«Prospect gegen Mittag Löbl. Reichs- und wegen sonderen Schutz östereichischen Gottes Hauß Schutteren»

Kolorierter Kupferdruck, Signatur: F X. Schönbächl. (Franz Xaver Schönbächler Einsiedeln 1719–nach 1785). Nachkoloriertes Blatt aus: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogtums Baden, Siebenter Band, Kreis Offenburg, Tübingen 1908.

Die Vogelschauansicht zeigt eine symmetrische und mit Wasserläufen gefasste Anlage, deren grosser Ökonomiehof sich zum Barockgarten öffnet. Die Konventbauten mit der Kirche als Nordflügel liegen im nordöstlichen Eckbereich. Die Kirche zeigt noch ihre romanische Gestalt, die sie erst durch den Umbau 1773 verliert.
Die dargestellte absolute Symmetrie ist in Wirklichkeit nicht vorhanden, hingegen stimmt die Gebäudeanordnung. Das 1813 an einen Fabrikanten verkaufte Kernkloster umfasst 84 Zimmer, drei Saalräume, 4 Küchen und Keller für 1000 hl Wein.

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Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Peter Thumb (1681–1766), Zuschreibung Bezau Vorarlberg ok   Baumeister-Architekt 1722   1723
Joseph Michael Schneller od. Schnöller (1707–1767) Unterbach Tirol Wiki   Baumeister-Architekt 1767   1771
Christian Eitel (18. Jh.) Strassburg     Stuckateur ~1768   1771

Schuttern

Ehemalige Benediktinerabtei und Kirche Mariä Himmelfahrt

Karolingisches Reichskloster
Das bereits im frühen 7. Jahrhundert auf den Ruinen einer römischen Villa rustica gegründete Kloster ist die früheste klösterliche Niederlassung in badischen Landen. Nach der Pirminsvita unterstellt es Pirmin zwischen 746 und 753 der Benediktinerregel. Urkundlich fassen lässt sich Schuttern erst 817. Es wird im «capitulare monasticum» Ludwigs des Frommen als Reichabtei erwähnt. Die Abtei erreicht in karolingischer Zeit eine bedeutende wirtschaftliche Stellung. Mehrere karolingische Vorgängerbauten sind durch Grabungen nachgewiesen. Der kaiserliche Schutzherr Heinrich II. gibt Schuttern 1007, zusammen mit Gengenbach, als Lehen zur Ausstattung seines neu gegründeten Hochstifts Bamberg. Die beiden Klöster gehören kirchenrechtlich zum Bistum Strassburg, sind jetzt aber nach Bamberg lehenspflichtig. Mehrere Brände des Klosters im 12. und 13. Jahrhundert sind überliefert. Nach einem Grossbrand, der 1240 auch die Kirche einäschert, wird mit dem Bau einer Basilika nach dem Vorbild von St. Peter und Paul in Hirsau begonnen. 1268 ist Chorweihe, 1283 Kirchweihe und erst um 1360 Fertigstellung. Die lange Bauzeit erklärt sich durch dauernde Auseinandersetzungen der Abtei mit den Kastvögten und den benachbarten Städten, die Schuttern wiederholt dem Untergang nahe bringen. Immerhin überdauert das Bauwerk bis 1767.
 
Vorderösterreichische Herrschaft

Die Reichsabtei kommt 1521 endgültig unter österreichischer Herrschaft. Die Reichsfreiheit wird zwar vom Kaiser nochmals bestätigt, wie in allen habsburgischen Ländern ist sie aber kaum das Papier wert. Schuttern leidet auch im Bauernkrieg und wird im Dreissigjährigen Krieg Truppenlager der Kaiserlichen. Die Zugehörigkeit zum Bistum Strassburg, dessen Bischofssitz von 1608 bis 1662 von Österreich besetzt ist, teilt Schuttern mit den rechtsrheinischen Benediktinerabteien Ettenheimmünster, Gengenbach und Schwarzach, und den ßlinksrheinischen Altdorf, Ebersheimmünster und Maursmünster. Die französische Annektion des Elsass und der linksrheinischen Abteien im Pfälzischen Erbfolgekrieg verstärken die erzwungene Bindung des Klosters an Österreich. Mit den Untertanen zu Schuttern liegt die Abtei jetzt in ständigen Rechtsstreitigkeiten und 1743 muss sogar österreichisches Militär Unruhen der Bauern bekämpfen.

