Bernried
Johann Georg wird am 4. April 1668, als Sohn des Petrus Ettenhofer und der Walburga Liebhart in Bernried am Westufer des Starnberger Sees geboren. Hier liegt ein Augustiner-Chorherrenstift, dessen Gebäude seit wenigen Jahren neu erstellt sind.[1] Im Ort ist auch der Wessobrunner Maurermeister und Stuckateur Kaspar Feichtmayr ansässig.[2] Er ist der Baumeister des Klosters Benediktbeuern. Bei ihm tritt Johann Georg Ettenhofer in die Lehre ein. Dann folgen Wanderjahre in Böhmen und Mähren. Er ist drei Jahre in Prag und zwei Jahre in Tattenitz und Leitmeritz. Er macht hier Erfahrungen mit der wegweisenden böhmischen Barockarchitektur der 1690er-Jahre.[3]
Palier von Giovanni Antoni Viscardi
Am Neubau des Klosters der Salesianerinnen ist er um 1694 erstmals als Palier des Misoxer Baumeisters Giovanni Antonio Viscardi erwähnt. Anschliessend baut er 1695–1698 für Viscardi auch das Stadthaus Rivera. 1697 folgt der Landsitz Neuhofen in München Sendling.
1699 verheiratet er sich, nachdem der Rat sein Gesuch um Beisitz[4] und Wohnsitz in München genehmigt. Er arbeitet aber weiterhin als Palier Viscardis, ist am Neubaubeginn der Fürstenfelder Klosterkirche 1700, am Bau des Klosters in Schäftlarn ab 1702 und später auch am Bürgersaal-Neubau in München ausführender Maurermeister.
1705 muss er dem Rat auf Druck der Maurerzunft ein Meisterstück einreichen. Der Stadtrat lässt seine 14 Risse von Viscardi begutachten, der bestätigt, dass Ettenhofers «Meisterstückriss unbedenklich und sonderbar ohne Hauptfehler erfunden» seien. Der Rat anerkennt ihn jetzt als Meister.
Selbstständiger Baumeister
Erster bekannter Auftrag ist die Kirche in Hofolding, die er 1701 beginnt. Bis 1713 ist er aber, nun vermehrt als ausführender Baumeister, noch immer nach Planungen von Viscardi tätig. Nach dem Tod von Viscardi übernimmt er dessen laufende Bauten. Vor allem für den anspruchsvollen Bau der Kirche der Theresianerinnen oder Unbeschuhten Karmelitinnen, der heutigen Dreifaltigkeitskirche in München, ist er seit 1711 der ausführende Baumeister. Auch die an die Kirche anschliessenden Klosterflügel führt er aus, hier aber nach Plänen des Ordensbaumeisters Dominikus a S. Euphrosina und mit Philipp Köglsperger als Palier.[5] Das Kloster ist heute völlig durch Nachkriegsbauten ersetzt.[6]
Fürstenfeld
Wichtigster Bau wird nun die Zisterzienser-Klosterkirche Fürstenfeld, für die ihn 1714 Abt Liebhard Kellerer verpflichtet. Der Bau ist seit 1701 wegen der klosterinternen Opposition gegen den Abt gestoppt. 13 Jahre später ist für den Chor noch immer die Planung Viscardis massgebend. Vermutlich ist für das Langhaus auch eine neuere Planung Viscardis (vor 1699) vorhanden. Ein Riss Viscardis, den er 1696/98 für die Stiftskirche Schäftlarn zeichnet, hat derartige Ähnlichkeit mit dem ausgeführten Langhaus von Fürstenfeld, dass heute mindestens die generelle Planung nicht mehr Ettenhofer, sondern Viscardi zugeschrieben wird.[7] Sicher ist nur, dass die Planüberarbeitung und die Detailbearbeitungen jetzt in der Verantwortung Ettenhofers liegen. Seine Ausführung des Innenraums mit dem tiefgelegten Säulengebälk und den unnötigen Emporen wird heute gnadenlos kritisiert.[8] Der Kritik kann die Bewertung von Cornelius Gurlitt entgegengehalten werden, der 1889 von der gewaltigen Raumwirkung begeistert ist.[9] Diese ist das gemeinsame Werk von Johann Georg Ettenhofer und den seit 1718 beteiligten Jacopo Appiani und Cosmas Damian Asam. Ein Bruder des ebenfalls in der Planung mitwirkenden Bauabtes, Georg Kellerer, ist Palier Ettenhofers. Er verunglückt 1727 bei einem Gewölbeeinsturz tödlich. 1728 sind die Baumeisterarbeiten weitgehend beendet.
