Die wichtigsten Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Balthasar Neumann (1687–1753) Eger Böhmen ok   Ingenieur-Architekt 1742   1753
Johann Thomas Nissler (1713–1769) Floss Oberpfalz ok   Baumeister-Architekt 1743   1769
Johann Christoph Berg (1729–1807) Nürnberg ok   Bildhauer 1755   1757
Johann Michael Feichtmayr (1710–1772) Wessobrunn FeichtmayerJM   Stuckateur 1764   1770
Joseph Ignaz Appiani (1706−1785) Porto Ceresio Italien ok   Maler, Freskant 1764   1770

Vierzehnheiligen
Wallfahrtskirche zu den 14 Nothelfern

Wallfahrtsort der Zisterzienserabtei Langheim
Beim Hof Frankenthal, im Maintal ob Bamberg gegenüber der Benediktinerabtei Banz gelegen, hat 1445 ein junger Schafhirte auf freiem Feld mehrere Erscheinungen. Schnell entsteht aufgrund von Wunderheilungen eine Wallfahrt. Der Hof und der Ort der beginnenden Wallfahrt gehört der Zisterzienserabtei Langheim.[1] Die Mönche Langheims lassen sich von den Visionen des Schäfers überzeugen und verbreiten die Wunder zur Förderung der Wallfahrt in einem in Nürnberg 1519 gedruckten Mirakelbuch. Die 14 Nothelfer, die nach Ansicht der Kleriker dem Jungen erschienen sind, bilden eine praktische und volkstümliche Zusammenstellung von Heiligen für die Fürbitte in allen Sorgen und Nöten des bäuerlichen Lebens. Ihre Verehrung geht von Regensburg und Nürnberg aus und beschränkt sich auf den deutschen Sprachraum, wo die 14 Nothelfer über Jahrhunderte populär bleiben. Die neue Wallfahrtsstätte zu ihren Ehren bedeutet nebst der Seelsorgetätigkeit eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle für die Inhaber der Wallfahrtsrechte. Um diese Rechte streiten sich mit der Abtei Langheim der Ort Staffelstein, zu dem der Hof Frankenthal pfarrgenössig ist, und der Fürstbischof von Bamberg. Während Staffelstein von der Abtei Langheim mit anderen Rechten abgefunden werden kann, muss sie nach einem Schiedsgerichtentscheid einen Drittel der Einnahmen dem Fürstbischof abliefern. Dieser beteiligt sich im gleichen Umfang an der Baupflicht, aber nur, wenn ihm vorher die Pläne zur Genehmigung vorgelegt werden. Diese im 15. Jahrhundert getroffene Entscheidung soll dann im 18. Jahrhundert einige Auseinandersetzungen zwischen Bamberg und Langheim verursachen. Inzwischen ist aber die gotische Kapelle gebaut, 1507 folgt ein Wirtshaus mit Bier aus der Klosterbrauerei, und noch im 16. Jahrhundert fügt man an die Kapelle ein Langhaus an. Ein freistehender Altar in der jetzt zum Chor mutierten Kapelle bezeichnet den Ort des Wunders. Vierzehnheiligen ist nun ein berühmter und viel besuchter  Wallfahrtsort. Albrecht Dürer wird 1520 als Besucher erwähnt und dreimal erhält der Ort sogar kaiserlichen Besuch. 1471 und 1485 ist es Kaiser Friedrich III., 1562 Kaiser Ferdinand I. Nach dem Dreissigjährigen Krieg nimmt die Wallfahrt noch zu, es werden jährlich für rund 10 000 Pilger 900 Messen gelesen. Ein neuer freistehender Hoch- und Gnadenaltar ersetzt 1663 den gotischen Altar.[2] Die Wallfahrtstätte präsentiert sich jetzt mit Ringmauer und erweckt den Anschein einer Kirchenburg.
Die Vereinbarung von 1450 mit dem Bistum Bamberg ist schon fast vergessen, als 1693 Franz Lothar von Schönborn Fürstbischof von Bamberg wird. Er fordert von der Abtei Langheim, deren noch 1687 vom Kaiser erneuerten Privilegien ihm ein Dorn im Auge sind, das ihm zustehende Drittel der Einnahmen aus der Wallfahrt. Der Abt verweist ihn darauf, dass das Bistum seine Pflicht zur anteilmässigen Baupflicht schon lange nicht mehr erfüllt und liefert ihm gleich ein baumeisterliches Gutachten über die Notwendigkeit eines Neubaus. Dieser erste Streit mit einem Schönborn verläuft im Sande, mit Ausgaben hat der Fürstbischof nicht gerechnet.

