Auf seinem Epitaph ist Propst Clemens ist als Brustfigur über einem geteilten Wappenschild herausgearbeitet. Er weist mit der rechten Hand auf den Bauplan der Konventgebäude («Kollegium») und hält in der linken Hand einen Folianten. Der Wappenschild zeigt das Klosterwappen und sein persönliches Wappen, in Rot ein silbernes Lamm, darüber das Signum P. O. N. O. C. (Podesse omnibus, nemini obesse cupio, übersetzt: Allen zu nützen, keinem zu schaden, ist mein Bestreben). Mehr zu diesem höchst aussergewöhnlich interessanten Epitaph siehe im nebenstehenden Text der Biografie.

Byern
Clemens Prasser, während 30 Jahren Propst des Augustiner-Chorherrenstifts Rottenbuch, ist trotz der Rokokozeit kein typischer Rokokoprälat. Als eifriger Liebhaber einer disziplinierten Beachtung der Ordensregeln schafft er die kleinen und zeitgemässen Vergnügungen seiner Konventualen ab. Prunk und Pracht sind ihm fremd. Nur bei seinen Sakralbauten ist er Bahnbrecher des festlichen Rokokos. Die von ihm betreuten Kirchen in Oberammergau, Rottenbuch, Hohenpeissenberg, Osterzell und Schwabmühlhausen sind wichtigste Bauten des bayerischen Rokokos. Sein Hauptwerk ist die grossartige und heute verschwundene Klosteranlage in Rottenbuch. Trotz all seiner Bauten hinterlässt er als guter Ökonom keine Schulden.
Prasser
Land 18. Jahrhundert
Kurfürstentum Bayern
Regierungszeit
1740–1770
Land 18. Jahrhundert
Kurfürstentum Bayern
Biografische Daten
Kurzbiografie
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Bildlegende
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Clemens Prasser (1703–1770) Popst CanA in Rottenbuch

Clemens Prasser (1703–1770)

Propst CanA und Lateranischer Abt in Rottenbuch 1740–1770

Herkunft
Der spätere Propst von Rottenbuch wird am 13. März 1703 in Polling geboren und auf den Namen Joseph getauft. Sein Vater Jakob ist Klosterschneider bei den Augustinerchorherrn in Polling. Die Neigung zum Klosterleben scheint ein Familienerbe zu sein, denn fünf Geschwister Josephs sind später ebenfalls Ordensleute.[1] Von ihm ist der Ausbildungsweg bekannt. Er beginnt als Chorknabe und Lateinschüler in der Benediktinerabtei Andechs, um dann für die humanistischen Studien an das Jesuitenkolleg München zu wechseln. Sein älterer Bruder, der schon 1714 in Rottenbuch eingetreten ist und den Klosternamen Alipius führt, kann ihn 1722 für den Eintritt in Rottenbuch gewinnen.  

Chorherr in Rottenbuch
Am 3. Oktober 1723 leistet er Profess unter dem Klosternamen Clemens. Am 29. Juni 1728, mit 25 Jahren, wird er zum Priester geweiht. Zu dieser Zeit leitet Probst Patritius Oswald das Chorherrenstift.[2] Er erkennt das musikalische und künstlerische Talent seines Konventualen, der auch gerne Festspiele schreibt. So verfasst P. Clemens 1730 und 1735 Musikdramen für das goldene Profess- und das goldene Priesterjubiläum seines Propstes. 1732 kommt er als Kaplan nach Oberammergau. 1735 übernimmt er dort die Pfarrstelle. In Oberammergau werden seit der Pestzeit von 1633 alle zehn Jahre die Passionsspiele aufgeführt. Auch P. Clemens Prasser wirkt für die nächste Ausführung 1740 an einer Revision des Textes mit. Dass ihn der schon 78-jährige Propst Patritius als Pfarrer in Oberammergau einsetzt, kann auch mit dem Neubau der Pfarrkirche St. Peter und Paul durch den Wessobrunner Baumeister Joseph Schmuzer erklärt werden, der 1735 die Pläne vorlegt und 1736 mit dem Bau beginnt. P. Clemens leitet den Neubau federführend und prägt das theologische Programm für die Fresken und die Altäre. Weil sich die Oberammergauer weigern, Scharwerksdienste zu übernehmen, verzögert sich der Bau.[3] Im September 1740 stirbt Patritius Oswald in Rottenburg, der während 18 Jahren die Wege von P. Clemens Prasser bestimmt und begleitet hat.

