Die Meister
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Carlo Lurago  (1615–1684) Pellio Val d'Intelvi Lurago   Baumeister-Architekt 1668   1684
Carlo Antonio Carlone (1635–1708) Scaria Val d'Intelvi CarloneAntonio   Palier ~1668   ~1673
Giovanni Battista Carlone (1642–1721) Scaria Val d'Intelvi CarloneJB   Stuckateur, Bildhauer 1677   1694
Carpoforo Tencalla (1623–1685) Bissone Tessin Tencalla   Freskant 1678   1684
Paolo d'Allio (1655–1729) Scaria Val d'Intelvi Allio   Stuckateur 1682   1694
Andrea Giovanni Solari (geb. 1668/69) Verna, Val d'Intelvi     Marmorierer, Bildhauer ~1692   1694
Francesco Innocenzo Torriani (1648–1700) Mendriso Tessin Torriani   Maler (Altarblätter) 1685   1685
Mathias Rauchmiller (1645–1686) Radolfzell     Freskant 1686   1686
Carlo Antonio Bussi (1658–1690) Bissone Tessin Bussi   Freskant 1687   1688
Frans de Neve II (1632–n.1704) Antwerpen     Maler (Altarblätter) 1687   1687
Johann Michael Rottmayr (1654–1730 Laufen a. d. Salzach Rottmayr   Maler (Altarblätter) 1693   1693
Johann Carl von Reslfeld (1658–1735) Schwaz im Tirol     Maler (Altarblätter) 1693   1693
Johann Capar Sing (1651–1729) Braunau am Inn     Maler (Altarblätter) 1697   1697
Johann Andreas Wolff (1652–1716) München     Maler (Altarblätter) 1698   1698
Antonio Maria Nicolò Beduzzi (1675–1735) Bologna?     Bildhauer, Architekt 1713   1723
Lorenzo Mattielli (1687–1748) Vicenza     Bildhauer 1713   1723
Johann Ignaz Egedacher (1673–1744) Salzburg     Orgelbauer 1715   1733
 Heinrich von Schmidt (1850–1928) Köln     Architekt 1883   1898

Domkirche St. Stephan in Passau

Inhalt   Bischofsstadt Passau Inhalt11   Frühgeschichte
Inhalt12   Residenzstadt eines Fürstbischofs
Inhalt13   Die Stadt zur Barockzeit
Inhalt2   Baugeschichte des Doms vor 1662 Inhalt21   Der Pilgrim-Dom
Inhalt22   Der spätgotische Dom
Inhalt23   Der Brand von 1662
Inhalt3   Baugeschichte II:
      Barocker Wiederaufbau I (Rohbau)
Inhalt31   Fürstbischof Wenzeslaus von Thun-Hohenstein
Inhalt32   Carlo Lurago und Carlo Antonio Carlone
Inhalt33   Stand der Bauarbeiten beim Tod des Fürstbischofs
Inhalt4   Baugeschichte III:
      Barocker Wiederaufbau II (Ausbau)
Inhalt41   Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting 1673–1689
Inhalt42   Giovanni Battista Carlone und Carpoforo Tencalla
Inhalt43   Fertigstellung der Fresken
Inhalt5   Baugeschichte IV:
      Altarausstattung
Inhalt51   Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg 1689–1712
Inhalt52   Altäre der Carlone-Werkstatt und Seitenportale
Inhalt53   Die Maler der Altarblätter
Inhalt6   Baugeschichte V:
      Letzte Ausstattungen
Inhalt61   Fürstbischof Joseph Dominikus Graf von Lamberg 1723–1761
Inhalt62   Kanzel
Inhalt63   Barocke Orgelwerke
Inhalt7   Zur barocken Architektur
      des Passauer Doms
Inhalt71   Wandpfeilerbasilika von Lurago und mit Carlone-Einfluss
Inhalt72   Hängekuppelfolge im Mittelschiff des Langhauses
Inhalt73   Kuppelgewölbe in den Seitenschiffen
Inhalt74   Barocke Gewölbe in Querhaus, Vierungsturm und Chor
Inhalt75   Innenraumgestaltung durch Giovanni Battista Carlone und Paolo d'Allio
Inhalt76   Altararchitektur
Inhalt77   Die Fassade
Inhalt8   Veränderungen der Domkirche in
      nachbarocker Zeit
Inhalt81   Ende des Fürstbistums 1803
Inhalt82   Verluste
Inhalt83   Veränderung der Domfassade
Inhalt84   Orgelneubauten
Inhalt85   Restaurierungen

Bischofsstadt Passau
Frühgeschichte
Die Halbinsel am Zusammenfluss von Donau und Inn bildet den idealen und natürlichen Ort einer städtischen Siedlung. Nach der ersten keltischen Besiedlung folgen die Römer. Die Donau bildet den römischen Limes, während der Inn die Grenze der römischen Provinzen Raetia und Noricum bildet. Eine Römerstrasse führt donauaufwärts von «Castra Batava», wie in der Spätantike das Militärlager auf dem Domberg genannt wird, nach Regensburg. Ein weiteres, älteres Kastell Boiodurum liegt an der Stelle der heutigen Innstadt jenseits des Inns. Nach den ersten Alemanneneinfällen geben die Römer beide Kastelle auf. Boiodurum ersetzen sie durch das westlich gelegene Brückenkopfkastell Boiotro. Das Kastell auf dem heutigen Domberg verlegen sie wieder an die Spitze der Halbinsel. Es wandelt sich im 5. Jahrhundert zu einem zivilen Oppidum mit dem Namen Batavis.[1] Der Name verändert sich in Patavia und dann in Passau.
Wie neueste Forschungen zeigen, hält sich in der Völkerwanderungszeit beidseits des Inns eine bereits christianisierte römische Bevölkerung und zeigt eine Kontinuität von der Spätantike ins frühe Mittelalter.[2] Im frühen 7. Jahrhundert wird von einer «ecclesia s. Stephani infra muros» berichtet. 739 findet Bonifatius bei der kirchlichen Reorganisation des fränkischen Bayerns in Passau bereits einen in Rom geweihten Bischof Vivilo vor, der dem «Monasterium Patavis ad ecclesiam sancti Stephani» vorsteht. Damit ist die Stephanskirche auf dem Domberg von Passau als Kathedralkirche mit einem Chorherrenkollegium bezeichnet.

Residenzstadt eines Fürstbischofs
Unter Bischof Pilgrim, der beim Aufstand der Herzöge Bayerns gegen Kaiser Otto II. kaisertreu bleibt, wird Passau 976 und 977 in kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört. Pilgrim, der vom Kaiser in der Folge mit Besitzungen und den Zolleinnahmen belohnt wird, kann den ebenfalls zerstörten karolingischen Dom des 8. Jahrhunderts wieder aufbauen. Unter Kaiser Otto III. erfolgt die Erhebung des Bischofs von Passau zum Fürsten. Der in Rom anwesende Kaiser stellt  Anfang 999 eine Urkunde[3] aus, die dem Bischof von Passau und allen Nachfolgern Markt- und Münzrecht, den Zoll und die niedere und hohe Gerichtsbarkeit gewährt, und zwar innerhalb wie ausserhalb der Stadt.[4] Die fürstbischöfliche Herrschaft dauert bis 1803. Erst anlässlich der Säkularisation wird Passau bayrische Provinzstadt.