Eine verzwickte Planungsgeschichte
In Langheim wird 1734 der 36-jährige Stephan Mösinger zum Abt gewählt. Er steht einer Reichsabtei vor, deren Rechte aber von den Fürstbischöfen gnadenlos und mit allen Mittel bekämpft werden. In Bamberg folgt 1729 Friedrich Carl von Schönborn als Fürstbischof. Er ist Neffe des mächtigen Lothar Franz, vorher am Wiener Hof als Reichsvizekanzler tätig und hat auch das Fürstbistum Würzburg in der Hand. In Würzburg hat er den Residenzneubau wieder aufgenommen, und stellt für die Planung den ihm bekannten Wiener Johann Lucas von Hildebrand an die Seite des bauleitenden Balthasar Neumann. Mit Friedrich Carl von Schönborn, dem am Kaiserhof grossgewordenen Adeligen und Feind unabhängiger Abteien, muss jetzt der neue Abt von Langheim über den notwendigen Neubau von Vierzehnheiligen und die Kostenbeteilung des Fürstbistums verhandeln. An zwei Konferenzen wird Abt Stephan mit allen protokollarischen Ehren empfangen, unterliegt aber auf der ganzen Linie. Zwar erreicht er eine Reduktion der Abgaben aus den Wallfahrtseinnahmen auf 50 Gulden, die Abtei Langheim muss dafür in Zukunft die Baulast Vierzehnheiligen allein tragen. Nicht genug damit, unterstehen die Baupläne weiterhin der Genehmigung des Fürstbischofs. Dieser erreicht schlussendlich sogar den freiwilligen Verzicht Langheims auf die Bestrebungen zur Reichsunmittelbarkeit der Abtei.[3]
Abt Stephan, nun nur noch darauf bedacht, kostengünstig zu bauen, hat in der Zwischenzeit die Neubauplanungen für Vierzehnheiligen vorangetrieben. Er beauftragt den Weimarer Hofbaumeister Gottfried Heinrich Krohne (1703–1756), der seit 1728 die Konventneubauten von Langheim leitet, mit der Planung. Der protestantische Krohne hat für die Zeichenhaftigkeit einer ländlichen Wallfahrtsarchitektur aber wenig Verständnis. Sein Projekt eines Zentralraumes mit einem angebauten Chor, das er 1738 abliefert, ähnelt innen denn auch eher einer hochherrschaftlichen Hofkirche, der Aussenbau «an eine Meissener Porzellanterrine für Schildkrötensuppe».[4] Dieses Projekt will der Abt durchsetzen, weil es günstige Kosten verspricht.[5] Das Geld der Abtei soll nach seinem Willen nicht für Vierzehnheiligen, sondern für eine neue Abteikirche in Langheim ausgegeben werden. Als der gut beratene Fürstbischof das Projekt Krohnes ablehnt, lässt der Abt Vierzehnheiligen liegen und engagiert in einem klugen Schachzug 1741 den Baumeister des Fürstbischofs, Balthasar Neumann (1687–1753), für die Planung seines Kirchenneubaus in Langheim. Neumann liefert ihm 1742 einen der phantasievollsten Kirchenentwürfe des ganzen europäischen Barocks. Zur Zweiturmfassade im Westen kommen vier die Kuppel flankierenden Türme dazu. Auf der Kuppel sitzt ein weiterer Turm. Die insgesamt sieben Türme lassen alles bisher Geplante im süddeutschen Sakralbau im Schatten stehen. Das Projekt wird nicht ausgeführt, denn der Abt muss sich nach einem Konterzug des Fürstbischofs wieder Vierzehnheiligen zuwenden. Eigenmächtig hat nämlich Friedrich Carl von Schönborn seinen Bamberger Hofbaumeister Johann Jakob Michael Küchel (1703–1769) mit einem Projekt für Vierzehnheiligen beauftragt, das 1742 vorliegt. Diesmal lehnt der standesbewusste Barockprälat ab. Küchels Projekt sei ihm zu teuer. Er hat inzwischen Balthasar Neumann parallel mit der Planung von Vierzehnheiligen beauftragt, dessen Projekt 1742 rechtzeitig eintrifft. Es zeigt eine Säulenbasilika mit Querschiff, dreijochigem Langhaus und Zweiturmfront. Abt Stephan, taktisch dem Fürstbischof ebenbürtig, lässt von diesem die Pläne Neumanns genehmigen, denkt aber aus Kostengründen nicht daran, die von Neumann geplanten Steingewölbe auch nur in Betracht zu ziehen. Noch immer will er das Geld der Abtei nicht in Vierzehnheiligen, sondern in Langheim ausgeben. Er lässt von seinem Baumeister Krohne auf der Grundlage der Planungen Neumanns ein Sparprojekt ausarbeiten und erteilt ihm sofort den Ausführungsauftrag. Am 23. April 1743 ist Grundsteinlegung. Im Dezember ist der Bau im Chor- und Querschiffbereich drei Meter hoch. Als Neumann und Küchel auf einer vom misstrauisch gewordenen Fürstbischof befohlenen Inspektionsreise die Arbeiten sehen, packt sie blankes Entsetzen. Krohne hat aus Neumanns Projekt, sicher nach Weisungen des Abtes, eine um ein Joch verkürzte, zweigeschossige Emporenbasilika gemacht, diese zudem nach Südosten verschoben und damit den von Neumann in der Vierung freigestellten Gnadenaltar an den Beginn des Langhauses verlagert.[6] Der Fürstbischof schiebt diplomatisch die Schuld Krohne zu. Der Abt, um das Gesicht zu wahren, lässt jetzt den Baumeister fallen. Nun versucht Bamberg, die Regie zu übernehmen und überzeugt Neumann von einer Neuplanung unter Berücksichtigung des begonnenen Grundrisses Krohne. Zwar bestellt der Abt noch Pläne beim inzwischen hochbetagten Schönborn-Architekten Maximilian von Welsch (1671–1745). Doch dessen Projekt, in römischer Tradition und architektonisch deshalb völlig veraltet, sprengt alle Vorstellungen. Die heutige Neumann-Kirche hätte im Querhaus des Projektes Welsch Platz gefunden, seine Tambourkuppel über der Vierung erreicht 80 Meter Höhe, das Projekt wird deshalb von Abt und Fürstbischof höflich abgelehnt. Von jetzt an ist Bamberg treibende Kraft und der Weg frei für Balthasar Neumann. Dessen grossartiges Neubauprojekt für Langheim muss Abt Stephan nun vergessen, denn für das Bauwerk Vierzehnheiligen, das Langheim ja zahlen muss, plant der Fürstbischof mit Neumann jetzt sehr grosszügig. Es scheint zudem, dass grosse Baumeister erst dann zu Höchstleistungen gelangen, wenn schier unmögliche Vorgaben aus einem verpfuschten Anfang vorhanden sind. So bei Johann Michael Fischer in Ottobeuren, so hier bei Balthasar Neumann in Vierzehnheiligen.

