Wege zum süddeutschen Barock
Der französische Beitrag
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Versailles. Blick vom Parterre d'Eau zum Parterre und Bassin de Latone. Im Hintergrund der Grand Canal. Quelle: Wikipedia.
Frankreichs Beitrag im 18. Jahrhundert
Entwicklungen in Frankreich
Die barocke Architektur im Frankreich des Louis XIV wird seit 1661 von einer klassisch-klassizistisch orientierten Architekturakademie beherrscht. Hofbaumeister, Hofmaler und Hofbildhauer sind schon im 17. Jahrhundert angestellte Funktionäre einer zentral regierten Verwaltung. Früh entstehen hier die ersten Baubüros im modernen Sinn. In diesem rationalen Umfeld kann die illusionistische spätbarocke Bauweise keine Freunde finden. Der französische barocke Sakralbau ist mit seiner Kühle und Monumentalität schon um 1700 das Gegenteil der gleichzeitigen barocken Werke jenseits des Rheins. Man vergleiche den Pariser Invalidendom (1675–1706) mit der Salzburger Kollegienkirche (1696–1707) oder mit der Münchner Theatinerkirche (1663–1692). Die grosse Propagandainitiative des Hofes während der Errichtung der Versailler Residenz vermag die Architektur keines süddeutschen Residenzbaus, weder in Rastatt, Ludwigsburg oder Würzburg zu beinflussen. Versailles findet aber jenseits des Rheins mit seiner repräsentativen Hofhaltung bei den deutschen Fürsten freudige Nachahmer. Für die Baukunst im süddeutschen Bereich ist diese Tatsache von geringer Bedeutung.
Der wirkliche Beitrag Frankreichs liegt im Vorbildcharakter der königlichen Gartenanlagen mit ihren «maisons de plaisance», im städtebaulichen Vorbild Versailles und im Beitrag zur Innenausstattung des Régence und des Rokoko.
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Die Gärten Frankreichs und ihre Lustschlösser
Die Gärten des André Le Nôtre in Versailles und der weiteren königlichen Gartenanlagen erhalten, nicht zuletzt durch die Propagandastiche, im Alten Reich schnell Vorbildcharakter. Schon der erste Garten von Le Nôtre in Vaux-le-Vicomte findet grosses Aufsehen. Erstmals wird hier ein repräsentatives Lustschloss nur noch als Teil einer übergeordneten Gartenarchitektur gebaut. Auch das freie Pavillonsystem der Lusthäuser dieser Anlagen findet Anklang. So wird etwa der von Mansart gestaltete Landsitz Marly-Le-Roy vom Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn für seine Favorite bei Mainz als Vorbild genommen. Er nennt die Anlage sogar «mein kleines Marly». Erst um in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird der geometrische und axialsymmetrische französische Garten überall durch den naturnahen romantischen englischen Garten ergänzt oder ersetzt.
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Reissbrettstädte
Die radialkonzentrische Stadtanlage mit dem Schloss im Zentrum ist zwar eine Erfindung der Renaissance, aber findet erst durch die Propagandastiche der Anlage von Versailles Anhänger bei vielen deutschen Fürsten für ihre neuen Reissbrettstädte.

Régence und Rokoko
Im 18. Jahrhundert verliert Rom seine Funktion als Kunstmetropole zunehmend an Paris. Zwar ist für die Maler noch immer Rom wichtigste Ausbildungsstätte. Aber für den Innenausbau, insbesondere für den Stuck und die Wandgestaltung, übernimmt nun Paris die Vorreiterrolle. Die ab 1700 veröffentlichten Musterbücher des Daniel Marot und des Jean Bérain sind für die Stuckateure in ganz Europa ein Grund, vom kräftig-plastischen Akanthusstuck zum feinen Bandelwerk zu wechseln. Die 1715–1723 dauernde Regentschaft von Philippe d’Orléans, das Régence, gibt dem Stil seinen Namen. Aus ihm entwickelt sich zwischen 1730 und 1740 der elegante Innenraumstil des Rokoko, der auch Auswirkungen auf den Aussenbau hat. Sein Name ist aus dem der «Forme rocaille», der Muschelform, abgeleitet. Obwohl er sehr anspruchsvoll eine asymmetrische Gestaltung fordert und damit der dogmatisch klassischen Haltung der Akademie völlig widerspricht, kann er sich in Frankreich bis 1750 halten. Seinen Weg nach Süddeutschland findet er gleichzeitig mit den ersten Anwendungen in Paris. François de Cuvilliés (1695–1768) veröffentlicht 1738 das erste Ornamentwerk. Trotz des französischen Namens ist Cuvilliés ein seit 1708 in kurbayrischen Diensten stehender Hofbaumeister, der vom Kurfürsten 1720 zur Ausbildung an die Pariser Akademie geschickt wird. Er wird zu einem der wichtigsten Gestalter des süddeutschen Rokoko. Während der neue Stil in Frankreich endgültig dem «goût a la grecque» weichen muss, ist in Deutschland sein Höhepunkt noch gar nicht erreicht. Sogar im protestantischen Potsdam hält er Einzug. Die unerreichten Meisterleistungen des Rokoko sind aber in süddeutschen Kunstwerken wie der Wallfahrtskirche Wies oder der Amalienburg von Nymphenburg zu finden.
Versailles, Plan des Abbé Delagrive 1746, Ausschnitt mit den Gartenanlagen und dem Schloss. Von dort die strahlenförmig ausgehenden Strassen der Reissbrettstadt. Quelle: Wikipedia.
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Der Spiegelsaal in der Amalienburg im Park von Nymphenburg, 1734–1740 von François de Cuvilliés gebaut und 1735–1737 von Johann Baptist Zimmermann stuckiert. Cuvilliés und Zimmermann führen damit das Rokoko in Deutschland ein.
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