Die Meister des Bauwerks
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Domenico Egidio Rossi (1659–1715) Fano (Italien) Rossi   Hofbaumeister 1699   1707
Johann Michael Ludwig Rohrer (1683–1732) Tissau (Böhmen) Rohrer   Hofbaumeister 1721   1725
Franz Ignaz Krohmer (1714–1789) Ettlingen     Hofingenieur, Hofbaumeister 1754   1754

Garten und Gartengebäude

Der Barockgarten

1772 erstellt Hofbaumeister Krohmer einen genauen Aufnahmeplan des Residenzgartens. In einer Breite von 1180 Fuss oder 344 Meter[1] dehnt sich ein dreigeteilter Barockgarten nach französischer Manier in der Achse des Corps de Logis gegen Osten aus.[2] Das Mittelparterre, ein barocker Lustgarten mit Halbkreisabschluss, ist 600 Fuss breit. Es entspricht damit der Breite des heutigen Schlossparkes, ist aber mit 1250 Fuss oder 365 Meter bedeutend länger. Beidseitige Kastanienalleen säumen dieses Mittelparterre und trennen es von den zwei begleitenden Gartenflächen. Während in diesen beiden Gärten je acht geometrisch mit Buchs gefasste Felder als «Küchengarten» bezeichnet werden, ist das Mittelparterre mit barocken Bosketts und Broderien sowie drei Bassins ausgestattet. Der «französische» Garten ist 1772 noch erhalten, weil ein Umbau in einen nun modischen «englischen» Landschaftsgarten aus finanziellen Überlegungen unterblieben ist. Der Gartenunterhalt wird nach 1783 sogar vollständig eingestellt. Aber noch eine Anfang des 19. Jahrhundert erscheinende Planvedute von Rastatt zeigt den «französischen» Garten entsprechend dem Zustand von 1772.[3] Erst nach 1840 verschwindet er im Zuge des Ausbaus zur Bundesfestung. Für das nordöstliche Fort, der «Ludwigsfeste» wird ein Teil des Gartens geopfert. Der heutige, seit 1988 bestehende Schlossgarten hat die Breite des ehemaligen Mittelparterres, ohne aber dessen barocke Einteilung aufzunehmen.

Die Loretokapelle im Orangeriegarten

Nördlich der barocken Gärten liegt der Orangeriegarten. Er hat seinen Namen von den Orangerien, den Gebäuden für die Winterhaltung von wärmebedürftigen Pflanzen, insbesondere der Zitrusgewächse, aber auch von Ananaspflanzen. Anstelle des von Hofbaumeister Krohmer 1775 gebauten «Glass und Treibhauss» dehnt sich heute der Südflügel des Kreiskrankenhauses aus. Nur wenig davon entfernt, mitten in einer Freifläche des Orangeriegartens, steht bis zu ihrem Abbruch im 19. Jahrhundert eine Kapelle als Nachbildung des Heiligen Hauses von Loreto, die Franziska Sibylla Augusta 1721 nach einer Wallfahrt errichten lässt. Die Loretokapelle ist zu dieser Zeit trotz der Lage im Residenzgarten für die pilgernde Bevölkerung zugänglich.