Balthasar Neumann
Anfang 1744 stellt Neumann dem Fürstbischof sein neues Projekt in Plan und Modell vor. Er übernimmt, ebenso wie Welsch, die begonnene Südostpartie mit der Vierung. Aber anstelle diese Teile einfach als gigantischen Chor zu gestalten, um dann den von Krohne vernachlässigten Gnadenort wieder in das Zentrum einer Vierung zu bringen, setzt Neumann eine ovale «Gnadenrotunde» mit der Hauptkuppel in den vorgegebenen Grundriss, ohne auf den Ort der ursprünglichen Vierung Rücksicht zu nehmen, fügt in Berücksichtigung des schon gebauten Grundrisses ein Ovalgewölbe Richtung Chor ein, und setzt symmetrisch auf die Gegenseite ein Ovalgewölbe in der Eingangszone des Langhauses. Hier hat Krone den Bau noch nicht begonnen, Neumann verlängert deshalb mit diesem Langhausoval die Kirche im Nordwesten um sieben Meter. 14 Säulen tragen die drei Ovalkuppeln, die Zahl der Nothelfer, die nun symbolisch auch das Gebäude tragen. Was sich im Grundriss so selbstverständlich ausmacht, stellt im Gewölbebereich selbst an den erfahrenen Ingenieur-Architekten Neumann enorme Herausforderungen. Bis zu seinem Tod im Jahre 1753 beschäftigt er sich intensiv mit deren Ausführung.[7] Er erlebt ihre Ausführung nicht mehr. Zwar werden die Dächer bis 1751 aufgerichtet, die Gewölbe werden aber erst 1761–1763 vom Bautrupp des bauleitenden Maurermeisters Thomas Nissler (1713–1769)[8] aus Staffelstein erstellt, der seit Baubeginn für die sorgfältige Maurerarbeit und auch für die Natursteinfassaden verantwortlich ist. Speziell die Zweiturmfassade, ein «Meisterwerk aller Architektur und eine späte Erfüllung barocker Fassadenkunst»,[9] ehrt nicht nur ihren Planer Neumann, sondern auch den Maurermeister Nissler. An dieser weithin sichtbaren Fassade zeigt Neumann, dass er auch eine Landschaft gestalten kann. Die Fassade ist Zeichen für die Wallfahrer, vor allem aber die Antwort auf das gegenüberliegende Kloster Banz. Neumann hat diese Fassade bereits 1742 für sein Projekt der Abteikirche Langheim geplant und verwirklicht sie jetzt in Vierzehnheiligen. Die Skulpturen der Fassade sind das Hauptwerk des Nürnberger Bildhauers Johann Christoph Berg (1729–1807).
1763 ist der Rohbau mit der Eindeckung der Türme und der Erstellung aller Gewölbe vollendet. Die Bauzeit hat bisher 20 Jahre gedauert, umfasst allerdings auch den Neubau der östlich gelegenen Propstei. Die lange Baudauer kann zudem mit der Berücksichtigung der alten Kirche erklärt werden, um die bis zu ihrem Abbruch in Etappen gebaut werden muss, und wahrscheinlich ist auch ein durch den Siebenjährigen Krieg bedingter Unterbruch vorhanden. Zwischenzeitlich sind nicht nur Neumann, sondern auch die beiden Kontrahenten Abt Stephan Mösinger und Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn verstorben. Der Fürstbischof stirbt schon 1746, sein Nachfolger, ein Schönborngegner, setzt Balthasar Neumann ab. Dieser wird aber durch den 1751 verstorbenen Abt Stephan und dann durch den Nachfolger, Abt Malachias Limmer (1751–1774), weiterbeschäftigt.

