Hans Alberthal (Giovanni Albertalli) um 1575–1648

Misoxer Baumeister in Dillingen

Roveredo
Giovanni Albertalli, der sich in Deutschland Hans Alberthal nennt, stammt aus Roveredo in der Valle Mesolcina. Das Tal, deutsch Misox genannt, ist seit 1549 dem Grauen Bund des Freistaates Graubünden zugehörig. Roveredo hat um 1600 in vier Dorfteilen 92 fuochi oder Herdstellen, was bedeutet, das sich dort im Winterhalbjahr um die 500 Personen aufhalten.[1] Zu dieser Jahreszeit sind auch die meisten der Baumeister und Stuckateure, welche im Sommerhalbjahr im Norden der Alpen arbeiten, in ihrem Heimatort anwesend. Es sind dies im 17. Jahrhundert die bekannten Baumeister- und Stuckteuren-Sippen der Barbieri, Comacio, De Gabrieli, Mazio, Rigaglia, Serro, Sciassia, Tini (Vältin) und Zuccalli. Nur die an einem ausländischen Hof besoldeten Meister kommen nicht zu einem länger dauernden Winteraufenthalt nach Roveredo. Zu ihnen zählen um 1600 auch die Albertalli. Sie sind schon 1488 als Bürger (Patrizi) verzeichnet und noch heute in Roveredo präsent. Ihr Stammhaus liegt jenseits des Flusses Moesa in der hoch gelegenen Fraktion Carasole. Als Baumeister sind sie schon früh im deutschsprachigen Norden nachgewiesen. Ihre Spuren verlieren sich hier am Anfang des 18. Jahrhunderts.


Lebensgeschichte

Dillingen

Vater Pietro ist Baumeister.[2] Er dürfte, wie sein Dorf- und Altersgenosse Gilg Vältin,[3] schon um 1570 in der Donauregion tätig sein. Spätestens Ende des 16. Jahrhunderts ist er in Eichstätt sesshaft. Er muss hier am fürstbischöflichen Hof eine Anstellung gefunden haben. Auf dem Grabstein dieses ersten Misoxer Meisters in Eichstätt finden sich die Worte: «ehrhafft und fürnehmb Peter Alberthal von Roffle im ober Graubünden». Über seine Bautätigkeit ist nichts bekannt. Erst sein Sohn, vor allem aber die nachfolgenden Misoxer Hofbaumeister der Barbieri, Engel und De Gabrieli werden im 17. und 18. Jahrhundert das Gesicht der Bischofsstadt prägen.
Der um 1575 wahrscheinlich noch in Roveredo geborene Sohn Giovanni verbringt seine Lehrjahre im familiären Umkreis, vielleicht schon in Eichstätt. Zwei Brüder arbeiten im Familienverband mit. Der fast gleichaltrige Bruder Albert ist sein Partner, der bedeutend jüngere Martin immatrikuliert sich 1603 im Jesuitengymnasium von Dillingen. Auch er arbeitet später als Maurermeister und Palier seines Bruders. Wie sein Vater und der als Gilg Vältin viel bekanntere Dorfgenosse Giulio Valentini, verdeutscht auch Giovanni Albertalli seinen Namen und nennt sich Hans Alberthal. Man bezeichnet ihn später auch als den «welschen Hans».

Mit dem älteren Gilg Vältin hat Alberthal nicht nur die Herkunft gemeinsam, sie arbeiten auch in der gleichen Region. Zudem haben sie mit dem Prager Maler und Dekorationsarchitekten Joseph Heintz[4] bei einigen Bauten einen wichtigen, allerdings noch stark der Renaissance verhafteten Mitplaner. Heintz und Alberthal schätzen sich gegenseitig.

Dillingen an der Donau wird Anfang des 17. Jahrhunderts Lebensmittelpunkt von Hans Alberthal. Die vielen Bauvorhaben der Augsburger Fürstbischöfe und die ersten Aufträge um 1597 bewegen ihn zur Wohnsitznahme in der Residenzstadt. Um 1601 heiratet er seine erste Ehefrau Johanna. 1601/02 wird, wahrscheinlich noch in Roveredo, der erste Sohn Peter geboren. 1606 ist Hans Alberthal als Hausmitbesitzer verzeichnet. Er lässt jetzt seine Familie nachziehen. 1607 baut er in der Donauvorstadt sein eigenes Haus. Weitere Söhne, die das Erwachsenenlalter erreichen, werden hier geboren. 1611 folgt Johann, 1616 Heinrich. Diese drei Söhne lässt er am Dillinger Jesuitengymnasium immatrikulieren.[5] Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratet er 1631 erneut.[6] 1632 wird der Sohn Johann Peter geboren.[7] In diesem Jahr ist Hans Alberthal noch immer Dillinger Stadtrat und vermögender Bürger mit einem ansehnlichen Besitz an Häusern und Grundstücken. Inzwischen hat aber der Dreissigjährige Krieg auch Dillingen erreicht, an Bauaufträge ist nicht mehr zu denken. Alberthal verlässt die von Schweden besetze Stadt noch 1632. Die Stadt Dillingen hat inzwischen seine Güter mit einem vorsorglichen Pfand belegt. Sie will damit ihm angelastete Schäden an der Stadtpfarrkirche sanieren. Die Wirren des Dreissigjährigen Krieges bewirken zwar die vorläufige Sistierung der Beschlagnahmung. Alberthal hat aber inzwischen eine neue Tätigkeit im königlichen Ungarn aufgenommen. Die Ehefrau und die minderjährigen Kinder folgen ihm nach. Zurück bleibt der inzwischen zum Priester geweihte Sohn Peter. Über das Schicksal der beiden Söhne Johann und Heinrich ist nichts bekannt. Sie scheinen früh verstorben zu sein. In Ungarn muss Alberthal 1643 zu Kenntnis nehmen, dass die Ausbesserung und die Sicherung der Stadtkirche auf seine Kosten durchgeführt werden,[8] was den endgültigen Verlust seines in Dillingen erarbeiteten Vermögens bedeutet.

