Die Kirche Madonna del Ponte in Roveredo, dem Wohnort von Giovanni Serro, wird 1639 begonnen und 1656 eingeweiht. Das aussen kompakt geschlossene Bauwerk offenbart sich im Innern als reich stuckierte Wandpfeilerkirche. Die Zuschreibung an Giovanni Serro, dem Meister von Kempten, ist allgemein anerkannt. Auf Verbindungen von Serro mit Kempten gehen auch zwei Altarblätter in der Kirche zurück, das eine zeigt das Wappen des Fürstabtes Roman Giel von Gielsberg, das andere ist von Franz Georg Hermann signiert.

Giovanni Serro (vor 1612–nach 1672)

Misoxer Baumeister

Von Giovanni II (auch «Zuan, Zan», Johann) Serro (auch Scero, de Scerris, del Scero, Cerro) aus Roveredo fehlen uns die Lebensdaten.[1] Er ist nach dem Buch der Bruderschaft von San Giulio in Roveredo der Sohn des Magisters «Zan» Antonio Serro. Es könnte damit der Hofingenieur von Kurfürst Wolfgang Wilhelm (1614–1653) von Pfalz-Neuburg gemeint sein, der sich allerdings ohne «Zan» schreibt,[2] Im erwähnten Bruderschaftsbuch wird Giovanni 1623[3] als «Zuan» erstmals erwähnt. Von 1634 bis 1672 ist er als Baumeister in Süddeutschland aktenkundig. Er wirkt 1640–1657 in Neuburg an der Donau, wo er das Obergeschoss des Rathauses erneuert und Langhaus und Turm der Kirche St. Peter baut. 1654 wird Serro von Fürstabt Roman Giel von Gielsberg nach Kempten gerufen, wo er in Nachfolge des in Ungnade gefallenen Michael Beer den Neubau der Stiftskirche St. Lorenz und der fürstäbtlichen Residenz weiterführt. Seine Änderungen der geplanten und schon gebauten Bauteile sind so gewaltig, dass Serro mit Recht als der eigentliche Schöpfer des aussergewöhnlichen Kirchenbauwerkes betrachtet werden muss. Er ist in Kempten mit Unterbrüchen bis 1670 tätig, baut für den Fürstabt auch an den heute abgegangenen Schlössern Schwabelsberg und Kemnath und errichtet Wohnhäuser für den Hof in Kempten. In Immenstadt baut er das Spital nach den Kriegszerstörungen wieder auf. Im Winterhalbjahr ist Serro regelmässig in seinem Heimatort anzutreffen. Im Rechnungsbuch des Tavernenwirtes ist er mehrfach in Gesellschaft der Brüder Barbieri, des Giovanni Rigaglia und des Giovanni Zuccalli, dem Vater von Enrico, aufgeführt. Nachdem er vermutlich bereits Urheber der 1656 eingeweihten Kirche Madonna del Ponte Chiuso in Roveredo (GR) ist, wird ihm auch die 1664–1672 erbaute Pfarrkirche in Santa Domenica (GR) zugeschrieben. Gemeinsam mit seinem Landsmann Giulio Barbieri plant er 1666–1667 den Hofflügel der Abtei St. Gallen und um 1672 den Neubau der Abtei Pfäfers. Nachher verlieren sich die Spuren auch in seiner Heimat Roveredo.
Ort und Jahr seines Todes sind noch unbekannt. Eine Tätigkeit in Polen-Litauen, vielleicht sogar eine Identität mit dem zwischen 1655 und 1671 in Vilnius und Krakau tätigen Jan Zaor, ist zurzeit noch Hypothese.[4] Für die 1685 begonnene Klosterkirche Fischingen kann er altershalber nicht in Frage kommen, obwohl diese Kirche vor allem im Gewölbebau Ähnlichkeiten mit den Arbeiten von Giovanni Serro aufweist.[5]

Pius Bieri 2008/2013

Benutzte Literatur:
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: Graubündner Baumeister, Zürich 1930.
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: I Magistri Grigioni, Poschiavo 1958.
Pfister, Max: Baumeister aus Graubünden, Chur 1993.
Santi, Cesare: Serro, Giovanni, in: Dizionario storico della Svizzera, Locarno 2006.
Denkmalpflege des Kantons Thurgau (Hrsg): Neues Licht auf Fischingen. Die Restaurierung der Klosterkirche, Frauenfeld 2008.
Stevens, Ursula: Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Baumeistern Petrini aus Caneggio im Muggiotal, Tessin, dem Maler Petrini aus Carona, Tessin, und den Baumeistern Serro aus Roveredo, Graubünden, in: Bollettino Genealogico della Svizzera Italiana 12/2008. Separatdruck Poschiavo 2009.