Johann Michael Feichtmayr und Joseph Ignaz Appiani
Die Stuckaturen in Vierzehnheiligen zählen zu den bedeutendsten Leistungen des süddeutschen Barock. Sie geben dem Bauwerk des Balthasar Neumann erst das Leben. Stuckaturen, Stuckplastiken, Stuckmarmorsäulen und Altäre sind das letzte grosse Werk des Wessobrunners Johann Michael Feichtmayr (1696–1772) und seiner Werkstatt, zu der auch Mitarbeiter der Werkstatt des 1763 verstorbenen Johann Georg Üblher gehören.[10] Der Innenraum von Vierzehnheiligen ist gleichzeitig die letzte grosse Manifestation des Rokoko. Denn schon 1764, am Beginn der Arbeiten in Vierzehnheiligen, zieht der nun regierende Bamberger und Würzburger Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim in seiner Residenz den neuen «goût grecque», wie der französische Klassizismus genannt wird, dem heiteren Rokokostuck vor. Er ist in guter Gesellschaft, der bayrische Kurfürst verbietet ihn 1770 gleich als «lächerliches Zierwerk». Wir müssen nach Neresheim gehen, um uns Vierzehnheiligen in weissem Kleid, mit einigen Stuckgirlanden und nur mit den Fresken von Joseph Ignaz Appiani (1706–1785) als einzigen Farbtupfer vorzustellen. Der Maler aus Porto Ceresio ist seit 1745 kurmainzischer Hofmaler und hat kurz vorher die Fresken der Domkirche in Arlesheim und der Residenz in Meersburg erstellt. Auch sie können als Schwanengesang des Rokoko bezeichnet werden und hätten, im Gegensatz zu den kräftigen Fresken des schon klassisch geschulten Knollers in Neresheim, in Vierzehnheiligen ohne den Rokokostuck verloren gewirkt. Allerdings sind sie in Vierzehnheiligen nur noch rudimentär und ohne die ursprüngliche Farbigkeit vorhanden. Um uns den wirklichen Appiani dieser Zeit vorzustellen, müssen wir seine original erhaltenen und gleichzeitigen Werke in Arlesheim und Meersburg besuchen. In Vierzehnheiligen malt er auch die wichtigsten Altarblätter. Sie sind heute alle nicht mehr erhalten. Appiani beendet die Arbeit 1770, die Stuckateure der Werkstatt Feichtmayr verlassen Vierzehnheiligen 1771. Heute wissen wir, dass alle plastischen Elemente, auch der freistehende Gnadenaltar, von Johann Michael Feichtmayr entworfen und ausgeführt sind und dass das gesamte Raumkleid ausschliesslich mit dem Namen Feichtmayr und Appiani verbunden ist. Diese Meisterleistung, von der Kunstwissenschaft als kaum vorstellbar lange negiert, ist heute nachgewiesen.[11] Die seit dem frühen 19. Jahrhundert übliche und noch heute nachwirkende Kunstgeschichtsschreibung, die in den Stuckateuren und Malern des Barock nur Dekorationsfachleute sieht, und dementsprechend allein den «Tempel» Neumanns bewundert, ist dringend revisionsbedürftig.[12] Kaum vorstellbar ist eher die klassische Nüchternheit, die Vierzehnheiligen ohne dieses Raumkleid ausstrahlen würde.
Die Kirche wird 1772 vom Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim geweiht, der trotz seiner Vorliebe für den «goût grecque» lobende Worte auch für den Innenraum findet.[13] Die Kosten des Neubaus betragen 130 000 fränkische Gulden.[14]