Ungarn[9]
Bis 1699, der vollständigen Eroberung Ungarns durch die Habsburger, wird das von den Osmanen nicht besetzte Gebiet der heutigen Slowakei, des westlichen Teils Ungarns bis zum Plattensee und des westlichen Teils heutigen Kroatiens als Königliches Ungarn bezeichnet. Es ist in die Habsburgermonarchie integriert. Hier ist ein Hans Alberthal schon vor 1633 tätig. Vom Alberthal-Biographen Kessler als Agramer Alberthal bezeichnet,[10]  schliesst dieser zweite Alberthal in Agram, dem heutigen Zagreb, mit Bischof Erghelius[11] einen Akkord über den Neubau des Kirchturms am Dom von Agram. Es handelt sich aber hier wahrscheinlich um einen Namensvetter.
Der Dillinger Hans Alberthal findet in der Hauptstadt Pressburg, dem heutigen slowakischen Bratislava, noch vor 1636 einen neuen Wirkungskreis. Er ist Baumeister des späteren Palatins Graf Paul Pálffy[12] und auch seines Bruders Graf Stephan Pálffy. Seine Berufung könnte dem kaiserlichen Hofbaumeister Giovanni Battista Carlone[13] zu verdanken sein, der auch die Entwurfsplanung für die königliche Burg in Pressburg erstellt. Carlone scheint Alberthal zu schätzen, wie sein Beizug 1640 für ein Gutachten zur Schatzkammer der Hofburg in Wien zeigt. Hingegen ist die oft erwähnte Vermittlung durch den Augsburger Baumeister Elias Holl eine klare Fehlinterpretation.[14] Alberthal ist jetzt wieder vollbeschäftigt. Er kann ein neues Vermögen anlegen und kauft 1642 in der Wiener Herrengasse das Haus «Zum schwarzen Tor». Auch seine Familie vergrössert sich, wie weitere Taufeinträge in Pressburg zeigen. Der letzte Eintrag am 2. Juli 1648 gilt dem Sohn Johann Paul.[15] In diesem Jahr muss Hans Alberthal im Alter von ungefähr 70 Jahren verstorben sein, denn 1649 wird seine Ehefrau in Rechnungsbüchern als Witwe verzeichnet.[16] 1656 übernimmt in Wien Peter Alberthal, auch als Bevollmächtigter seiner beiden Brüder Hans-Peter und Albrecht, einen Betrag von 4000 Gulden als Ablösung einer Schuld des Grafen Paul Pálffy. Der Sohn Albrecht wird hier zum ersten Mal erwähnt, die weiteren Söhne sind offensichtlich inzwischen verstorben. Mehr dazu siehe im Beitrag von Walter Büchi: Hans Alberthal.

Die Werktätigkeit von Hans Alberthal in Süddeutschland

Dillingen und Eichstätt

Hans Alberthal ist schon vor 1600 auch in Dillingen tätig und wird hier sesshaft. In der Residenzstadt des Augsburger Fürstbischofs baut er zwischen 1597 und 1629 wichtige und das Stadtbild prägende Bauten. 1603 überträgt ihm der Rektor des Kollegs, P. Christoph von Grenzing,[17] den Neubau des Konvikts St. Hieronymus mit dem Religiosenbau und dem Alumnatsbau. Die beiden Flügel ergänzt Alberthal ab 1619 mit dem Regentiebau entlang der heutigen Königstrasse. Für den noch nicht dreissigjährigen Baumeister sind die Konviktbauten   eine beachtliche Architekturleistung.
Sein Wirkungsbereich beschränkt sich nicht nur auf Dillingen. Donauabwärts ist er bis Regensburg tätig. 1607–1609 wird er als Baumeister für den Neubau der evangelischen Kirche in Haunsheim verpflichtet. Er errichtet sie in Zusammenarbeit mit Joseph Heintz, der massgebend an der Gestaltung mitwirkt. Die Kirche wird dank der Mitwirkung des Prager Malers eines der in Süddeutschland seltenen reinen Renaissancebauwerke.
Auch in Eichstätt bleibt er weiterhin tätig. 1609 übernimmt Hans Alberthal hier, zusammen mit dem Landsmann und Dorfgenossen Martino Barbieri, die Neubauten des Gemmingen-Traktes der fürstbischöflichen Willibaldsburg in Eichstätt. Die Pläne fertigt Elias Holl, der grosse Baumeister von Augsburg. Holl und Alberthal, beides Baumeister vom Typ des Werkmeister-Architekten, scheinen sich zu verstehen, auch wenn Holl in seinen Lebenserinnerungen nichts über Alberthal schreibt. Die Arbeiten dauern bis 1619. In Eichstätt ist Alberthal inzwischen fürstbischöflicher Hofbaurat. Sein Landsmann Barbieri wird hier sesshaft und ist noch bis 1633 an der Willibaldsburg tätig.
1610 übertragen die Dillinger Jesuiten den Neubau ihrer Kollegienkirche (heute Studienkirche), für welche schon 1608 der Genehmigungsplan in Rom liegt, an Hans Alberthal. Noch immer ist Pater Christoph Grenzing Rektor des Kollegs. Die Kirche wird 1617 geweiht. Sie ist die erste Wandpfeilerhalle nördlich der Alpen und weist bereits in den Frühbarock. Der Bautypus wird Vorbild der Vorarlberger Wandpfeilerräume.[18] Die gelungene Verbindung von italienischer Baukunst mit der spätgotischen Tradition der lichten Hallenkirchen stellt auch die Innenräume zeitgleicher römischer Kirchen wörtlich in den Schatten. Alberthal plant die Dillinger Kirche nicht im Alleingang. Keine Jesuitenkirche wird im 17. Jahrhundert ohne Mitwirkung der vielfach auch in Baukunst geschulten Mitglieder der Gesellschaft Jesu gebaut. Für eine Konstanz in Dillingen sorgt der seit 1603 als Rektor amtierende P. Christoph Grenzing, der die Kirchenplanungen schon 1608 begleitet. Viele Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen können sich den Schöpfungsbau nicht als Entwurf eines geschulten Baumeisters vorstellen, der zudem, wie in Eichstätt und Haunsheim, für seine Bauten auch Entwürfe Dritter berücksichtigt. Sie suchen verzweifelt nach dem «eigentlichen Entwerfer» und nennen Holl, Heintz und Kager als Planer.[19] Ihnen fehlen allerdings jegliche Quellen. Nur die Beteiligung von Johann Matthias Kager als Entwerfer der Aussenwandgliederung und der Altar- und Chorgestühl-Ausstattung darf mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
In Binswangen bei Wertingen plant Alberthal 1617 ein einmaliges Sakralbauwerk für Hans Konrad Schertlin, dem Inhaber der Herrschaft Binswangen. Die Bruderschaftskapelle St. Maria vom Skapulier ist eine Kreuzkuppelkirche, die an zwei Kreuzarmen mit Türmen flankiert ist. Der frühe und ausserordentlch malerische, reine Zentralbau entpricht im Grundriss dem Petersdom-Entwurf von Bramante. Er ist wahrscheinlich eine Vorgabe des romkundigen Bauherrn.
Der Jesuitenbaumeister Jakob Kurrer[20] leitet 1617–1620 den Bau der Jesuitenkirche von Eichstätt. Sie ist eine Wandpfeilerhalle und wird gerne als Wiederholung der Dillinger Kirche zitiert. Ihr Gewölbe ist aber in den Dachstuhl eingeschnitten. Alberthal könnte Mitplaner der Eichstätter Wandpfeilerhalle sein, obwohl Kurrer im Nekrolog als alleiniger Erbauer der Kirche vermerkt ist. Vermutlich ist Alberthal aber ausführender Baumeister. Ein Indiz für die Planungsbeteiligung Alberthals ist das gewagt in den Dachstuhl ragende Gewölbe, wie er es nur wenig später auch in der Stadtpfarrkirche in Dillingen und in Innsbruck plant.
1619 übernimmt er den Auftrag für den Neubau der Stadtpfarrkirche St. Peter. Er plant sie als Hallenkirche mit weit an die Aussenwand gerückten Freipfeilern. Ungewöhnlich sind die breiten, gotisierenden Fenster, die Alberthal ohne Architekturgliederung in die Aussenfassade einschneidet. Sie zeigen, dass Alberthal offensichtlich St. Peter als eine Ableitung gotischer Hallenkirchen baut, vielleicht als Reverenz an die abgebrochene Vorgängerkirche. Die Fassadengestaltung zeugt auch von wenig Sensibilität in der Detailgestaltung, sodass die vermuteten zusätzlichen Entwurfsplaner für die Fassaden der Jesuitenkirchen durchaus möglich sind. Die Stadtpfarrkirche ist zudem ein gewagter Bau. Es scheint, dass sich Alberthal vorgängig selbst um ein Gutachten bei Elias Holl bemüht. Schon bald nach der Einweihung 1628 zeigen sich erste Schäden wegen des falsch konstruierten Dachstuhls, der Schubkräfte auf die Aussenmauern entwickelt.[21] Die Ursache wird allerdings in den Fundamenten vermutet. 1643/44 lässt der Stadtrat die Kirche zulasten aller beschlagnahmten Dillinger Güter Alberthals umbauen.

