Abt Hyazinth wird im Alter von ungefähr 50 Jahren, wenige Jahre vor seinem Tod, von einem unbekannten Maler in Öl für die Äbtegalerie porträtiert. Die Lebensdaten unter dem Porträt werden erst nach seinem Tod beigefügt. Der Abt sitzt vor einer blauen Draperie im Lehnstuhl vor einem Tisch und blickt nach rechts gewendet zum Betrachter. Seine Haltung verrät grosses Selbstbewusstsein. Er trägt den weissen Habit der Prämonstratenser, mit Mozetta und einem schwarzen Biret als Kopfbedeckung. Das Brustkreuz und die Mitra mit dem Krummstab im Hintergrund weisen ihn als Abt aus. Vor sich auf dem Tisch hat er Pläne für den Umbau des Mittelschiffs von Steingaden liegen. In der Hand hält er einen Stich des Gnadenbildes mit der unten beigefügten, erst 1740 gebauten Kapelle. Dies wären Hinweise, dass das Porträt erst in den 1740er-Jahren gemalt sein kann. Sein Wappenschild in der dunklen Hintergrund-Öffnung ist kaum mehr lesbar. Foto: Bieri 2022.
Abt Hyazinth Gassner wird fast ausschliesslich im Zusammenhang mit dem Bau der Wallfahrtskirche auf der Wies genannt. Tatsächlich beginnt er diesen Neubau erst 1745 am Ende seiner 16-jährigen Regierung als Abt von Steingaden. Dass er dafür Dominik Zimmermann als Baumeister beizieht, ist aus heutiger Sicht sein Hauptverdienst. Damals führt das ungenügende Kostenbewusstsein des sonst genialen Baumeisters die Abtei in grosse finanzielle Nöte. Die weiteren Werke des rührigen Bauabtes sind die Rokoko-Umgestaltung des Mittelschiffs der Stiftskirche Steingaden, die Fertigstellung der Kreuzbergkapelle und die Umbauten der Seitenkapellen der Kirche von Ilgen.
GassnerHyazinth
Land 18. Jahrhundert
Herrschaft Seifriedsberg
Regierungszeit
1729–1745
Land 18. Jahrhundert
Kurbayern
Biografische Daten
Kurzbiografie
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Bildlegende
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Hyazinth Gassner (1692–1745), Abt in Steingaden 1729–1745

Hyazinth Gassner (1692–1745)

Abt OPraem in Steingaden 1729–1745

BalzhausenVotivbild   Herkunft
Der spätere Abt von Steingaden wird am 5. Juli 1692 in Balzhausen als Sohn des «Oberen Wirts» geboren. Sein Taufname ist Johann Ulrich. Sein Geburtshaus ist der heutige Gasthof Adler. Mehr ist über ihn und seinen Werdegang bis zum Eintritt in Steingaden bisher nicht erforscht. Anzunehmen ist, dass er die Lateinschule der Prämonstratenser-Reichsabtei Ursberg besucht, die nur eine Wegstunde von Balzhausen entfernt liegt. Er tritt aber am 31. Oktober 1709 nicht in Ursberg, sondern im zwei Tagesreisen südlich gelegenen Prämonstratenserkloster Steingaden ein. Hier leistet er am 25. November 1710 unter dem Klosternamen Hyazinth Profess. Mit seinem Heimatort Balzhausen fühlt er sich auch als Abt weiterhin verbunden. Dies zeigt ein grosses Votivbild in der Kapelle St. Leonhard, auf dem er vor dem Hintergrund der Dorfansichten von Ursberg und Balzhausen dem hl. Leonhard das Vieh seines Klosters Steingaden widmet.
Kapelle St. Leonhard in Balzhausen. Votivbild des Abtes Hyazinth Gassner von Steingaden, datiert 1732. Links unten der kniende Stifter, auf ein Gemälde des Klosters Steingaden und seiner Viehherde zeigend. Auf diesem eingefügten Gemälde hält oben ein Putto den Wappenschild des Abtes. Über der darüberliegenden Ansicht von Balzhausen schwebt in Wolken der hl. Leonhard, der Schutzpatron für das Vieh, der auch als Bauernherrgott bezeichnet wird. Foto: Flussar 2017 in Wikipedia.