Ein düsteres 19. Jahrhundert
Nur 30 Jahre später, im Dezember 1802, erfolgt die Inbesitznahme der fränkischen Abteien und Hochstifte durch den bayrischen Kurfürsten. Langheim wird 1803, zusammen mit allen fränkischen Klöstern aufgehoben, der Besitz geht an Bayern über. Die neue Herrschaft verkauft die verwertbaren Besitztümer der Abtei. Die bereits 1802 brandgeschädigten Konventgebäude Langheims und die romanische Zisterzienserkirche werden abgerissen. Das zu Langheim gehörende Vierzehnheiligen ist als Wallfahrtsort ebenfalls vom Abbruch bedroht, da der inzwischen von Napoleon gekrönte bayrische Herrscher alle Wallfahrten ausrotten will. Zum Glück sind aber solch abgelegene Gebäude nicht sofort auf Abbruch verkaufbar, sodass Wallfahrtskirche und Priorat anfänglich einfach nur leerstehen. Die Wallfahrt ist jetzt verboten, wird aber später insofern wieder toleriert, als nur noch die Wallfahrtszüge nicht erlaubt sind. Mit dem seit 1825 amtierenden König Ludwig I. wird das Wallfahrtsverbot endgültig aufgehoben. Die Gefahr für Vierzehnheiligen scheint gebannt. Da schlägt am 3. März 1835 ein Blitz in den Nordturm. Nach Stunden steht das Dach in Flammen, die Glut lastet auf den Gewölben, die aber standhalten. Schnelle Hilfe bleibt aus, da auch die Propstei seit 1803 leersteht. So kann das Feuer im Emporenbereich in den Innenraum übergreifen und dort die Orgel zerstören. Schwere Schäden bringt aber erst die unterlassene sofortige Eindeckung durch ein funktionierendes Notdach. Die Gewölbe, der Stuck und die Fresken, auch die Aussenwände werden erst jetzt durch die andauernde Wassereinwirkung schwer beschädigt. 1838 erhält die Kirche das heutige, allerdings viel zu flache Dach. Die Turmhelme werden mit klassizistisch vereinfachten spitzen Pyramidendächern ersetzt.
1839 übergibt König Ludwig I. das Bauwerk dem Franziskanerorden. Die Kirche wird 1840–1845 durch die Königliche Bauinspektion Bamberg renoviert und erhält eine neue Orgel. Die fast unkenntlich gewordenen Appiani-Fresken werden, nun im Auftrag der Kirchenkasse, 1849–1871 durch den Historienmaler Franz Augustin Palme (1808-1897) mit anderen Themen übermalt. Er zieht für seine Malereien einen neuen Putz auf. Die Gewölbe- und Wandflächen des Innenraums werden mit einem monotonen Gelb überstrichen. 1869 lassen die Franziskaner eigenmächtig alle Altarblätter Appianis durch barock anmutende Kompositionen in frömmelnder Süssigkeit ersetzen. Die Altarblätter Appianis sind seither verschwunden.  