Links:
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/i/I24496.php

Anmerkungen:

[1] Die Serro von Roveredo sind Stamm einer in Someo im Valle Maggia beheimateten Familie. Verwandtschaftliche Beziehungen zur Baumeister- Bildhauer- und Malerfamilie der Petrini aus Caneggio bestehen (Quelle: Ursula Stevens).

[2] Antonio Serro (um 1565–nach 1630), Hofingenieur, der 1622—1629 die Jesuitenkirche Sankt Andreas in Düsseldorf baut und zur gleichen Zeit den Turm der Hofkirche in Neuburg an der Donau fertig stellt. Quelle: Ursula Stevens, auch Beatrice Sendner in: Neues Licht auf Fischingen, Frauenfeld 2008. Nach Zendralli ist der in Deutschland eingebürgerte Antonio Serro eher ein enger Verwandter (Onkel?).

[3] Der Eintrag ins Meisterbuch erfolgt frühestens mit Beginn der Lehre im Alter von 11 bis 12 Jahren. Serros Geburtsdatum kann deshalb mit spätestens 1612 angenommen werden.

[4] Ursula Stevens stellt diese Hypothese in ihrem Aufsatz zu den verwandschaftlichen Beziehungen der Petrini und Serro (Literatur) auf.

[5] Beatrice Sendner weist in: «Neues Licht auf Fischingen» auf die Ähnlichkeiten hin und vermutet Giovanni Serro oder dessen Umkreis als Baumeister von Fischingen.

Werke von Giovanni Serro
Nach Pfister

1640–1642 Neuburg an der Donau (D), Rathaus, Obergeschoss.
1641–1646 Neuburg an der Donau (D), Kirche St. Peter, Neubau Langhaus und Turm.
1648–1656 Roveredo (CH), Kirche Madonna del Ponte Chiuso, Neubau (Zuschreibung).
1648, 1657 Roveredo (CH), Kirche S. Antonio, Mitarbeit.
1654– um 1670 Kempten (D), Benediktinerabteikirche St. Lorenz, Neubau.
1656 Neuburg an der Donau (D), Heiliggeistspital, Glockenturm, Neubau.
1656-1658 Kempten (D), Schloss Schwabelsberg, Umbau? (Gebäude abgegangen).
1656–1664 Kempten (D), Benediktinerabtei, Neubau Süd-, West- und Ostflügel.
1657 Neuburg an der Donau (D), Klosterkirche St. Wolfgang, Turm, Neubau (Zuschreibung).
1658 Blindheim bei Dillingen (D), Pfarrkirche St. Martin, Turmerhöhung.
1658–1663 Kemnath bei Kaufbeuren (D), Schloss, Neubau (1803 abgebrochen).
1659 Immenstadt im Allgäu (D), Spital, Wiederaufbau (verändert ab 1856).
1664–1665 Kempten (D), Stiftsstadt, Wohnhäuser für Stiftsbedienstete.
1664–1672 Santa Domenica im Calancatal (CH), Pfarrkirche, Neubau (Zuschreibung).
1666–1667 St. Gallen (CH), Benediktinerabtei, Hofflügel (heute Bischofsflügel), zusammen mit Giulio Barbieri, Planung, Ausführung durch Giulio Barbieri und Daniel Glattburger.
1672–1674 Pfäfers (CH), Benediktinerabtei, Hofflügel (heute Bischofsflügel), zusammen mit Giulio Barbieri, Planung, Ausführung durch Ulrich Lang aus Sargans.

 

  Giovanni Serro (um 1600–um 1675)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  um 1600, vor 1612 Roveredo     Graubünden CH  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Freistaat Graubünden     Chur  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  nach 1672, um 1675 unbekannt     unbekannt  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    unbekannt     unbekannt  
  Kurzbiografie        
  Giovanni Serro ist einer der Baumeister aus Roveredo, die nach dem Unterbruch des Dreissigjährigen Krieges wieder im Norden tätig sind. Wenige werden in deutschen Ländern sesshaft. Serro hält sich, wie viele seiner ebenso bekannten Dorfgenossen, im Winter immer in der Heimat auf und wirkt auch hier als Baumeister. Untrennbar ist sein Name mit dem grossen Klosterneubau in Kempten verbunden, der zwar im Konzept die Handschrift von Michael Beer und vor allem des Abtes Roman trägt, aber in Architektur und Ausführung eine eigenständige Leistung des von 1654 bis 1670 in Kempten wirkenden Graubündner Baumeisters ist. Nach den gemeinschaftlichen Tätigkeiten mit Giulio Barbieri für die Abteien St. Gallen und Pfäfers verlieren sich nach 1674 seine Spuren.     SerroRoveredo  
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