Carlo Brentano Moretti (um 1630/34–?)
Stuckateur in Bayern, Franken und Böhmen
Herkunft und Tätigkeit
Carlo Brentano wird um 1634 in Azzano am Comersee als Sohn eines Lederhändlers geboren.[1] Von hier und aus Mezzegra, in das die kleine Gemeinde heute integriert ist, stammen mehrere Zweige der Familie Brentano. Keine dieser Zweige ist dem lombardischen Uradel zuzurechnen, wie es von ihren deutschen und später geadelten Nachfahren erfunden wird. Ihre Mitglieder lassen nach dem Dreissigjährigen Krieg im Norden der Alpen als Handelsleute nieder. Sie sind in der Schweiz, in Deutschland, in den Niederlanden und in Böhmen anzutreffen und gründen hier Handelsniederlassungen. Vor allem Mitglieder der Zweige Moretti[2] und Mezzegra lassen sich früh in Rapperswil, Augsburg und in Nürnberg nieder. Der Lehrmeister von Carlo Brentano ist nicht bekannt. In den Ortschaften am Westufer des Comersees sind zu dieser Zeit Baumeister, aber kaum Stuckateure und Bildhauer bekannt. Schon die erste Arbeit des jungen Brentano in Nürnberg weist auf eine gute Ausbildung, vielleicht bei einem Stuckateur des nahen Intelvi-Tales,[3] vielleicht auch bei einem Meister im nur wenig weiter entfernten Mendrisiotto[4] hin. In der weitverzweigten Brentano-Sippe bleiben er und sein jüngerer Bruder als Stuckateure aber Aussenseiter. Ihre frühe Wirkungsstätte Nürnberg hängt mit Familienangehörigen zusammen, die in der Reichsstadt bereits sesshaft sind. Die dortigen Handelsleute Thomas Carlo und Antoni Brentano sollen ihre Brüder sein. Sie bürgen als Schutzverwandte für die beiden Stuckateure. In Nürnberg kann Carlo Brentano auch Lehrlinge ausbilden, wie ein Lehrvertrag 1662 zeigt. Werke sind hier zwischen 1661 und 1665, dann nochmals 1774 nachgewiesen. Grosse Lücken seiner Werknachweise zwischen 1665 bis 1672 zeigen, dass vom Wirken des Stuckateurs bisher nur ein Bruchteil erfasst ist. Der umfangmässig wichtigste Auftrag ist die Stuckierung des Langhauses und der Seitenschiff-Kapellen der Theatinerkirche München der Jahre 1672 bis 1674. Zwar wird er für die 1670er- Jahre noch als Stuckateur der Repräsentationsräume im böhmischen Schloss Sternberg südlich von Prag erwähnt, aber anschliessend fehlen alle Nachrichten. Er muss früh gestorben sein.[5]
Die Werke
1661 wird der junge Carlo Brentano für die Stuckdecke im Saal des Nürnberger Baumeisterhauses verpflichtet. Für die Fotos dieser erhaltenen Stuckdecke gehe zu
https://www.nuernberg.museum/projects/show/452-stuckdecke-im-baumeisterhaus.
Schon in diesem ersten Werk zeigt Carlo Brentano, dass er keinen deutschen Meister als Konkurrenz fürchten muss. Die hochbarocke, plastische und figurenreiche, bildhauerisch hochstehende Stuckatur ist an Ort und Stelle aufgetragen. Den hochbarocken Stuck in Nürnberg und den gleichzeitigen Felder-und Modelstuck von Konstantin Pader und Matthias Schmuzer in Maria Birnbaum trennen Welten.
1662 vollendet er die Barockisierung der gotische Heilig-Geist-Kirche (Stuck, Hochaltar und Kanzel). Die Barockisierung wird in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts teilweise rückgängig gemacht, seit 1945 ist auch die Kirche zerstört.
1662/63 wird er von Markgraf Christian Ernst von Bayreuth für die Raumstuckierungen der fürstlichen Gemächer der Plassenburg bei Kulmbach verpflichtet. Die Stuckaturen werden 1805 zerstört.
1664 sind ihm Arbeiten im Haus des Kanzlers Carl Freiherr von Stein und im Alten Schloss zu Bayreuth zugeschrieben, die aber auch nicht mehr erhalten sind. Im gleichen Jahr soll er in Stuttgart auch im Lustgarten-Flügel des Alten Schlosses gewirkt haben. Auch diese Arbeit ist seit 1944 nicht mehr erhalten.