Restaurative Rückführungen im 20. Jahrhundert
Schon 1915–1918 folgt eine weitere Innenrestauration, welche dem Raum wieder den Rokokocharakter geben will und die schlimmsten Sünden des 19. Jahrhunderts tilgt. Nach der Entfernung der Fresken Palmes werden die darunterliegenden, durch Hacklöcher und Wasserschäden stark zerstörten Fresken Appianis in Seccotechnik ergänzt und teilweise rekonstruiert.[15] Wände und Fassungen erhalten aufgrund von Befunden das Kleid des 18. Jahrhunderts. Auch die unpassenden Turmhelme werden durch Rekonstruktionen nach barockem Vorbild ersetzt. 1958–1959 folgt eine erneute Restaurierung des Innenraums, die auch den nicht immer glücklichen Ersatz einiger Altarblätter Palmes zur Folge hat. 1982–1990 unternimmt der  die letzte grosse Restaurierung, die dem Raum mit einer strikten Farbfassung nach Befund nun wirklich das Bild der Erbauungszeit zurückgibt und zum ersten Mal wieder die lichte smalteblaue Fassung des Stuckes zeigt. Dabei werden für die Kalkfarben wirkliche Smalte-Pigmente, ein zermahlenes kobalthaltiges Kaliumsilikatglas, verwendet. Ein Sündenfall dieser letzten Restaurierung ist die erneute Freilegung der geschundenen Appiani-Fresken anstelle der Reinigung ihrer einfühlsam restaurativen Übermalungen aus 1915–1918. Dauerhaft ihrer lichten Farbigkeit beraubt, erinnern sie nun zusammen mit dem Hochaltarblatt von 1865 an die Brand- und Restaurationskatastrophen des 19. Jahrhunderts. 1998–1999 erfolgt mit dem Einbau einer neuen Orgel der bisher letzte Eingriff im Innenraum. Das Werk mit 69 Registern auf 4 Manualen mit Pedal ersetzt die kleinere Orgel von 1902. Der Orgelprospekt von 1848 wird als Grundlage für eine Neuschöpfung genommen.

Pius Bieri 2010
      
Benutzte Einzeldarstellungen:
Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Restaurierung der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. Arbeitsheft 49. München 1990.
Schütz, Bernhard: Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen. Grosser Kunstführer. München und Zürich 1992.
Ruderich, Peter: Die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt zu Vierzehnheiligen. Eine Baumonographie. Bamberg 2000.

Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_Vierzehnheiligen

Anmerkungen:

[1] Heute Klosterlangheim. Die Abteikirche ist seit dem 19. Jahrhundert vollständig, die Klostergebäude zum grössten Teil verschwunden.

[2] Das plastisch-naturalistische Bildhauerwerk befindet sich seit 1772, leider nicht mehr freistehend, in der Wallfahrtskirche von Hasslach bei Teuschnitz.

[3] Der Kampf der Fürstbischöfe gegen die Reichsunmittelbarkeitsbestrebungen der Abteien Langheim und Ebrach ist nebst dem absolutistischen Machtanspruch der Fürstbischöfe auch ein Kampf um den Erhalt eines Teils der Einnahmen aus den Klosterterritorien. Die jährlichen Abgaben Langheims betragen um die 4000 Fränkische Gulden. Die Summe entspricht etwa den jährlichen Bauaufwendungen der Abtei, die nun während 30 Jahren vollständig vom Neubau in Vierzehnheiligen beansprucht werden.

[4] Zitat von Bernhard Schütz.

[5] Krohne hat im Gewölbebau überhaupt keine Erfahrung und verzichtet deshalb auf ein teures Kuppelgewölbe. Die riesige Kuppel in seinem Projekt ist eine reine Theaterkonstruktion.

[6] Der Gnadenaltar ist ein Fixpunkt der Planung. Mit der Verschiebung der Vierung und der gleichzeitigen Verkürzung um ein Joch kann Krohne die teuren Subkonstruktionen am nordwestlichen Hang sparen. Zudem ist so der Chor- und Querhausbau ohne Abbruch der gotischen Wallfahrtskirche möglich.