Kapelle Maria Einsiedeln und Pagodenburg

Die Gnadenkapelle von Einsiedeln in Rastatt

Zwischen 1703 uns 1730 sind acht Wallfahrten der Markgräfin Franziska Sibylla Augusta nach Maria Einsiedeln bekannt, wo sie die Gnadenkapelle besucht.[4] 1715, nach ihrer vierten Wallfahrt, lässt sie von Hofbaumeister Johann Michael Rohrer in Rastatt eine Nachbildung der reich verkleideten Kapelle von Einsiedeln errichten. Schon 1709–1710, anschliessend an ihre zweite Reise nach Einsiedeln, entsteht in Schlackenwerth eine gleiche Kapelle. Von Abt Maurus erhält sie damals die Planunterlagen und eine Kopie des Gnadenbildes. Originalgetreu wird die reiche Frontfassade nachgebaut, auch die Gebäudemasse von Einsiedeln werden übernommen. In Schlackenwerth trifft diese Detailtreue auch für die weiteren Fassaden zu, welche in Rastatt vereinfacht ausgeführt werden. Beide Bauwerke sind, und hier ist ein grosser Unterschied zu Einsiedeln, in der zeichenhaften Art von böhmischen Loretokapellen auf einer Anhöhe errichtet. Eine sakral wirkende, dominante Freitreppe führt zur Kapelle. Die Rastatter Kapelle, 600 Fuss südlich der Residenz unweit des grossen fürstlichen Bräuhauses[5] dreiseitig frei auf einem grossen Platzraum am Stadtrand in erhöhter Lage gebaut, lehnt sich rückseitig an eine bastionsartig eingefasste Erhebung an. In ihrem Untergeschoss beherbergt die Kapelle einen weiteren Sakralraum. Die fromme Markgräfin lässt hier eine Kopie der Geburtsgrotte von Bethlehem erstellen. Die so mehrfachen Zeichencharakter aufweisende Kapelle kann noch zur Zeit der Bundesfestung ihre beherrschende Lage am Stadtrand bewahren. Erst im 20. Jahrhundert wird der Platzraum an der Strasse nach Ettlingen im Zuge der autogerechten Stadt zur innerstädtischen Verkehrsader. Die kurz vor der Freitreppe eine Linkskurve beschreibende Ausfallstrasse heisst hier sinnigerweise Kapellenstrasse.

Die Pagodenburg

Auf dem bastionsähnlichen Plateau, an das sich die Kapelle Maria Einsiedeln anlehnt, und das zum Murgufer und zum heutigen modernistischen städtischen Kulturzentrum, der «BadnerHalle»,[6] in dreigestufter Bollwerksmauer steil abfällt, liegt zentral die Pagodenburg. Wie die Loreto- und die Maria-Einsiedeln-Kapelle ist sie ein Nachbau, allerdings nun nicht mehr als Bereicherung der Sakraltopografie, sondern als Kopie eines «Lusthauses» im Park von Nymphenburg. 1722 reist die Markgräfin zum Kurfürsten Max Emanuel nach München, in der Hoffnung auf Unterstützung beim Kaiserhof bei der Durchsetzung ihrer Erbansprüche auf das Herzogtum Sachsen-Lauenburg.[7] In München ist sie von der Pagodenburg, einem von Joseph Effner 1716–1719 erbauten Parkschlösschen mit einer Régence-Ausstattung «à la chinoise» begeistert. Sie lässt das Schlösschen nach Plänen aus München von Hofbaumeister Johann Michael Roher 1722–1725 auf dem Plateau südlich der Kapelle Maria Einsiedeln errichten. Im Gegensatz zum flachgedeckten Münchner Original erhält die Rastatter Nachbildung ein Mansarddach. Die eigentliche Kostbarkeit der Pagodenburg in Nymphenburg, die reiche Innenraumausstattung mit «Chinoiserien», wird in Rastatt zwar kopiert, ist aber heute vollständig verschwunden.

Pius Bieri 2011

Benutzte Literatur:

Fickler, Carl Borromäus Alois: In Rastatt 1849. Rastatt 1853.
Renner, Anna Maria: Der Stadtplan von Rastatt und seine Entwicklung, in: Badische Heimat. Freiburg 1937.
Rentsch, Dieter: Schloss Rastatt. Kunstführer. Karlsruhe 1989.
Damoulakis, Kiriakoula: Schloss Rastatt. Kunstführer. München und Berlin 2004.
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Hrsg.): «Extra Schön», Markgräfin Sibylla Augusta und ihre Residenz, Ausstellungskatalog. Petersberg 2008.
Anmerkungen:

[1] Das Schuh- oder Fussmass beträgt 292 Millimeter.

[2] Die Himmelsrichtungen immer angenähert. Hier genau: Nordosten. Der halbkreisförmige Abschluss liegt jenseits der heutigen Strasse «An der Ludwigsfeste». Der südöstliche Gartenabschluss liegt an der heutigen Bahnhofstrasse.

[3] Die Planvedute zeigt auf geometrisch leicht verzogenem Stadtplan eine präzise und verständliche Umklappdarstellung der Gebäude und Bäume. Der kolorierte Stich vom Anfang des 19. Jahrhunderts muss aufgrund der Gebäudebeschreibung vor der Säkularisation von 1806 entstanden sein.