Das 18. Jahrhundert
1722–1723 lässt Abt Placidus II. Hinderer (reg. 1708–1727) über der romanischen Vorhalle den heutigen markanten Glockenturm errichten. Obwohl keine Baunachrichten bekannt sind, muss von einer gleichzeitigen barocken Erneuerung des Innenraums und der Ausstattung ausgegangen werden. Ein heute in Betzenhofen befindlicher Altar mit dem Wappen des Abtes dokumentiert dies.
Die Barockabtei dieser Zeit ist einzig in einer Idealansicht aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überliefert. Obwohl die Gebäude einer über Jahrhunderte gewachsenen Abtei in der dargestellten Symmetrie nicht der Wirklichkeit entsprechen können, sind die einzelnen Gebäudegruppen und die Umgebung doch wahrheitsgetreu dargestellt. Die Vedute zeigt noch die romanische Basilika, aber schon den neuen Glockenturm von 1723. Die Details des Torturmes und der Prälatur (Erker, Treppe) stimmen mit einem Ölgemälde von 1813 überein.
Unter Abt Karl Vogel (reg. 1753–1786) erlebt das Kloster noch einmal eine Blüte. Unter seiner Regentschaft wird die romanische Basilika von 1767 bis 1772 durch einen spätbarocken Neubau ersetzt, der unter Verwendung der alten Fundamente erstellt wird.
1770 muss Abt Karl Vogel die 14-jährige Erzherzogin Marie Antoinette von Österreich, die als Braut an den französischen Hof reist, auf ihrer letzten Station vor der französischen Grenze beherbergen. Die verschwenderische junge Dame reist mit 257 Personen, 57 Reisewagen und 450 Pferden. Die Reiseroute wird so gelegt, dass vorwiegend österreichisches Gebiet durchquert werden kann. Die Kosten dieses Aufenthaltes in Schuttern betragen rund 15 000 Gulden, was ungefähr dem 150-fachen Jahreseinkommen eines Handwerkermeisters entsprechen entspricht. Das nicht besonders wohlhabende Kloster muss diese Kosten tragen.

Säkularisation und Zerstörung
Im Frieden von Lunéville (1801) wird Schuttern mitsamt dem österreichischen Breisgau Besitz des Herzogs von Modena. 1803 erfolgt die Besitzergreifung der Abtei durch den Johanniterorden, und 1805 geht Schuttern definitiv in badischen Besitz über. Die Abtei wird 1806 aufgehoben. Die barocken Klostergebäude, die ihm noch kurz vorher den Glanz einer kleinen barocken Residenz gegeben hatten, werden auf Abbruch versteigert.
Erhalten, aber meist nicht im ursprünglichen Zustand, sind folgende Gebäude:

Klosterkirche als Pfarrkirche
Einziger Überrest des ehemaligen Reichsklosters ist die weithin sichtbare ehemalige Klosterkirche und heutige Pfarrkirche. Der Turm der Kirche wird 1722 erbaut, mit grösster Wahrscheinlichkeit von Peter Thumb. Er gestaltet die Westfassade neu, wobei grosse Teile der romanischen Vorhalle bestehen bleiben. Erst 1767–1771 wird die Kirche neu gebaut. Ihr Baumeister ist Joseph Michael Schmöller. Wie der Grundrissvergleich zeigt, folgt der Neubau den Aussenmauern der romanischen Basilika. Nach Max Wingenroth[1] ist die barocke Kirche ursprünglich eine Wandpfeiler-Emporenhalle mit Vierungskuppel.[2] Die Vierungskuppel wird bereits 1821 abgebrochen.
Ein Brand vernichtet 1853 die barocke Ausstattung und den barock geschweiften Dachstuhl.
1855–1857 baut Oberbaurat Friedrich Theodor Fischer, ein Weinbrenner-Schüler, die Kirche klassizistisch um, hebt das Niveau des Bodens um einen Meter, vereinfacht das Dach zu einem einfachem Walm und versieht den Turm mit einem neuen Helm. Eine weitere Restaurierung durch Friedrich Ostendorf folgt bereits 1913, eine letzte 1977. Der heutige Innenraum ist die nüchterne Antithese zum barocken Ideal.

