Franziskus Hertenstein (1610–1686)

Abt OSB 1653–1686 in Ettenheimmünster

Konventuale von St. Gallen
Matthäus Hertenstein wird am 7. Dezember 1610 als Sohn des Georg Hertenstein und der Dorothea Schedler in Rorschach geboren.[1] Er besucht die unteren Gymnasialklassen in Rorschach und geht für die oberen Klassen nach Ravensburg, tritt dann ins Kloster St. Gallen ein, von wo er 1629 wegen Pestausbruchs nach Murbach geschickt wird.[2] Erst 1631 kann er in St. Gallen Profess unter dem Klosternamen Franziskus ablegen. Hier feiert er 1637 Primiz. Er ist guter Musiker und lässt sich auf diesem Gebiet in der Abtei Weingarten unterrichten. 1652 wird er zum Subprior des Fürststifts ernannt. Am 19. Juli 1653 erbittet sich das Kapitel von Ettenheimmünster den St. Galler Pater als neuen Abt.

Ettenheimmünster im Dreissigjährigen Krieg und seine Beziehung zu St. Gallen
Zusammen mit den Abteien Schuttern, Gengenbach, Schwarzach, Ebersmünster, Altdorf bei Molsheim und Maursmünster ist Ettenheimmünster Mitglied der von Österreich geschaffenen Strassburger Benediktinerkongregation. Als einziges dieser Benediktinerklöster des Bistums Strassburg liegt es auch in der Herrschaft des Strassburger Bischofs. In den Wirren um die Besetzung des Bischofstuhls werden die Mönche noch 1595 von den reformierten Strassburgern vertrieben. Erst nach dem Sieg der österreichischen Partei 1604 beginnt wieder klösterliches Leben. Im schnell folgenden Dreissigjährigen Krieg ist der Konvent wieder mehrheitlich auf der Flucht. Er hält sich in Muri, Einsiedeln und Engelberg auf. Abt Placidus Vogler[3] stirbt 1646 im Exil in St. Gallen. Der nachfolgende Abt Amandus Rietmüller[4] muss 1650 den fahrlässig ausgelösten Brand der Klosterkirche miterleben. Angefeindet wegen schlechter Verwaltung, resigniert er 1652. P. Arbogast Arnold[5] übernimmt interimistisch die Regierung. Die Beziehungen zur Schweizerischen Benediktinerkongregation und speziell zu St. Gallen sind seit dem Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges sehr eng. Halten sich während des Krieges die Mönche und Äbte aus Ettenheimmünster vor allem in der Schweiz auf, leistet St. Gallen nach dem Krieg Aufbauhilfe und delegiert auch Lehrkräfte. So sind nach der Resignation des Abtes Amandus der sanktgallische Statthalter von Ebingen, P. Ambros Negelin[6] und der Stiftsdekan von St. Gallen, P. Gallus Alt,[7] während Monaten in Ettenheimmünster. Damit ist auch die Erklärung für die Wahl des Franziskus Hertenstein als neuen Abt von Ettenheimmünster gefunden. P. Gallus, der das gleiche Alter wie der neue Abt von Ettenheimmünster hat und mit ihm im ersten Klosterjahrzehnt Noviziat und Theologiestudium teilt, ist die treibende Kraft. Er selbst wird ein Jahr später Fürstabt von St. Gallen. Wie Ettenheimmünster erhalten auch andere Klöster der Strassburger Kongregation von Abteien der Eidgenossenschaft Hilfe. Die Abtei Einsiedeln sendet Lehrkräfte nach Gengenbach. Aus der Abtei Rheinau kommt Gallus Wagner als Abt nach Schwarzach.[8] In Schwarzach ist auch ein Bruder des Abtes Franziskus, P. Sebastian Hertenstein, Konventuale.[9]

