Der Dreissigjährige Krieg hinterlässt vor allem am Oberrheingebiet eine entvölkerte und verwüstete Landschaft. Für die Abtei Gengenbach bedeuten die Jahre 1622 bis 1643 einen grossen Rückschlag, nachdem sie erst 1556 mit der Einsetzung des ersten bürgerlichen Abtes einen Neuanfang gestartet hat. Dem nach Friedensschluss zurückgekehrten Konvent stellt Abt Placidus Reimann aus Einsiedeln Lehrkräfte aus seiner Abtei zur Verfügung. Zwischen 1655 und 1670 halten sich abwechselnd Patres aus der blühenden innerschweizerischen Abtei in Gengenbach auf.[1] Gengenbacher Fraters gehen ergänzend auch zum Studium nach Einsiedeln. In dieser Zeit, um 1655, tritt der junge Johannes Thalmann als Novize in Gengenbach ein und nimmt den Klosternamen Placidus an.[2] Er soll aus der fürst-sanktgallischen Stadt Wil stammen.[3] Nach seinen Lebensdaten ist bisher nicht geforscht worden. 1657 geht er zum Studium der Theologie nach Einsiedeln. In Gengenbach wird ihm das Amt des Grosskellers übertragen. Bis 1671 ist er hier auch Professor der Philosophie. 1677 nimmt er als Prior an der Zusammenkunft der katholischen Kreisstände in Ravensburg teil. Er wird am 20. März 1680 nach der Resignation seines Vorgängers als Abt der Reichsabtei Gengenbach gewählt. Als Bauabt tritt er 1681 vorerst mit dem Neubau der Einbethenkapelle auf dem Bergle in Erscheinung.[4] Der erneute Kriegsausbruch 1688 zwingt ihn zur Auslagerung des Archivs und der Bibliothek, selbst die Glocken werden vergraben. Die Brandschatzung Gengenbachs durch die Franzosen 1689, bei der die Stadt und das Kloster vollständig und die Kirche teilweise zerstört werden, bedeutet einen Neuanfang im Exil. Mit dem Wiederaufbau der Kirche beginnt er sofort und kann bis 1693 sechs neue Altäre weihen. Für den Neubau des Klosters und einer neuen Josephskapelle schliesst er 1693 einen Akkord mit Baumeister Franz Beer I aus Au im Vorarlberg. In dessen Bautrupp befindet sich auch Johann Jakob Rischer, der später als Baumeister in Gengenbach, Baden-Baden und Heidelberg wirkt. Der Klosterneubau ist noch im vollen Gange, als Abt Plazidus Thalmann 1696 stirbt. Nur acht seiner 16 Regierungsjahre hat er im Kloster verbracht.
Das Wappen Thalmann, zwei gekreuzte Schifferstacheln, begleitet von zwei Sternen und überhöht von einem Vogel,[5] befindet sich als geschnitztes Rollwerkschild am Triumphbogen der «Berglekapelle» und vereinfacht am Bogen des hinteren Durchgangs zum Rathaus.
Pius Bieri 2011
Literatur:
Baumgarten, Fritz: Aus dem Gengenbacher Klosterleben, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Karlsruhe 1893 und 1894.
Lederer, Wienfried: Benediktinerabtei und Reichsstadt Gengenbach, Band 1, Äbte und Mönche der Abtei, Lindenberg 2007.
Emmerich, Norbert: Schweizer (Einwanderer) in Heidelberg nach dem Dreissigjährigen Krieg, Norderstedt 2009.
Anmerkungen:
[2] Die Eintritte von Novizen aus der Schweiz ist vermutlich eine direkte Folge der Blutauffrischung Gengenbachs durch Einsiedeln, und nicht Folge des Bevölkerungsvakuums der Ortenau nach dem Dreissigjährigen Krieg, wie dies Lokalhistoriker gebetsmühlenartig repetieren. Die Einwanderung aus der Schweiz wird von den Landesherren der Pfalz und Badens nur für den tätigen Wiederaufbau gefördert.
[3] Wil liegt im Gebiet des Fürstabtes von St. Gallen. Sie wird deshalb als Äbtestadt bezeichnet. Die Bezeichnung Wil (Wyl) «im Thurgau» in den einschlägigen Chroniken ist deswegen falsch, weil der Thurgau 1460–1798 Untertanenland der Eidgenossen ist und die gefürstete Abtei St. Gallen ein autonomer Staat ist. Die Staatsgrenzen entprechen den heutigen Kantonen St. Gallen und Thurgau. Die Thalmann sind allerdings nicht Bürger von Wil, sondern von Jonschwil, einem eineinhalb Wegstunden südlich von Wil gelegenen Kirchdorf.
[4] Heute St. Jakobskapelle. Sie wird 1681 Einbethenkapelle auf dem «Jacobi- oder Castellberg» bezeichnet und behält diesen Namen bis ins 20. Jahrhundert.
[5] Heraldisch richtige Blasonierung: in Blau zwei gekreuzte golden geschäftete silberne Schifferstacheln, begleitet oben und unten von zwei sechsstrahligen goldenen Sternen und überhöht von einem linksgewandten silbernen Vogel.
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Abt OSB Placidus Thalmann (um 1635–1696) von Gengenbach | ||||||||
Biografische Daten | Zurück zum Bauwerk | |||||||
Geburtsdatum | Geburtsort | Land 18. Jahrhundert | ||||||
um 1640 | Wil St. Gallen CH | Fürststift St. Gallen | ||||||
Titel und Stellung | Regierungszeit | |||||||
Reichsabt OSB der Benediktinerabtei Gengenbach | 1680–1696 | |||||||
Sterbedatum | Sterbeort | Land 18. Jahrhundert | ||||||
1696 | Gengenbach Baden-Württemberg D | Reichsabtei Gengenbach | ||||||
Kurzbiografie | ||||||||
Nach dem Dreissigjährigen Krieg sind die Klöster der Strassburger Kongregation auf Hilfe von Klöstern der Schweizerischen Benediktinerkongregation angewiesen. Die Reichsabtei Gengenbach von der Abtei Einsiedeln mit Lehrkräften und Zuzug unterstützt, die Novizen studieren in Einsiedeln. Zu ihnen gehört auch Placidus Thalmann aus der Gegend von Wil in St. Gallen, der 1680 zum Abt gewählt wird. Es sind Kriegszeiten. 1689 wird Gengenbach von den Franzosen zerstört. Abt Placidus nimmt den Wiederaufbau der Kirche 1690 tatkräftig zu Hand und kann 1694 auch den Grundstein zum neuen Konventbau legen. Abt Placidus wird von den Chronisten als ausgezeichneter Ökonom und als energische, charaktervolle Persönlichkeit geschildert. |
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