[4] Während den acht Wallfahrten der Markgräfin ist Einsiedeln eine grosse Baustelle. Bei ihren ersten fünf Wallfahrten 1703–1717 sieht sie die neuen Klostergebäude wachsen. 1722, bei ihrem sechsten Besuch, ist das «Untere Münster» abgebrochen und über der Gnadenkapelle entsteht das barocke Oktogon des Klosterbaumeisters Br. Caspar Moosbrugger. Bei ihrer nächsten Wallfahrt 1727 kann sie die vertraute Gnadenkapelle schon im neuen, von den Brüdern Asam ausgestatteten Kirchenraum sehen.
Die mittelalterliche Gnadenkapelle im «Untern Münster» von Einsiedeln erhält zwischen 1615–1634 nach Plänen von Santino Solari, dem Dombaumeister von Salzburg, eine allseitige barocke Fassadenarchitektur aus Marmor und Alabaster. Aufnahmepläne mit Massangaben in Nürnberger Schuh erscheinen 1681 im Druck. Sie dürften Grundlage der Nachbildungen in Schlackenwerth und Rastatt sein. Das Vorbild von Schlackenwerth und Rastatt wird 1798 von den Franzosen zerstört. Verkürzt und verändert wird sie 1817 neu aufgebaut.

[5] Heute steht anstelle des Vierflügelgebäudes des Bräuhauses das Postamt.

[6] Baujahr 1990. Eigenwerbung der Stadt: «Durch die grosszügig verglaste Foyerfront genießen Besucher einen einmaligen Blick auf die historische Pagodenburganlage». Im 18. Jahrhundert liegt an Stelle der «BadnerHalle» das Frauenkloster der Kongregation «de Nôtre Dame».

[7] Max Emanuel ist seit 1715, trotzt seiner Kriegsführung auf französischer Seite, wieder in Amt und Ehren. Was heute als Kriegsverbrechen gilt, ist damals ein Kavaliersdelikt. Die Reise der Markgräfin, die auch einer Pfründe für ihren zweiten Sohn August Georg Simpert am Kölner Domkapitel gilt, ist in Bezug auf das Herzogtum Sachsen-Lauenburg vergeblich. Das Herzogtum geht 1728 endgültig an das Haus Hannover und damit an den englischen König.

 

  Rastatt: Garten, Maria-Einsiedeln-Kapelle und Pagodenburg.  
  pagodenburg  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Rastatt
Kreis Rastatt (D)
Markgrafschaft Baden-Baden
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Strassburg 1715 / 1722
Bauherr und Bauträger
ok Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg (1675–1733), Markgräfin von Baden-Baden.
 
  Die Pagodenburg in Rastatt, 1722–1725 von Johann Michael Rohrer erbaut. Bildquelle: Wikipedia by author Martin Dürrschnabel.   pdf  
   
Kapelle
Kapelle Maria-Einsiedeln in Rastatt, 1715 von Johann Michael Rohrer erbaut.  
   
Garten1800
Der Barockgarten im kolorierten Stich, der die Gebäudesituation um 1800 zeigt. Der um diese Zeit noch nicht zertörte Garten verschwindet gegen 1840.
> Zur Planlegende. > Zum Gesamtplan.
 
Loretto
Ausschnitt aus dem kolorierten Stich mit der Lage der Loreto-Kapelle, die 1721 errichtet wird.
> Zur Planlegende. > Zum Gesamtplan.
 
Einsiedeln
Die Gnadenkapelle von Maria-Einsiedeln in einem Stich von 1681. Das nach Plänen von Santino Solari in schwarzem Marmor eingekleidete Bauwerk ist das Vorbild der Kapelle in Rastatt. Das Original in Einsiedeln wird 1798 von den Franzosen zerstört.
Quelle: Klosterarchiv Einsiedeln.
 
Nymphenburg
Die Pagodenburg im Park des Schlosses Nymphenburg ist Vorbild der Rastatter Pagodenburg, die Johann Michael Rohrer 1722–1725 für die Markgräfin errichtet. Die strenge klassische Haltung des Münchner Bauwerks wird in Rastatt mit dem Dach gemildert.
Bildquelle: Wikipedia author Rufus46