Melchior Steidl (1657–1727 )

Maler und Freskant

Schüler von Johann Anton Gumpp
Martin Melchior Michael Steidl[1] wird am 10. November 1657 in Innsbruck als Sohn der Eheleute Christoph Steidl und Sabina Prezon geboren. Sein Vater ist erzherzoglicher Kammerdiener sowie Hof- und Leibbarbier. Martin Melchior ist das fünfte von sieben Kindern. Über die Lehr- und Wanderjahre des jungen Steidls ist bis zu seiner Gesellentätigkeit bei Johann Anton Gumpp[2] in München nichts bekannt. Der drei Jahre ältere, ebenfalls aus Innsbruck stammende Gumpp ist Schüler von Egid Schor,[3] der nach zehnjährigem Romaufenthalt seit 1666 wieder in Innsbruck tätig ist. Er bringt Gumpp nicht nur die im Norden inzwischen vergessene Freskomalerei bei, sondern auch das römische Cortona-System.[4] Gumpp erwirbt 1676 die Meistergerechtigkeit in München. Bei ihm arbeitet Melchior Steidl sechs Jahre. Er müsste damit an den Deckenfresken in Lustheim (1686/87) schon mitgewirkt haben. 1687 schreibt er sich in München ins Meisterbuch der Malerzunft ein. Die Fresken der Stiftskirche St. Florian (1690–1695) erstellen Gumpp und Steidl bereits als Arbeitsgemeinschaft.

München
Mit seiner Gesellentätigkeit bei Gumpp nimmt Steidl Wohnsitz in München. Ursprünglich wohnt er im Vorort Au. Hier heiratet er 1688 Susanna Dobries. Sie ist die 20-jährige Tochter eines Malers aus Brixen, der seit 1665 die Meistergerechtigkeit in München besitzt und schon 1677 stirbt. Steidl erwirbt noch vor der Hochzeit die Meistergerechtigkeit der Stadt München und kann die Werkstatt des Schwiegervaters weiterführen. Mit Susanne Dobries hat er fünf Kinder. Sie stirbt 1701 mit 33 Jahren. Er heiratet jetzt als zweite Ehefrau Maria Franziska Sattler, die schon 1719 stirbt. 1722 heiratet er ein drittes Mal. Es ist Anna Schletter aus Schwindtkirchen. Im schon 1711 gekauften Wohnhaus in der Pfistergasse südlich der Residenz wohnt er, soweit er sich in München aufhält, bis zum Lebensende.

Freskenwerke 1690–1709

Sankt Florian

Steidl1690
In Sankt Florian freskiert Steidl 1690–1695 gemeinsam mit seinem Lehrer Johann Anton Gumpp. Alle Gemälde der acht Gewölbejoche und der Kuppel sind als Mittelöffnungen einer Tempel-Scheinarchitektur gemalt. Die sogenannte Quadratura ersetzt die sonst üblichen Stuckaturen im Gewölbebereich. Das Mittelfresko im dritten Langhausjoch stellt dar, wie der hl. Florian mit einem Mühlstein in die Enns geworfen wird. Foto: Dnalor 01 (2010) in Wikipedia.

Das erste grosse Freskenwerk erstellt er noch gemeinsam mit Johann Anton Gumpp. 1690–1695 sind sie im Stift Sankt Florian tätig. In der grossen Stiftskirche von Carlo Antonio Carlone freskieren sie alle Gewölbe des Innenraums.[5] Wie Gumpp 1686/87 in einigen Räumen des Schlosses Lustheim, wenden die beiden jetzt in Sankt Florian das System des Pietro da Cortona in einem grossen Kirchenraum an. Das rundovale Mittelfeld jedes Gewölbejochs ist jeweils einem Bildthema gewidmet und wird von einer Tempel-Scheinarchitektur, der aufwendig gestalteten «Quadratura» getragen. Ein Stuckateur ist in dieser Zone nicht mehr notwendig. Den «stucco finto» malen die Freskanten selbst. Der hochplastische Stuck von Bartolomeo Carlone ist deshalb nur noch unterhalb der Gewölbe zu sehen. Sankt Florian ist nördlich der Alpen eine früheste Anwendung des Cortona-Systems in einem grossen Kirchenraum und auch der erste monumentale Freskenzyklus.