Propst in Rottenbuch
Am 4. Oktober 1740 wird der 37jährige Clemens Prasser zum neuen Propst in Rottenbuch gewählt. Bei seinem Regierungsantritt besteht der Konvent aus 48 Mitgliedern. Die Stiftskirche ist eine Baustelle und auch in Oberammergau dauert der Neubau noch bis 1747. Diese Baustellen sind für den neuen Propst, der damit auch ohne eigenes Zutun zum Bauprälat wird, das kleinste Problem. Wichtigere Probleme beschäftigen ihn schon in den ersten Jahren.
Dazu zählt sicher auch der österreichische Erbfolgekrieg, den der nach der Kaiserkrone strebende Kurfürst nach Bayern hineinträgt.[4] 1740/41 und 1742–1745 ist Kurbayern deshalb wieder von Österreich besetzt. Der Krieg belastet Rottenbuch mit rund 40 000 Gulden.
Das Hauptproblem des neuen Propstes ist aber vor allem die Opposition eines Teils des Konvents gegen seine Person. Obwohl der Konvent kaum Widerstand gegen ein etwas strengeres geistliches Regime geleistet hätte, stossen die von Propst Clemens verfügten Abstriche bei bisher tolerierten Vergünstigungen auf Unverständnis. Er streicht gleich bei Regierungsantritt beliebte Vergnügungen, wie die Ausfahrten in die Sommerfrische oder den aufgelockerten Speiseplan an Festtagen. Er ist trotz seiner Regierungszeit, die mit dem Rokoko als letzte Phase des Barocks identisch ist, kein typischer Rokokoprälat. Als strenger Asket kann er Lebensfreude nicht mit geistlichem Leben verbinden. Jüngere Konventmitglieder rebellieren. Erst am Ende seiner Regierungszeit, als die Repressionen des bayrischen Staates gegen alle Klöster immer stärker werden, entsteht bei den Opponenten die Einsicht in den internen Zusammenhalt und vor allem in die die kluge Wirtschafts- und Baupolitik des Propstes. Er kann alle seine grossen Bauvorhaben, von denen allein der grosse Klosterneubau 170 000 Gulden verschlungen haben soll , ohne finanziellen Folgelasten durchführen. Am Ende seiner Regierung ist Rottenbuch schuldenfrei.
Am 1. Juli 1770 stirbt der verdiente Propst im Alter von 68 Jahren im Schloss Osterzell. Schon längere Zeit kränklich, verschlechtert sich sein Zustand in der sechs Wegstunden entfernten Klosterherrschaft. Als Todesursache wird Brustwassersucht festgestellt. Er wird in der alten Josephs-Kapelle bei der Stiftskirche Rottenbuch begraben.

Clemens Prasser als Bauherr
Beim Regierungsantritt von Propst Clemens 1740 sind Chor und Querschiff der Stiftskirche Rottenbuch wieder ohne Gerüst. Die barocke Pracht überzeugt. Trotz des Krieges stimmt die Mehrzahl der Konventualen 1741 für eine Fortsetzung der Arbeiten im Langhaus. Die Stuckateure Schmuzer und der Maler Günther können ihr Werk fortsetzen.[5] Die Ausstattungsarbeiten dauern noch bis 1757. Wie schon in der Pfarrkirche Oberammergau zieht Propst Clemens als Altarbauer und Bildhauer den Weilheimer Franz Xaver Schmädl bei.[6] Stuckateur ist jetzt Franz Xaver Schmuzer, der im Langhaus erstmals die Rocaille in einem Sakralbau anwendet.
1747 erteilt Propst Clemens dem bewährten Trio Schmuzer, Günther und Schmädl auch den Auftrag für die Barockisierung der Gnadenkapelle auf dem Hohenpeissenberg.
1749 folgt die Umgestaltung der Pfarrkirche von Osterzell. Wieder ist Franz Xaver Schmuzer Stuckateur, als Freskant zieht Propst Clemens aber den Maler Johann Baptist Baader bei,[7] der hier sein erstes grosses Werk erstellen kann. Erstmals ist in Osterzell über dem Chorbogen das Wappen von Propst Clemens angebracht.
Auch im Neubau der Pfarrkirche von Schwabmühlhausen, die 1758–1763 gebaut wird, ist sein Wappen am Chorbogen zu finden. Baumeister ist hier Michael Stiller,[8] Stuckateur ist Nikolaus Schütz[9] und Maler Johann Baptist Enderle.[10] Im Mittelfresko der Emporenbrüstung malt Enderle Propst Clemens kniend vor der neuen Kirche, den Bauplan präsentierend.