Die Stadt zur Barockzeit
Passau hat im 18. Jahrhundert knapp 7000 Einwohner.[5] Dazu zählen auch die Bewohner der  Innstadt jenseits des Inns, und der Ilzstadt am Ostufer der in die Donau mündenden Ilz. Die grössere Stadt auf der Halbinsel hat sich seit dem Mittelalter nach Westen ausgedehnt und reicht jetzt bis zu den Schanzen am heutigen Ludwigsplatz. Der Stadtplan von 1827 zeigt noch immer die barocke Stadt.[6] Nebst dem Dom (1) und der Bischofsresidenz (2) an erhöhter Lage in der Stadtmitte dominieren 1827 am östlichen Ende der Halbinsel die grossen Gebäudekomplexe des Jesuitenkollegs (3) und des Benediktinerinnenklosters Niedernburg.(4) Westlich, ausserhalb der Stadtmauern, liegt das grosse Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola.(5) Jenseits der Donau beherrscht seit dem 13. Jahrhundert die Bischofsfeste Oberhaus (6) die Stadt. Ihr zu Füssen, an der Einmündung der Ilz in die Donau, liegt die gleichzeitig entstandene Feste Niederhaus.(7) Zu dieser nördlichen Seite der Donau führt seit 1278 in der Verlängerung der Wittgasse eine hölzerne Donaubrücke. Über sie erreicht man auch das fürstbischöfliche Sommerschloss Freudenhain.(9) Die Innstadt am gegenüberliegenden Ufer des Inns ist bis 1144 nur mit der Fähre von St. Niklas zu St. Severin erreichbar, also an der Stelle des heutigen Innstegs. Hier ist auch die römische Brückenverbindung zu suchen. Die hölzerne Innbrücke von 1144 liegt weiter flussabwärts. Sie beginnt beim Innbrucktor der Residenz und führt, wie die heutige Marienbrücke, in die Mariahilfstrasse der Innstadt. Ihr Name weist auf ein weiteres wichtiges Monument der Barockstadt hin. Die Strasse führt hinauf zum Wallfahrtsort Mariahilf.(8)


Baugeschichte des Doms vor 1662

Der Pilgrim-Dom
Nach 978 lässt Abt Pilgrim einen neuen Dom anstelle der zerstörten karolingischen Basilika bauen. Über sein Aussehen sind bis heute nur Spekulationen vorhanden. Es sind weder Bilddarstellungen noch Beschriebe vor den Umbauten des 14. und 15. Jahrhunderts bekannt. Auch archäologische Untersuchungen fehlen. Man kann vermuten, dass der basilikale Pilgrim-Dom kein Querschiff und im Mittelschiff schon die heutige Breite aufweist.[7] Aber weder die behauptete ottonische Doppelturmfront[8] noch die vermuteten apsidialen Chorabschlüsse sind nachgewiesen. Weihe der Kirche ist 985.

Der spätgotische Dom
Mitte des 13. Jahrhunderts erfolgt ein grundlegender Umbau oder gar ein Neubau im Chorbereich. Um 1340 beginnt der Neubau des gotischen Langhauses. Bis 1370 ist der dieser soweit gediehen, dass nur noch der Obergadenbereich des Mittelschiffes fehlt, die Seitenschiffe aber fertig sind.[9] Die Veränderung der Seitenschiffbreite durch 2,6 Meter tiefe Wandpfeilernischen dürfte zu dieser Bauperiode gehören.[10] Zugunsten der Finanzierung eines spätgotischen Chorneubaus wird die Fertigstellung des Langhauses Ende des 14. Jahrhunderts unterbrochen. 1407 kann der Chorneubau begonnen werden. Um 1450 ist dieser vollendet. Die Darstellung in der Schedelschen Weltchronik (1497) bezieht sich auf einen Beschrieb von 1444.[11] Bis zum Ende des Jahrhunderts wird das Querhaus neu gebaut und 1520/30 ist auch der Vierungsturm fertig. Der Einbau der Gewölbe im Mittelschiff des Langhauses und im Querschiff erfolgt erst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts.

Der Brand von 1662
Am 27. April 1662 bricht am Rindermarkt ein Brand aus, der sich zu einem verheerenden Stadtbrand ausweitet. Wegen der dichten Bebauung und der damals vorwiegenden Holzbauweise fallen ihm die meisten Gebäude zum Opfer. Auch der Dom ist betroffen. Die Dachstühle und die Einrichtung mit allen Altären fallen dem Feuer zum Opfer. Einen Monat später stürzen auch die durch die Hitze geschwächten Wände, Pfeiler und Gewölbe des Langhauses und des nördlichen Seitenschiffs ein. Der Rest des Langhauses muss abgerissen werden. Die Vierungskuppel und der Chor erhalten ein Notdach. 1663 werden die Vierungspfeiler gesichert und im Chor der neue Dachstuhl erstellt. Weil kurz nach dem Brand auch der regierende Fürstbischof Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich[12] stirbt, übernimmt das Domkapitel in Vertretung des jungen nachfolgenden Fürstbischofs Erzherzog Karl Joseph von Österreich[13] die Leitung der ersten Wiederaufbauarbeiten, die sich vor allem auf Sicherungen im Chorbereich beschränken. 1664 wird mit Wenzeslaus Graf von Thun-Hohenstein[14] ein neuer Fürstbischof gewählt. Er legt vorerst das Schwergewicht auf den Wiederaufbau der Residenz und auf die Suche nach Finanzierungsquellen.[15]

Baugeschichte II: Barocker Wiederaufbau I (Rohbau)

Fürstbischof Wenzeslaus von Thun-Hohenstein
Schon 1667 lässt der Fürstbischof den Wiederaufbau nach einer revidierten Planung fortsetzen.  1668 schliesst er einen Bauakkord über 25 500 Gulden mit dem Prager Baumeister Carlo Lurago. Lurago ist um diese Zeit für den fürstbischöflichen Michael Oswald in Klösterle tätig und baut dort nebst dem Schloss auch die Dreifaltigkeitskirche.[16] Dies erklärt den Beizug des umtriebigen Unternehmers aus Prag. Aus der Akkordvereinbarung geht nicht klar hervor, ob Lurago die beiden neuen Türme und die Westfassade nach der Zeichnung des Fürstbischofs ausführen muss oder ob der Fürstbischof den Entwurf Lurago nur ab- oder gegenzeichnet.[17]   Herkunft, Ausbildung und Kunstverständnis des Fürstbischofs lassen eher an die erste Variante denken. Dies würde auch den Beginn der Arbeiten mit Ausgrabungen an der Westseite schon 1667 erklären. Im Akkordvertrag wird zudem der vollständige Abbruch beider Türme festgelegt.[18] Aus ihm geht auch hervor, dass im Langhaus die Fundamente des dreischiffigen gotischen Bauwerks berücksichtigt werden müssen.
Nicht enthalten im Vertrag Lurago sind die Steinmetzarbeiten. Für diese wichtigen Arbeiten will sich der Fürstbischof alle Optionen offenhalten und schliesst mit dem Steinmetz Francesco Torre einen separaten Vertag.[19] Francesco Torre ist Landsmann und langjähriger Mitarbeiter von Lurago in Böhmen. In Passau arbeitet er mit einem grossen Bautrupp, der die Steine schon bei der Schifflände an der Rosstränke bearbeitet.[20]