Niederzirking
Noch während Steidl in Sankt Florian tätig ist, erhält er den Zusatzauftrag für die Chor-Fresken in der Filialkirche Mariä Himmelfahrt in Niederzirking. Stuckrahmen von Bartolomeo Carlone definieren hier die Lage und Grösse des Kuppelfreskos und der Pendentif-Fresken.

Lambach
Die Grosszügigkeit und Geschlossenheit der Gewölbeausmalung von Sankt Florian bleibt vorläufig einmalig. Zwar kann Steidl schon 1697 auch die Bilder in den Gewölben der Stiftskirche Lambach malen. Lambach ist aber kein Neubau. Im Stichkappen-Gewölbe mit doppelten Gurtbögen sind seit 1655 die Bildrahmen durch Stuckaturen vorgegeben, eine Anwendung des Cortona-Prinzips ist nicht möglich. In der Bibliothek malt er nicht «a fresco», sondern in Öl auf Putz, hingegen sind für die Stiftskirche 87 Tagwerke auf neuem Feinputz nachgewiesen.[6]

Kremsmünster
1696 und 1697 ist er in der Abtei Kremsmünster tätig. Erstmals freskiert er hier in einem «Kaisersaal», wie heute verallgemeinert alle grossen Festsäle der Klöster und Residenzen genannt werden, selbst wenn der ikonographische Bezug zur Reichsidee fehlt. In Kremsmünster ist die Spiegeldecke des grossen Saals[7] für Steidl wieder Anlass, das Mittelbild in eine scheinarchitektonische Quadratura zu legen, in deren Zwickel er allegorische Darstellungen der Jahreszeiten einfügt. Im Mittelbild ist die Tag-Nacht Symbolik in der helleren südlichen Hälfte durch Phoebus auf dem Sonnenwagen und in der dunkleren nördlichen Hälfte durch Luna dargestellt. Schon 1691 hat Steidl das Phoebus-Thema in einem Deckenbild des Schlosses Harmating aufgegriffen. Er wird es 1715 in Arnstorf nochmals anwenden.

Regensburg und Straubing

Nach den grossen Aufträgen in den oberösterreichischen Abteien arbeitet Steidl 1699–1704 in der Donauregion Kurbayerns. Diese Arbeiten in Kirchen und Klosterräumen sind heute alle zerstört.

Salzburg und Augsburg

SteidlAugsburr2   Steidl1706
Im Wohnhaus des Augsburger Kupferstecher Elias Christoph Heiss malt Steidl 1706 in das Mittelfeld der Flachdecke im Grossen Saal die Versammlung der olympischen Götter unter dem Vorsitz Jupiters. Eine an Pietro da Cortona orientierte Quadratura mit den typischen Ecklösungen fasst das Hauptfresko, hier mit den vier Weltteilen. Im Bild ist Afrika dargestellt. Fotos: Mattes 2013 in Wikipedia.

Im Refektorium des Konventflügels der Benediktinerabtei St. Peter kann er 1705 drei Deckenbilder erstellen. Sie sind nicht erhalten. Ein weiteres, um 1706 erstelltes Deckenfresko in einem Augsburger Wohnhaus hat den Krieg überlebt und ist heute als Deckengemälde des Felicitas-Saals im Maximilianmuseum zu sehen. Zwar wendet auch hier Steidl die scheinperspektivische Einfassung des Mittelbildes an, die Raumhöhe ist aber für einen illusionistischen Effekt zu nieder.

Juliusspital Würzburg
Auch seine 1706 erstellten Deckenfresken im Juliusspital zu Würzburg fallen schon 1788 einem Umbau zum Opfer. Erhalten ist nur die Vorzeichnung des Freskos «Die Speisung der Fünftausend». Die Fresken werden ihm von Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau in Auftrag gegeben. Sie finden grosse Beachtung und führen zu vielen Empfehlungen des jetzt auch in Franken bekannten Künstlers.

Neue Residenz Bamberg

Steidl_1707
Der Kaisersaal in der Bamberger Residenz. Die Deckenmalerei von 1707 geht nahtlos in die Wände über, «stucco finto» ersetzt die Stuckaturen. Foto: Tgel79 2015 in Wikipedia.

