Emmanuel Büchel zeichnet 1755 zusätzlich zur Gesamtansicht aus Südwesten (unten) auch die doppeltürmige Westfassade der Kirche. Noch haben die Türme ihre Zwiebelhauben, deren Kupferschindeln schon 1801 die Begehrlichkeit der französischen Besatzung wecken und deshalb abgetragen werden.
Das Original befindet sich im Kupferstichkabinett Basel.
Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Franz Beer II von Bleichten (1660–1726) Au (Vorarlberg) ok   Baumeister-Architekt 1709   1714
Frère Pacifique Erard (1686–1754) La Chaux des Breuleux     Klosterbaumeister 1710   1738
Franz Schmuzer (1676–1741) Wessobrunn ok   Stuckateur 1712   1713
Josef Bossart (1665–1748) Baar (Zug) ok   Orgelbauer 1715   1720

Bellelay

Ehemalige Prämonstratenserabtei und Kirche Mariä Himmelfahrt

Geschichte
Die Gründung erfolgt 1136 auf Veranlassung des Bischofs von Basel von der Abtei Lac-de-Joux. Bellelay liegt an der Südwestecke des Bistums, auf einer Hochebene der jurassischen Freiberge, umgeben von Weiden und Tannenwäldern. Der Name leitet sich vom vulgärlateinischen bella lagia («schöner Wald») ab. Die Abtei gehört zunächst zur Zirkarie (Ordensprovinz) Burgund, ab 1672 zur Zirkarie Schwaben. Sie ist Mutterkloster der Abteien Gottstatt, Fontaine-André und Humilimont (alle während der Reformation aufgehoben), und der Priorate Grandgourt und Himmelspforte (bis 1797).
Als Bündnispartner von Solothurn zählt die Abtei zum eidgenössischen Teil des Fürstbistums Basel. Sie wird deswegen von Verheerungen im Dreissigjährigen Krieg und in den nachfolgenden Eroberungszügen des Louis XIV verschont. Allerdings ist das Verhältnis zum Basler Fürstbischof immer sehr gespannt, der selbst bei der Abtwahl anwesend sein will. Die Opposition der Landstände unter Führung des Abtes von Bellelay gegen die absolutistische Herrschaft der Fürstbischöfe führt 1740 zum militärischen Eingreifen und einer blutigen Unterdrückung des Widerstandes durch den Fürstbischof.
Die Abtei ist religiöser und kultureller Mittelpunkt der Jurahochebene, ungeachtet der südlich verlaufenden Religionsgrenze. Mit den Klosterbetrieben bildet sie ein wichtiges handwerkliches und landwirtschaftliches Zentrum der Region, auch für die Bewohner der reformierten Landstriche unter Berner Herrschaft. Diese lassen ihr Vieh weiterhin von den Mönchen segnen und die sonntäglichen Tänze im Klosterwirtshaus bilden nicht nur bei der katholischen Jugend einen beliebten Treffpunkt.