Schwabmuelhausen
Auch im Neubau der Pfarrkirche von Schwabmühlhausen, die 1758–1763 gebaut wird, malt Baptist Enderle im Mittelfresko der Emporenbrüstung Propst Clemens kniend vor der neuen Kirche, den Bauplan mit der Jahreszahl 1758 präsentierend. Hinter ihm Konventmitglieder. Auf der gegenüberliegenden Seite knien Stifter und Gemeindeangehörige, das angenommene Gründungsdatum 688 vorzeigend. Foto: Flussar 2018 in Wikipedia.

Das eigentliche Hauptwerk von Propst Clemens ist aber der grosse Klosterneubau in Rottenbuch. Schon 1694 plant der damalige Propst Gilbert Geist den völligen Neubau. Propst Clemens lässt diese Planung, die Michael Wening 1701 in einem Stich veröffentlicht, in den 1740er-Jahren durch den Baumeister Joseph Schmuzer überarbeiten. 1750 erfolgt die Grundsteinlegung der dreigeschossigen Zweihofanlage mit 120 Meter Länge und 70 Meter Tiefe. Gleichzeitig lässt der Propst das schlossähnliche Bräuhaus und den Torbau neu errichten. Auch der Maierhof wird erweitert. Das Bräuhaus ist schon 1753 bereit. Die neuen Zellen im Ostflügel kann der Konvent 1758 beziehen. Erst 1770 kommen alle Arbeiten zum Abschluss. Von dieser klösterlichen Grossanlage, dem eigentlichen Lebenswerk des Baupropstes Clemens Prasser, sind heute nur noch Relikte vorhanden.[11]

Das Epitaph
Das Epitaph von Propst Clemens Prasser ist ähnlich wie dasjenige seines Vorgängers Patritius Oswald gestaltet. Es ist in ruhigem Rotmarmor ausgeführt. Die goldene Inschrift lautet
«Anno Dmi MDCCLXX DIE Ima IUL. PIISSime IN Dno OBIIT, Rmus. PERILris & AMPLIS. D.D. CLEMENS PRASSER, PRAEPOSITUS PERFECTUM HUMILITATIS, & MANSUETUDINIS EXEMPLAR: REGULARIS DISCIPLINAE, PAUPERTATIS PRAESERTIM AMATOR ZOELOSSmus, ABBAS LATanensis & ARCHIDIACnus NATus, REAEDIFICATor TOTIus COLLEGII NOSTRI, AETERNA MEMORIA DIGNUS, ANNO AETATIS SUAE LXVIII. REGIMINIS XXX. R. I. P.» und heisst übersetzt: Im Jahr des Herrn 1770, am 1. Juli, starb fromm im Herrn der hochehrwürdige und erlauchte Herr, Herr Clemens Prasser, ein vollkommenes Beispiel der Demut und Sanftmut, ein eifriger Liebhaber der regelgemässen Disziplin, besonders der Armut, lateranischer Abt und erblicher Archidiakon, Wiedererbauer unseres gesamten Kollegiums, ewigen Gedenkens würdig, im Alter von 68 Jahren, im 30. Jahr seiner Amtszeit. Er ruhe in Frieden.
Über der Inschrift ist ein Stuckmarmor-Relief eingelassen. Propst Clemens ist als Brustfigur über einem geteilten Wappenschild herausgearbeitet. Er weist mit der rechten Hand auf den Bauplan der Konventgebäude oder des Kollegiums und hält in der linken Hand einen Folianten. Der Wappenschild zeigt das Klosterwappen und sein persönliches Wappen, in Rot ein silbernes Lamm, darüber das Signum P. O. N. O. C. (Podesse omnibus, nemini obesse cupio, übersetzt: Allen zu nützen, keinem zu schaden, ist mein Bestreben).