Eine Empfehlung aus Würzburg an den Mainzer Kurfürsten und Bamberger Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn führt 1707 zum Auftrag der Freskierung des Kaisersaals in der Neuen Residenz von Bamberg. Steidl ist nicht die erste Wahl des Kurfürsten. Erst nachdem Schönborn 1705 weder mit P. Andrea Pozzo noch mit Andrea Lanzani einig wird, und auch Johann Michael Rottmayr wegen anderen Aufträgen absagt, folgt er der Empfehlung aus Würzburg.[8] Nach dem Saal in Kremsmünster kann Steidl in Bamberg nochmals einen ähnlich grossen Saal[9] freskieren, muss nun aber auch die Wände einbeziehen. Das Fresko der Decke zeigt den gleichen Aufbau wie Kremsmünster. In eine scheinarchitektonische Quadratura ist das Mittelbild eingefügt. Es zeigt einen lichten Götterhimmel mit dem Thema «Triumph der Weisheit im Heiligen römischen Reich». In den Zwickeln der umgebenden Scheinarchitektur sind die vier Weltreiche in der Vision des Propheten Daniels dargestellt.[10] Die Deckenmalerei geht nahtlos in die Wände über, in denen Medaillons der Supraporten römische Kaiser und in den hochrechteckigen Bildern zwischen den Fensterleibungen habsburgische Kaiser zu sehen sind. Die Thematik als Kaisersaal ist hier vom Bauherrn vorgegeben, der auch Reichserzkanzler ist und damit im Alten Reich nach dem Kaiser die ranghöchste Person ist.

Steidl_1709   Favorite in Mainz
Kurfürst Lothar Franz von Schönborn ist offenbar mit der Arbeit Steidls in Bamberg zufrieden, denn gleich anschliessend verpflichtet er ihn für die Fresken in der Galerie des Rheinschlösschen in seinem neu begonnenen Lustgarten nach dem Vorbild von Marly. Maximilian von Welsch leitet als kurmainzischer Baudirektor die Arbeiten. Die Favorite in Mainz wird 1792 zerstört, ein Stich von Salomon Kleiner ist einziges Zeugnis des Galerie-Innenraums mit den Fresken.

Der Innenraum der Galerie im Gartengebäude mit den Fresken von Melchior Steidl (1708), Stich von Salomon Kleiner 1726. Quelle: https://www.e-rara.ch


Werke 1710–1720


Grössere kirchliche Aufträge
Maximilian von Welsch ist auch Planer des Ellwanger Fürstpropstes[11] für die Wiederherstellung der brandgeschädigten Schönenbergkirche ob Ellwangen. Schon 1710 übermittelt Welsch in Mainz die Risse an Steidl, der 1711 in Ellwangen die neuen Gewölbefresken in konventionell vorgegebenen Stuckfelder malt. Eine cortoneske Verschmelzung von Stuck und Bild ist in Ellwangen deshalb nicht möglich und wahrscheinlich auch nicht erwünscht. Stuckateur ist Melchior Paulus, der die Entwürfe des bereits im Sinne der Régence arbeitenden Carlo Maria Pozzi übernehmen muss.
Auch 1712/13 in Fulda, wo er in der Stiftskirche die Seitenschiff-Kuppelzwickel und in der Residenz die Deckenfresken erstellen kann, sind die Felder vom Stuckateur vorgegeben. Trotzdem zeigt Steidl, vor allem in den Götterdarstellungen des Fuldaer Fürstensaals, sein hervorragendes zeichnerisches Können. In Fulda arbeitet Steidl zwei Sommer lang.
Aus der Bekanntschaft mit dem Stuckateur Paulus in Ellwangen ergibt sich der Auftrag für die Fresken in der Studienkirche Ehingen, deren Bildfelder 1715 von Steidl gemalt werden. Kurz vorher hat er mit den Kuppelfresken der Stiftskirche St. Moritz in Augsburg einen Grossauftrag vollendet, von dem seit 1944 nichts mehr zu sehen ist. Gleich ergeht es seinen 1717 vollendeten Gewölbefresken in der Dominikanerkirche Eichstätt, die schon 1918 durch einen Brand zerstört werden.

Steidl_1716
Die sphärisch gebogenen Gewölbegurten der Stiftskirche Banz bilden in der Mitte ein grösseres Feld, in das Steidl 1716 eine Scheinkuppel mit dem Thema des Pfingstwunders malt. Nahtlos geht sein «stucco finto» in die Stuckaturen von Johann Jakob Vogel über. Bild: Bieri 2011.