Spitalkirche zum Hl. Geist, München
1724 kann Ettenhofer die Kirche des Heilig-Geist-Spitals, eine dreischiffige Hallenkirche der Gotik, zu einer barocken Kirche umbauen und den Glockenturm anfügen. Er erhöht den Innenraum und die Aussenwände, und wölbt die Schiffe neu. Den überzeugenden Innenraum der nun barocken Freipfeilerhalle vollenden die Brüder Asam mit Stuck und Fresken. Die Westfassade ist nicht das Werk Ettenhofers, sie entsteht erst 1888 nach dem Abbruch des Spitals zu Gunsten des Viktualienmarktes. Die Kirche wird im Zweiten Weltkrieg zerstört und bis 1975 rekonstruiert.
Letzte Werke
Ettenhofer dürfte als planender Baumeister an der Landkirchenarchitektur südlich und östlich von München mehr Anteil haben, als dies die Werkliste ausweist. Er ist offensichtlich auch als rein entwerfender Architekt geschätzt, wie seine Planungen für Schlehdorf und die Zuschreibung der Entwürfe für das Kloster Polling zeigen. Sein letztes Werk scheint die Kirche der Jesuitenresidenz Ebersberg zu sein, die er 1733–1734 barockisiert. Er ist um diese Zeit praktisch nicht mehr beschäftigt und muss 1736 und 1737 um Ermässigung und Abschreibung der Steuer bitten. 1738 verzichtet er auf sein Meisterrecht und erwirkt die Aufnahme in die Kramerzunft. Er betreibt in den folgenden Jahren eine Eisenkrämerei. Am 25. Januar 1741 stirbt er in München im Alter von 73 Jahren.
Pius Bieri 2015
Anmerkungen:
[1] Heute ist nur noch die einfache Stiftskirche und der im 1853 im Neurenaissance-Stil umgebaute und aufgestockte Südflügel erhalten, der Rest fällt Abbrüchen des 19. Jahrhunderts zum Opfer.
[2] Caspar Feichtmayr (1639–1704). Leben und Werkliste siehe Caspar Feichtmayr in Wikipedia
[3] Im barocken Prag der 1690-Jahre sind Jean-Baptiste Mathey (in Prag seit 1675), Paul Ignaz Bayer, auch Abraham Leuthner und die Brüder Dienztenhofer die wichtigsten Baumeister. In Leitmertitz (Litoměřice) ist nach 1683 Giulio Broggio mit der Marienkirche und der Residenz beschäftigt, bei ihm dürfte auch Johann Georg Ettenhofer gearbeitet haben.
[4] Mit dem bürgerlichen Beisitz oder dem Hofschutz darf, mit Einschränkungen, ein Gewerbe ausgeübt werden, ohne Mitglied der Zunft zu sein. Das Privileg ist im Gegensatz zur Zunftgerechtigkeit weder erblich noch verkäuflich.
[5] Dominikus a S. Euphrosina OCD (1661–1725), geboren als Georg Schorn in Partenkirchen.
Philipp Köglsperger (1673–1730) aus Sachsenkam ist Maurermeister in München. Norbert Lieb schreibt ihm 1941 in «Münchner Barockbaumeister» die bautechnische Leitung des Klosterneubaus zu.
[6] Die westlich entlang der Rochusgasse anschliessenden Gebäude werden schon im 19. Jahrhundert abgebrochen, die östlich anschliessenden Teile an der Kreuzgasse (später Pfandhausgasse, heute Pacellistrasse) sind heute durch Nachkriegs-Neubauten ersetzt, das Haus Nr. 8 ist sogar ein siebengeschossiges Geschäftshaus.
[7] Siehe dazu die Ausführungen unter «Schäftlarn» in der Biografie von Giovanni Antonio Viscardi in dieser Webseite oder im Aufsatz von Gabriele Dischinger in: «Fürstenfeld oder Schäftlarn. Überlegungen zu einem Grundriss im Archiv von Ottobeuren», in: Kloster Fürstenfeld, Lindenberg 2013, Seite 144–154.