Relikte
Vom Innenraum der Stiftskirche Schuttern zur Zeit des Barock können wir uns heute kein Bild mehr machen. Umso wertvoller sind noch verbliebenen Ausstattungen der alten Abtei: Ein Altar von 1722 ist heute Hochaltar der Thomaskirche von Betzenhausen. In «Wikipedia» wird die spannende Geschichte des Scagliola-Altars beschrieben:
Aus der exsekrierten, in ein Fabriklager umgewandelten ehemaligen Pfarrkirche von Illingen bei Rastatt konnte der selbst von Fachleuten unbeachtete Barockaltar günstig erworben werden. Ein alter Wunsch Betzenhausens ging in Erfüllung. Was Literatur und mündliche Überlieferung Illingens festhielten, bestätigte eine 1937 im Altaraufbau entdeckte Urkunde: Der wertvolle Altaraufbau, der «früher in der Hochkapelle im Kloster zu Schuttern stand», sei im Juli 1850 durch den Iffezheimer Stukkator und Altarbauer Erhard Oesterle in den Chor der Illinger Kirche versetzt worden. Bei der Entfernung unschöner Farbschichten kamen an diesem Scagliola-Altar nicht nur äusserst qualitätvolle Stuckmarmorierungen (an den Säulen mit Silber-, Kupfer- und Messing-Adern!) zum Vorschein, sondern auch in der Kartusche über der zentralen Figurennische das Wappen des Abtes Placidus II. Hinderer. Mit diesem einwandfreien Beleg für den 1708−1727 regierenden Klosteroberen der Benediktinerabtei Schuttern wurden Entstehungszeit, Auftraggeber und Herkunft des Altars gesichert. Weil Abt Placidus II. 1722/23 auch den Turm seiner schutterischen Abteikirche neu errichten liess (vgl. Wappen am Turm) und 1772 dort eine «capella Ecclesiae nostrae sub turri sita» erwähnt wird, liegt die Vermutung nahe, dass der jetzt in die St. Thomaskirche eingebaute Choraltar aus jenen Bauzusammenhängen stammt. Wegen Baureparaturen beseitigte man 1847 in Schuttern den «aus Gipsmarmor konstruierten» Altar der «Hochkapelle» und überliess dem Stuckateur Erhard Oesterle von Iffezheim die Bestandteile zum Abbruchpreis von 50 Gulden. Deshalb konnte Illingen drei Jahre später in den Besitz des kostbaren Barockaltars gelangen. «Scagliola» (eine Technik, die sich während des 18. Jahrhunderts nur vermögende Auftraggeber leisten konnten) liess in den Stuckmarmorschichten der Altäre kunstvoll verarbeitete, buntfarbige Zierflächen, Bilder, Dekorationen entstehen, die wie Intarsien wirken. So sind am Antependium des Betzenhausener Altartischs auf dunkler Grundfläche farbig kontrastierend ein Bild der Grablegung Christi, Bandel- und Blattwerk, Blütengirlanden, Engelskinder und die Leidenswerkzeuge zu sehen. Die kleineren Flächen der Predellazone sind ähnlich mit Blumen und Vogeldarstellungen (Paradiesmotive) gearbeitet. Elegant wirkt auch das Wappen des Auftraggebers, das auf schwarzem Schild ein goldenes Einhorn mit silber-rot-silberner Schrägbinde im Schildfuss zeigt. Zumal Abt Placidus II. Hinderer aus Baden-Baden stammte, muss überlegt werden, ob er sich aus jenem Künstlerkreis, der im Lustschloss Favorite für die Markgräfin Sibylla Augusta die vielbewunderten Scagliola-Arbeiten schuf, einen Altarbauer nach Schuttern verpflichtet hatte. Mit Zutaten wie der alten Schmerzensmutter, barocken Statuetten des hI. Thomas und Laurentius, einem kopierten Dreifaltigkeitsoberbild und einem nicht ursprünglichen Tabernakel versehen, beeindruckt der ehemals schutterische Scagliola-Altar auch so noch durch seine aussergewöhnliche Schönheit. In der Hauptnische hat mit der von Kreszentia von Brandenstein gestifteten «Mutter unter dem Kreuz» (barocke Krone als Zutat) eine «schöne Madonna» (um 1430) von künstlerischer Qualität einen neuen prächtigen Rahmen gefunden. Baldachinmalerei an der Chorwand (1862 erneuert) und das ehemalige Unterbaldinger Chorgestühl von bäuerlicher Barockarbeit (rückseitig mit 1734 datiert) binden den Scagliola-Altar ein und steigern seine Wirkung beträchtlich.