Den wohl wichtigsten Auftrag dieser Periode erhält er vom Abt der Benediktinerabtei Banz in Oberfranken. Hier malt er die Deckenfresken in den sphärisch geführten Gurtengewölben des Langhauses. Ein Bild in der nördlichen Turmkapelle ist mit 1716 signiert. Es ist sein letzter grösserer und noch heute erhaltener Freskenzyklus. Seine gute Arbeit in Banz wird von Kunsthistorikern, «gemessen an der allgemeinen Entwicklung», als «rückschrittlich» beurteilt. Sie vermissen die inzwischen aufkommende Strömung der lichteren malerischen Luftperspektive.[12] Schon die nächste bekannte Arbeit, das 1719 gemalte Fresko der Mariä Himmelfahrt in der Kirche von Waidhofen, relativiert dann die negative Wertung von Banz.

Eine späte Wiederholung: Der «Kaisersaal» in Arnstorf
Der vermeintliche Stillstand in den Arbeiten von Steidl dürfte vor allem seinen Auftragsgebern geschuldet sein. Ein Beispiel ist der 1715 von ihm gestaltete «Kaisersaal» im Oberen Schloss Arnstorf. Im viel kleineren Saal des Schlosses glaubt man in der Malerei eine Wiederholung des «Kaisersaals» der Residenz Bamberg zu sehen. Thematisch ist die eindrückliche illusionistische Gestaltung aber eine Wiederholung des «Kaisersaals» in Kremsmünster. Anstelle der Jahreszeiten malt Steidl jetzt Allegorien der vier Erdteile. Der Schlossherr kennt wahrscheinlich einen der beiden Säle und wünscht sich vom Maler eine gleiche Arbeit. Die Wandgestaltung ist auch in Arnstorf ein Werk Steidls. Sie ist mit den Bandelwerk-Grotesken schon klar der Régence verpflichtet.

Steidl als Maler von Altarbildern
Ein erstes Altarblatt fertigt Steidl 1685/86 für die Tettnanger Schlosskapelle St. Georg an. Es ist verschollen. Er fertigt viele Blätter vor allem für Kirchen, in denen er auch freskiert. Sein vielleicht letztes Blatt liefert er 1721 für die Schutzengelkapelle in Banz. Die Biografin Meinecke listet 14 erhaltene Altarblätter auf.

Steidl1711Entwurf   Steidl als Zeichner
Die starke Betonung der Zeichnung auch in seinen Freskenwerken lässt erahnen, dass Steidl ein grosser Meister der Zeichenkunst ist. Die grosse Zahl noch vorhandener Handzeichnungen bestätigt dies. Es sind meist Entwurfszeichnungen oder Skizzen zu Freskenwerken. Böse Zungen meinen gar, dass Steidl als Zeichner bedeutender denn als Freskant sei.[13]


Der Entwurf zum Chorfresko der Schönenbergkirche, gezeichnet in Ellwangen (Format 18 x 29,5 cm) stimmt im Wesentlichen mit der allerdings breiteren Ausführung (siehe Bild im Titel) überein. Quelle: British Museum.

Rückzug
Nach 1720 wird es um Steidl still. Eine jüngere Generation setzt in der Freskomalerei neue Akzente. In Süddeutschland übernimmt Cosmas Damian die Führung in der sakralen Freskomalerei. Jacopo Amigoni und Johann Baptist Zimmermann öffnen den Weg zum Rokoko. Melchior Steidl muss sich wegen einer Gicht, die ihn in seinen letzten acht Lebensjahren immer stärker plagt, von der Arbeit zurückziehen. Er stirbt am 4. August 1727 in München.

Pius Bieri 2019

Literatur:

Meinecke, Viktoria: Die Fresken des Melchior Steidl. Dissertation. München 1971.
Augustyn, Wolfgang: Steidl, Melchior, in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 120-121 [Onlinefassung]. URL: http://www.deutschebiographie.De/.html
Bauer, Hermann: Barocke Deckenmalerei in Süddeutschland, München und Berlin 2000.