[8] Die nicht überzeugende Lösung der Gesims- und Gewölbezone könnte tatsächlich ein Vorbild im Innenraum der Münchner Jesuitenkirche haben, welcher in Fürstenfeld trotz völlig anderer Tektonik implantiert wird. Wenn man Neustift als Vorläufer von Fürstenfeld betrachtet, ist die Kritik berechtigt.
[9] «Die gewaltige Raumwirkung, namentlich die riesige Steigerung in der Höhenrichtung, welche durch den schlanken Aufbau der Seitenkapellen mächtig in ihrer Wirkung gesteigert wird, der Reichtum der plastischen und malerischen Ausstattung, an welcher die Brüder Asam und der Maler Francesco Appiani das Hervorragendste leisteten, geben dem ganzen Bau eine grosse und freie Schönheit, deren Gleichen nicht oft zu finden ist». Cornelius Gurlitt in: Geschichte der neueren Baukunst. Fünfter Band. 1889.
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Jahr | Ort und Bauwerk | Bauherr | Beschrieb der Werktätigkeit |
1694 (um) |
München Salesianerinnen-Kloster Mariä Heimsuchung (nach 1785 Damenstift St. Anna) |
Kurfürstin Adelheid Henriette von Savoyen | Neubau der Klostergebäude. Mehrfach umgebaut und teilzerstört, heute Realschule. Palier ist Johann Georg Ettenhofer. Die Kirche ist ein späterer Bau von Johann Baptist Gunetzrhainer (1737, nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruiert). |
1695– 1698 |
München Stadthaus Rivera |
Gräfin Adelheid von Rivera-Preysing | Das Stadthaus der Witwe des 1695 vor Namur gefallenen Obristen Johann Baptist Conte Balbis-Rivera muss schon 1734 dem Palais Törring weichen. Palier ist Johann Georg Ettenhofer. |
1697 | München-Sendling Sitz Neuhofen |
Geheimrat Matthäus von Joner | Neubau eines Lusthauses. Palier ist Johann Georg Ettenhofer. Das Gebäude, heute abgebrochen, siehe auf dem Stich Wening 1701. |
1700– 1701 |
Fürstenfeld Zisterzienserabtei Stiftskirche Mariä Himmelfahrt |
Abt OCist Balduin Helm | Neubau. Planung 1699. Grundsteinlegung 1700. Palier ist Johann Georg Ettenhofer. Einstellung der Arbeiten 1701 bis 1714. |
1702– 1707 |
Schäftlarn Prämonstratenserabtei Konventgebäude |
Abt OPraem Melchior Schussmann | Neubau. Palier ist Johann Georg Ettenhofer, der bis 1725 auch die Ausbauarbeiten leitet. Erste Planungen um 1696/98 auch für einen Kirchenneubau, der offensichtlich eine Vorstufe von Fürstenfeld darstellt (nicht ausgeführt, Plan heute in Ottobeuren). |
1709– 1712 |
München Bürgersaal und Bürgersaalkirche |
Jesuitenkolleg München und Marianische Bürgerkongregation | Neubau. Mit Johann Andreas Wolff als Zeichner und Maler. Ausführender Baumeister ist Johann Georg Ettenhofer. Stuck: Peter Franz Appiani. Zerstörung 1944. Wiederaufbau 1945–1959. |
1711– 1715 |
München Kirche der Unbeschuhten Karmelitinnen, heute Dreifaltigkeitskirche |
Kaiserliche Administration und Stiftergremium der drei bayrischen Landstände mit der Münchner Bürgerschaft | Neubau. Hauptwerk von Viscardi in München. Ausführung durch Johann Georg Ettenhofer, der die Kirche nach 1714 auch fertigstellt. Stuck: Johann Georg Bader. Fresken: Cosmas Damian Asam. Das Bauwerk ist original erhalten. |
Jahr | Ort und Bauwerk |
Bauherr | Beschrieb der Werktätigkeit |
1701 (um) – 1735 |
Faistenhaar Filialkirche St. Peter und Paul |