Abt in Ettenheimmünster
Abt Franziskus trifft 1653 in Begleitung von P. Konrad Holzapfel,[10] dem von ihm ernannten neuen Prior, in Ettenheimmünster ein. Die Aufgaben für die Wiederherstellung der benediktinischen Disziplin, der Förderung von Weiterbildung seiner Novizen, der Haushaltsdisziplin und auch der Wahrung der Klosterrechte scheint das St. Galler Gespann zügig in die Hand zu nehmen, auch gegen interne Widerstände, die der resignierte Abt zusätzlich schürt. Die Namen der gelehrten Konventualen seiner Regierung, die der spätere Chronist aufzählt, beweisen mindestens den Erfolg der Bildungsanstrengungen.[11] Abt Franziskus ist in der Strassburger Kongregation seit 1660 Visitator und wird erst 1680 durch den Abt von Schwarzach abgelöst. 1658 beginnt er mit der finanziellen Vorbereitung des Kirchenneubaus, welcher die offensichtlich nach dem Brand von 1650 wieder hergestellte Kirche ersetzen soll. Erst 1669 kann er ihn beginnen. Wenig wird in der «Vita» des Abtes Franziskus über diesen Kirchenbau berichtet. Es ist eine tonnengewölbte Wandpfeilerkirche. Die alte westliche Doppelturmfront im Westen bleibt. Der Baumeister ist unbekannt. 1674 scheint der Bau fertig zu sein. Erst 1683 kann er geweiht werden. Grund ist der seit 1672 herrschende Eroberungskrieg des Sonnenkönigs, der sich unter anderem die Annektion der linksrheinischen Reichsgebiete mit Strassburg zu seinem Ziel setzt. Der Konvent flüchtet deswegen Anfang 1675.[12] Abt Franziskus hält sich in Fischingen auf und geht dann nach St. Gallen. 1678 ist er in Weingarten. 1679 kehren Abt und Konvent zurück. Sie finden das Kloster zwar von den Kaiserlichen geplündert, aber nicht zerstört vor. Dem Abt bleiben in Ettenheimmünster noch wenige Jahre für die Sicherung der durchgeführten Reformen und für die Fertigstellung der Kirchenausstattung. 1685 umfasst der Konvent wieder 26 Mitglieder, 15 davon sind unter der Regierung von Abt Franziskus eingetreten. Der verdienstvolle Abt stirbt am 2. November 1686 im 76. Altersjahr und wird im südlichen Seitenschiff seiner neuen Kirche begraben.[13]

Das Porträt und die Wappen des Abtes
Ein Ölporträt stellt den Prälaten im Alter von 55 Jahren dar.[14] Er ist als Halbfigur dargestellt, trägt als Abt das Pektorale und ein einfaches Scheitelkäppi, den «Pileolus». In der linken Hand hält er ein Buch. Als Gemälde von 1666 muss es hinterfragt werden. Eher ist es Teil einer späteren Äbteserie. Rätsel geben die Wappendarstellungen auf. Zusammen mit der rechts angeordneten Bildinschrift[15] befindet sich das zugehörige Wappen. Es zeigt das Adelswappen der Familie von Hertenstein, nicht ganz korrekt zwar, denn die Schildfarbe ist hier Blau anstelle Rot.[16] Das Hirschgeweih mit dem aufgerichteten goldenen Löwen ist korrekt dargestellt. Das wahrscheinlich vom späteren Maler farblich neu interpretierte Wappen weist auf die Zugehörigkeit des Abtes zur bekannten Luzerner Patrizierfamilie. Nicht verständlich ist das Fehlen der Abtinsignien am Wappen. Nur die Adels-Helmzier ist angebracht. Um 1730 wird, auffällig und störend, in der linken oberen Bildhälfte ein neues Wappen angebracht. In Gold ist eine zweitürmige Kirche auf grünem Dreiberg dargestellt, nun mit Inful und Krummstab als Helmzier. Dieses erfundene und sprechende Wappen, es soll nämlich auf den Kirchenbau des Abtes hinweisen, wiederholt sich auch im 1728 begonnenen Äbtekatalog des P. Carolus Will. Es wird trotz seiner offensichtlichen zeitlichen und heraldischen Unmöglichkeit heute als «Wappen des Abtes Hertenstein» bezeichnet.[17]

Pius Bieri 2011

Literatur:
Mone, Franz Joseph: Leben des Abtes Franz Hertenstein von Ettenheim-Münster, in: Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, vierter Band, Karlsruhe 1867.

Link zu obiger Literatur:
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mone1867-4?sid=07f90e948784d81b4f8822281e1af1f5

Anmerkungen:

[1] Rorschach ist Vogtei und Sitz eines Statthalters der Fürstabtei St. Gallen. Seit 1610 fördert diese in der Hafenstadt den Leinwandhandel. Die niederen Gymnasialstufen sind seit 1624 im dortigen Kloster Mariaberg untergebracht. Vater Georg ist Schiffmeister. Matthäus (Franziskus) hat noch weitere Geschwister. Ein jüngerer Bruder, Sebastian (1619−1676) ist Konventuale in der Benediktinerabtei Rheinau.

[2] Die Pest von 1629 fordert in der «Alten Landschaft» der Abtei St. Gallen 19 953 Tote.

[3] Abt Placidus Vogler (reg. 1634–1646), aus Engen, ist als Abt dauernd auf der Flucht. Er wird in Muri gewählt und stirbt in St. Gallen.

[4] Abt Amandus Rietmüller, auch Riedmüller (1606–1679), aus Ebringen, Profess 1626, regiert 1646–1652. Er ist während seines Schweizer Exils Pfarrer in Kappel im Toggenburg. Seine Wahl zum Abt erfolgt in St. Gallen. Nach seinem Rücktritt opponiert der nur wenig ältere Resignat dauerhaft gegen seinen Nachfolger und dessen Prior. Er stirbt am 15. Juni 1779 in Ettenheimmünster.

[5] P. Arbogast Arnold (1614–1672) aus Freiburg im Breisgau, Profess 1632, verbringt das Exil in Diessenhofen, Schriftsteller, Pfarrer in Ettenheim.

