Carlo Andrea Maini (1683–nach 1731)

Stuckateur-Architekt

Arogno
Carlo Andrea Maini wird am 16. September 1683 in Arogno als Sohn des Stefano und seiner Ehefrau Magdalena geboren.[1] Arogno liegt auf einer Hochterrasse über dem Luganersee und gehört damals zur eidgenössischen Landvogtei Lugano. Das Dorf ist Heimat berühmter Maler und Stuckateure, wie die Artari, Colomba und Genone. Hier wächst Carlo Andrea auf. Über seine Lehr- und Gesellenzeit ist nichts bekannt. 1706–1708 wird ein Andrea Maini als Stuckateur in der Elisabethenburg von Meiningen aufgeführt. Es dürfte sich hier um seinen 1676 geborenen Cousin handeln, der später in Glückstadt sesshaft wird.[2] Carlo Andrea heiratet im Februar 1711 Catarina Bariani aus Arogno, was auf die üblichen Winteraufenthalte in der Heimat schliessen lässt. Trauzeuge dieser Heirat ist nebst dem Bruder der Ehefrau auch der in Fulda tätige Stuckateur Giovanni Battista Artari.

Ottobeuren 1717–1731
1717 ist Carlo Andra Maini als selbstständiger Stuckateur im Neubau der Klosteranlage Ottobeuren tätig und setzt die Arbeiten seiner Landsleute Marazzi, Garove und Carlone fort, welche 1713–1714 hier tätig sind.[3] Er wird vom Subprior und Planer des Neubaus eingestellt.[4] Maini arbeitet bis 1722 gleichzeitig mit Johann Baptist Zimmermann und Caspare Antonio Mola,[5] übernimmt dann aber mit seiner Werkstatt die Gesamtleitung der Stuckateurarbeiten. Um diese Zeit ist der Kaisersaal mit seiner Stuckmarmorsäulen-Pracht schon fertig gebaut und stuckiert.[6] Er ist das Hauptwerk Mainis, er ist auch der Entwerfer. Wichtigste Mitarbeiter in seiner Werkstatt sind nach 1725 Gerolamo Francesco Andreoli aus Muzzano, Giuseppe Antonio Bossi aus Porto Ceresio und Johann Caspar Radmiller aus Thannhausen.[7] Bossi, der spätere berühmte Hofstuckateur in Würzburg, ist dabei vor allem für die Figuralplastik zuständig. 1729–1731 ist Maini nicht nur als Stuckateur im Klosterneubau, sondern auch als Planer für den Kirchenneubau tätig. Er legt im Auftrag des Abtes mehrere Projekte vor.[8] Während dieser Zeit scheint er auch die Wintermonate in Ottobeuren zu verbringen. 1730 schreibt der Abt in sein Tagebuch: «Diesen ganzen Winter laboriert Herr Maini an einem Kirchenriss».[9] 1731 trennen sie sich, nachdem der Konvent den Kirchenneubau abgelehnt hat, im Unfrieden.[10]

Festsaal in Füssen 1721
Noch vor dem Ausbau des Kaisersaals in Ottobeuren plant und baut Maini den Festsaal der Benediktinerabtei Füssen. Leitfaden ist dort ein Entwurf des 1717 verstorbenen Klosterbaumeisters Johann Jakob Herkomer.[11] Der Prunksaal mit Stuckmarmorsäulen und reicher Stuckplastik ist 1721 fertig und dürfte Vorbild für den Kaisersaal in Ottobeuren sein. Den Auftrag verdankt er den Empfehlungen aus Ottobeuren, speziell von Pater Christoph Vogt.[12] Der Festsaal in Füssen wird heute auch als Fürsten- oder Kaisersaal bezeichnet.