[7] Die Gewölbe sind am Fuss mit Ziegelstein und im Zentrum mit den leichteren Tuffsteinen gemauert. Wie fast alle gemauerten Gewölbe der Barockzeit werden sie erst nach Vollendung des Dachstuhles und der Eindeckung begonnen. Die statisch notwendige Verbindung mit dem Dachstuhl erfolgt durch Eisenschlaudern. Diese Technik ist Mitte des 17. Jahrhunderts im Gewölbebau üblich.

[8] Auch als Nistler oder Niestler geschrieben.

[9] Zitat Bernhard Schütz

[10] Der Wessobrunner Stuckateur Johann Georg Üblher (1703–1763) hätte Vierzehnheiligen in Arbeitsgemeinschaft mit Johann Michael Feichtmayr ausgeführt. Feichtmayr übernimmt den Trupp. Schöpfungen von Mitarbeitern Üblhers in Vierzehnheiligen sind deshalb vorhanden. Norbert Jocher schreibt im Arbeitsheft 49 der bayrischen Denkmalpflege, dass die «Vierzehnheiliger Altarplastik unter dem massgeblichen Einfluss Üblhers» stehe.

[11] 1992 schreibt Bernhard Schütz: «Inzwischen ist es sicher, dass der Entwurf vom Stuckateur Johann Michael Feichtmayr stammt, dessen Trupp auch die Ausführung besorgte.»

[12] «Die Kirche der Vierzehn-Heiligen zu Frankenthal ist nach dem Plane des würzburgischen Obersten Neumann in neu-römischen Style aufgeführt. Besonders im Innern ist sie aber in den Verzierungen aller Art im ärgsten Geschmack der damaligen Zeit überladen» schreibt ein Führer 1845. Diese Ansicht hat sich heute zwar geändert, aber noch 1992 trennt Bernhard Schütz die Beschreibung des Neumann- Bauwerkes von der «Dekoration» und stellt fest: «Aus dem hohen Barock Frankens wurde gelöstes bayrisches Rokoko». Wehmütig schliesst er: «Aber wer mag es sich vorzustellen, wie das ganze unter Neumanns alleiniger Leitung geworden wäre?».

[13] Seinsheim schreibt in einem Brief über Vierzehnheiligen: «... die Kirch ist ein rechter Tempel, ohngemein gross und prächtig von innen und aussen, der Baumeister davon war der verstorbene Obrist von Neumann, welcher grosse Ehr von dem Bau hat.»

[14] Der fränkische Gulden wird zum rheinischen Gulden, der in Altbayern, Schwaben und der nördlichen Schweiz gilt, im Verhältnis 4:5 gewechselt. Die Baukosten Vierzehnheiligen müssen demnach im Vergleich zu den übrigen süddeutschen Bauten mit 162 500 Gulden eingesetzt werden. Zum Vergleich: Das Jahreseinkommen eines Handwerkgesellen beträgt 80 fränkische oder 100 rheinische Gulden.

[15] Ausführender Restaurator ist der Münchner Anton Ranzinger (1850–1924).

 

  Wallfahrtskirche zu den 14 Nothelfern in Vierzehnheiligen  
  Vierzehnheiligen1819  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Vierzehnheiligen
Staffelstein
Oberfranken
Bayern D
Zisterzeinserabtei Langheim
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Bamberg 1743
Bauherr und Bauträger

ok Abt Stephan Mösinger (reg. 1734–1751)
ok Abt Malachias Limmer (reg. 1751–1774)


 
  1822 wird diese Lithographie veröffentlicht. Sie ist eine der letzten Darstellungen der Wallfahrtskirche vor dem Brand von 1835 und zeigt das ursprüngliche Steildach.   pdf  
   
Vierzehnheiligen1
Vierzehnheiligen, aus Nordosten fotografiert von Schubbay in Wikipedia.  
   
VierzehnheiligenAquarell1820
Dieses Aquarell eines unbekannten Zeichners zeigt Vierzehnheiligen noch mit den ursprünglichen steilen Dächern von Osten. Nur knapp überragt der heute freistehende Frontispiz der Turmfassade (siehe Foto oben) das Dach. Schön ist zwischen den Türmen das Kloster Banz auf der anderen Talseite zu sehen.  