Innsbruck
Die Jesuitenkirche in Innsbruck wird nach dem klaren Vorbild der Dillinger Kirche als  Wandpfeilerhalle gebaut. P. Christoph Scheiner SJ,[22] der inzwischen Rektor am Kolleg Innsbruck ist, erteilt den Bauauftrag an Hans Alberthal. Die Empfehlung könnte vom ehemaligen Dillinger Rektor und nun als Provinzial wirkenden P. Christoph Grenzing stammen. Als Adjunkt kann Scheiner über den  Jesuitenbaumeister Br. Jakob Kurrer verfügen. Kurrer leitet gleichzeitig den Neubau in Eichstätt. Das Innsbrucker Bauvorhaben steht von Beginn weg unter einem schlechten Stern, nicht nur wegen der unmöglichen Bauorganisation Scheiners, die von Misstrauen zum Baumeister und seiner Umgebung geprägt ist. Dies zeigt sich schon 1619, nach dem Legen der Fundamente gemäss dem Grundrissplan Alberthals. Dieser Plan wird dem Augsburger Johann Matthias Kager übermittelt, mit der in den Plan eingetragenen Notiz: «Christopherus Scheiner begert an den Herrn Kagher ganz freundlich den Aufzug auf diesem Grund»,[23] Kager soll also für Scheiner auf Basis des vorhandenen Planes die Fassaden entwerfen. Diese Notiz ist die einzige Quelle, die den Jesuiten-Historiker Joseph Braun zur Aussage bewegt, dass Kager der Planer aller Jesuitenkirchen Alberthals sei. Scheiner verlässt Innsbruck 1620, nicht ohne vorher Alberthal und die Innsbrucker Mitbrüder aufs übelste zu beschimpfen und sie in Rom zu denunzieren. Auch Jakob Kurrer wird vom Provinzial abberufen. Im gleichen Jahr verlässt Alberthal die Baustelle endgültig.[24] Das Chaos ist jetzt komplett. Neuer Rektor ist P. Karl Fontaner SJ,[25] der auch die Leitung des Neubaus übernimmt. In den folgenden Jahren ist Baustillstand. Die Gewölbe werden erst 1626 begonnen. Im September stürzt der Chor ein und reisst einen Teil des Langhauses mit. Die Kirche wird 1627 abgebrochen und nach dem Vorbild des Salzburger Doms neu errichtet. Die gleichen Kunsthistoriker, die den Bau als eine Planung des Dekorationsarchitekten Johann Matthias Kager bezeichnen, geben trotzdem Hans Alberthal die Schuld für den Einsturz. Die Gutachten von Santino Solari und Elias Holl führen das Unglück tatsächlich auf das schwache Mauerwerk, aber auch auf den wieder nicht fachgerecht konstruierten Dachstuhl zurück. Offensichtlich wagt Alberthal mit seinen in den Dachstuhl ragenden Gewölben und dem Vertrauen in die deutsche Zimmermannskunst tatsächlich zu viel.

Neuburg an der Donau
In der Zwischenzeit ist Graf Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg zum katholischen Glauben übergetreten und hat die Hofkirche von Neuburg den Jesuiten übergeben. Diese übertragen Hans Alberthal den Neubau der Turmfassade. Ob er auch der Planer ist, kann nicht bestimmt werden, denn der Vertrag wird auch vom damaligen Planer der Kirche, dem Neuburger Hofbaumeister Sigmund Doctor und dem Düsseldorfer Hofbaumeister Antonio Serro[26] unterzeichnet. Alberthal baut das markante und in den Frühbarock weisende Werk 1624–1627.

Letzte Arbeiten in Süddeutschland
1626 errichtet Alberthal die kleine Pfarrkirche St. Gallus in Steppach bei Augsburg.
Er baut jetzt auch an entfernteren Orten. 1627 bis 1630 ist sein Bautrupp in Sigmaringen tätig.
Fürst Johann von Sigmaringen-Hohenzollern überträgt ihm den Umbau des westlichen Portaltraktes und den Neubau der südlichen Flügelbauten. Bis 1877 ist noch die welsche Haube Alberthals auf dem Schlossturm erhalten, dann wird die Anlage im Sinne der damaligen Burgenromantik umgebaut.
In Dillingen beginnt Alberthal 1628 mit dem Neubau des Universitätsgebäudes. Es ist sein letzter Auftrag für das Jesuitenkolleg. Nach zwei Stockwerken muss der Bau wegen der Kriegs- und Versorgungslage unterbrochen werden und wird nach dem Dreissigjährigen Krieg nicht weitergeführt. 1688 erfolgt der Abbruch zugunsten der neuen Universität, die nun in der Flucht der Studienkirche gebaut wird.
Die Aufträge versiegen schon vor dem Näherrücken des schwedischen Heeres im Dreissigjährigen Krieg. Grund ist die Bevölkerungsdezimierung durch Hunger und Seuchen. Als Alberthal 1632 die Kriegsregion verlässt und ins Königliche Ungarn zieht, ist Augsburg schon eingenommen. In Eichstätt werden 1633 alle seine Bauten zerstört. Davon, wie auch von der Beschlagnahmung seiner Güter in Dillingen, erfährt er in Ungarn.