Carlo Lurago und Carlo Antonio Carlone
Die am Bau verantwortlichen Paliere werden selten in den Akten vermerkt. Auch in Passau erfahren wir nur indirekt von einer Paliertätigkeit des Carlo Antonio Carlone am Dombau.[21] Carlo Antonio arbeitet spätestens seit 1665 als Baumeister am Bau der Jesuitenkirche von Passau, deren Bau aber (auch dank Behinderungen durch den Fürstbischof), schleppend verläuft.  Seit 1668 ist sein Halbbruder Giovanni Battista in Passau nachgewiesen. Nach dem Tod ihres Vaters um 1681 führen sie die Grossaufträge Kremsmünster, Garsten und Schlierbach nahtlos weiter. Ihre Kirchenneubauten sind immer Wandpfeilerhallen. Obwohl der später als Baumeister bekannte Carlo Antonio nur im Unterakkord von Lurago am Passauer-Dom arbeitet, ist sein Einfluss und auch derjenige von Giovanni Battista schon im Rohbau auffallend. Dafür spricht die Annäherung der Basilikaform an eine Wandpfeiler- oder Freipfeilerhalle.[22] Denn alle bisherigen Kirchenräume Luragos sind ausnahmslos dreischiffige Basiliken mit einem kräftigen, die Horizontale betonenden Kranzgesims. Sie sind noch dem römischen Frühbarock verpflichtet.

Stand der Bauarbeiten beim Tod des Fürstbischofs
Am 8. Januar 1673 verstirbt der Fürstbischof Wenzeslaus von Thun-Hohenstein, der Planung und Ausführung bis zu diesem Zeitpunkt souverän leitet. Dies zeigt auch sein Verhalten bei einem Bauunglück 1671. Zwei Pfeiler stürzen ein und reissen drei Seitenschiffgewölbe mit. Er verzichtet auf die üblichen Haftungsforderungen an den Bauunternehmer und setzt einen neuen Akkord auf, der nun auch die Neuerstellung aller Pfeiler in Hausteinen beinhaltet. Vermutlich ist beim Tod des Bauherrn der Bau bis zur Höhe des noch nicht gewölbten Mittelschiffs gediehen. Der nachfolgende Fürstbischof lässt den Rohbau fortsetzen. 1674 ist der Bau eingedeckt und die Gewölbe können erstellt werden. Neuartige Hängekuppelgewölbe im Mittelschiff und oktogonale Helmkuppeln in den Seitenschiffen zeugen vom architektonischem Verständnis des verantwortlichen Entwerfers. Ist es Lurago? Im gleichen Jahr kommt der Nordturm unter Dach. 1675 ist auch der Südturm und die Kirchenfassade fertiggestellt.[23]
Carlo Antonio Carlone arbeitet in den nächsten Jahren als selbstständiger Baumeister zusammen mit seinem Halbbruder an anderen Passauer Bauwerken.[24]

Baugeschichte III: Barocker Wiederaufbau II (Ausbau)

Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting 1673–1689
Der nachfolgende, am 11. März 1673 gewählte Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting regiert 16 Jahre.[25]  Er lässt vorerst trotz Finanzknappheit die Arbeiten am Dombau bis zur Fertigstellung des Rohbaus weiterführen. Erst 1677 können weitere Bauarbeiten aufgenommen werden. Der Fürstbischof schliesst mit Lurago einen neuen Akkord, der jetzt auch den Ersatz der gotischen Gewölbe im Chor und Querhaus durch neue Gewölbe umfasst. Die Arbeiten werden im gleichen Jahr ausgeführt. Das Gewölbe des Chors ist ein bautechnisches Meisterwerk. Wahrscheinlich haben auch hier Carlo Antonio und Giovanni Battista Carlone[26] einen grossen Anteil an der Gestaltung. Der Stuckateurtrupp Carlone beginnt mit den Arbeiten 1677. 1678 baut Lurago die Bischofsgruft. Gleichzeitig arbeiten bis zu 16 Werkleute der Carlone Werkstatt an den Stuckaturen im Chorbereich und im Querhaus. Auch der Freskant Carpoforo Tencalla[27] ist spätestens 1679 am Werk. Als letzte Baumeisterarbeit im Innern erstellt Lurago in diesem Jahr das neue Kuppelgewölbe des Vierungsturms. Anschliessend ist der Bautrupp Lurago an den Aussenfassaden tätig.
Der Beizug der Stuckateurwerkstatt Carlone durch Fürstbischof Sebastian von Pötting ist den vorangehenden Arbeiten der Carlone in der Jesuitenkirche von Passau zu verdanken.[28]  Er steht den Jesuiten der Österreichischen Provinz näher als sein Vorgänger. Auch die Aufträge an den vom Kaiserhof hochgeschätzten Maler Carpoforo Tencalla hängen mit den Wiener Beziehungen des Fürstbischofs zusammen.

Giovanni Battista Carlone und Carpoforo Tencalla
Am 29. Juli 1680 richtet ein erneuter Stadtbrand grosse Schäden am wiederaufgebauten Dom und an den soeben vollendeten Residenzbauten an. Alle Dachstühle brennen. Die Gewölbe halten stand, aber durch den gleichzeitigen Brand der Innengerüste werden Stuck und Fresken stark beschädigt. Erste erhaltene Akkordverträge mit dem Stuckateur Giovanni Battista Carlone und Carpoforo Tencalla stammen vom Mai 1680 und umfassen die Arbeiten im Langhaus. Stuck und Fresken im Chor und Querhaus und auch die östlichste Langhauskuppel sind zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt. Die Bezahlung dieser ersten Ausbauetappe muss sich Carlone 1681 erstreiten, während an Carpoforo Tencalla die vereinbarten Summen ausbezahlt werden.
Nach der Wiedererrichtung der Dachstühle und ihrer Eindeckung können 1682 aufgrund neuer Akkordverträge die Arbeiten fortgesetzt werden. Leiter des Trupps Carlone ist jetzt Paolo d'Allio.[29] Giovanni Battista Carlone setzt seinen Neffen als Vertreter ein, weil er selbst gleichzeitig in Garsten die Stuckierung vorbereitet und dort den Figuralstuck anschliessend auch ausführt. Ausbleibende Abschlagszahlungen und unübliche Vertragsänderungen führen zu Verstimmungen mit dem Bauherrn und zu Arbeitsunterbüchen. 1684 wird deshalb nicht gearbeitet und erst 1685 mit den Kuppelstuckaturen in den Seitenschiffen die Arbeit wider aufgenommen. Als letzte Stuckaturarbeit folgt 1686 der Gewölbestuck über der Wertempore. Die gewaltige Arbeit der Carlone-Werkstatt von 1677 bis 1686 kann mit der bearbeiteten Gesamtfläche von 21 979 Quadratmeter illustriert werden, davon sind nur 6302 Quadratmeter glatte Flächen, der Rest ist hochplastischer Stuck.
Carpoforo Tencalla freskiert entsprechend den Stuckateurvorgaben in mehreren Etappen. Er renoviert 1682/83 die brandgeschädigten Fresken, meist als Trockenreinigung mit Secco-Ergänzungen. 1684 malt er die neuen Gewölbefresken im Langhaus. Die für 1685 vereinbarten Fresken in den Kuppelgewölben der Seitenschiffe kann er nicht mehr ausführen, denn er stirbt im Frühjahr dieses Jahres in Bissone. Insgesamt ist Tencalla Schöpfer von 1034 Quadratmeter Fresken im Passauer Dom. Zur Lage der Hauptfresken von Carpoforo Tencalla in der Passauer Domkirche siehe die Legende im Grundrissplan.

