Nicolas Delfils (1683–1751)

Abt OCist in Lützel (Lucelle) 1708–1751

Von Vaufrey nach Lützel
Jean Nicolas Delfils (auch Delfis und Delefils geschrieben)[1] wird am 11. Februar 1683 in Vaufrey als Sohn von Ursanne Delefils und seiner zweiten Ehefrau Catherine Jubin geboren.[2] Das kleine Dorf im Tal des Doubs in der Franche-Comté liegt in der Herrschaft Montjoie,[3] hart an der Grenze zum Fürstbistum Basel. Seit den Eroberungskriegen von 1668 und 1674 ist die Franche-Comté eine Provinz Frankreichs, die Einwohner von Vaufrey sind jetzt der französischen Krone zugehörig. Die nächste grössere Ortschaft, zweieinhalb Wegstunden entfernt ebenfalls am Doubs gelegen, ist Saint Hippolyte.
Jean Nicolas verliert schon mit drei Jahren den Vater. Sein einziger Bruder Paris und drei seiner Schwestern aus erster Ehe sind schon verheiratet sind, zwei Schwestern sind noch minderjährig. Seine Mutter zieht mit dem Sohn nach Indevillers, dem zwei Wegstunden südlich von Vaufrey gelegenen Heimatort seines Vaters. 1694 verheiratet sich die Mutter erneut.[4] Jean Nicolas, inzwischen 11-jährig, sein neuer Stiefvater ermöglicht ihm ein Studium im Jesuitenkollegium von Pruntrut (Porrentruy), der Residenzstadt des Fürstbischofs von Basel.
1703 tritt Jean Nicolas ins Kloster Lützel (Lucelle) ein, das drei Wegstunden östlich von Pruntrut liegt. 1704 legt er in der berühmten Zisterzienserabtei Profess ab. Er führt jetzt nur noch den Namen Nicolas. Im Jahr seines Eintrittes in Lützel wird Antoine de Reynold als Abt gewählt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Konventgebäude nach einem Grossbrand von 1699 noch immer Ruinen. Erst jetzt werden sie neu gebaut. 1707 wird Nicolas im Alter von erst 23 Jahren in Pruntrut zum Priester geweiht.

Abt in Lützel (Lucelle) 1708–1751
Im März 1708 stirbt Abt Antoine de Reynold. Wie schon bei dessen Wahl demonstriert Louis XIV auch jetzt, dass er Lützel dem Einflussbereich des Fürstbischofs und der schweizerisch-elsässisch-breisgauischen Zisterzienserprovinz entreissen will. Der Konvent wählt zwar wieder, wie schon 1703, Pater Léon de la Brèche aus Pruntrut.[5] Das Veto der französischen Krone folgt umgehend. Bei der nach acht Monaten neu angesetzten Wahl dürfen deshalb Mönche aus dem Fürstbistum Basel und aus der Eidgenossenschaft nicht mehr teilnehmen.[6] Am 20. November 1708 erfolgt die Wahl des erst 25-jährigen Nicolas Delfils zum 44sten Abt von Lützel. Der junge Abt setzt den von seinem Vorgänger erfolgreich begonnenen Reformkurs zur Stärkung der Abtei fort. Von den Konventmitgliedern, auch vom unterlegenen Kandidaten, wird er unterstützt.[7] Er fördert die internen Studien. Professoren aus Tochterabteien lehren in Lützel. Bis 1721 ist der spätere Abt von St. Urban, der Luzerner Patrizier Robert Balthasar, als Professor für Theologie tätig. Bis 1728 ist dies Raphael Köndig aus Salem. Die Zahl der Konventmitglieder steigt von 40 auf 55, viele Neuzugänge stammen aus dem Gebiet des Fürstbistums Basel. Trotz der französischen Herrschaft ist Lützel weiterhin zum süddeutschen Raum orientiert. Der Abt wird 1728 Generalvikar der Zisterzienserprovinz. 1738 reist er in dieser Funktion ans Generalkapitel in Cîteaux. Unter der Regierung von Abt Nicolas Delfils durchlebt die Abtei ihre glücklichste Zeit.
Er ist auch grosser Bauabt. Zwar wird der Klosterneubau vom Vorgänger begonnen. Dieser stellt auch die Kirche wieder her. Ihre Neuaustattung mit Beizug von Meistern des süddeutschen Barocks ist aber ein Werk von Abt Nicolas. Sechs Altäre, das Chorgestühl, das Chorgitter und die grosse Orgel mit 40 Registern werden zwischen 1712 und 1728 erstellt. Die Kirche erhält reichen Régence-Stuck. Mit Recht wird er als Schöpfer des spätbarocken Innenraums bezeichnet. Er baut auch die Konventgebäude zu Ende. Im weitern legt er östlich der Abtei einen terrassierten Barockgarten an, nördlich der Pforte baut er das Gasthaus «Lion d'or». Auch in den Klosterpfarreien ist er als Bauabt aktiv. In Phaffans baut er das Langhaus der Kirche und den Pfarrhof neu, in Blotzheim, in Saint-Appolinaire ob Michelbach und in Schlierbach die neuen Prioratsgebäude, in Lutterbach das Propsteigebäude und in Koestlach den Pfarrhof.
1746 setzt er als Koadjutor P. Grégoire Girardin ein, der ihn von den Amtsgeschäften entlastet.[8] Am 6. November 1751 stirbt Abt Nicolas Delfils mit 68 Jahren, nach 43-jähriger vorbildlicher Regierung. Er wird vor dem Hochaltar der Stiftskirche begraben.
Ein Porträt des Abtes wird 1792 vor den systematischen Zerstörungen fast aller Dokumente und Einrichtungen nach Delémont gerettet.[9] Es verschwindet in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spurlos, nur eine alte Schwarzweiss-Aufnahme dokumentiert noch einen Ausschnitt. Vielleicht eine spätere Kopie, zeigt das Gemälde den Abt um 1710 in Halbfigur. Oben ist sein persönliches Wappen mit den Abtinsignien zu sehen. Es ist hier geteilt, überdeckt von einem springenden Delphin.[10]