Steingaden 1709–1729
Acht Jahre ist er Novize und Frater in Steingaden. In diese Zeit fällt auch das übliche Universitätsstudium. In Dillingen studiert er Philosophie, in Ingolstadt Theologie. Am 26. September 1717 feiert er Primiz. Er lehrt dann an der Klosterschule Theologie. Später ist er auch Prior. Mehr ist über diese 20 Jahre nicht bekannt, denn die Säkularisation 1803 hat auch im Zerstören von «unwichtigen» Akten ganze Arbeit geleistet.[1]

Abt von Steingaden 1729–1745
Am 26. März 1729 stirbt der seit 1715 regierende Abt Magnus Pracht. Am 2. Mai wählt der versammelte Konvent P. Hyazinth Gassner zum neuen Abt. Er wird vor allem als Bauabt bekannt. Vorerst lässt er bis um 1735 die von seinem Vorgänger begonnene Kreuzbergkirche fertigstellen. Anschliessend erneuert er die zwei bestehenden querschiffartigen Seitenkapellen der Wallfahrtskirche Ilgen.[2] Im Hinblick auf die 600-Jahr-Feier 1747, sicher auch unter dem Eindruck des soeben barockisierten Chors in Rottenbuch, lässt er 1740-1742 das Mittelschiff der Kirche von Steingaden umgestalten.[3] Auch das neue Pfarrhaus in Epfach trägt sein Wappen. Die Kosten dieser Bauarbeiten sind nicht bekannt. Sie dürften den bis dahin ausgeglichenen Finanzhaushalt Steingadens nur wenig belastet haben.
Erst mit dem 1743 erfolgten Beizug des Wessobrunner Stuckateur-Baumeisters Dominikus Zimmermann für den Neubau der Wallfahrtskirche zum «Gegeisselten Heiland» in der Wies beginnt sich das Blatt zu wenden. Der Abt lässt sich den begabten Künstler, der Architektur wie Stuck formt, vom Abt der Prämonstratenserabtei Schussenried empfehlen.[4] Obwohl zu dieser Zeit der Österreichische Erbfolgekrieg alle Klöster grossen finanziellen Belastungen aussetzt,[5] wagt Abt Hyazinth und der Konvent 1745 den Neubau der Wieskirche mit Dominikus Zimmermann. In diesem Jahr ist der Abt bereits schwer krank.
Am 28. März 1745 stirbt er im Alter von 53 Jahren an «Wassersucht». Ein Epitaph, wie er es selbst noch seinem Vorgänger erstellt hat, ist ihm nicht vergönnt. Sein Vermächtnis ist die Wieskirche.

Abt Hyazinth und die Wieskirche[6]
Obwohl der Neubau der Wallfahrtskirche auf der Wies von seinem Nachfolger Marianus II. Mayr weiter betreut wird, ist sie doch mit dem Namen des Abtes Hyazinthus verbunden. Nicht nur, weil er die Kirche seit 1743 mit Dominikus Zimmermann plant, sondern vor allem, weil er für die von ihm eingeführte Karfreitagsprozession 1730 von zwei Patres einen «Gegeisselten Heiland» aus verschiedenen ausgedienten Holzfiguren herstellen lässt. Das «Marterl» erregt Mitleid, mehr als den Patres lieb ist. Das künstlerisch wertlose Werk verschwindet deshalb auf einem Dachboden. 1738 holt es die Wiesbäuerin zur Verehrung auf ihren Hof. Nachdem das Bildwerk kurz darauf Tränen verströmt und das Tränenwunder im Volk bekannt wird, entsteht schnell eine grosse Wallfahrt zum Hof auf der Wies. Abt Hyazinth und seine Chorherren sind zunächst sehr skeptisch gegenüber den Wunderberichten. Dass ihr «Marterl» nun plötzlich Wunder wirken soll, geht über das Verständnis der gebildeten Geistlichen. Trotzdem lässt der Abt angesichts des einsetzenden Stromes von Gläubigen 1740 eine Feldkapelle auf der Wies bauen. Ein hölzerner Anbau wird von einem Münchner Hofrat gestiftet. Der Abt will vorerst in die bereits begonnene Barockisierung der Stiftskirche investieren und wartet ab, ob die Wallfahrt in die Wies überhaupt Bestand hat. Diese nimmt aber weiter zu. Die Prämonstratenser-Chorherren, in erster Linie Seelsorger, sehen deshalb in der Wies ein neues Wirkungsfeld für die Betreuung der Wallfahrer. Dies ist der Grund, warum Abt Hyazinth 1743 trotz der angespannten Finanzlage mit der Neubauplanung beginnt. In seinem Porträt hält er einen Druck des Gnadenbildes mit der Feldkapelle in der Hand, ein Zeichen, dass er sich schon schnell mit der Wallfahrt identifiziert.

Das Porträt
Abt Hyazinth wird im Alter von ungefähr 50 Jahren, wenige Jahre vor seinem Tod, von einem unbekannten Maler in Öl für die Äbtegalerie porträtiert. Die Lebensdaten unter dem Porträt werden erst nach seinem Tod beigefügt. Der Abt sitzt vor einer blauen Draperie im Lehnstuhl vor einem Tisch und blickt nach rechts gewendet zum Betrachter. Seine Haltung verrät grosses Selbstbewusstsein. Er trägt den weissen Habit der Prämonstratenser, mit Mozetta und einem schwarzen Biret als Kopfbedeckung. Das Brustkreuz und die Mitra mit dem Krummstab im Hintergrund weisen ihn als Abt aus. Vor sich auf dem Tisch hat er Pläne für den Umbau des Mittelschiffs von Steingaden liegen. In der Hand hält er einen Stich des Gnadenbildes mit der unten beigefügten, erst 1740 gebauten Kapelle. Dies wären Hinweise, dass das Porträt erst in den 1740er-Jahren gemalt sein kann. Sein Wappenschild in der dunklen Hintergrund-Öffnung ist kaum mehr lesbar.