Fertigstellung der Fresken
Als Nachfolger für Tencalla schlägt Carlone dem Geistlichen Rat schon im März 1685 den Tessiner Maler Francesco Innocenzo Torriani[30] vor. Der Rat will aber abwarten. Er folgt wenig später dem in Wien wohnhaften Passauer Offizial,[31] der «einen in der Kunst dem Freskanten Tencalla fast ebenbürtigen Wiener Maler Namens Rauchmiller» vorschlägt. Mit einem Akkord von 2500 Gulden, 500 Gulden weniger als der alte Akkord mit Tencalla, wird Mathias Rauchmiller[32] verpflichtet. Er stirbt aber schon kurz nach Beginn der Arbeiten. Nur zwei der zehn Seitenschiff-Kuppeln oder rund 94 Quadratmeter zeigen seine Handschrift. Wieder wird der Offizial um Hilfe gebeten. Er sendet jetzt den Maler Francesco Splendore aus Lugano[33] , der aber nach einer sehr kurzen Tätigkeit 1687 entlassen wird. Er sei «in der Kunst zu wenig erfahren».[34] Erst jetzt wählt, vielleicht als erneuter Tipp von Carlone, der Rat einen mit der Kunst Tencallas wirklich vertrauten Freskanten. Es ist Carlo Antonio Bussi,[35] der Schwiegersohn und Schüler Tencallas. Bussi vereinbart 1400 Gulden und führt den restlichen Freskenzyklus von insgesamt 470 Quadratmeter  bis zum Sommer 1688 aus. Zur Lage der Hauptfresken von Rauchmiller und Bussi und zu ihren Bildthemen siehe die Legende im Grundrissplan.


Baugeschichte IV: Altarausstattung


Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg 1689–1712
1689 wählt das Domkapitel den Nachfolger des verstorbenen Fürstbischofs Sebastian von Pötting. Der neue Fürstbischof Johann Philipp von Lamberg[36] setzt die bereits begonnene Ausstattung fort. Im Jahr seiner Wahl ist der Innenraum völlig fertig, alle Portale,[37] Tür- und Fensterabschlüsse sind versetzt, die kostbare Marmor-Pflästerung ist verlegt und zwei Stuckmarmoraltäre der Querschiffe sind erstellt. Der Hochaltar, über dessen Aussehen und Künstler nichts bekannt ist, ist seit 1684 aufgerichtet.[38] Auch die zwei Querhausaltäre sind fertig. In die Regierungszeit von Fürstbischof Johann Philipp von Lamberg fällt die Vollendung der Altarausstattung in den Seitenschiffen. Wie sein gleichzeitiger Amtskollege in Salzburg[39] scheint er den «Welschen» abgeneigt und will anfänglich die Carlone-Werkstatt für die weitere Altarausstattung nicht weiter beschäftigen. Er schliesst 1689 seine beiden ersten Altar-Akkorde für die nun folgenden Seitenaltäre mit dem einheimischen Stuckateur Balthasar Hackhenmüller oder Haggenmiller.[40] Dieser errichtet die beiden Altäre 1690. Offensichtlich befriedigen die Haggenmiller-Altäre nicht. Sie werden schon 1695 durch Altäre von Giovanni Battista Carlone ersetzt.

Altäre der Carlone-Werkstatt und Seitenportale
1690 zieht der neue Fürstbischof wieder die Carlone-Werkstatt bei. Nach den noch in den Jahren 1684 und 1687 bestellten Querhausaltären folgen 1690 bis 1694 Akkorde für acht neue Seitenaltäre. Damit sind alle noch bestehende Altäre der Domkirche Stuckmarmor- und Stuckaturarbeiten von Giovanni Battista Carlone und Paolo d'Allio. Zu den Mitarbeitern in der Werkstatt zählt jetzt auch der junge Diego Francesco Carlone.[41] Zur Altararchitektur siehe die Ausführungen unten. Zu ihrer Lage und ihrem Patrozinium siehe die Legende im Grundrissplan.
Die beiden seitlichen Prunkportale sind eine Arbeit des Stuckateurs Andrea Solari,[42] der sie bis 1694 in Anlehnung an die Seitenaltäre der Carlone-Werkstatt anfertigt.

Die Maler der Altarblätter
Was der Fürstbischof bei den Altären wieder rückgängig macht, zieht er bei den Aufträgen für die Blätter und Auszugsbilder der Seitenschiff-Altäre voll durch. Nachdem sein Vorgänger 1685 und 1687 noch den Tessiner Francesco Innocenzo Torriani[43] und den Flamen Frans de Neve[44] für die Blätter der Querhausaltäre beizieht, schliesst Fürstbischof Sebastian von Pötting die neuen Akkorde nur noch mit bekannten deutschen Malern. 1693/94 liefert der in Salzburg wirkende Johann Michael Rottmayr die Altarblätter für vier Seitenaltäre.[45] Johann Carl von Reslfeld, Stifts-Hofmaler der Abtei Garsten, liefert 1693 die Blätter und Auszugsgemälde für den Martins- und Katharinenaltar.[46] Johann Capar Sing[47] liefert 1697 das Altarblatt für den Dreikönigsaltar, Johann Andreas Wolff[48] 1698 dasjenige des Christi-Geburts-Altars.


Baugeschichte V: Letzte Ausstattungen


Fürstbischof Joseph Dominikus Graf von Lamberg 1723–1761
Während der langen Regierungszeit des Fürstbischofs Joseph Dominikus von Lamberg,[49] einem Neffen des bis 1712 regierenden Amtsvorgängers, kann die von seinen Vorgängern begonnene Ausstattung der Domkirche vollendet werden. Darunter fallen der Kanzel-Neubau und die Erweiterung der Hauptorgel, die auf musikalisches Interesse beim sonst völlig amusischen Fürstbischof deutet.