Hans Alberthal als Gutachter
Die Wertschätzung des Dillinger Baumeisters zeigt sich in seiner Gutachtertätigkeit. Schon 1609 wird er vom Augsburger Domdechant gemeinsam mit Elias Holl um ein Gutachten wegen der Statik eines der Domtürme angefragt. Ebenfalls ein Turmgutachten erstellt er 1618 für den Neresheimer Abt Benedikt I. Rohrer. Von den Jesuiten wird er nach Mindelheim gerufen, um abzuklären, ob alte Gebäude für das neugeplante Kolleg noch genügend dauerhaft seien. Noch im März 1632 liefert er ein Gutachten über den Ausbau der Dillinger Stadtbefestigungen gegen die heranrückenden Schweden.

Die Werke Hans Alberthals in Süddeutschland und sein Beitrag am Entwurf
Einige Werke von Hans Alberthal basieren auf Drittentwürfen oder sogar Drittplanungen. Bei der  Kirche Haunsheim liefert der Prager Malerarchitekt Joseph Heintz Entwürfe, beim Gemmingentrakt der Willibaldsburg in Eichstätt hat Elias Holl die Leitung und bei den späteren Bauten in Pressburg arbeitet Alberthal nach Planungen von Hofbaumeister Giovanni Battista Carlone. Für einen freischaffenden Baumeister ist dies völlig normal und heisst, dass Alberthal für seine Bautrupps auf Bauausführungen angewiesen ist. Bauplanungen erstellt er nur für die laufenden Aufträge. Für die Fassadengestaltungen arbeitet er mit Dekorationsarchitekten, vor allem mit Johann Matthias Kager zusammen. Diese Zusammenarbeit mit Heintz oder Kager ist bei seinen Bauten von Vorteil. Wo dies nicht der Fall ist, wie bei der Stadtpfarrkirche Dillingen, verfällt Alberthal auf recht eigenwillige Lösungen mit gotisierenden Tendenzen. Obwohl er die Traktate von Serlio oder Vitruv kennen dürfte, entspricht er wie alle Baumeister der Zeit noch nicht dem von Vitruv beschriebenen Baumeister, der alle Disziplinen abdeckt.[27] Diesen Anforderungen entsprechen die welschen Baumeister in Süddeutschland erst nach dem Dreissigjährigen Krieg. Der Praktiker und erfahrene Werkmeisterarchitekt Alberthal benötigt aber für das tektonische Gerüst eines Bauwerkes weder  Drittplaner noch Dekorationsarchitekten. Er ist unter den für die Jesuitenkirche Dillingen tätigen Personen der einzige in Frage kommende Planer für die weit in den Barock weisende Wandpfeilerhallen-Lösung. Gerade weil die Verbindung der gotischen Hallenkirche mit der italienischen Wandpfeilerbasilika derart rational und simpel erscheint, ist sie das Werk eines mit Gewölbebau und Mauerquerschnitten vertrauten Baumeisters. Alberthal muss deshalb als Planer der ersten Wandpfeilerhalle bezeichnet werden, selbst wenn die Idee vielleicht schon 1605 durch Joseph Heintz für die Hofkirche in Neuburg an der Donau eingebracht wird.[28] Als Schöpfer gilt immer derjenige, der eine Idee erstmals in das Werk umsetzt. Mit dem Argument einer Vorgängeridee müsste fast jedes Bauwerk seinem Erbauer abgesprochen werden.

Die Arbeitsweise Alberthals und die gewagten Dachkonstruktionen
Im Gegensatz zu Santino Solari in Salzburg oder Giovanni Battista Carlone in Wien ist Alberthal nicht am Hof angestellt, sondern bezieht sein Einkommen aus dem Gewinn der jeweiligen Aufträge. Er unterscheidet sich darin auch von den Jesuitenbaumeistern wie Jakob Kurrer, die kein Unternehmerrisiko eingehen müssen und die Bauten bis zur Einweihung begleiten können. Die Akkordverträge umfassen Anfang des 17. Jahrhunderts in der Regel nur den Rohbau aufgrund des Baumodells, das Visier genannt wird, und eines Baubeschriebs mit Planbeilagen. Das Dachwerk ist nicht im Akkord enthalten. Deshalb ist Alberthal nach der Fertigstellung des Rohbaus nicht mehr an Ort. Er bestimmt aber die Lage und Form des Dachstuhls, der jeweils noch während der Rohbauphase und immer vor dem Gewölbebau ausgeführt wird. Bei der Jesuitenkirche Dillingen legt er den Dachstuhl in der üblichen und bewährten Art mit dem Fusspunkt über den Gewölbescheitel. Die dadurch notwenige Erhöhung der Fassade bildet er (oder Kager) als Attika mit Okuli-Öffnungen aus. Die Dillinger Fassadenhöhe von 19,5 Meter wird bei der Eichstätter Jesuitenkirche wiederholt. Hier ist aber das Gewölbe 24 Meter hoch. Offenbar will der Baumeister oder der Bauherr die Fassaden nicht auf diese Höhe führen. Das Gewölbe ragt damit in den Dachstuhl, das heisst, der Dachstuhl muss so konstruiert werden, dass die Mittelzone über dem Langhaus und Chor für den nachträglichen Gewölbeeinbau frei bleibt. Der durchgehende Zerrbalken am Dachstuhlfuss, der die Zugkräfte aufnimmt, ist damit für das übliche «deutsche», steile Dach nicht mehr möglich. Der Dachstuhl ist jetzt in zwei Stockwerke geteilt. Das obere, über dem Gewölbe liegende Stockwerk muss bei Spannweiten von 13,5 Meter (in Eichstätt, St. Peter Dillingen) bis 16 Meter (in Innsbruck) als Hängewerk statisch stabil erstellt werden. Das untere Dachwerk im Gewölbebereich ist eine Brückenkonstruktion, deren Längsfachwerke oder Stuhlwände auf den Wandpfeilerköpfen aufliegen.[29] Die Zimmerleute dieser Periode sind für die statisch anspruchsvollen Lösungen bei den neuartigen Wandpfeilerhallen noch nicht reif. Vielleicht wird auch an den notwenigen Eisen gespart. In Eichstätt scheint es trotzdem zu funktionieren, jedenfalls sind keine sofortigen Schäden feststellbar.[30] Deshalb plant Alberthal 1619 auch für die Stadtpfarrkirche Dillingen und die Jesuitenkirche Innsbruck die Lösung mit dem offenen, in den Dachstuhl ragenden Gewölbe. In Dillingen zeigen sich schon bald Schäden durch die mangelhafte Ausführung des Dachstuhls. Alberthal verliert hier wegen der Haftung für den Schaden sein Vermögen. In Innsbruck stellen die Gutachter nach dem Einsturz des Chors 1626 zu schwache Wände und einen falsch konstruierten Dachstuhl fest. Alberthal ist wie alle welschen Baumeister ein sicherer Gewölbebauer, die Risiken des Schubs eines falsch konstruierten Dachstuhls auf die Aussenwände unterschätzt er offensichtlich.