Anmerkungen:

[1] Seine Vornamen sind schon früh auf Martin Melchior reduziert. Bereits seit 1690 wird in allen Schriftstücken nur noch der Vorname Melchior verwendet.

[2] Johann Anton Gumpp (1654–1719) aus Innsbruck, Sohn des Tiroler Hofbaumeisters Christoph Gumpp. Seit 1686 ist er Hofmaler in München. Als Schüler des in Italien ausgebildeten Malers Egid Schor ist er einer der ersten deutschen Maler, welche die Freskotechnik wieder beherrschen. Gumpp ist vermutlich auch Lehrer von Georg Asam. In München malt er in der Residenz, in Lustheim, Schleissheim, im Mittelbau von Nymphenburg sowie in der Pagodenburg.
Zu Gumpp siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Anton_Gumpp. Zu den Fresken Gumpps (und Steidls als Geselle?) in Lustheim siehe die Dokumentation in dieser Webseite.

[3] Egid Schor (1627–1711) aus Innsbruck, arbeitet 1656–1665 bei seinem Bruder Johann Paul Schor (1615–1674) in Rom. Johann Paul Schor oder «Giovanni Paolo Tedesco» ist seit 1640 ein bekannter Hofmaler der Borghese und Colonna und arbeitet auch für Papst Alexander VII. Die Brüder Schor sind in Rom unter der Leitung von Pietro da Cortona Mitgestalter der Freskenausstattung in der Galleria des Quirinalpalastes. Bekanntester Schüler der römischen Schor-Werkstatt ist der spätere Hofarchitekt Johann Bernhard Fischer von Erlach. 1682 heiratet Egid Schor die Schwester von Johann Anton Gumpp.

[4] Mit dem Namen von Pietro da Cortona (1596–1669) ist die Synthese von Stuck und Deckenmalerei benannt. 1632–1639 malt Cortona im grossen Saal des Palazzo Barberini das Fresko des Triumphes der Göttlichen Vorsehung. Die Verschmelzung der Ebenen ist hier ausschliesslich mit den malerischen Mittel der «Quadratura», einer scheinperspektivischen Architekturdarstellung, erreicht. Mehr zu Pietro da Cortona siehe im Beitrag «Baumeister Roms» in dieser Webseite.

[5] Die Fresken bedecken eine Fläche von knapp 5000 Quadratmeter.

[6] Leider wird die für die Bildqualität äusserst wichtige Maltechnik in den meisten Fällen von der Kunst-«Wissenschaft» verschwiegen, vermutlich aus Bequemlichkeit, denn nur vom Anschauen kann man die Technik höchstens erahnen. Grundsätzlich gilt, dass man bei nachgedunkelten, kräftigen Malereien auf Putzgrund eher Ölmalerei annehmen muss, sofern die Dunkelheit nicht auf Verschmutzung oder auf eine «Restauration» des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Weil aber Steidl meist «a fresco» malt, darf bei seinen Deckengemälden immer von Fresken gesprochen werden. Siehe zum Thema Fresko den Beitrag im «Glossar Baukunst», Buchstabe F, in dieser Webseite.

[7] Der Saal hat folgende Masse: Länge: 26,55 m, Breite 13,28 m, Höhe 9,5 m.

[8] Es sind die hohen Forderungen der in Wien tätigen Künstler, die Lothar Franz von Schönborn abschrecken. Vermittelt werden die Künstler von einem seiner sieben Neffen, dem Wiener Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn (1729–1746 auch Fürstbischof von Würzburg und Bamberg). Beide Künstler arbeiten zu dieser Zeit im Gartenpalais des Fürsten Liechtenstein und erhalten dafür je 7500 Gulden. Pozzo verlangt für Bamberg 7000 Gulden und der ebenfalls in Wien arbeitende und von Schönborn angefragte zweite Freskant Andrea Lanzani verlangt gar 10 000 Gulden nur für das Mittelbild. Der angefragte erste deutsche Maler Rottmayr ist nicht abkömmlich.
Empfehlung und Vermittlung von Steidl erfolgen durch den Würzburger Dompropst Johann Philipp Franz von Schönborn (1719–1724 Fürstbischof in Würzburg), einem weiteren der sieben Neffen des Kurfürsten Lothar Franz. Der Akkord mit Steidl lautet auf 1050 Gulden, die Wandfresken werden später separat vergütet. Was sich der Kurfürst bei den renommierten und teuren Malern nie erlaubt hätte, versucht er bei Steidl. Er will das Honorar herunterhandeln. Steidl gibt aber nicht nach. Die 1050 Gulden sind allerdings auch für ihn kein Pappenstiel, denn sie bedeuten den sechsfachen Jahresverdienst eines Stuckateurgesellen. (Alle Angaben in rheinischen Gulden). Die Verhandlungen zeigen, wie Maler zu dieser Zeit gesucht sind, aber auch, dass Steidl zu den damals führenden deutschen Malern zählt.