Kanzel
Sie wird vom Vorgänger, dem 1713 bis 1722 regierenden Fürstbischof Raymund Ferdinand Graf von Rabatta bei Antonio Beduzzi[50] und Lorenzo Mattielli[51] in Wien bestellt. Erst unter Fürstbischof Joseph Dominikus wird sie 1726 aufgestellt. Das vergoldete Meisterwerk der Wiener Hofkunst wird früher falschen Entwerfern und Bildhauernzugeschrieben.[52]

Barocke Orgelwerke
Schon Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting lässt vom Orgelbauer Leopold Freundt in Passau eine Hauptorgel (II/P/23) anfertigen. Die Orgel kann 1688 eingebaut werden. Der nachfolgende Fürstbischof Raymund Ferdinand Graf von Rabatta bestellt 1715 beim Orgelbauer Johann Ignaz Egedacher[53] zwei «Schwalbennest»-Orgeln (je I/P/10), die an den Vierungspfeilern angebracht werden. Schon 1731 genügt die Hauptorgel von 1688 nicht mehr. Fürstbischof Joseph Dominikus von Lamberg schliesst mit Johann Ignaz Egedacher einen Akkord über die Erweiterung. Nach dem Umbau 1733 hat die Orgel 39 klingende Register mit sieben Nebenzügen, verteilt auf drei Manuale mit Pedal (III/P/46). Diese Egedacher-Orgel hat kein Rückpositiv, entspricht aber im Werk einer grösseren Barockorgel, wie etwa der gleichzeitigen Gabler-Orgel in Ochsenhausen. Mit der Pracht und bildhauerischen Phantasie der schwäbischen Orgelprospekte kann die barocke Passauer Orgel nicht mithalten. Das Werk ist nicht mehr erhalten, im heutigen Prospekt füllen neubarocke Ergänzungen den Mittelteil.

Zur barocken Architektur des Passauer Doms

Wandpfeilerbasilika von Lurago und mit Carlone-Einfluss
Vermutlich wird beim Wiederaufbau nicht nur das Aussenmass, sondern auch dem Achssystem des gotischen Baus übernommen. Anstelle der gotischen Westtürme entsteht ein sechstes Langhausjoch. Der Querschnitt ist basilikal, wie alle bisherigen Kirchenbauten von Carlo Lurago und sicher auch aus Gründen der Anpassung an die gotische Architektur des Querschiffs. Völlig neu im Oeuvre Luragos ist jetzt die Interpretation der Langhaus-Tektonik. Die Pilaster mit kräftigem Säulengebälk wirken tragend, betont durch den Verzicht auf das durchlaufende Kranzgesims. Sie sind dank der Längsverbindung der Seitenschiffe freigestellt und haben damit die Wirkung von Freipfeilern. Verstärkt wird dieser Eindruck mit den ausserhalb der Tragstruktur liegenden Altarnischen. Die damit verbundene Annäherung der Basilikaform an eine Wandpfeiler- oder Freipfeilerhalle kann nur mit dem sehr frühen Einfluss eines Carlone erklärt werden. Während nämlich der gleichzeitig in Passau tätige Baumeister Pietro Francesco Carlone alle seine Kirchen als Wandpfeilerhallen baut, ist dies bei Lurago undenkbar. Vermittler der weit fortschrittlicheren Architekturauffassung ist sicher der Palier Luragos, Carlo Antonio Carlone.

Hängekuppelfolge im Mittelschiff des Langhauses
Neu und wegweisend die Addition von Hängekuppeln in den fünf (alten) Langhausjochen.[54] Sie liegen auf breiten Gurtbögen auf. Die nachträgliche Betonung des inneren Kuppelovals durch einen ausgeprägten Stuckrahmen, der die Fresken Tencallas fasst, weckt die Illusion einer Pendentifkuppel.[55] Die Wölbungsart ist zwar in Oberitalien bekannt.[56] Der Wiener Baumeister Giovanni Battista Carlone[57] (vielleicht ein Onkel des Passauer Stuckateurs), wendet sie 1637/45 in der Stiftskirche Klosterneuburg an. Ähnlich wie in Passau ist auch in Klosterneuburg das Achssystem mittelalterlich. Wie Lurago 1674 zu der Passauer Gewölbelösung gelangt, ist zwar unklar, aber wieder mit den mitarbeitenden Carlone erklärbar. Die Kuppelgewölbefolgen der Stiftskirchen St. Florian und Schlierbach, die Carlo Antonio Carlone zehn Jahre später baut, sind eigentliche Weiterentwicklungen der Passauer Hängekuppeln.[58]  

Kuppelgewölbe in den Seitenschiffen
Die verbundenen Joche der Seitenschiffe sind durch breite Gurtbogen getrennt. Anstelle des üblichen Tonnengewölbes setzen die Baumeister in jedes Joch eine aussergewöhnlich reiche oblong-oktogonale Kuppel auf Pendentifs. Mit diesen, weit in den Dachraum reichenden hohen Kuppeln der Seitenschiffe, wird der Eindruck der Hallenkirche verstärkt. Besser als jede Fotografie zeigt dies die Illustration in der Geschichte des Barockstils (1899) von Cornelius Gurlitt.

Barocke Gewölbe in Querhaus, Vierungsturm und Chor
Die gotischen Gewölbe ersetzt Lurago schon 1677. Die barocken Gewölbe bilden im Querschiff eine einfache Tonne, die oktogonale, ehemals gotische Tambourkuppel sitzt auf Pendentifs. Spektakulärer baut Lurago das neue Chorgewölbe, das wahrscheinlich ein gotisches Netzgewölbe ersetzt. An der Aussenfassade ist ersichtlich, wie er die gotischen Fenster oben zu Okuli umformt, damit er innen mit dem umlaufenden, verkröpften Gebälk das Auflager der Halbkreistonne bilden kann. Die Okuli sind innen mit rechteckigen Aussparungen (Stichkappen) in die Tonne eingeschnitten, sodass nur noch schmale Reststücke verbleiben, die von Carlone zu Hermenpilaster umgeformt werden. Der verbleibende Oberteil des Tonnengewölbes wird als freie Bildfläche behandelt. Obwohl wahrscheinlich das vorherige filigrane gotische Netzgewölbe zu dieser Lösung anregt, ist sie in ihrer Kühnheit doch unvergleichbar.