Die Neubauten der Barockzeit
Abt Frédéric de Staal (1692–1706) leitet 1698 mit dem Bau des Gästehauses, dem heutigen Hôtel de l'Ours die grossen barocken Bauvorhaben ein. Seit der Zugehörigkeit zur Zirkarie Schwaben sind Abt Georges Voriol (1706–1719) die Neubauten der Prämonstratenser in Obermarchtal und Weissenau bekannt. Der Abt von Weissenau, Leopold Mauch, berät Abt Voriol, der mit Franz Beer II 1709 einen Vertrag zum Kirchenneubau abschliesst. Beer baut 1710–1714 anstelle eines spätgotischen Vorgängerbauwerkes des 16. Jahrhunderts die neue barocke Kirche mit Doppelturmfront im Westen. Dabei benutzt er den bestehenden Westturm einer romanischen Vorgängerkirche als untere Geschosse des neuen Südturms. Der Akkord, der auch die Stuckaturen einschliesst, lautet auf 14 200 Gulden.
Die Kirche ist eine klassische Wandpfeiler-Emporenkirche mit mittlerem Querschiff. Die Proportionen des Innenraumes von 58 Meter Länge und 18 Meter Höhe sind ausgewogen. Der Stuck, er wird Franz Schmuzer zugeschrieben, unterstricht die architektonische Gliederung. Wie die Stiftskirche von St. Urban, die Franz Beer mit Franz Schmuzer fast parallel baut, ist der Innenraum weiss, ohne Stuckfassung und ohne Deckenfresken. Interessant ist, dass Beer die neue Kirche im Grundriss um 5 Grad nach Norden abdreht. Ist es der Baugrund?
Unter Abt Jean-Baptiste Sémon (1719–1733) entsteht 1728–1738, vermutlich auf der Grundlage der Planung Beers, der neue Konventbau.[1] Der ausführende Baumeister, Laienbruder und Zimmermann Pacifique Erard, erlaubt sich aber Änderungen. Die Ausrichtung des Gevierts von 64 auf 64 Meter folgt nun wieder dem Vorgängerbau und ergibt eine deshalb eine unschöne Lücke zwischen Ostflügel und Kirche. Auch die Mittelrisalite hätte Beer nicht mit Schleppdach versehen. Das Konzept der dreigeschossigen Anlage mit vier Eckpavillon-Bauten wird hingegen von Beer übernommen. Betont werden die Eckpavillons mit einem zusätzlichen Mezzaningeschoss mit Zeltdächern. In den beiden Nordpavillons sind, eineinhalbgeschossig, die Bibliothek und der Theatersaal untergebracht. Das abfallende Gelände wird mit ursprünglich offenen Gewölben unter dem Ostflügel überbrückt. Vom Innenhof gelangen die Mönche so direkt in den östlichen Hofgarten.
In den Klostergebäuden wird 1772 ein Kollegium eröffnet, dessen Bedeutung rasch zunimmt: 1779 zählt es 62 Schüler, insbesondere aus dem nahen oberen Elsass. Deshalb wird 1782 der Bau eines neuen Pensionats notwendig. 1797 besuchen über 100 Schüler das Kollegium.

Säkularisation und Zerstörung
Im Jahr 1797 besetzen französische Truppen die Abtei. Gebäude und Grundbesitz beansprucht der französische Staat. Dabei kommt die wertvolle Ausstattung unter den Hammer, der reiche Baldachin-Hauptaltar befindet sich heute in der Pfarrkirche Notre-Dame de l'Assomption in Saignelégier. 1801 werden die Zwiebeltürme abgedeckt und das Metall verkauft. Die Doppeltürme zerfallen in der Folge teilweise. Die Klosterdomäne wird 1809 vom französischen Staat an jurassische Unternehmer verkauft, die Klostergebäude werden zuerst als Uhrenfabrik, danach als Brauerei und schliesslich als Glashütte genutzt. Die Kirche dient zeitweise als Stall und als Scheune. Sie nimmt damit kurzzeitig den Weg aller französischen Klosterkirchen.
1891 erwirbt der Kanton Bern, zu dem Bellelay seit 1815 gehört, für 150 000 Franken das Areal aus der Konkursmasse der Glashütte. Seither dienen die Gebäude als psychiatrische Klinik. 1956–1960 wird die verwahrloste Klosterkirche restauriert und wiederhergestellt.

Bellelay heute
Die ehemalige Klosterkirche ist innen ausgeräumt und wird als grossartiger Rahmen für Kunstausstellungen genutzt. Die barocke Doppelturmfassade des Franz Beer ist verschwunden. Die zwei barocken Seitenaltäre sind aus anderen Kirchen zusammengekauft. Denkt man sich vorne einen reichen Hochaltar mit dem Chorgestühl und im Schiff an jedem Wandpfeiler einen Altar wie in der Stiftskirche Rheinau, kann man sich eine Vorstellung vom ehemaligen Innenraum machen. Nur noch die Stuckaturen aus der Wessobrunner Werkstatt, das Chorgitter und seit 2009 auch die rekonstruierte Bossard-Orgel[2] erinnern an die verlorene Ausstattung.