VierzehnheiligenDachstuhl1745

Der Ausführungsplan des Zimmermeisters Haas (1698–1783) zeigt den alten Dachstuhl mit seinen Hängesäulen, gezeichnet in den Querschnitt des Querhauses. Nach dem Brand von 1835 erhält das Bauwerk ein noch heute bestehendes flaches Dach. Die heutige Dachlinie ist rot eingetragen.
Original im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, HB 23576 f1.
 

Vierzehnheiligen3

Ein Blick von Norden auf die Türme.  

Vierzehnheiligen2

Als «Meisterwerk aller Architektur und eine späte Erfüllung barocker Fassadenkunst» wird die Zweiturmfassade heute beschrieben. Sie ist seit der Rekonstruktion der Turmhelme 1908 wieder im Zustand der Barockzeit.  

VierzehnheiligenSE88

Massgebend für die Rekonstruktion der Helme sind die 1902 wieder aufgefundenen Originalpläne aus dem Baubüro Neumann. Die Turmhaube ist, um den Plan kürzer zu halten, separat dargestellt. Der 1744 gezeichnete Fassadenplan ist einer der letzten Pläne vor der Bauausführung.
Original SE 88 im Mainfränkischen Museum Würzburg.
 
VierzehnheiligenGrundriss
Der Grundriss von Vierzehnheiligen.
Bildquelle: Auf der Grundlage des Aufnahmeplans 1917 neu gezeichnet durch Georges Berthoud Architecte EPF SIA.
Aus: Pierre Charpentrat «Baroque, Italie et Europe Centrale», Office du livre, Fribourg 1964.
Überarbeitung Pius Bieri.
 
VierzehnheiligenGrundrissOG1917
Die Aufnahmepläne von Vierzehnheiligen, wie hier der instruktive Plan der Decken im Obergadenbereich, werden 1917 gefertigt. Sie sind ein Werk der Architekten Albertini und Von Rodt im Büro Friedrich von Thiersch (1852–1921), München.
Originale: Architekturmuseum der TU München.
 
VierzehnheiligenSchnitt1917
Zur Aufnahmeserie 1917 gehört auch der detaillierte Längsschnitt (hier W-O).  
VierzehnheiligenSE86
Der Vergleich zum Längsschnitt W-O aus dem Baubüro Neumann (Plan SE 86 1744/47) zeigt der Schnitt 1917 zwei wesentliche Unterschiede:
1. Die Gewölbe (1761–1763) sind bedeutend flacher gebaut, als von Neumann geplant, (und zudem in Tuffstein ausgeführt).
2. Der 1835 erstellte Dachstuhl hat nur noch 60 Prozent der ursprünglichen Höhe. Wie oben dargestellt, hat er anstelle 38 Fuss nur noch 23 Fuss Höhe.
Original SE 86 im Mainfränkischen Museum Würzburg.
 
Vierzehnheiligen4
Ein Blick aus dem Querhaus in das zentrale Mittelgewölbe mit den Stuckaturen von Johann Michael Feichtmayr. Seine Werkstatt erstellt die blau- und goldgefassten Arbeiten 1763–1767. Gleichzeitig malt Joseph Ignaz Appiani die Fresken, die heute nur noch sehr rudimentär und ihrer Farbigkeit beraubt vorhanden sind. Das zentrale Fresko stellt, kaum mehr lesbar, die Himmelfahrt Mariens und die Verherrlichung der Vierzehn Nothelfer dar.
Bild: Mattana in Wikipedia.
 
Vierzehnheiligen5
Der zentrale und freistehende Gnadenaltar (1767–1768) ist ebenfalls ein Werk von Johann Michael Feichtmayr, der mit seinem Stuck, den Farbfassungen und mit seinen Altären massgebend zum Gesamtkunstwerk Vierzehnheiligen beiträgt.  
Vierzehnheiligen6
Das Fresko in der Kuppel über der Orgel stellt die Anbetung durch die Heiligen Drei Könige dar. Es erinnert in seiner fehlenden Farbigkeit wie alle anderen Fresken in Vierzehnheiligen an die Brand- und Feuchtschäden 1835, aber auch an eine fragwürdige Freilegung (1982–1990), welche von der Denkmalpflege trotz einer einfühlsamen Übermalung (1915–1918) angeordnet wird.