Innenraumgestaltung durch Giovanni Battista Carlone und Paolo d'Allio
An allen Gewölbelösungen in Langhaus und Chor sind die beiden Brüder Carlo Antonio und Giuseppe Battista Carlone massgebend beteiligt. Während die Mitwirkung des Baumeisters Carlo Antonio vor allem bei den Gewölben angenommen werden kann, ist der Stuckateur Giuseppe Battista der überragende eigentliche Gestalter des Innenraumes. Die starre Einteilung, die dem einen Bruder jeweils die Baumeisterrolle und dem anderen die Stuckateurrolle zuschreibt, widerspricht allerdings der Tatsache, dass jedes der Familienmitglieder Carlone im 17. Jahrhundert beide Tätigkeiten ausüben kann. Der 35-jährige Giovanni Battista, der schon seit 20 Jahren im Familienbetrieb mitarbeitet und mit seinem Neffen Paolo d'Allio in Passau eine Arbeitsgemeinschaft bildet, ist mit Sicherheit bei vielen Bauten seines Vaters mitbeteiligt. Diesem wird, weil einziger Vertragspartner, jeweils das ganze Bauwerk zugesprochen. Aus dem gleichen Grund ist Carlo Lurago «Architekt» des Passauer Domes. Tatsächlich ist aber Carlone hier bedeutend wichtiger, will man die Stuckplastik als unentbehrliche architektonische Gestaltung des Innenraumes auffassen. Die Wand- und Deckengestaltung des Chors (er wird in Passau als Altarraum bezeichnet) unterstreicht diese Auffassung. Gurlitt stellt dies schon 1889 fest.[59] Carlone weiss, dass er die Gestaltung selbst durchführen muss und kann in seinem Akkord auch selbstbewusst verlangen, dass ihm jegliche Freiheit in der Ausführung zugestanden wird. Das heisst, dass Lurago als Entwerfer der Innenraumgestaltung ausgeschlossen werden muss. Die Arbeiten der Carlone–Werkstatt in Passau werden noch heute unter dem schillernden Begriff «Dekoration» abgehandelt, was viel zur Sprache des Kunsthistorikers aussagt, aber der Realität des Gesamtkunstwerkes von Architektur, Stuck und Fresken nicht gerecht wird.[60]

Altararchitektur
Die Stuckmarmoraltäre der Carlone-Werkstatt liegen alle parallel zu den Aussenwänden. Erst diese «italienische» Aufstellung ermöglicht die Verbindung der Seitenschiffe und die Annäherung des Innenraums an eine majestätische Freipfeilerhalle. Die Retabel der Altäre beanspruchen Breite und Höhe der zugewiesenen Nischen in den Seitenschiffen fast vollständig. Auch die Retabel der Querschiffaltäre mit ihrer Breite von 11 Metern und ihrer Höhe von 20,8 Meter füllen fast die Aussenwände. Alle Retabel zeigen hochbarocke Portal- oder Ädikula-Säulenarchitektur mit meist sieben Achsen, bekrönt von Auszügen. Sie leben vom Gegensatz der rötlichen Stuckmarmore mit den reichen, bewegten Figuralplastiken. Die Figuralplastik Carlones zeigt Kenntnisse der Schöpfungen Berninis.[61] Nahtlos verbindet sich diese Plastik mit der Stuckausstattung des Innenraums aus der gleichen Hand. Wie der Stuck sind die Altäre ein Teil des Gesamtkunstwerkes des Passauer Innenraums.

Die Fassade
Die Fassade von Passau ist mit zwei neben das Kirchenschiff gestellten Türmen verbunden. Sie steht abgestuft den Türmen vor. Die Geschosse sind mit Pilastern gegliedert, die zweigeschossige Mittelachse ist mit Doppelpilastern hervorgehoben und hat eine zusätzliche Attika. Die Fassade wird gelegentlich mit derjenigen des Salzburger Domes verglichen. Ende des 19. Jahrhunderts hat dieser sicher bei den oktogonalen Turmaufsätzen mit ihren welschen Hauben als Vorbild gedient. Weitere Gemeinsamkeiten sind die illustrierten Vorbilder in den italienischen Traktaten der Renaissance. Hier bildet sicher die Darstellung einer Doppelturm-Fassade in Sebastiano Serlio (Venedig 1600) eine der vielen Grundlagen.[62]
Zwischen Salzburg und Passau bestehen allerdings wesentliche Unterschiede. In Salzburg bilden die in das Schiff eingeschriebenen Türme die Risalite einer zurücktretenden, dreigeschossigen Fassade. In Passau tritt die nur zweigeschossige Fassade, der allerdings eine Attika aufgesetzt ist, zwischen den Türmen vor und bildet die Breite des Kirchenschiffes ab. Lurago baut seine doppeltürmigen Kirchenfassaden in Klattau oder Königgrätz ähnlich dem Salzburger Dom dreigeschossig, aber mit vortretender Fassade. Die niedere Fassade von Passau und ihre volle Kirchenschiffsbreite könnte deshalb tatsächlich eine Vorgabe des baukundigen Fürstbischofs Wenzeslaus sein, der seine italienischen Erfahrungen einbringt. Direktes Vorbild der Fassade scheint die Jesuitenkirche von Genua (1589) zu sein.[63] Enrico Zuccalli plant nur wenige Jahre später die Fassade der Theatinerkirche in München. Sie hat entsprechend dem Vorbild Sant’Ignazio in Rom (1622) zwar zwei Fassadenachsen mehr, ist aber trotz ihrer Grösse derjenigen von Passau sehr ähnlich.[64]

Veränderungen der Domkirche in nachbarocker Zeit

Ende des Fürstbistums 1803
1803 wird Passau bayrische Provinzstadt. Der Fürstbischof verliert seine weltliche Herrschaft und verlässt mit Hofstaat und Domkapitel Passau. Der ehemalige Landesfürst zieht sich mit einem hohen Ruhegehalt auf ein Schloss bei Prag zurück.[65] 1806 sorgt Napoleon für die Königskrone des mit ihm verbündeten bayrischen Kurfürsten. Im Oktober 1809 nimmt der französische Kaiser in der Residenz Quartier. Passau ist zu dieser Zeit Frontstadt. Erst mit dem 1826 erfolgten Tod des auf seinem Schloss bei Prag residierenden letzten Fürstbischofs beginnen in Passau wieder geordnete Verhältnisse. Das Bistum ist jetzt dem neuen Erzbistum München-Freising zugehörig.  

Verluste
Erstes Opfer des Übergangs am Anfang des 19. Jahrhunderts ist der barocke Hochaltar. Er besteht 1826 nur noch aus der gemauerten Mensa. Wenig hilfreiche Beschreibungen deuten auf einen zerstörten barocken Ziborien- oder Baldachinaltar hin. Auch wenn seine Gestalt unbekannt bleibt, erhält er 150 Jahre später einen vielleicht ebenbürtigen und künstlerisch hochwertigen modernen Ersatz.[66]
1812 fallen auch der Domkreuzgang und alle zum Innenhof gerichteten Kapellen wegen mangelnder Mittel und mangelndem Willen zum Unterhalt dem Abbruch zum Opfer. Die wertvollen Grabdenkmäler werden zum Materialwert verschleudert. Bischof Heinrich Hofstetter kann Mitte des 19. Jahrhunderts viele von ihnen wieder zurückerwerben. Sie sind heute, vermischt mit bürgerlichen Grabsteinen aus anderen Kirchen, an der Stelle des alten Kreuzgangs unter Schutzdächern museal aufgestellt.
1857 fällt das Chorgitter dem Abbruch zum Opfer. Das äusserst wertvolle Werk wird 1684 mit Kosten von 3883 Gulden aufgerichtet. Für das Gitter wird damals mehr als für die gleichzeitige Langhausausmalung durch Tencalla (2500 Gulden) bezahlt. Die mit dem Abbruch schon früh aufgehobene, übliche Trennung von Langhaus und Seitenschiffen zum Querhaus hätte spätestens nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu Diskussionen geführt. Der sonst konservative Bischof Heinrich Hofstetter nimmt diese Entwicklung voraus. Leider ist vom Gitter nichts mehr erhalten.