[9] Der Bamberger Saal ist 12,3 m breit und 21,5 Meter lang und damit etwas kleiner als der Saal in Kremsmünster.

[10] Er beschreibt nach dem syrisch-babylonischen, dem persischen und dem griechischen als letztes das römische Weltreich. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation sieht sich als Fortsetzung des römischen Reichs, das bis zum Ende der Tage bestehen soll. Hier kommt die Reichsidee des Bauherrn zum Ausdruck, der als Kurfürst von Mainz auch Reichserzkanzler ist.

[11] Der Fürstpropst von Ellwangen, Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg ist auch Fürstbischof von Breslau, von Worms, Hoch-und Deutschmeister des Deutschen Ordens. 1710 wird er auch Koadjutor für das Fürstbistum und Kurfürstentum Mainz und hält sich deshalb vorwiegend in Mainz auf. Damit ist auch die Wahl des Baudirektors Maximilian von Welsch für Ellwangen zu erklären.

[12] «rückschrittlich, weil hier die starke Plastizität und Dichte der Figuren im Bild zusammen gesehen wird mit Stuck und stucco finto der Dekoration, und auch die schwere Dinglichkeit und Farbigkeit keine Höhenillusion leistet», schreibt Hermann Bauer 2000. Diese Wertung mag für die noch hochbarocken Fresken Steidls in Banz zutreffen. Sie fügen sich allerdings sehr gut in die ungewöhnliche Gewölbearchitektur ein.

[13] Bruno Bushart schreibt 1961 über die Ellwanger Fresken, dass sie «im Grunde genommen nichts anderes als kolorierte, monumentale Zeichnungen» seien.



Freskenwerke von Melchior Steidl
Die hellblau hinterlegten Fresken sind heute noch erhalten.