Das Wappen
  Das persönliche Wappen von Abt Hyazinth Gassner ist gespalten. Rechts wird in Blau eine eingebogene silberne Sparrenleiste von drei silbernen Lilien begleitet. Links, ebenfalls in Blau, hält ein steigender goldener Löwe in der rechten Vorderpranke eine silberne Lilie. Diese beiden Teilwappen sind im meist verwendeten, viergeteilten Schild in Feld 2 und 3 liegend, so am Choreinzug der Kreuzbergkirche. Die gespaltenen Klosterwappen liegen dann in Feld 1 und 4. In Feld 1 sind es in Rot der silberne Turmgaden auf drei Quadersteinen (Steingaden) und der rote Greifenlöwe in Gold (Stifterwappen), in Feld 4 sind es in Silber die drei roten Pappeln auf Dreibergen und eine Wiederholung des sprechenden Wappens für Steingaden, der Gaden auf Quadersteinen. Das vierte Klosterwappen, das silberne Johanneshaupt auf der Schüssel auf rotem Grund, ist als Herzschild eingefügt.
Mehr zu den vier Klosterwappen siehe unter dem Beitrag Steingaden.
Der Wappenschild des Abtes Hyazinth
am Triumphbogen der Kreuzbergkirche.
Foto (Ausschnitt): Ricardalovesmonuments in Wikipedia
 

Pius Bieri 2021

Literatur

Backmund, Norbert OPraem: Monasticon Praemonstratense: id est historia circariarum atque canoniarum candidi et canonici ordinis Praemonstratensis / Tomi primi. Editio secunda. Berlin 1983.
Historischer Verein Schongau Stadt und Land e. V (Hrsg.): Das ehemalige Prämonstratenserstift Steingaden, Beiträge zur 850-Jahr-Feier in: «Der Welf», Schongau 1996/97.

Anmerkungen

[1] Nur die Totenrotel des Abtes Hyazinth, von Prior P. Leopold im Namen des Konventes 1745 gedruckt an die verbrüderten Klöster zugestellt, ist (mit derjenigen seines Nachfolgers) auf diesem Umweg erhalten. Die Lebensdaten sind der Rotel entnommen.

[2] Die beiden Seitenkapellen sind ein Ersatz der Vorgängerbauten. Zu Ilgen siehe den Beschrieb in dieser Webseite.

[3] Siehe zu Steingaden den Beitrag in dieser Webseite [https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/s-z/Steingaden.html]. Zu Rottenbuch siehe [https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Werke/h-r/Rottenbuch.html]. Ein Bruder des Rottenbucher Propstes Clemens Prasser, P. Urich Prasser (1714–1758) ist Chorherr in Steingaden.

[4] Die Wallfahrtskirche Steingaden bei Schussenried wird von Dominik und Johann Baptist Zimmermann 1727–1733 gebaut. Bei einem Voranschlag von 12 000 Gulden kostet sie bis 1733 über 45 000 Gulden. Die Reichsabtei Schussenried kann dies aber ohne weiteres verkraften. Bauabt Didakus Ströbele wird deshalb 1733 wegen mangelnder Klosterdisziplin und nicht wegen mangelnder Kostendisziplin zum Rücktritt gezwungen. Mehr zum Bauwerk siehe unter [https://www.sueddeutscher-barock.ch › In-Werke › s-z › Steinhausen.html].

[5] Verantwortlich für die Verstrickung Bayerns in diesen Krieg ist Karl Albrecht von Bayern (1697–1745). Seit 1726 Kurfürst, ist er wie sein Vater, Kurfürst Max Emanuel, in Verkennung der Realitäten überzeugt von einer Grossmacht Bayern. Er erreicht mit dem sinnlosen Griff zur Kaiserkrone (Kaiser 1742–1745) eine Schuldenlast Kurbayerns von 35 Millionen Gulden oder 800% der jährlichen Steuereinnahmen Kurbayerns, welches damals mit einer knappen Million weniger Einwohner als die Schweiz zählt. Die Belastungen der Klöster durch den Krieg und durch die versuchte Staatsentschuldung nach 1745 ist enorm. Das benachbarte Stift Rottenbuch wird während des Krieges mit 40 000 Gulden belastet. Für Steingaden fehlen zuverlässige Gesamtzahlen, 1740 muss die Abtei 6000 Gulden Zwangsanleihe errichten.

[6] Zur Wieskirche und auch zu den Berichten, Abt Hyazinth habe die Baugenehmigung beim Kurfürstlichen Geistlichen Rat nicht eingeholt, siehe den Beitrag in dieser Webseite [https://www.sueddeutscher-barock.ch › In-Werke › s-z › Wies.html]