Hofkastenamt München. (Kurfürstliche Hofmark Grünfeld) | Baubeginn schon 1683 (Turm). Zuschreibung der Fertigstellung von Chor und Langhaus an Johann Georg Ettenhofer. |
1701– 1723 |
Hofolding Pfarrkirche Hl. Kreuz |
Hofkastenamt München | Neubau. Das Langhausgewölbe stürzt 1777 ein und wird 1778 neu errichtet. |
1710– 1725 |
Schäftlarn Prämonstratenserabtei Konventgebäude |
Abt OPraem Melchior Schussmann | Neubau. Begonnen 1702 durch Giovanni Antonio Viscardi. Einstellung 1707 wegen Geldmangels. Fortsetzung ab 1710 durch den ehemaligen Palier Johann Georg Ettenhofer. |
1711– 1714 |
München Kloster der unbeschuhten Karmelitinnen. |
Kaiserliche Administration und Stiftergremium der drei bayrischen Landstände mit der Münchner Bürgerschaft | Neubau. Bauleiter (nicht Baumeister) ist der Karmeliterpater P. Dominicus a S. Euphrosyna. Ausführung durch Johann Georg Ettenhofer. Die Gebäude sind heute zum grössten Teil zerstört. Pacellistrasse 10 ist einziges (umgebautes) Teilstück an alter Lage. |
1713– 1715 |
München Kirche der unbeschuhten Karmelitinnen, heute Dreifaltigkeitskirche |
Kaiserliche Administration und Stiftergremium der drei bayrischen Landstände mit der Münchner Bürgerschaft | Neubau. Hauptwerk von Viscardi in München. Ausführung durch Johann Georg Ettenhofer, der die Kirche 1713–1715 auch fertigstellt. Palier ist Hans Georg Rieder. Stuck: Johann Georg Bader. Fresken: Cosmas Damian Asam. |
1714– 1721 |
Polling Augustiner-Chorherrenstift |
Propst CanA Albert Oswald | Neubau der Konventflügel. Zuschreibung des Entwurfes an Johann Georg Ettenhofer. Die Gebäude werden im 19. Jahrhundert zum grossen Teil abgerissen. |
1714– 1724 |
Puch Filialkirche St. Sebastian und St. Edigna |
Abtei Fürstenfeld. Abt OCist Liebhard Kellerer | Neubau Langhaus. Stuck Jacopo Appiani. Zuschreibung. |
1715– 1728 |
Fürstenfeld Zisterzienserabtei Stiftskirche Mariä Himmelfahrt |
Abt OCist Liebhard Kellerer | Neubau. Grundsteinlegung 1700 nach Planung von Giovanni Antonio Viscardi. Einstellung der Arbeiten 1701 bis 1716. Akkord 1715/16 mit Johann Georg Ettenhofer. 1716 Weiterbau. Palier ist Georg Kellerer († 1727). |
1717– 1758 |
Schlehdorf Augustiner-Chorherrenstift und Stiftskirche St. Tertulin |
Propst CanA Bernhard Bogner | Neubau des Klosters 1718–1724 nach Planung Johann Georg Ettenhofer durch Johann Mayr. Palier ist Johann Michael Fischer. Neubau der Stiftskirche ab 1726. Zuschreibung des Entwurfes an Johann Georg Ettenhofer. |
1719– 1734 |
Magnetsried Filialkirche St. Margaretha |
Kloster Bernried Probst Mansuet Resch |
Neubau. Zuschreibung. |
1724– 1730 |
München Spitalkirche hl. Geist |
Stiftung des Hl.-Geist-Spitals und Innerer Rat | Umbau der gotischen Hallenkirche. Stuck und Fresken der Brüder Asam. Kirchenverlängerung und neubarocke Fassade 1888. 1944/45 Zerstörung. Wiederaufbau bis 1951, Stuck und Fresken bis 1975 rekonstruiert. |
1729– 1732 |
Hohenschäftlarn Pfarrkirche St. Georg |
Abtei Schäftlarn. |
Neubau. Langhausverlängerung 1954. |
1733– 1734 |
Ebersberg Jesuitenresidenz. Kirche St. Sebastian |
Jesuitenkolleg München |
Umbau der spätgotischen Hallenkirche in eine barocke Freipfeilerhalle. |
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