[6] P. Ambros Negelin (1594–1658), aus Rapperswil, ist seit 1649 Statthalter der Herrschaft Ebringen bei Freiburg im Breisgau, die St. Gallen 1621 für 71 800 Gulden kauft und die 1797 das Exil des letzten Fürstabts Pankraz Vorster ist. Der aus der alten Fürstabtei entstandene Kanton St. Gallen verkauft Ebringen 1806 für 140 000 Gulden an Baden.

[7] P. Gallus Alt (1610–1687), aus Oberriet, Doktor der Rechte, wird 1654 zum Fürstabt von St. Gallen gewählt.

[8] P. Gallus Wagner, Konventuale von Rheinau, ist 1660–1691 Abt in Schwarzach. Er ist Verfasser mehrerer Geschichtswerke, unter anderem der Geschichte der Abtei Schwarzach. Ein weiterer Konventuale aus Rheinau ist P. Basilius Itten (1633–1697), der als Prior, Novizenmeister und Professor 1663–1670  in Schwarzach wirkt. 1682 wird er zum Abt von Rheinau gewählt.

[9] P. Sebastian Hertenstein stirbt am 11. November 1676 in Schwarzach. Ist er identisch mit P. Sebastian von Hertenstein, geboren den 15. Juni 1619 zu Rorschach, einem Rheinauer Konventuale, der in: «Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner-Orden» (1881) als Bruder von Abt Franziskus bezeichnet wird?

[10] P. Konrad Holzapfel (1624–1660), aus Enisheim, Eintritt in St. Gallen 1643, Doktor der Rechte, Primiz 1753.

[11] Der Chronist P. Bernhard Mugg (1640–1717), selbst von Hertenstein gefördert, nennt folgende Patres, die sich durch wissenschaftliche und literarische Leistungen oder als Komponisten und Musiker hervorheben: P. Maurus Geiger (Abt 1686–1704), P. Placidus Schmid, P. Carolus Scherer, P. Augustinus Schwaighart, P. Gabriel Messerschmid, P. Magnus Schwitter, Joseph Heer, P. Columban German, P. Paulus Vogler (Abt 1704–1710). Zwei dieser Konventualen stammen wie Abt Franziskus aus dem Fürststift St. Gallen. Es sind P. Maurus Geiger aus Rorschach und P. Columban German aus Lichtensteig.

[12] Als Aufenthaltsorte werden genannt: Reichenau, Mehrerau, St. Blasien, Fischingen, Elchingen, Weingarten, Tegernsee.

[13] Die Angaben über seinen Tod im St. Galler Professbuch sind falsch.

[14] Das Porträt befindet als Leihgabe der Katholischen Kirchgemeinde im Museum Rorschach.

[15] Franciscus Hertenstei Abt ZuEttenheimmunsten seines Alters 55 Jahr Anno 1666. Obiit 2. Nov. 1686.

[16] Die ehemals habsburgischen Ministerialen sind im 15. und 16. Jahrhundert wichtigste Luzerner Schultheissenfamilie. Das Geschlecht ist seit 1853 ausgestorben. Zur Familie Hertenstein siehe
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D20256.php oder
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Hertenstein,_Kaspar_von.

[17] Weis, Dieter: Klosterkirche Ettenheimmünster. Offenburg 1999.
Das Porträt des Abtes Franziskus Hertenstein zeigt ihn im Alter von 55 Jahren. Korrekt ist das Wappenemblem der Luzerner Familie Hertenstein rechts über der Inschrift dargestellt. Eine Erfindung um 1720 ist das nachträglich links oben angebrachte Wappen mit dem Abbild der neuen Klosterkirche.
Original im Besitz der Katholischen Kirchgemeinde Rorschach, als Leihgabe im Museum Kornhaus Rorschach.
  Abt OSB Franziskus Hertenstein (1610–1686) von Ettenheimmünster  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  7. Dezember 1610 Rorschach St. Gallen CH   Fürststift St. Gallen  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt OSB der BenediktinerabteiEttenheimmünster   1653–1686  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  2. November 1686 Ettenheimmünster D   Hochstift Strassburg  
  Kurzbiografie              
 

Abt Franziskus Hertenstein ist Konventuale der Fürstabtei St. Gallen, als er zum Abt von Ettenheimmünster gewählt wird. Er ist einer der vielen Aufbaukräfte, welche die Schweizerische Benediktinerkongregation nach dem Dreissigjährigen Krieg zur Neubelebung der Klöster in der Strassburger Kongregation aussendet. Er nimmt die Reformen in Ettenheimmünster erfolgreich zur Hand. Nach einer Phase der finanziellen Erholung beginnt er mit dem Neubau der nach dem Krieg nur notdürftig wiederhergestellten mittelalterlichen Kirche, von der nur die doppeltürmige Westfront bleibt. Abt Franziskus wird als Erneuerer des Klosters, als vorzüglicher Musiker, Förderer der Wissenschaften und Kämpfer für die Klosterrechte gewürdigt.

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