Jahr Ort, Bauwerk Beschrieb der Tätigkeit von Melchior Steidl Bauherr
1690–
1695
Sankt Florian
(Linz-Land A). Augustiner-Chorherrenstift.
Gewölbefresken und Kuppelfresken in der Stiftskirche und in der Herrensakristei, Akkord in Arbeitsgemeinschaft mit Johann Anton Gumpp (11 500 Gulden)
BM: Antonio Carlone.
Propst OA Matthäus von Weissenberg
1691 Egling
(Oberbayern D).
Schloss Harmating.
Deckenfresko im Kanzlerzimmer, Mittelbild: Helios im Sonnenwagen. Freiherren Barth von Harmating
1694 Niederzirking
(Perg A).
Filialkirche Mariä Himmelfahrt.
Kuppelfresko und Pendentif-Fresken.
(Zuschreibung, mit Johann Anton Gumpp).
ST: Bartolomeo Carlone.
Propst OA Matthäus von Weissenberg
(Sankt Florian)
1696–
1697
Kremsmünster (Kirchdorf A)
Benediktinerabtei.
Deckenfresko des Kaisersaals im Gasttrakt,
(siehe https://www.xcross.at/)
im Fischkelter (zerstört) und im dritten Saal der Bibliothek. Vergütung (alle Arbeiten): 1629 Gulden.
Abt OSB
Erenbert Schrevogl
1697–
1698
Lambach (Wels A).
Benediktinerabtei.
Gewölbefresken in der Stiftskirche (Akkord 1000 Gulden), in der Sakramentskapelle, der Sommerabtei und der Bibliothek. Abt OSB
Severin Blass
1699 Regensburg (Oberpfalz D).
Kartause Prüll.
Fresken in der Bibliothek und im Refektorium. Nach 1803 zerstört. ST: Giovanni Battista Carlone. Prior OCart
Sigismund Dietz
1702 Straubing (Niederbayern D).
Kloster der beschuhten Karmeliten.
Fresken in der Klosterkirche. Heute ist die Kirche purifiziert. Nur Freskenreste unter der Empore sind erhalten. ST: Giovanni Battista Carlone. Prior OCarm
P. Emanuel?
Stadt Straubing?
1704 Regensburg (Oberpfalz D).
Freiadeliges Damenstift Obermünster.
Fresken in der Stiftskirche (1944 zerstört).
Nur drei Aufnahmen von 1943 sind erhalten unter:
www.zi.fotothek.org/VZ/ort_index/Regensburg/
Äbtissin
Maria Theresia von Sandizell
1705 Salzburg (A). Benediktiner-Abtei Sankt Peter. Fresken im Refektorium (2. OG) des Konventflügels.
Nicht erhalten.
Abt OSB
Placidus Mayrhauser
1706
(vor)
Augsburg (Schwaben D).
Wohnhaus Philippine-Welser-
Strasse 24.
Fresken in Galerie, Kabinett und Festsaal (2. OG) im Wohnhaus des Verlegers und Kupferstechers Heiss. Heute Maximilianmuseum mit Adresse Fuggerplatz 1. Elias Christoph Heiss
1706 Würzburg. Julius-Spital. Fürstenbau. Deckenfresken in den Fürstenzimmern des neuen Nordflügels. Bezahlung 900 Gulden. Die Fresken  werden schon beim 1788 vorgenommenen Umbau zerstört. Fürstbischof
Johann Philipp von Greiffenclau
1707–
1709
Bamberg (Oberfranken D).
Neue Residenz.
Wand- und Deckenfresken in Kurfürstenzimmer und im Kaisersaal. Akkord: 1000 Gulden und 50 Gulden Leihkauf. ST: (Kamine) Caspar Vogel. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn
1709 Mainz (Rheinland-Pfalz D) Lustgarten Favorite. Rheinschlösschen. Fresken in der am Rhein gelegenen Zweiflügelanlage des Lustgartens Favorite. Der Garten und die Gebäude werden im Krieg 1792 zerstört. BM: Maximilian von Welsch.
Info: Mainzer Favorite in der Wikipedia.
Kurfürst Lothar Franz von Schönborn
1710 Straubing (Niederbayern D).
Kloster der beschuhten Karmeliten.
Fresken im Bibliotheksaal, 2008 wieder freigelegt.
Zuschreibung.
Prior OCarm
P. Emanuel?
Stadt Straubing?
1711–
1712
Ellwangen (Württemberg D) Wallfahrtskirche auf dem Schönenberg. Deckenfresken in 13 Feldern. Akkord 1400 Gulden.
ST: Melchior Paulus nach Entwurf von Carlo Maria Pozzi.
Fürstpropst
Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg
1712–
1713
Fulda. (Hessen D) Benediktiner-Fürstabtei. Stiftskirche (seit 1752 Dom) und Residenz. Fresken der 24 Kuppelzwickel in den Seitenschiffen.
ST: Giovanni Battista Artari und Carlo Maria Pozzi.
Deckenfresken im Fürstensaal. Vergütung 2145 Gulden. ST: Andreas Schwarzmann. Fototaufnahmen 1943:
https://www.zi.fotothek.org/objekte/19002489
Fürstabt Adalbert von Schleifras
1714–
1715
Arnstorf (Niederbayern)
Oberes Schloss.
Fresken des Kaisersaals. Abbildungen in:
https://erdteilallegorien.univie.ac.at.
Fresken im Theatersaal (zerstört), sowie in acht weiteren Räumen und in der Schlosskapelle.
Reichsfreiherr Georg Franz Anton von Closen zu Arnstorf.
1714 Pommersfelden
(Oberfranken D)
Schloss Weissenstein.
Deckenfresko im Tafelzimmer. Das Deckenfresko im Schlafzimmer gemäss Dehio (1999) von Johann Jacob Gebhard. ST: Daniel Schenk. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn
1714–
1715
Augsburg (D). Kollegiatsstift Sankt Moritz. Stiftskirche. Alle Kuppelfresken der von Johann Jakob Herkomer barockisierten Stiftskirche. ST: Matthias Lotter. Zerstörung 1944. Probst Johann Georg Freiherr von Schönborn
1715–
(um)
Ehingen (Baden-Württemberg) Kollegium. Studienkirche. Deckenfresken des Neubaus von Franz Beer.
ST: Melchior Paulus.
Abt (Zwiefalten) Beda Summerberger
1716 Banz
(Oberfranken D). Benediktinerabtei. Stiftskirche.
Deckenfresken in den Langhausgewölben.
ST: Johann Jakob Vogel
Abt OSB
Kilian Döring
1716–
1717
Eichstätt (D). Dominikaner-Stiftskirche St. Peter. Gewölbe- und Kuppelfresken der Stiftskirche. Vergütung 700 Gulden.
ST: Brüder Ehehamb aus Landshut.
Zerstört durch Brand 1918.
Fürstbischof Johann Anton I. Knebel von Katzenelnbogen und Prior Joseph Honeck
1719 Waidhofen (Oberbayern D). Pfarrkirche Mariä Reinigung und St. Wendelin. Deckenfresken (Hauptfresko Maria Himmelfahrt) und Bilder der Kanzel. Pfarrer Franz Seraph Kaltenegger
1720 Blumental bei Aichach (Schwaben). Deutschordens-Kommende. Kirche St. Maria. Deckenfresken in der Schlosskirche St. Maria. Landkomtur Carl Heinrich von Hornstein (Ellingen)