Rätsel um den Aufenhalt 1728
Am 15. März 1728 notiert Abt Rupert im seinem Tagebuch die Entlassung Mainis aus Klosterdiensten und vermerkt, dass ihm der Auszug Mainis «mit Weib und Kindern» hart gefallen sei.[13] Schon ein Jahr später kommt aber Maini auf Wunsch des Abtes wieder nach Ottobeuren zurück, um hier den Neubau der Stiftskirche zu planen.[14]
In der kunstgeschichtlichen Literatur findet sich noch heute die Episode, dass Maini nach seiner Entlassung nach Glückstadt reist und dort die Stuckausstattung des Wasmer-Palais übernimmt. Dass die Reise und die Organisation der Werkstatt für die aufwändige Stuckierung des Palais in solch kurzer Zeit ein Ding der Unmöglichkeit ist, entgeht den Kunsthistorikern.[15] Sie verwechseln Carlo Andrea in Ottobeuren mit seinem Cousin Andrea in Glückstadt.

Nach 1731
1731 ist Carlo Andrea Maini 48 Jahre alt. Vielleicht zieht er sich nach Arogno zurück, denn im deutschsprachigen Gebiet ist er in den nachfolgenden Jahren nicht mehr aktenkundig. Weder eine weitere Tätigkeit noch das Todesjahr sind bis heute bekannt.

Pius Bieri 2015

Literatur (Maini in Ottobeuren)
Bernhard, P. Magnus OSB: Beschreibung des Klosters und der Kirche zu Ottobeuren. Ottobeuren 1864.
Lieb, Norbert: Barockkirchen zwischen Donau und Alpen, München 1953.
Jahn, Peter Heinrich: «Wenigst habe in Wien und Rom davon alle Ehr». Die «kaiserliche» Phase der Baupolitik des Reichsstiftes Ottobeuren, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 67 (2004), Seite 183–200
Quellen:
Alle Lebensdaten der Biografien Carlo Andrea und Andrea Maini sind mir von Ursula Stevens, Castel San Pietro, übermittelt worden.
Siehe dazu auch die Webseite: http://www.artistiticinesi-ineuropa.ch/index.html


Anmerkungen:
[1] Vater Stefano (geb. 1647), Grossvater Andrea, Urgrossvater Paolo.

[2] Andrea Maini, geboren am 2. November 1676 (Eltern: Andrea und Magdalena), sicher ein Verwandter, heiratet 1709 in Glückstadt. Quelle: Ursula Stevens, Castel San Pietro.

[3] Francesco Marazzi (1670 Mendrisio–1724 München), Pietro Antonio Garove, auch Garuo, Garovo, Garvo (aus Bissone, Lebensdaten unbekannt), Domenico Antonio Carlone (1779 Scaria–1728 Linz).

[4] Pater Christoph Vogt (1648–1725) empfiehlt Maini dem Abt, siehe auch Anmerkung 10 und die Biografie mit Werkverzeichnis.

[5] Johann Baptist Zimmermann (1680–1758) aus Wessobrunn, arbeitet 1716–1717 und 1719–1722 in Ottobeuren. Siehe Biografie und Werkliste.
Gaspare Mola (1684–1749) aus Coldrerio, arbeitet 1719–1722 in Ottobeuren, 1725–1727 in Wald, 1727–1729 in Ochsenhausen.

[6] Schon im Herbst 1723 beginnt Jacob Carl Stauder mit dem Deckengemälde in Ölfarben, der Saal muss also Ende 1722 stuckiert sein. Angaben «Dehio» (2008): Stuck 1723–1726.

[7] Gerolamo Francesco Andreoli (1700–1757) aus Muzzano, in Ottobeuren 1725–1728, später Hofstuckateur in Bayreuth. Giuseppe Antonio Bossi (1699–1764) aus Porto Ceresio, in Ottobeuren 1727–1729, später Hofstuckateur in Würzburg. Siehe Biografie.
Kaspar Radmiller (1692–1775) aus Thannhausen, 1721–1731 in Ottobeuren.

