Die Castelli aus Melide

Familie von Tessiner Stuckateuren und Bildhauern des 17. und 18. Jahrhunderts[1]
Castelli oder de Castello, wie der Name in lateinisch abgefassten Kirchenbüchern auch geschrieben wird, ist ein verbreiteter Familienname im südlichen Tessin und im angrenzenden Oberitalien. Verschiedene Familienstämme wirken als Baumeister und Stuckateure ausserhalb ihrer engeren Heimat. Die meisten der bekannten Meister stammen aus Bissone und Melide. Die beiden Dörfer am Luganersee sind noch im 18. Jahrhundert mit einer Fähre verbunden. Der wohl berühmteste des Familienstamms Castelli-Brumini aus Bissone ist Francesco Castelli (1599–1667), der in Rom unter dem Namen Borromini Architekturgeschichte schreibt. Die Stuckateure und Baumeister mit Namen Castelli oder Castello, die im Norden der Alpen erwähnt werden, stammen meist aus Melide. Sie sind alle hier geboren. Sofern sie nicht eine Stelle am Fürstenhof, eine Familiengründung oder dringende Winterarbeiten zum Bleiben veranlasst, halten sie sich vom November bis März in ihrer Heimat auf.

Elia Castello (1578–1608), Stuckateur und Hofbaumeister in Salzburg

Nach bisheriger Leseart 1572, gemäss der Inschrift auf dem Grab aber 1577/78, wird Elia in Melide als Sohn des Quirico Castelli und der Anna Ramelli geboren. Wie seine Brüder Pietro und Giovanni Antonio macht Elia die Lehre bei seinem Vater, der ebenfalls Stuckateur ist. 1587–1590 wird er als Stuckateur der Jesuitenkirche St. Michael in München erwähnt. Möglich, aber eher unwahrscheinlich, wäre eine anschliessende sehr kurze Gesellentätigkeit bei Alessandro Vittoria in Venedig.[2] 1597 ist der kaum 20-jährige Stuckateur Nachfolger des 1596 verstorbenen Salzburger Hofbaumeisters Andrea Bertoletti. Er ist hier unter dem Namen Castello bekannt. Salzburg ist zu dieser Zeit von den grossen Bauvorhaben des Fürsterzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau geprägt. In Zusammenarbeit mit Giacomo Bertoletti,[3] dem aus Verna im Val d'Intelvi stammenden Sohn des verstorbenen Andrea, baut und stuckiert er 1597–1602 die Gabrielskapelle im Sebastiansfriedhof, dem Mausoleum des Fürsterzbischofs. Gleichzeitig stattet er bis 1608 mehrere Prunkräume im Piano Nobile des Neugebäudes, der heutigen Neuen Residenz aus. Er wird 1602 auch als Architekt des Kapitelhauses erwähnt. Elia Castello stirbt mit 30 Jahren in Salzburg. Sein Epitaph, von den Brüdern Giovanni Antonio und Pietro errichtet, nennt als Todestag den 1. Januar 1608.[4]
Die Gabrielskapelle und seine wenigen bekannten Arbeiten in Salzburg, vollplastische und eingefärbte, hervorragend gearbeitete Stuckaturen, die er zudem noch mit Farbglassplittern fasst, weisen bereits in den Frühbarock.[5]

Pius Bieri 2011, rev. 2017

Literatur:
Döry, Ludwig Baron: Castelli, in: Dizionario Biografico degli Italiani - Volume 21 (1978).
Morel, Andreas: Zur Geschichte der Stuckdekoration in der Schweiz, in: Zak Band 29, Heft 4, Zürich 1972.
Koller, Manfred: Zur Herkunft der um 1600 in Salzburg tätigen Stukkateure, in: Barockberichte, Heft 5 und 6, Salzburg 1992.
Koller, Manfred: Die neuen Techniken in der Kunst Salzburgs um 1600, in: Barockberichte, Heft 5 und 6, Salzburg 1992.
Ammerer, Gerhard; Hannesschläger, Ingonda; Thomas Hochradner (Hrsg.): Von Venedig nach Salzburg: Spurenlese eines vielschichtigen Transfers. Wien 2015.

[1] Die Forschung über die in Deutschland tätigen Stuckateure der Familien Castelli aus Melide und Bissone ist noch sehr rudimentär. Für die verwandtschaftlichen Beziehungen der verschiedenen Familienstämme siehe den Stammbaum der Castelli aus Melide vom Stamm Ripa (Ursula Stevens, korrigiert 2017).