Pius Bieri 2017

Literatur

Braun, Joseph SJ: Die Kirchenbauten der deutschen Jesuiten. Freiburg 1910.
Schröder, Alfred: Die Matrikel der Universität Dillingen, 1. Band 1551–1645. Dillingen 1909–1911.
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: Graubündner Baumeister, Zürich 1930.
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: I Magistri Grigioni, Poschiavo 1958.
Pfister, Max: Baumeister aus Graubünden, Chur 1993.
Kessler, Daniel: Der Dillinger Baumeister Hans Alberthal, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen an der Donau Bd. 51. Dillingen 1945.
Fidler, Peter: Domenico Sciassia und seine Landsleute in Österreich und im Königreich Ungarn, in: Graubündner Baumeister und Stukkateure, Hrsg. Michael Kühlenthal, Locarno 1997.
Sauter, Marion: Die oberdeutschen Jesuitenkirchen 1550–1650, Petersberg 2004.
BuechiPDF Büchi, Walter: Hans Alberthal (Pressburg / Zagreb). PDF Dokumentation Stand 2018.

Anmerkungen:

[1] 1488 werden 90 Familien gezählt. Die Zählungen der Jahre 1615–1617 in den vier Fraktionen (degane, cantone) ergeben 92 fuochi (Herdstellen), was ungefähr 400 Dorfbürger bedeutet. In diesen Jahren sind keine Albertalli in Roveredo, erst 1773 werden wieder zehn Familien mit dem Namen Albertalli gezählt. Die Einwohnerzahl 1773 beträgt 499 Dorfbürger und 179 Zugezogene. Quelle Cesare Santi 2004 in: http://doi.org/10.5169/seals-55711.

[2] Pietro Albertalli (1542–1615) oder Peter Alberthal ist Hofbaumeister des Eichstätter Fürstbischofs Johann Konrad von Gemmingen (reg. 1595–1612)

[3] Giulio Valentini oder Gilg Vältin (um 1540–nach 1616) aus Roveredo, eigentlich Giulio Tini di Valentini. Siehe: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D24499.php.

[4] Joseph Heintz (1564–1609) aus Basel, 1584–1588 Italienaufenthalt, dann kaiserlicher Kammermaler in Prag. Er ist in seinen Entwürfen für Fassaden und Ausstattungen stark dem Manierismus verhaftet. Als Protestant wird er vorwiegend für Entwürfe zu Bauten protestantischer Bauherren beigezogen. (Hofkirche Neuburg an der Donau, Dreifaltigkeitskirche Haunsheim). Allerdings sind ihm nur wenige Architekturzeichnungen eindeutig zuzuschreiben.
Siehe http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D19093.php.

[5] Peter wird 1610 unter der Nummer 132 immatrikuliert. 1622 erfolgt mit Nummer 171 ein zweiter Eintrag in den Matrikelbüchern. Er studiert jetzt Philosophie und Theologie und feiert 1628 die Primiz in Dillingen, wo er bis um 1643 als Priester angestellt ist. 1656 ist er in Wien anzutreffen.
Johann wird 1619 mit Nummer 115 immatrikuliert. Er studiert bis 1626. Auch von ihm ist der weitere Lebenslauf nicht bekannt. Er zählt schon 1656 nicht mehr zu den Erben.
Heinrich wird 1625, mit neun Jahren, mit Nummer 14 immatrikuliert. Er ist 1627/28 noch eingeschrieben, dann ist auch von ihm nichts mehr bekannt.

[6] In den Pfarrmatrikeln Dillingen wird die zweite Ehefrau als Margaretha Chorolanza aus Chur in Graubünden aufgeführt. Chorolanza ist als Name in Graubünden unbekannt. Der Name könnte Chiarolanza heissen, eher aber Crollalanza, wie eine damals bekannte Familie im bündnerischen Chiavenna heisst. Sie nennt sich auch Crollolanza.

[7] Johann-Peter oder Hans-Peter wird von den Eltern nach Pressburg mitgenommen.

[8] Die statische Sicherung wird mit dem Einzug von Scheidewänden in den Seitenschiffen der Hallenkirche versucht, die seither als Wandpfeilerhalle wirkt. Da der Mangel im Dachstuhl liegt, nützen diese Massnahmen wenig. Siehe dazu die Anmerkung 19 und das Schlusskapitel unten.

[9] Die umfangreiche Tätigkeit von Hans Alberthal in Ungarn ist erst seit den Forschungen von Peter Fidler über die Barockarchitektur der heutigen Slowakei, dem damals habsburgischen Teil des Königreichs Ungarn, bekannt. Zurzeit erarbeitet Walter Büchi in Eglisau eine Dokumentation über das Leben und Wirken Alberthals nach 1633. Die Werkliste und die Familienverhältnisse, hier noch auf dem Stand Fidler 1995, werden nach Vorliegen der Arbeit Büchi ergänzt.
Gehe zum PDF Dokument «Hans Alberthal» von Walter Büchi (November 2018)

[10] Die Biografen Alberthals, Zendralli, Kessler und Pfister schreiben von zwei verschiedenen Baumeistern mit dem gleichen Namen. Eher für zwei Personen gleichen Namens spricht der wahrscheinliche Geburtsort Treffen (Trebnje in der slowenischen Krain) des Zagreber Alberthals. Diesen Geburtsort nennt der kroatische Historiker Kukuljević um 1870, der allerdings von der Tätigkeit eines zweiten Alberthals in Süddeutschland nichts weiss. In den Pfarrmatrikeln von Trebnje soll der Familienname Alberthal oder Albertalli gemäss Kessler vorkommen, ohne dass dieser aber zu der Quelle Zugang hat. Die Forscher trennen wegen diesen Ungereimtheiten zur Sicherheit die beiden Hans Alberthal in zwei Personen, die bei Pfister Albertalli II und IV heissen.

[11] Franz Ergheli, (auch Erghelius oder Ergelics Ferenc), 1609–1625 Bischof von Veszprim, später (1628–1637) Bischof von Agram.

[12] Graf Paul Pálffy von Erdőd (um 1589–1653), Erbschlosshauptmann des königlichen Schlosses von Pressburg, nach 1649 Palatin von Ungarn. Seine Mutter ist Maria Fugger von Kirchberg und Weissenhorn.

[13] Giovanni Battista Carlone (um 1580–1645) aus Verna Val d'Intelvi, kaiserlicher Hofbaumeister in Wien.