[8] Der Abt bezeichnet 1727 den Kaisersaal als Vorbild für den Kirchenneubau: «Ich dediziere solchen SS. Trinitati, mit dem Wunsch und Anzeig, dass künftig noch eine schönere Kirche möchte gebaut werden, als warzue diser Saal eine Anleitung geben kan».

[9] Zwei Projekte von Carlo Andrea Maini sind bei Norbert Lieb: Barockkirchen zwischen Donau und Alpen (München 1953) auf Seite 82 abgebildet. Nach dem Beschluss des Kapitels vom April 1731, die Kirche in den nächsten Jahren nicht zu bauen, werden die Kirchenplanungen vorläufig sistiert.

[10] Protokollzitat des Abtes im April 1731 über Maini: «Er ist anfangs als Stuccador von H. Subprior sel. mir racommendiert worden, hat sich hernach in die Architektur geschwungen, ein und anderes wohl ausgeführt. Ob aber eine Kirche anzuvertrauen, stehe an und zweifle sehr». Nach seiner Entlassung strengt Maini eine Schadenersatzklage beim Kaiserlichen Landgericht in Schwaben zu Altdorf (Weingarten) an. Quelle: Peter Heinrich Jahn in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 67 (2004), Seite 196.

[11] Johann Jakob Herkomer (1673–1717), siehe zu ihm die Biografie in dieser Webseite.

[12] Die Äbte von Füssen und Ottobeuren stehen wegen ihrer Bauvorhaben im Dauerkontakt. Dies gilt auch für den Füssener Klosterbaumeister Johann Jakob Herkomer und den Planer von Ottobeuren, Pater Christoph Vogt.

[13] In Ottobeuren werden neun Kinder Mainis getauft. 

[14] Die Aufenthaltsorte Mainis zwischen März 1728 und April 1729 sind unbekannt. Der seiner Rückkehr vorangehende Briefwechsel ist nicht erhalten.

[15] Erstmals bei Tilman Breuer in «Die italienischen Stukkatoren in den Stiftsgebäuden von Ottobeuren» (1963) so dargestellt. Siehe dazu den Beitrag von Peter Heinrich Jahn in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 67 (2004), Seite 183–200. Tatsächlich wird das Palais in Glücksburg aber schon um 1711-1714 von Andrea Maini, dem 1676 geborenen Cousin, stuckiert.

  Carlo Andrea Maini (1683–nach 1731)  
  Biografische Daten              
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  16. September 1683 Arogno   Tessin CH  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Eidgenössische Vogtei Lugano   Como  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  nach 1731 Unbekannt   Unbekannt  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Unbekannt   Unbekannt  
  Kurzbiografie        
 

Von Carlo Andra Maini aus Arogno ist nur eine kurze Schaffensperiode bekannt. 1717–1731 ist er in Ottobeuren als Stuckateur und Entwerfer tätig. Mit seinem Trupp, in dem auch der später berühmte Stuckateur Antonio Bossi tätig ist, gestaltet er eine Vielzahl von Räumen und Treppenhäusern. Hauptwerk ist der Kaisersaal, für den er auch Entwerfer ist. In den letzten Jahren arbeitet er auch als Planer für den Kirchenneubau, der dann allerdings 1731 vom Konvent verschoben wird. In den folgenden Jahren ist Maini in den deutschsprachigen Gebieten nicht mehr aktenkundig. Werke des in Thüringen und Glücksburg tätigen Andrea Maini, eines Verwandten, werden ihm fälschlicherweise zugeschrieben.

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Hauptwerk von Carlo Andrea Maini ist der Kaisersaal in der Benediktinerabtei Ottobeuren. Er ist auch der Entwerfer der Raumarchitektur. Mit seinem Trupp erstellt er 1721–1722 die Stuckmarmorsäulen und die Stuckaturen des prächtigen Saales. Den Namen erhält der Saal wegen der 1723 –1724 von Jacob Carl Stauder gemalten Kaiser und Kaiserinnen und wegen der 1725–1727 errichteten 16 Statuen von habsburgischen Kaisern.