Pius Bieri 2008

 

Benutzte Einzeldarstellungen:

List, Karl: Offonis Cella - Die Reichsabtei Schutter 603-1806. Lahr 1988.
Wingenroth Max: Die Kunstdenkmäler des Grossherzogtums Baden, Siebenter Band, Kreis Offenburg, Tübingen 1908.

Anmerkungen:

[1] In «Die Kunstdenkmäler des Grossherzogtums Baden», Tübingen 1907.

[2] Die Grabungspläne von 1975 geben aber keine Hinweise auf Wandpfeiler.

 

 

 

 

 

  Ehemalige Benediktinerabtei und Kirche Mariä Himmelfahrt in Schuttern  
  SchutternVedute  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Schuttern
Ortenaukreis
Baden-Württemberg D
Vorderösterreich
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Strassburg 1722, 1767
Bauherr und Bauträger

Abt Placidus II. Hinderer (reg. 1708–1727)

Abt Karl Vogel (reg. 1753–1786)
 
  Eine kolorierte Idealansicht aus Süden zeigt die Klosteranlage Schuttern in der Mitte des 18. Jahrhunderts, noch mit der romanischen Basilika. Quelleninfo.   pdf  
   
SchutternKDM
Südostansicht und Grundriss der Kirche in einer Zeichnung aus KDM Baden 1908.  
   
Schuttern1840
Ein Ölbild von 1813 und das obige Aquarell eines unbekannten Zeichners zeigen in grosser Übereinstimmung die Klostergebäude vor ihrem Abbruch. Sie sind, wie die Idealansicht des 18. Jahrhunderts, vom grossen Hof her gesehen und zeigen Torgebäude und einen Teil des Konvent-Südflügels. Dieser weist Architekturelemente des 16. Jahrhunderts wie die Freitreppe oder der Erker auf. Die östliche Verlängerung des Südflügels fehlt und lässt den Blick auf den Chor der Klosterkirche frei. Ist hier schon abgebrochen worden? Das Kirchendach ist noch mit den barocken Glockendächern gedeckt, die spätestens nach dem Brand von 1853 durch flache Walmdächer ersetzt werden.
Bildquelle: PD-Dokument aus Veröffentlichung.
 
Schuttern1
Heute sind alle Konventflügel südlich der ehemaligen Klosterkirche abgebrochen, und nur eine grüne Wiese trennt das Bauwerk von der heutigen Einfamilienhaus-Siedlung auf dem südlichen Klosterareal.  
SchutternGrundriss
Wie der Grundriss-Vergleich der 1767–1771 gebauten Kirche mit dem Vorgängerbauwerk (gelb) zeigt, entspricht sie den Ausmassen der romanischen Basilika. Nur das Querschiff ruht nicht auf alten Fundamenten.  
Schuttern2
Der Turm aus rotem Sandstein ist das Wahrzeichen Schutterns. Wirkungsvoll steht er in der Flucht der Hauptstrasse, 1722 wahrscheinlich von Peter Thumb über der romanischen Vorhalle neu errichtet. Auf der Idealansicht ist dieser Turm in Verbindung mit der romanischen Basilika dargestellt. Mehrfach wird er verändert, erstmals mit dem Kirchenneubau 1767–1773 und nochmals 1857, wo er den heutigen Helmaufbau erhält. Vom ersten Umbau stammt die heutige Architekturgliederung im klassizistischen französischen Barock.
Das rot gefasste Haus rechts des Turmes entspricht dem westlichen Flügel des Torhauses (Turm und Kirchenhaupteingang liegen ausserhalb der Klostermauern).
 
> Zum Beschrieb der Architektur und zu den Wappen des Eingangsportals.  
Schuttern4
Durch mehrfache Umbauten 1821 und 1837, einer klassizistischen Wiederherstellung nach dem Brand von 1853 und weiteren Umbauten 1913 und 1977 ist heute vom barocken Innenraum nichts mehr vorhanden. Der heutige Raum ist die nüchterne Antithese zum barocken Ideal.  
Schuttern5
Der 1723/27 erstellte ehemalige Altar der «Hochkapelle» im Westturm wird 1847 für 50 Gulden verkauft und steht seit 1978 als Hochaltar in der Thomaskirche in Freiburg-Betzenhausen. Alle heute in Schuttern stehenden klassizistischen Altäre sind Ausstattungselemente ohne Bezug zur Klosterkirche des 18. Jahrhunderts.