1665–1671 sind bisher keine Werke von Carlo Brentano bekannt. Bei den Auseinandersetzungen mit dem Münchner Theatiner P. Spinelli, der einen 1668 geschlossenen Akkord für die Stuckierung der Kapellenräume in den Seitenschiffen der neuen Theatinerkirche annullieren will und den Arbeitsbeginn hinauszögert, weist der Stuckateur auf Arbeiten in Kassel hin, die er wegen des neuen Auftrages in München nach 1668 zwar noch beendet, dann aber keine neuen Aufträge mehr angenommen habe.[6]
1672 beginnt er mit der Arbeit in der Theatinerkirche von München. Der 1669 neu als Bauleiter eingesetzte Theatinerpater Spinelli anerkennt den 1668 geschlossenen Akkord wegen der «unangebrachten» Vertragssumme nicht und erreicht 1672 einen neuen Akkord von 2500 Gulden, der nun das Langhaus der Kirche und auch die Kapellenräume der Seitenschiffe umfasst. Carlo Brentano Moretti muss für diese Arbeit als Stuckunternehmer betrachtet werden, seine Handschrift ist hier nicht mehr ablesbar. Er beendet diese Arbeiten bis zum Ende der Sommersaison 1673. Die 12 Mitarbeiter im Bautrupp sind erwähnt. Darin befindet sich auch der jüngere Bruder Brentanos, Giovanni Battista, sowie die ab 1674 wichtigen Stuckateure Prospero[7] und Giovanni Battista Brenni[8] aus Salorino.
1674 ist er wieder in Nürnberg tätig. Für Christoph Jakob Beheim stuckiert er den Vorsaal im später als Fembohaus bezeichneten Renaissancebau an der Burgstrasse. Seine Stuckdecke und der umlaufende hohe Stuckfries im Fembohaus zeugen, wie schon die Decke im Baumeisterhaus, von einem frühen grossen Meister des Hochbarocks in Deutschland.
Pius Bieri 2025
Literatur zu Carlo Brentano Moretti |
Crollalanza, Giovan Battista di: Cenni storico-genealogici sulla stripe dei Brentano, in: Giornale Ardaldico – genaealogico – diplomatico, Pisa 1879. |
Guldan, Ernst: Italienische Stukkatoren in Bayern, in: Arte e artisti dei laghi lombardi, Como 1964. |
Feilchenfeldt, Konrad und Zagari, Luciano (Hrsg.): Die Brentano, ein europäische Familie, Tübingen 1992. |
Manfred H. Grieb (Hrsg.): Nürnberger Künstlerlexikon , Band 1 A–G, Nürnberg 2007. |
Huber, Fabian Pius: «Mut zu prächtigen Dingen», die Theatinerkirche in München. Lindenberg 2019. |
Web: |
https://www.nuernberg.museum/artist/show/120-brentano-moreti-carlo |
[1] Das kleine Dorf Azzano liegt sechs Wegstunden nördlich von Como direkt am Westufer des Sees. Mit dem darüber am Berghang gelegenen Bonzanigo und Mezzegra bildet es heute eine Fraktion der Gemeinde Mezzegra. Allein in dieser Gemeinde befinden sich vier Palazzi Brentano von Rückkehrern aus dem 17. Jahrhundert.
[2] In der Genealogie von Crollalanza (1878) sind nur die Zweige Gnosso, Tremezzo, Laufenburg, Rapperswil, Toccia und Cimarolo aufgeführt. Der Zweig Rapperwil stirbt 1776 aus. Der Zweig Moretti ist genealogisch nicht erfasst.
[3] Zum Beispiel der Stuckateur Gian Battista Barberini (1625–1691) aus Laino, Schüler von Ercole Ferrata (1610–1686) aus Pellio d’Intelvi. Dieser ist seit 1647 nur noch in Rom tätig, während Barberini um 1640 in der näheren Heimat tätig ist.
[4] Zum Beispiel Agostino Silva (1628–1701) aus Morbio Inferiore, in Rom ausgebildet, um 1640 zurück und vorwiegend im Tessin und in der Lombardei tätig. Der junge Brentano könnte auch mit dem Stuckateur Gian Antonio Colomba (1585–1650) aus Arogno gearbeitet haben, denn er hat viel von dessen bildhauerisch geprägten, hochplastischen und nicht mehr geometrisch gebundenen Stuckaturen gelernt und 1661 in Nürnberg auch angewendet.
[5 ] In der Webseite https://www.nuernberg.museum/artist/show/120-brentano-moreti-carlo wird das Jahr 1684 als Todesjahr mit dem Sterbeort Giuliano angegeben. Brentano wäre dann nur 41 Jahre alt geworden. Wahrscheinlich ist mit Giuliano das Quartier Giulino zwischen der Kirche Sant’Abbondio und Azzano gemeint, welches heute wegen der dortigen Hinrichtung Mussolinis bekannter als Azzano ist.
[6] Der Südfrüchte-Händler Andrea Mainoni, ein Landsmann, vermittelt den Auftrag in München. Seine Aufträge in Kassel oder im nordhessischen Gebiet sind bisher nicht nachgewiesen und sicher schon lange zerstört.
[7] Zu Giovanni Prospero Brenni (1638–1696) siehe https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_Prospero.html
[8] Zu Giovanni Battista II Brenni (1649–1712) siehe https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Meister/a-g/Brenni_GiovanBattista-II.html
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Geburtsdatum | Geburtsort | |
um 1634 | Azzano (Lombardei) | |
Land 18. Jahrhundert | ||
Herzogtum Mailand | ||
Sterbedatum | Sterbeort | |
unbekannt | unbekannt | |
Land 18. Jahrhundert | ||
unbekannt |
Land (heute) |
Lombardei |
Bistum 18. Jahrhundert |
Como |
Land (heute) |
unbekannt |
Bistum 18. Jahrhundert |
unbekannt |