Veränderung der Domfassade
Einschneidend für das Erscheinungsbild des Domes wird von 1893 bis 1898 die Erhöhung der Doppelturmfront. Die beiden Türme erhalten nach Plänen von Architekt Heinrich von Schmidt[67] einen neubarocken oktogonalen Aufbau mit «welschen Hauben», in der Form entsprechend der Domkuppel. Er ersetzt das bisherige flache Pyramidendach. Vorbild der Planung Schmidts sind die Turmoktogone des Salzburger Doms von 1655. Er findet damit die grösstmögliche Annäherung an eine, allerdings kaum je geplante barocke Lösung der Bauzeit. Die neubarocken Turmoktogone stellen eine deutliche Verbesserung der architektonischen Erscheinung dar.
 
Orgelneubauten
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts finden Veränderungen der Orgellandschaft im Dom statt, die erst 1993 enden. Sie beginnen 1857 mit der Verlegung der beiden «Schwalbennest»-Orgeln von den  Vierungspfeilern auf die Westempore. 1886 und 1924/28 wird die grosse barocke Orgel (1733: III/P/46) durch noch grössere Neubauten (1928: V/P/206) ersetzt. Die Traktur ist jetzt elektro-pneumatisch. Aber schon 1980 erfolgt ein weiterer Neubau. Die 1993 nochmals überarbeitete Anlage bedient nun, jetzt mit rein elektrischer Traktur, fünf in der Kirche verteilte Orgelwerke mit total 233 Registern (V/P/233). Sie setzt sich aus Hauptorgel (IV/P/126), Evangelienorgel (25), Epistelorgel (II/P/25), Fernorgel im Dachstuhl (19) und Chororgel (III/P/38) zusammen. Auch wenn die Hauptorgel «nur» 126 Register hat, stellt sich doch die Frage nach dem Sinn dieses Gigantismus, der mit Barock gar nichts gemeinsam hat. Nur der heutige Prospekt der Hauptorgel hat grössere Teile des barocken Orgelprospektes bewahrt. Auffällige Änderung ist das neue Oberwerk (1928) anstelle der ursprünglichen Mittelöffnung für das Westfenster.

Restaurierungen
Die weitgehende Zerstörung der gotischen Bausubstanz im Brand von 1662 verhindert das übliche Schicksal der meisten deutschen Dome, die sich nach «Restaurationen» des 19. Jahrhunderts in purifizierter romanischer oder gotischer Nacktheit zeigen.[68] Eine sanfte Restaurierung des Innenraumes findet 1933–1934 statt. Mit der Gründung einer Dombauhütte beginnt 1931 die bis 2017 andauernde Instandstellung der filigranen äusseren gotischen Bauteile. Zerstörungen bleiben im Zweiten Weltkrieg aus. Die erste und zugleich bisher letzte umfassende Gesamt-Innenrestaurierung beginnt 1972 und endet 1980. Aussen wird der Dom 2007–2013 restauriert und erhält dabei sein weisses Farbkleid. Die Restaurierungsgeschichte zeigt, dass in Passau eine wichtige barocke Domkirche mit viel Glück und Geschick fast unverändert erhalten geblieben ist. Im heutigen Deutschland teilt Passau dieses Privileg nur mit Freising.

Pius Bieri 2017


Literatur:

Mader, Felix: Die Kunstdenkmäler von Niederbayern, III. Stadt Passau. München 1919.
Kühlenthal, Michael und Zunhamer, Martin in: Der Passauer Dom und die Deckengemälde Carpoforo Tenacallas. München und Zürich 1982.
Möseneder, Karl (Hrsg.): Der Dom in Passau, mit den Beiträgen von Ludger Dorst (Architektur), Karl Möseneder  (Stuck und Malerei), Ursula Berndl (Seitenaltäre), Christian Hecht (Hochaltar), Holger Schulten (Domorgel). Passau 1995.

Heraldik Heraldik am Dom

Anmerkungen:
[1] Zum römischen Passau siehe die ausführliche und gut dokumentierte Seite der Wikipedia.

[2] Frühchristliche Kirchen des 6./7. Jahrhunderts in St. Severin beim Kastell Boiotro und in der späteren Abteikirche Niedernburg.

[3] Die Echtheit der Urkunde vom 3. Januar 999 ist im Gegensatz zu den anderen Passauer Urkunden gesichert.

[4] Das Hochstift Passau, also das unmittelbare Herrschaftsgebiet des Bischofs, erstreckt sich im Spätmittelalter im Norden bis zur böhmischen Grenze. Es gehört zu den Hochstiften mittlerer Grösse. Hingegen ist bis 1785 das Bistum Passau, also das geistliche Gebiet des Passauer Bischofs, eine der grössten Diözesen im Alten Reich. Es erstreckt sich, zweigeteilt in das Land ob der Enns und das Land unter der Enns (Niederösterreich) bis zum Fluss March an der ungarischen Grenze. Das Bistum Wien ist darin eine kleine Inklave. Die Durchsetzung der Landeshoheit Österreichs unter Kaiser Joseph II. endet 1785 mit dem Entzug alle österreichischen Teile des Bistums Passau.

[5] 1811 beträgt die Einwohnerzahl 6888 zivile Bürger, zusätzlich eine Garnison von 2000 Militärangehörigen (1810 sind es 10 000 französische Soldaten). 1819 beträgt die Gesamtbevölkerung 8400 Einwohner in 789 Wohngebäuden (Passau Altstadt 513, Innstadt 147, Ilzstadt 129; Quelle: «Beschreibung» Josef Lenz 1819). Die Häuserzahl der Altstadt vor dem Stadtbrand 1662 wird mit 643 Gebäuden angegeben.

[6] Für die nachfolgenden Nummern gehe zum Plan von Passau (zusammengesetzte Ortsblätter 1826 und 1827) mit der Legende.

[7] Am ehesten Ähnlichkeit könnte der Pilgrim-Dom mit dem Salzburger Virgil-Dom (767–774) haben. Dieser hat eine Länge von 66 Meter und eine Breite von 33 Meter, ist ohne Querhaus und hat eine Chorapside. Damit entspricht er in Mass und Aussehen dem Pilgrim-Dom.