Pius Bieri 2020

Literatur:
Pfalzer, P. Marcellino: Der sanft entschlafene Samuel, das ist: Trauerrede… (Trauerrede von 28. Juli 1770). Landsberg 1770
Pörnbacher, Johann (Hrsg.): Rottenbuch. Weissenhorn 1980.
Pörnbacher, Johann: Das Kloster Rottenbuch zwischen Barock und Aufklärung (1740–1803). München 1999.
Mois, Jakob: Die Stiftskirche Rottenbuch. Rottenbuch 2000.

Anmerkungen:

[1] Die Geschwister sind:
P. CanA Alipius Prasser (1698–1733) in Rottenbuch, P. OCist Otto Prasser (1709–1798) in Fürstenzell, dort Abt 1761–1792, P. OPraem Ulrich Prasser (1714–1758) in Steingaden, sowie die zwei Schwestern Josepha in Notre Dame zu Eichstätt und Maria Anna in St. Agnes zu Lauingen. Quelle: Totenrotel 1770.

[2] Zu Patritius Oswald (1657–1740), Propst in Rottenbuch 1700–1740, siehe die Biografie in dieser Webseite.

[3] In Oberammergau hat Rottenbuch das Patronatsrecht der Pfarrkirche und damit das Recht auf die Einnahmen der Pfarrei, verbunden mit der Pflicht der Besetzung der Pfarrstelle und des Unterhalts der Kirche samt den zugehörigen Profanbauten. Die Ortsherrschaft liegt beim Kloster Ettal. Auseinandersetzungen um die Scharwerksdienste bei wichtigen Bauten (meist Fuhrleistungen), die von den Untertanen ohne Entschädigung (oder als Alternative mit einem Loskauf) erbracht werden müssen, sind damit vorprogrammiert. Unruhen nehmen aber selbst in den eigentlichen Untertanengebieten der Klöster (in Bayern sind es die Hofmarken) im 18. Jahrhundert zu, obwohl die Scharwerkeinrichtung vor schwankenden Steuern bewahrt.

[4] Karl Albrecht von Bayern (1697–1745), Kurfürst 1726–1745 und Kaiser 1742–1745 ist wie sein Vater, Kurfürst Max Emanuel, in Verkennung der Realitäten überzeugt von einer Grossmacht Bayern. Er erreicht mit dem sinnlosen Griff zur Kaiserkrone eine Schuldenlast Kurbayerns von 35 Millionen Gulden oder 800% der jährlichen Steuereinnahmen Bayerns. Sein Sohn kann dank rigorosen Sparprogrammen und vor allem mit hohen finanziellen Belastungen der kurbayerischen Klöster die Staatsschulden bis 1777 auf 9 Millionen Gulden senken.

[5] Zu Joseph Schmuzer, Franz Xaver Schmuzer und Matthäus Günther siehe die Biographien in dieser Webseite

[6] Franz Xaver Schmädl (1705–1777) aus Oberstdorf. Bildhauer und Altarbauer, seit 1732 mit Werkstatt in Weilheim.

[7] Johann Baptist Baader (1717–1780) aus Lechmühlen, volkstümlich «Lechhansl». Schüler von Johann Georg Bergmüller.

[8] Michael Stiller (um 1690–1758/59) aus Ettringen. Baumeister. Bei seinem Pfarrkirchenbau in Türkheim (1732) wird Johann Michael Feichtmayr (zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite) erstmals als Stuckateur aktenkundig.

[9] Nikolaus Schütz (1693–1785) aus Wessobrunn, Stuckateur und Baumeister. Mitarbeiter von Dominikus Zimmermann

[10] Johann Baptist Enderle (1725–1798) aus Söflingen bei Ulm, Maler des Rokokos im Bistum Augsburg. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[11] Siehe dazu die Gebäudeschicksale nach der Säkularisation in der Dokumentation «Rottenbuch, Ehemaliges Augustiner-Chorherrenstift und Stiftskirche Mariä Geburt» in dieser Webseite.