Abgewanderte Werke:

Biel, ehemaliges Zunfthaus zu Waldleuten: Bemalter Turmofen, sign. Joh. Jak. Bitto, 1730, 1735, 1746.
Boécourt, Pfarrkirche: (Angeblich) Altäre Louis XV-XVI mit Blättern von Jean Baptiste Stuntz 1781.
St-Brais, Pfarrkirche: Beim Hauptaltar soll es sich um den ehemaligen Sakramentsaltar von Bellelay handeln, der bereits 1727 in St-Brais aufgestellt wurde.
Saignelégier, Pfarrkirche: Aus Bellelay stammt der reiche Baldachin-Hauptaltar des Konversen Antoine Monnot (1683-1752).

Pius Bieri 2009

 

 

Benutzte Einzeldarstellungen:
Wyss, Alfred: Franz Beer und Bellelay, in ZAK 16/1956, Heft 2. Zürich 1956.
Schmutz Nicod, Catherine: Die ehemalige Abtei Bellelay, Kunstführer GSK, Nr. 736, Bern 2003.
Gigandet, Cyrille: Bellelay, Histoire II, in: Helvetia Sacra, Abteilung IV, Band III, Basel 2002.

 

Anmerkungen:

[1] 1728–1730 der Ostflügel, 1730–1733 der Südflügel, 1733–1738 der Westflügel, der wie die Kirchenwestfassade in Hausteinen ausgeführt ist.

[2] 1720 liefert der Orgelbauer Joseph Bossard (1665–1748) aus Baar (Zug) die Emporenorgel, die 26 Register umfasst. Sie verschwindet nach der Säkularisation spurlos. Orgelbau Kuhn, Männedorf (Zürich), erstellt 2009 einen Neubau nach Quellen und nach der noch vorhandenen Orgelsilhouette an der Westwand.

Links:

http://de.Wikipedia.org./wiki/Kloster_Bellelay

http://dx.doi.org/10.5169/seals-164170

 

 

 

 

 

  Ehemalige Prämonstratenserabtei Bellelay  
  BellelayGrRiss  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Bellelay,
Kanton Bern CH
Fürstbistum Basel
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Basel 1710
Bauherr und Bauträger
ok Abbé OPraem Jean-Georges Voirol
(reg. 1706–1719)

ok Abbé OPraem Jean-Baptiste Sémon
(reg. 1719–1743)
 
  Die Abtei Bellelay im Grundriss und in der Situation, mit Eintragung der Vorgängerkirche. Für Vergrösserung bitte anklicken.   pdf  
   
Bellelay1755-1
«Kirche zu Bellelay», 1755 von Emanuel Büchel. > Quelleninformation.  
   
BellelayAquarell
Aquarell der Abtei Bellelay nach einer Zeichnung von Jean François Tavanne 1739. Das Original stammt aus der ehemaligen Prämonstratenserabtei Weissenau. Für Vergrösserung mit Legende anklicken.  
Bellelay1755-2
Die detailtreue Zeichnung Emmanuel Büchels vom 5. Juni 1755 zeigt  das Kloster von Westen, mit den heute abgebrochenen Eingangsgebäuden und der Klostermauer.  
Bellelay-3
Anstelle der stolzen Doppeltürme sind heute nur noch Stümpfe vorhanden.  
Bellelay-1
Die ehemaligen Konventbauten sind in der äusseren Erscheinung noch erhalten. Im Inneren ist mit den andauernden Umnutzungen im 19. Jahrhundert alle barocke Substanz zerstört worden. Das Bild zeigt das ehemalige Kloster von Südwesten  
Bellelay5
Die Ausstattung des Kirchenraums wird nach 1797 vollständig entfernt. Die Grossartigkeit der barocken Wandpfeiler- Emporen-Architektur ist aber geblieben.  
Bellelay-4
Das Chorgitter (1710) ist als einziges originales Ausstattungselement seit 1960 wieder am alten Ort. Hier die Bekrönung mit dem Wappen des Abtes Georges Voirol (1 und 4 das B für Bellelay, 2 und 3 eine Taube mit Ölzweig für Voirol).