Fragwürdige oder falsche Zuschreibungen

1710 Altendorf (Altmühltal D)
Wallfahrtskirche
Maria End.
Die Deckenfresken im Langhaus und Chor werden im Dehio (2006, Alexander Rauch) als Werk von Matthias Zink (1665–1738) bezeichnet.
1712–
1713
Fulda.
Benediktiner-Fürstabtei.
Residenz. Kaisersaal.
Die Deckenfresken des Kaisersaals werden erst 1738–1740 von Emanuel Wohlhaupter erstellt. Falsche Zuschreibung.
1717 Babenhausen (Schwaben) Pfarrkirche St. Andreas. Im dichtem Akanthusstuck des barockisierten gotischen Chorgewölbes (Zuschr. Michael Stiller 1715) werden von Georg Paula mehrere kleine Medaillons und ein Ovalfresko als Werke Steidls beschrieben.
1720
(um)
Altenmarkt bei Deggendorf. Kapelle Maria Zuflucht der Sünder (Frauenkapelle am Hof). Die Wand- und Deckengestaltung des Kapellen-Langhauses (im Auftrag des Propstes OPraem Joseph Mari von Osterhofen) hat weder im Bildaufbau noch im Detail Ähnlichkeit mit den zeitgleichen Werken Steidls.

 

1711 malt Melchior Steidl die Deckenfresken in der Wallfahrtskirche auf dem Schönenberg in Ellwangen. Das Chorfresko (Bild) mit dem auch ikonographisch interessanten Bild des Sündenfalls und der Erlösungs-Verheissung durch den Sohn der unbefleckten apokalyptischen Jungfrau beherrscht die Bildmitte. Die Stuckaturen sind von Melchior Paulus nach Entwürfen von Carlo Maria Pozzi.
Foto: Bieri 2010.

Wenige Meister beherrschen vor 1700 die Fresko-Technik. Einer von ihnen ist Melchior Steidl aus Innsbruck. Er erlernt das Malen «a fresco» in München bei Johann Anton Gumpp, eines Schülers des lange in Rom arbeitenden Egid Schor. Beide Maler, pflegen in ihren Freskenwerken das Cortona-System, welches das Mittelbild in einen gemalten scheinarchitektonischen Rahmen legt. Derart freskieren Gumpp und Steidl 1691 gemeinsam die Stiftskirche in Sankt Florian. Obwohl Steidl meist in Sakralbauten arbeitet, ist sein Name mit den «Kaisersälen» in Kremsmünster, Bamberg und Arnstorf verbunden, in denen er das Cortona-System überzeugend anwendet. Er bleibt seinem stark von der Zeichnung betonten Malstil 30 Jahre treu. Nach 1715 muss er jüngeren Kräften weichen.
Steidl1711
Land (heute)
Tirol A
Bistum 18. Jahrhundert
Brixen
Land (heute)
Bayern
Bistum 18. Jahrhundert
Freising
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Melchior Steidl (1657–1727)