[14]  Elias Holl (1573–1646), der bekannte Stadtbaumeister von Augsburg, führt in seiner Lebensbeschreibung bis 1635 keine Verbindungen zu Pressburg auf. Die katholische Stadtverwaltung entlässt ihn 1629 wegen seines Glaubens . Erst 1635 stellt sie den inzwischen völlig verarmten Holl als Werkmeister wieder ein. Eine gleichzeitige Planung für die katholischen Grafen der ungarischen Monarchie ist weder belegt noch glaubhaft. Die Falschinfo ist J. H. Csákós in: Augsburgs künstlerischer Einfluss auf Pressburg (Forum, Nr. 8, Pressburg 1935) zu verdanken, der Holl als Planer der Pressburger Bauten der Grafen Pálffy bezeichnet. Inzwischen sind die Pressburger Planungen als Werk des kaiserlichen Hofbaumeisters Carlone belegt.

[15] Fidler, Petr, Beiträge zu einem Künstler- und Kunsthandwerkerlexikon des Donaugebietes, ars 1/1995, Bratislava 1995.

[16] Fidler, Petr, I Magistri Grigioni in Österreich und im Königreich Ungarn, in:  Michael Kühlenthal (Hrsg.): Graubündner Baumeister und Stukkateure, Locarno 1997, S. 233.

[17] P. Christoph Grenzing SJ (1567–1636) aus Feldkirch, 1603–1618 Rektor in Dillingen, 1618–1624 Provinzial. Er ist der eigentliche Bauherr und Ansprechpartner Alberthals in Dillingen seit 1603. Er begleitet die Planung der Dillinger Konvikt- und Kirchenbauten und erstellt die Planeingaben für Rom. Als Provinzial ist er ab 1618 auch Vorgesetzter des Innsbrucker Rektors P. Christoph Scheiner.

[18] Zum Bautypus der Wandpfeilerhalle und dem Unterschied zur bisher von den Jesuiten gebauten Wandpfeilerbasiliken siehe das Glossar «Baukunst» in dieser Webseite (Buchstabe W). Zur Jesuitenkirche Dillingens siehe den Beitrag «Dillingen, Jesuitenkirche» in dieser Webseite.

[19] Genannt werden der Augsburger Baumeister Elias Holl, der Augsburger Maler und Dekorationsarchitekt Johann Matthias Kager und der Prager Maler und Dekorationsarchitekt Joseph Heintz. Quellen für diese Zuschreibungen sind nicht vorhanden. Holl weiss in seinem eigenen Lebenslauf nichts von einer Anfrage aus Dillingen. Heintz ist 1609 schon gestorben. Zur abenteuerlichen Zuschreibung an Heintz durch die Kunsthistorikerin Dagmar Dietrich siehe die Ausführungen im Beitrag «Dillingen, Jesuitenkirche» in dieser Webseite. Die Zuschreibung an Johann Matthias Kager stammt von Joseph Braun SJ. In seinem sonst überzeugenden Werk «Die Kirchenbauten der deutschen Jesuiten» (Freiburg 1910) ist er bei Alberthal überzeugt, dass dieser nur ein einfacher Maurermeister sei und schreibt die Entwürfe aller drei Wandpfeilerhallen (Dillingen, Eichstätt und Innsbruck) Johann Matthias Kager zu. Dies, weil Kager in Innsbruck 1619 von P. Christoph Scheiner SJ um Entwürfe für Fassaden angefragt wird. Als Entwerfer der Fassaden aller drei Kirchen ist Kager aber durchaus wahrscheinlich. Zu Christoph Scheiner siehe den Kommentar unten. Bei Joseph Braun wirken noch 1910 die verleumderischen Angriffe des charakterlich nicht gefestigten Jesuiten-Wissenschaftlers P. Christoph Scheiner auf «seinen» Baumeister Alberthal nach. Der Jesuit Braun berichtet bei Alberthal aus dem Sichtwinkel Scheiners und ist nicht objektiv.

[20] Br. Jakob Kurrer SJ (1585–1647). Sein Hauptwerk ist die Luzerner Stiftskirche im Hof.
Siehe zu ihm die Biografie in dieser Webseite.

[21] Das Tonnengewölbe ist, im Gegensatz zur Jesuitenkirche in Dillingen, aber gleich wie bei der Jesuitenkirche Eichstätt (1617) und bei der Jesuitenkirche Innsbruck (1619) in das offene Dachwerk ragend. Zu den gewagten Dachstuhllösungen in Eichstätt, Innsbruck und der Stadtpfarrkirche Dillingen siehe das separate Kapitel am Schluss des Beitrags. Die Schadenbehebung der Stadtpfarrkirche Dillingen erfolgt 1643/44 durch das Verbinden der Freipfeiler mit der Aussenwand, was dann den heutigen Eindruck einer Wandpfeilerhalle ergibt. Erst 2017 wird das statische System des Dachstuhls endgültig gesichert.

[22] Pater Christoph Scheiner (1573–1650), Mathematiker, Physiker und Entdecker der Sonnenflecken. Er ist 1602–1605 Lateinlehrer am Gymnasium Dillingen, kann also am Kirchenneubau nicht beteiligt sein. Er kennt vielleicht Alberthal wegen der Konviktneubauten. 1617–1620 ist er Rektor am Kolleg Innsbruck und damit Bauherr des Kirchenneubaus. Sein direkter Vorgesetzter ist der Jesuiten-Provinzial P. Christoph Grenzing, vorher als Rektor in Dillingen für alle Bauten Alberthals zuständig. Grenzing könnte Alberthal auch nach Innsbruck empfohlen haben. Scheiner ist ein anspruchsvoller und überheblicher Gelehrter, der vom Römer Generaloberen Vitelleschi 1620 für seine hitzige und leidenschaftliche Natur, vor allem aber für seine üblen Nachreden und Denunziationen gegen die Innsbrucker Mitbrüder gerügt wird, die sich dann bei der Untersuchung durch den Provinzial P. Christoph Grenzing als völlig unwahr herausstellen. Grenzing schreibt nach Rom, dass eigentlich derjenige bestraft werden müsse, der dem Vorgesetzten in Rom so unaufrichtig berichte. Scheiners Biografen sehen nur den Wissenschaftler, nicht aber seinen Charakter. Das Bild Alberthals wird leider noch heute durch seine üblen Nachreden geprägt.

[23] Gemäss Braun 1910.

[24] Die übliche Schreibweise, er sei von Scheiner entlassen worden, kann nicht stimmen, da Scheiner schon Ende 1620 als Rektor abberufen wird und zudem selbst der informierte Historiker Joseph Braun (1910) nichts von einer Entlassung weiss.

[25] P. Paul Fontaner SJ (1579/83–nach 1636) aus Kaltern im Südtirol. Er ist in Innsbruck 1621–1636 Rektor, wird aber 1636 wegen finanzieller Unregelmässigkeiten aus dem Orden entlassen.

