Georg IV. Lienhardt (1717–1783)

Reichsabt OPraem der Prämonstratenser-Reichsabtei Roggenburg 1753–1783

Als Sohn des Matheus Lienhardt und der Maria Johanna Schürt wird er am 29. Januar 1717 in Überlingen geboren und auf den Namen Christoph Conrad Xaver getauft. Er besucht die Schulen in Überlingen und studiert bei den Jesuiten in Konstanz und Dillingen. 1735 tritt er als Novize ins Koster Roggenburg ein, wo er den Namen Georg annimmt. 1741 hält er Primiz. Anschliessend wird er Lehrer an der Klosterschule. Er ist Novizenmeister und Prior, als er am 17. Juni 1753 zum Abt gewählt wird. Schon vor seiner Wahl ist er als Literat bekannt. Zwischen 1746 und 1782 veröffentlicht er viele theologische Werke und Streitschriften, ab 1760 auch Geschichtswerke des Prämonstratenserordens. Seine Schriften zeigen eine von der Aufklärung noch völlig unberührte Geisteshaltung. Nicht nur er, sondern alle Prämonstratenseräbte verweigern sich im Gegensatz zu den Äbten anderer Orden dem neuen Gedankengut. Mitentscheidend für die Ablehnung ist die Bedrohung des Ordens durch Kaiser Joseph II. und einiger mächtiger Fürstbischöfe, welche von ihnen kontrollierbare Weltpriester den Ordenspriestern vorziehen. Inzwischen durch seine rege Tätigkeit für den Orden bekannt, wird der Roggenburger Abt 1771 zum Generalvikar der schwäbischen Zirkarie, 1778 gar zum Direktor des Reichsprälatenkollegiums in Regensburg gewählt. Wegen dieser Leistungen für den Orden und für die Zirkarie gilt er als der bedeutendste Abt der Geschichte Roggenburgs. Für die Klosterherrschaft kann er 1775 für 42 000 Gulden von den Fugger von Weissenhorn die hohe Gerichtsbarkeit in mehreren Dörfern erwerben. Die Summe entspricht den Jahreseinnahmen des Reichsstifts. Selbst dem Abt scheint das Geschäft deshalb nicht ganz geheuer zu sein, denn die finanzielle Lage der kleinen Herrschaft ist unter seiner Regierung, auch wegen der Bautätigkeit im Kloster und in den Pfarreien, dauernd angespannt. Am 9. Dezember 1783 erliegt er, 66-jährig, einem Schlaganfall und wird in der neuen Stiftskirche bestattet.
Dank der Vollendung des Klosterneubaus unter seiner Regierung geht Abt Georg IV. Lienhardt auch als Bauabt in die Geschichte ein. Als er 1753 Abt wird, ist der von seinem Vorgänger Caspar Geisler begonnene Kirchen- und Klosterneubau schon in vollem Gange. Noch steht das Langhaus der romanischen Basilika, aber der Chorbereich und die beiden Eckrisalite der Nordfassade des Neubaus sind unter Dach. In der Sakristei ist bereits der Maler Franz Martin Kuen am Werk. Anstelle der 1753 ebenfalls verstorbenen Altarbauer und Baumeister vollenden deren Nachfolger die Arbeiten. 1758 kann die Kirche eingeweiht werden. Bis 1766 ist der Klosterneubau vollendet. Auch wenn Abt Georg IV. nicht am Beginn des Bauvorhabens steht, darf man annehmen, dass er an der Rokokoausstattung der Kirche und der Gestaltung der Klosterräume massgebend mitgewirkt hat.
Wir können uns von der Persönlichkeit des Abtes Georg dank Gemälden von Franz Martin Kuen eine gute Vorstellung machen. Der Weissenhorner Maler erstellt 1768 für den neuen Kapitelsaal ein grosses Votivbild, das den gesamten Konvent von 40 Ordensleuten in Verehrung der Muttergottes und der Kirchenpatrone zeigt. In äusserster Porträtgenauigkeit sind alle Mitglieder erfasst und können dank einer Legende zugeordnet werden. An vorderster Stelle kniet Abt Georg. Er zeigt der Muttergottes und den Kirchenpatronen eine Planvedute des soeben fertig gestellten Klosters und präsentiert ihnen seinen Konvent.
Ein Porträt der Äbtereihe zeigt ihn vor einem Tisch stehend, mit der rechten Hand wieder eine Vedute des Klosters, in der rechten Hand einen Folianten haltend.
Sein Wappenschild, nun mit Schwert und Stab versehen, ist geviertet. Feld 1 und 2 zeigen das überlieferte Klosterwappen, den Biberegg-Biber und das Geviert der Zollern. Schon hier nimmt sich der Abt die Freiheit, das Biberegg-Wappen in Gold mit einem blauen Biber darzustellen. Feld 3 zeigt schräggeteilt von Silber und Blau drei goldene Lilien. Feld 4 enthält in Blau drei naturalistisch dargestellte silberne Blumen, die von einem Dornenband zusammengehalten werden, vielleicht eine Lilienabwandlung seines Familienwappens in Feld 3. Im Herzschild ist, wie nun üblich, das sprechende neue Roggenburger-Wappen mit den drei Ähren zu sehen. Bei dieser Wappenkombination wird deutlich, wie heraldische Traditionen im späteren 18. Jahrhundert vergessen gehen. Wir finden dieses Schild auf den Gemälden und mehrfach auch im neuen Kloster, am prominentesten über dem Chorbogen mit dem Datum 1756.

Pius Bieri 2012

Literatur:
Tuscher, Franz: Das Reichsstift Roggenburg im 18. Jahrhundert. Weissenhorn 1991.

Abt Georg IV. Lienhardt, vielleicht von Franz Martin Kuen gemalt, ist stehend vor einem Tisch abgebildet. Er hält mit der linken Hand  einen Folianten und mit der rechten Hand die Vogelschauansicht des Klosterneubaus und des nördlichen Ökonomiehofes. Damit ist er als Literat und Bauherr gekennzeichnet. Das Bild dürfte ihn im Alter von ungefähr 50 Jahren zeigen. Zum Wappen siehe Text in der Biographie.
  Abt OPraem Georg IV. Lienhardt (1717–1783) in Roggenburg  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  29. Januar 1717 Überlingen Baden-Württemberg D   Reichsstadt Überlingen  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt der Prämonstratenser-Reichsabtei Roggenburg   1753–1783  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  9. Dezember 1783 Roggenburg Neu-Ulm Bayern D   Reichsabtei Roggenburg  
  Kurzbiografie              
 

Abt Georg IV. Lienhardt regiert in Roggenburg 30 Jahre. Er gilt als der bedeutendste Abt in der Geschichte der Reichsabtei. Der Rokokoprälat ist grosser Literat. Seine Schriften, mit einer die Aufklärung negierenden und den Josephismus bekämpfenden Geisteshaltung, machen Roggenburg zum Mittelpunkt der barocken Prämonstratenserkultur in Süddeutschland. In der Zirkarie Schwaben ist er Generalvikar und im Reichsprälatenkollegium Direktor. Als Bauabt widmet er sich dem Kirchen- und Klosterneubau, den er noch vollenden kann. Das berühmte Votivbild, das ihn nach der Vollendung 1768 mit seinen Chorherren und Novizen zeigt, ist gleichzeitig auch der Abschied vom Barock. Schon der Bibliothekssaal, 1781 begonnen, ist reiner Klassizismus.

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