wir die Umsetzung der Ideen Schönborns in ein städtebaulich grossartiges Konzept und wahrscheinlich auch die Grundlagen des Corps de Logis mit dem zentralen Treppenhaus, wie es Johann Michael Rohrer dann 1725 aufzeichnet. Der Rastatter Hofbaumeister, erfahrener und verdienter Architekt im Kirchen- und Schlossbau, prägt von 1723 bis weit nach seinem Rückzug 1727 die Gebäude der Residenz Bruchsal. Während zweier Jahre wird ihm ein Hofkavaliersarchitekt vorgesetzt. Die von 1725 bis 1726 aus der Mainzer Ferne gelieferten Planungsbeiträge des Freiherrn von Ritter zu Groenesteyn bauen auf den Vorarbeiten von Welsch und Rohrer auf. Sie werden auf Grund der Zugehörigkeit des Planers zum kurmainzischen Hof völlig überbewertet. Dass sich Rohrer nach 1726 krank und verbraucht aus dem Bruchsaler Baugeschehen zurückzieht, hat wahrscheinlich weniger mit dem von Bauherren eingefügten Mezzaningeschoss, als vielmehr mit der Bevorzugung eines ihm völlig unbekannten Mainzer Höflings einen Zusammenhang. Dass dieser sich dann fast gleichzeitig, unter Hinterlassung eines Treppenentwurfes als Dokument architektonischen Unvermögens, von Bruchsal verabschiedet, ist für das Corps de Logis ein grosser Glücksfall. Denn nun kommt der Würzburger Oberstleutnant Balthasar Neumann ins Spiel und sorgt 1731 mit seiner Treppe für den eigentlichen architektonischen Höhepunkt in Bruchsal. Neumann wird, immer in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Planer und Bauleiter Johann Georg Stahl, als guten Genius den Neubau der Residenz noch bis zu seinem Tod intensiv begleiten. Bei dieser Auflistung der Planungsbeteiligten darf Johann Georg Seitz nicht vergessen werden. Ohne seine Leitung der Planungen und der Ausführung während der ersten Bauphase von 1721 bis 1723 wären die Konzepte des kurmainzischen Oberstleutnants Maximilian von Welsch Makulatur geblieben.
Pius Bieri 2011
[1] Höfe mit stehendem Heer, wie zum Beispiel Kurmainz oder Würzburg.
[2] So kann zwar der Würzburger Hofbaumeister Joseph Greissing den Artillerieoffizier Balthasar Neumann bei Bauten in Ebrach einsetzen, ihn aber nicht entlöhnen, da sein Schüler Neumann nur von einem Ranghöheren entlöhnt werden darf.