[26] Antonio Serro (um 1565–nach 1630) aus Roveredo, Hofingenieur von Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg. Er baut 1622–1629 die Jesuitenkirche Sankt Andreas in Düsseldorf, die durch den Pfalzgrafen als eine eigentliche Kopie der Neuburger Hofkirche gewünscht wird. Er wird als Beteiligter am Turmbau vermutet, was aber sehr unwahrscheinlich ist. Wie üblich trauen auch die Kunsthistoriker die Planung des Bauwerks in Neuburg an der Donau dem Baumeister Hans Alberthal nicht zu. So schreibt Marion Sauter 2004: «Angesichts Alberthals sonstiger Tätigkeit muss daher von einem anderen Urheber des Turmentwurfs ausgegangen werden».

[27] Vitruv verurteilt in seinem Traktat «De architectura libri decem» die Trennung in einen planenden und einen ausführenden Baumeister. In Kapitel I schreibt er: «So konnten die Baumeister, welche ohne rein wissenschaftliche Schule ihr Bestreben nur auf Handfertigkeit gerichtet hatten, es nicht dahin bringen, ein ihren Leistungen entsprechendes Ansehen zu erlangen; diejenigen aber, welche auf Theorien und wissenschaftliche Ausbildung alleine gestützt, scheinen einen Schatten und nicht die Sache angestrebt zu haben. Hingegen diejenigen, welche sich beides eigen gemacht, erreichen schneller und mit glänzenden Erfolg ihr vorgesetztes Ziel.» (Übersetzung Franz Reber 1865).

[28] Joseph Heintz soll 1605 eine Wandpfeilerhalle für Neuburg an der Donau vorgeschlagen, dann aber abgeändert als Freipfeilerhalle mit Emporen geplant haben, lautet die These der Kunsthistorikerin Dagmar Dietrich. Wäre eine Planung vorhanden, könnte allenfalls Heintz die Idee zugesprochen werden. Jesuiten als Anreger sind unwahrscheinlich. Bei allen vorgängigen Jesuitenbauwerken ist nur der Typus der Wandpfeilerbasilika, allenfalls der Freipfeilerhalle bekannt. Wandpfeilerhallen werden von den Jesuiten bis zum Ende des Dreissigjährigen Krieges nur noch in Landshut und Burghausen wiederholt. Auch nach Kriegsende reagieren die Jesuiten sehr zögerlich. Um so mehr schlägt die Bauweise bei den Kloster- und Stadtkirchen ein.

[29] Vergleiche den Dachstuhl des Zimmermanns Jakob Demouth aus Griessen für Baumeister Franz Beer, 1706 für die Klosterkirche Rheinau (Gewölbebreite 13 Meter). Zum Dachstuhl Rheinau.

[30] Das Dachwerk wird in Eichstätt 1650 neu eingebaut, das Längs-Fachwerk (die Stuhlwand) ist nicht abgestützt und wird 2008 durch ein Stahlfachwerk ergänzt.


Werkliste Hans Alberthal

Werke von Hans Alberthal in Süddeutschland

Werkliste nach Pfister und Kessler. Die mit * bezeichneten Werke sind Zuschreibungen.
Dillingen* Fürstbischöfliches Rentamt, Neubau. 1597–1600
Dillingen* Haus Hafenmarkt 10, Neubau. 1600
Auhausen Jagdschloss Hirschbrunn, mit Vater Pietro, Neubau. 1600–1607
Dillingen* Wasserturm, Neubau anstelle Leitentor. 1602
Dillingen Dominikanerinnenkloster, Um- und Neubau. 1603–1604
Dillingen Konvikt St. Hieronymus (Abriss 1909 zu Gunsten des Bischöflichen Priesterseminars), Neubau. 1603–1606
  DillingenKonvikt

Kollegium St. Hieronymus in Dilingen. Blick von Westen auf den Innenhof und den Gebäuden des Kollegiums (später Konvikt genannt). Mit Erläuterungen der einzelnen Bauten. Kupferstich von Wolfgang Kilian, 1627. 20,8 x 29,5 cm. Schefold 43291. Sign.: Graphik Di U 2.2
I   Domus religiosorum: Religiosenhaus.
II   Domus saecularium minorum: Haus der weltlichen Studenten.
III   Domus saecularium mairoum: Haus der adeligen Studenten, nach 1688 mit dem Wohnsitz des Regens, deshalb Regentiebau genannt. Heute Akademiegebäude B. (Gebäude I und II sind abgebrochen).
    Anschliessend (E) die 1688 zugunsten des Neubaus der Universität abgebrochene Marienkapelle (1582).
Dinkelscherben Spital und Spitalkapelle, Neubau. 1604–1606
Dillingen Tor am Stadtberg (Hofbräuhaus-Tor), Neubau. 1607
Haunsheim Evangelische Kirche, Neubau nach Entwürfen des Prager Malers Joseph Heintz. 1607–1609
Dillingen* Haus Weberstrasse 15, Neubau. 1608
Eichstätt Gemmingentrakt der Willibaldsburg, Neubau nach Planung und unter der Leitung des Augsburger Stadtbaumeisters Elias Holl. 1609–1619
Dillingen* Hofdekanei, Neubau Hauptgebäude. 1610
Dillingen Jesuitenkirche (Studienkirche). Neubau. Erste Wandpfeilerhalle nördlich der Alpen. Frühbarocker Gründungsbau. 1610–1617
 
DillingenGrRiss   Dillingen2
Bild links:
Genehmigungsplan der Jesuitenkirche Dillingen, vorgelegt in Rom um 1608. Er ist rückseitig mit «Templum Dilinganu[m]» und «P[rovinci]a Germania. // Idea Templi Dilingani» bezeichnet. Der Plan (B 523 mm / H 355 mm) befindet sich heute in der Bibliothèque nationale de France, Paris.
Der Zeichner ist vielleicht Alberthal, die Beschriftungen sind von den gesuchstellenden Jesuiten.
Bild rechts:
Deutlicher kann die wegweisende Neuerung der Wandpfeilerhalle von Dillingen nicht dokumentiert werden: Die mit den innenliegenden Wandpfeilern geschaffenen Nischen (keine «Kapellen»!) sind mit Quertonnen gedeckt, welche ins Tonnengewölbe des Schiffes einschneiden und mit ihrer Höhe für eine optimale Belichtung sorgen.

Dillingen Haus Heinrich-Roth-Platz (heute Apotheke), Neubau. 1612
Dillingen* Haus Königstrasse 45, Neubau. 1614–1616
Dillingen Gasthaus «Stern», heute Sparkasse, Neubau. 1615
Dillingen* Haus Hafenmarkt 15, Neubau. 1617
Eichstätt Benediktinerinnenkloster St. Walburga, Konventneubau. 1617
Binswangen* Bruderschaftskapelle Maria vom Skapulier, Neubau. 1617
 
Binswangen   Binswangen2     Die Bruderschaftskapelle in Binswangen ist ein Entwurf von 1617. Die Kapelle wird aber erst 1629/31 ausgeführt.