[2] Die Salzburger Historiker Hammerer und Hannesschläger (in: Von Venedig nach Salzburg, 2015) lassen Elia die Lehre beim Venezianer Alessandro Vittoria (1525–1608) machen. Dies, weil sie Castello schon nach 1594 in Salzburg vermuten und sie die hohe Qualität der ersten Arbeiten mit einer Lehre beim Vater nicht vereinbaren können. Nur: eine Lehre ausserhalb des Familienverbandes ist am Ende des 16. Jahrhunderts keine Option für eine Familie des Tessins. Dies betrifft auch weit berühmtere Söhne des Tessins, wie Carlo Maderno, Domenico Fontana, Francesco Castelli detto Borromini und Giovanni Giacomo Tencalla.

[3] Giacomo Bertoletti ist einziger Sohn des 1596 verstorbenen Andrea. Er ist Schwager von Santino Solari, dem Salzburger Dombaumeister. Die Stuckateure aus dem nahe am Luganersee, aber bereits im Herzogtum Mailand gelegenen Val d'Intelvi kommen vor allem durch die Mitglieder der Familie Carlone zu grosser Berühmtheit.

[4] Die bisherige Interpretation der Lebensdaten auf dem Epitaph wird von Wolfgang Lippmann in: Der Salzburger Dom 1598–1630 (1999) korrigiert. Die alte Inschrift, um 1900 fast «verschwunden», wird damals frei «rekonstruiert». Abschriften in Drucken von 1673 und 1792 zeigen aber übereinstimmend einen anderen Text und notieren die Daten «anno MDCIIX. Cal. Januarii, aetatis sua XXX.» (1. Januar 1608), während auf  dem Epitaph zu lesen ist: «anno MDCII. X Cal. Januarii, aetatis sua XXX» (23. Dezember 1602). Das Alter 30 führt zur Eruierung der unterschiedlichen Geburtsjahre 1578 oder 1572. Interessanterweise bestätigt die Schrift «Architekt Castello † 1608» unter der Porträtbüste den Verdacht Lippmanns. Die Errichtung des Epitaphs würde demnach im Jahr 1611 durch Antonio Castelli erfolgen.

[5] Die Stuckmasse ist, typisch für die Castelli-Werkstatt, eine Dolomitkalk-Alabasterkorn-Mischung. Sie ist jeweils entsprechend ihrer Grundfärbung mit gleichfarbigen Glassplittern überzogen. Siehe zur Technik und auch zur Zerstörung durch (noch 1986) unsachgemässe Restaurierungen den Beitrag von Manfred Koller in: Barockberichte 5-6, Salzburg 1992. Ergänzend hält Oskar Emmenegger fest: «Es besteht noch immer die falsche Meinung, Stuck sei eine Masse aus Gips oder ein Gemisch aus Gips, Kalk und Sand. Die Stuckarbeiten der Comasken, Tessiner und Misoxer des 16., 17. und frühen 18. Jahrhunderts bestehen ausnahmslos nur aus Sumpfkalk und Sand». (Oskar Emmenegger, Roland Böhmer: Misoxer Baumeister, Zizers 2000)

 

  Elia Castello (1578–1608)  
  Biografische Daten              
  Geburtsdatum   Geburtsort     Land  
  1577/78   Melide   Tessin CH  
      Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
      Eidgenössische Vogtei Lugano   Como  
  Sterbedatum   Sterbeort     Land  
  1. Januar 1608   Salzburg   Salzburg A  
      Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
      Fürsterzbistum Salzburg   Salzburg  
  Kurzbiografie              
  Elia Castello, wie er sich als Salzburger Hofbaumeister selbst nennt, stammt aus der weitverzweigten Baumeister- und Stuckateurensippe der Castelli. Der berühmteste ist der Wegbereiter des kurvierten Barock, Francesco Castelli detto Borromini. Dieser wird allerdings erst geboren, als Elia schon in Salzburg tätig ist. Obwohl er nur wenige Jahre dort tätig sein kann, hinterlässt er ein bemerkenswertes architektonisches und stuckplastisches Erbe, das schon in den Frühbarock weist. Die prachtvollen Stuckaturen des Neugebäudes der Salzburger Residenz in den Räumen sprechen für sich.     CastelloSalzburg  
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Das Epitaph des in Salzburg jung verstorbenen Stuckateur-Architekten Elio Castello (Castelli) ist ein Werk seiner beiden in der Schweiz und in Kurbayern tätigen Brüder. Es befindet sich auf dem von ihm geschaffenen Sebastiansfriedhof, wo auch seine im Äussern schon frühbarock anmutende Kapelle steht.

>Zur Inschrift auf dem Epitaph.