Pius Bieri 2014

Benutzte Literatur:
Chèvre, André: Lucelle, histoire d’une ancienne abbaye cistercienne, Delémont 1973.
Froidevaux, Philippe: Delfils, Nicolas, in: Historisches Lexikon der Schweiz.
Claerr Stamm, Gabrielle: Les riches heures de l'abbaye de Lucelle au temps de Nicolas Delfils. Riedisheim 2008.

Anmerkungen:
[1] Der Name Delfils wird in lateinischen Texten zu Delfis abgewandelt, aber sonst immer als Delfils oder Delefils geschrieben. Erst die neueste französischen Literatur verwendet wieder Delfis, obwohl sich die Familie noch heute Delfils nennt.
Der Abt selbst lässt 1728 «NICOLAUS•DELEFILS•ABBAS•LUCELLENSIS» schreiben.

[2] Ursanne Delefils († 1686) ist «Grand-Maire» der Herrschaft Montjoie. Seit 1635 ist Vaufrey Verwaltungssitz der Herrschaft und Sitz des als «Grand-Maire» bezeichneten Verwalters oder Oberbürgermeisters, dem auch die Bürgermeister der Gemeinden unterstehen.

[4] Sie wird 1714 zum zweiten Mal Witwe und zieht jetzt nach Lucelle, wo sie 1721 stirbt. Sie findet ihre letzte Ruhestätte vor dem Marienaltar in der Stiftskirche

[5] Léon de la Brèche (1648–1712) aus Pruntrut.

[6] Die sieben katholischen Orte der Schweiz protestieren sofort und ohne Erfolg beim französischen Ambassador.

[7] Der Konvent setzt sich 1712 aus Abt, 39 Patres und 4 Laienbrüder zusammen. 26 Konventmitglieder stammen aus Ortschaften des französischen Königreiches.

[8] Girardin, Grégoire (1709-1790), wird Nachfolger von Abt Nicolas.

[9] «Nous conservons deux portraits, deux de l'abbé Delefils e de l'abbé Girardin, échappés à l'incendie du 15 octobre 1792» (L'abbé Vautrey, Curé-Doyen à Delémont 1867). Dazu ist anzumerken, dass gemäss dieser Schrift noch viel mehr Bilddokumente, vor allem drei Ölgemälde der Klosteranlage, in jurassischen Pfarrhäusern oder anderswo unzugänglich verschwunden sind.

[10] Mit dem sprechenden Wappen wird sehr frei umgegangen, sei es in den Farben oder in der Figur. So ist das Wappentier etwa auf Wappentafeln eher als Lindwurm zu erkennen, wie auf der 1728 datierten Gussplatte in der Curé von Phaffans, wo auch die Teilung fehlt.
Siehe URL: http://phaffans.com/wp/?page_id=779

Das heute verschwundene Porträt in einer alten Fotografie zeigt Abt Nicolas Delfils um 1710 in Halbfigur. Oben ist sein persönliches Wappen mit den Abtinsignien zu sehen. Das Wappen ist (von Rot und Blau) geteilt, überdeckt von einem springenden (goldenen) Delphin.
  Abt OCist Nicolas Delfils (1683–1751) in Lützel-Lucelle  
  Biografische Daten         Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  11. Februar 1683 Vaufrey F, Département Doubs   Frankreich  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt der Zisterzienserabtei Lützel   1708–1751  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  6. November 1751 Lucelle F, Département Doubs   Frankreich  
  Kurzbiografie              
 

Nicolas Delfils oder Delfis ist ein Sohn des französischen Juras. Als er mit 25 Jahren zum Abt der Zisterzienserabtei Lützel oder Lucelle gewählt wird, hilft ihm auch die Herkunft. Unter seiner Regierung erlebt die Abtei ihre glücklichste Zeit in der neueren Geschichte. Er führt den Konvent vorbildlich, ist guter Ökonom, fördert die Wissenschaft durch den Beizug guter Professoren an die Klosterschule und durch die Vergrösserung der Bibliothek. Lützel verdankt ihm die Barockisierung der Stiftskirche und die grossen Barockgärten. In der Klosterherrschaft baut er neue Priorats- und Probsteigebäude, Pfarrhöfe und Kirchen. Die Französische Revolution zerstört alles, nur noch bruchstückhaft können wir heute das barocke Lützel erahnen.

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