Foto: Manfi.B. 2011 in Wikipedia

Eichstätt* Jesuitenkirche (Schutzengelkirche), Neubau. Beratung? Planung? Nur Bauausführung?
Bauleitung und Aufsicht durch P. Jakob Kurrer SJ.
1617–1620
 
Eichstaett1624   Eichstaedt
Grundriss der Jesuitenkirche Eichstätt auf dem Genehmigungsplan für das unter der Leitung von Jakob Kurrer SJ 1624–1626 erbaute Kolleg.

Quelle: Bibliothèque nationale de France.
  Vogelschauansicht von Kolleg und Kirche Eichstätt aus Osten. Quelle: Zinck Ingolstadt 1673.
Regensburg Mittelschiff-Gewölbe im gotischen Dom. 1618
Aufkirch Pfarrkirche St. Peter und Paul, Neubau. 1618–1626
Dillingen Haus Königstrasse 41 (Haus Alberthals, heute umgebaut), Neubau. 1619
Dillingen Regentiebau des Konvikts St. Hieronymus, Königstrasse 7 1619–1621
 
Dillingen5   Alberthal6
Die Westfassade des Regentiebaus (1619–1621).

Foto:
GFreihalter in Wikipedia, Ausschnitt.
  Das Collegium S. Hieronymi (später Konvikt St. Hieronymus) von Süden. Kupferstich von Wolfgang Kilian, 1627. Das im Vordergrund stehende Gebäude Nr. 3 ist das Haus für adelige Studenten, später als Regentiebau bezeichnet. Links anschliessend die Marienkapelle mit der Prokuratur und den Räumen des Regens im Obergeschoss. Sie wird 1688 zugunsten des neuen Universitätsgebäudes abgebrochen. Der Durchgang (Y) wird dabei übernommen.
Innsbruck Jesuitenkirche, Neubau, ohne Bauvollendung («Entlassung» 1621 wegen Unstimmigkeiten mit P. Christoph Scheiner). 1626 Einsturz des Chorgewölbes noch vor dem Bau der Langhausgewölbe wegen Mauermängel und falsch konstruiertem Dachstuhl. Abriss 1627 und Neubau 1627–1635 nach dem Vorbild des Salzburger Doms, eventuell nach Plänen von Santino Solari, durch unbekannte Baumeister unter der Leitung von P. Paul Fontaner SJ. 1619–1621
 
Innsbruck   Grundriss der Jesuitenkirche Innsbruck 1619. Die Wandpfeilerhalle wird schon 1627 abgebrochen und in anderer Form neu erstellt. Siehe den Grössenvergleich mit Dillingen und Eichstätt (anklicken!).

Quelle: Braun 1910
Dillingen Stadtpfarrkirche St. Peter, Neubau als Freipfeilerkirche. Wegen Dachstuhlschub Schäden an Aussenmauern. 1643 als Wandpfeilerkirche zu Lasten des Vermögens von Alberthal umgebaut. 1619–1628
 
Dillingen8   Dillingen9   Dillingen7
Grundriss der Stadtpfarrkirche Dillingen im Zustand vor 1643 als Freipfeilerhalle. Quelle: Kessler 1943.   Schemaschnitt  im Zustand vor 1643. Quelle: Kessler 1943.   Westfassade. Bild: GFreihalter in Wikipedia.
Neuburg an der Donau Hofkirche, Turm und Westfassade, Neubau. 1624–1627
Steppach Pfarrkirche St. Gallus, Neubau. 1626
Sigmaringen Schloss, Neubau Portaltrakt und Josephskapelle sowie Umbauten. 1627–1630
 
Sigmaringen   Das Schloss Sigmaringen von Süden um 1750. Links ist der Portaltrakt mit den beiden Rundtürmen sowie der Hauptturm mit dem oktogonalen Aufbau zu sehen, Werke von Alberthal 1627–1630. Seit dem Umbau zum Märchenschloss 1895–1908 sind sie nicht mehr erhalten. Bildquelle: Wikipedia.
Dillingen Neubau des Universitätsgebäudes. Baubeginn nach Plänen Alberthals nördlich bei Kolleg-Nordflügel. Unterbruch nach zwei Stockwerken wegen Dreissigjährigem Krieg. Abbruch 1688. 1628
Langenenslingen «Schlössle», Umbau (zerstört 1633). 1630


Werke von Hans Alberthal im Königlichen Ungarn
Werkliste nach Fidler, ohne die Werke des als Agramer Hans Alberthal genannten Baumeister (vielleicht die gleiche Person).
Pressburg
(Bratislava)
Umbau der Königlichen Burg (Aufstockung, vier Ecktürme, Neubau Westflügel). Ausführung unter der Leitung Alberthals nach Planung von Giovanni Battista Carlone. 1636–1648
  Gartenpalais der Grafen Pálffy. Neubau der Residenz unterhalb der Burg als Villa Suburbana. Planung Giovanni Battista Carlone. Palier ist Antonio Aquilino. Heute ist der Garten und das Palais zerstört. 1637–1640
Pezinok Schloss der Grafen Pálffy. Alberthal wird als Baumeister erwähnt. 1644

 

  Hans Alberthal (Giovanni Albertalli) um 1575–1648  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  um 1575 Roveredo?   Graubünden (CH)  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Freistaat Graubünden   Chur  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  1648 Pressburg Bratislava   Slowakei  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Königliches Ungarn   Gran / Estzergom  
  Kurzbiografie        
  Hans Alberthal ist einer der frühen Misoxer Baumeister, die Ende des 16. Jahrhunderts im Norden der Alpen sesshaft werden. Seine wichtigsten Werke sind die Neubauten des Jesuitenkollegs Dillingen und der Stadtpfarrkirche in Dillingen. Sein Name ist vor allem mit der dortigen Jesuiten- oder Studienkirche verbunden. Er baut sie 1610–1617, in der Planung vielleicht durch den Maler Johann Matthias Kager unterstützt. Sie ist die erste Wandpfeilerhalle nördlich der Alpen und kann als das erste Barockbauwerk bezeichnet werden, zeitgleich mit den frühen römischen Barockbauten und noch vor dem Salzburger Dom. Die Wandpfeilerhalle von Dillingen wird zum Vorbild der Vorarlberger Wandpfeilerräume und wirkt noch bis zu den 150 Jahre jüngeren Kirchenbauten von Zwiefalten und Ottobeuren nach.     AlberthalNeuburg  
  bio pdf werkliste     legende  
Die Turmfassade der Hofkirche von Neuburg an der Donau ist ein Gemeinschaftswerk der beiden Landsleute Hans Alberthal und Giovanni Serro aus Roveredo im Misox. Sie vollenden damit 1624–1627 ein Bauwerk, an dem seit 1607 Gilg Vältin (Egidio Valentini) baut. Auch er ist ein Landsmann aus Roveredo.

Bild: Patrick Huebgen in Wikipedia.