[8] Fast in jedem Beschrieb des Pilgrim-Domes, so auch im Historischen Lexikon Bayerns («Der Bau war eine dreischiffige Basilika zu sechs Jochen und mit Doppelturmfassade im Westen»), taucht die Behauptung auf, der Passauer Dom habe schon 995 eine doppeltürmige Westfront. Diese Annahme hat keine Quellengrundlage und ist sehr verwegen. Selbst Salzburg erhält frühestens 1121 Doppeltürme, und erst 1200 auch ein Querhaus mit Vierung. Beide Passauer-Türme werden nach dem Stadtbrand 1662 abgebrochen und stehen heute symmetrisch ausserhalb des Kirchenschiffs an anderer Stelle, sodass auch am Bau keine Spuren der Ottonik nachweisbar sind. Desto mehr dürfen offensichtlich Kunsthistoriker-Phantasien blühen.

[9] Nachvollziehbare Aussagen von Ludger Drost (2009, siehe Literatur), der vor allem die Altarneustiftungen im Langhaus als Grundlage der Datierung nimmt.

[10] Ottonische Bauwerke mit Wandpfeilern an den Aussenwänden von Seitenschiffen sind unbekannt. Sie wären für die Flachdecken auch nicht notwendig. Vielleicht ist das ottonische Bauwerk nur ca. 30 Meter (heute ca. 36 Meter) breit. Dies entgegen den spekulativen Annahmen einer geometrischen Regelmässigkeit auf dem Rastermass 33 (die Zahl «der irdischen Lebensjahre des Erlösers»).

[11] Enea Silvio Piccolomini schreibt 1444, ein schöner Chor sei im Entstehen begriffen, und der Bau schreite so schnell voran, dass er vermutlich in vier Jahren fertig sei. Die Schedelsche Chronik von 1497 zeigt diesen Zustand.

[12] Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich (1614-1662), wird als Sohn von Kaiser Ferdinand II. 1625 (mit elf Jahren!) zum Fürstbischof von Passau gewählt. Er ist auch Fürstbischof von Strassburg, Halberstadt, Magdeburg, Olmütz und Breslau.

[13] Erzherzog Karl Joseph von Österreich (1649–1664), ist 1662-1664 Fürstbischof von Passau, 1663–1664 auch Bischof von Breslau und Olmütz. Der mit 13 Jahren zum Fürstbischof gewählte Sohn von Kaiser Ferdinand III. hält sich nur zu einem kurzen Besuch im brandversehrten Passau auf und stirbt mit 15 Jahren in Linz.

[14] Wenzeslaus Graf von Thun-Hohenstein (1629–1673) regiert 1664–1673. Der neue Fürstbischof ist Halbbruder der Salzburger Fürstbischöfe Guidobald (reg. 1654–1668) und Johann Ernst (reg. 1687–1709). Alle Familienmitglieder betreiben eine ausgesprochene Kunstpatronage. Zu Wenzeslaus Graf von Thun-Hohenstein siehe die Biografie in dieser Webseite.

[15] Die Finanzierung gestaltet sich schwierig. Kauf und Wiederaufbau des Zengerhofes an der Residenz finanziert Fürstbischof Wenzeslaus teilweise aus eigenen Mitteln. Die Finanzierungsbemühungen zum Wiederaufbau der Domkirche beschreibt Ludger Dorst in «Der Dom in Passau» (1995) Ein Legat des 1662 verstorbenen Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich von 20 000 Gulden wird demnach vom Kaiserhaus nie ausbezahlt. Der Beitrag dieses hochgelobten Fürstbischofs beträgt tatsächlich nur 1000 Gulden. Auch die auf österreichischem Gebiet liegenden Pfarreien der Diözese leisten keine Sonderbeiträge. Finanziert wird der Bau durch Beiträge des bayrischen Kurfürstentums aus Sondersteuern der zur Diözese Passau gehörenden Pfarreien, aus Dombau-Steuern des Hochstifts und durch Darlehen. Der bayrische Kurfürst knüpft die Zahlungen an die Erwartung, dass vermehrt bayrische Adelige in das Domkapitel aufgenommen werden.

[16] Zu Carlo Lurago (1615–1684) aus Pellio Val d'Intelvi und seiner Tätigkeit in Klösterle (Klášterec nad Ohří) siehe die Biografie in dieser Webseite. Im Bauakkord sind die Arbeit und die notwendigen Arbeitsgeräte enthalten, nicht aber das vom Bauherrn zugeführte Baumaterial.

[17] «wie auch soll er 3tio: dem gemachten und von Ihr fürstlichen Gnaden gezeichneten Desgnio gemess zway neüe Thurn sambt der Facciata mit denen dreyen Absezen alles vollkhombentlich nach der Architectur aufs bestendig- und seüberist aufzuführen…»

[18] Zu den Türmen siehe die Ausführungen unter Anmerkung 7. Vom Nordturm ist bekannt, dass er bis 1662 in der Flucht des nördlichen Seitenschiffs vor der Westfront steht. Der Abbruch beider alten Türme lässt vermuten, dass der Südturm bis dahin symmetrisch zum Nordturm in der Flucht des südlichen Seitenschiffs steht und beide Türme aufgrund der neuen Fassadenplanung des Fürstbischofs nun, wieder symmetrisch, an die heutige Lage ausserhalb der Fassade des basilikalen Baukörpers gelegt werden.

[19] Francesco Torre oder della Torre (1627–1687) aus Ramponio im Val d'Intelvi. Er dürfte den Auftrag Empfehlungen Luragos verdanken. An mehreren böhmischen Grossbaustellen (Clementinum Prag 1654, Komotau 1663, Sobotka 1667) ist er im Unterakkord Luragos tätig. 

[20] Die Steine werden von Brüchen in Kelheim und Winzer mit Salzschiffen über die Donau zur Rosstränke gefahren.

[21] Carlo Antonio Carlone (1635–1708) aus Scaria, Sohn des Pietro Francesco (1606–1681) und Halbbruder des Giovanni Battista (1642–1721). Sein Vater, der «Paumeister von Linz» ist bis 1650 Stiftsbaumeister in Gurk, seit 1658 Stiftsbaumeister in Seckau und arbeitet 1630 bis 1665 auch für die Jesuiten in Leoben. Hier erstellt er eine fortschrittliche Wandpfeiler-Emporenkirche. Vom Passauer Rektor P. Nicolaus von Avancini SJ erhält er 1665 den Auftrag für den Bau der Jesuitenkirche, wieder einer Wandpfeilerhalle. Ausführender Baumeister ist Carlo Antonio, der noch 1661 als Palier in Seckau tätig ist und vielleicht ab 1662, spätestens aber 1665 in Passau für die Jesuiten arbeitet. Seit 1668 haben er und sein Bruder in Passau Wohnsitz. Seine Nennung als Baumeister am Dom von Passau erscheint 1671 bei einer Bewerbung für den Kirchturm in Vilshofen. Zur Familie siehe den Stammbaum in dieser Webseite. Zu Carlo Antonio siehe die ausführliche Biografie in AIA. Zum Halbbruder Giovanni Battista Carlone siehe die Biografie in dieser Webseite und die untenstehenden Ausführungen zu den Stuckaturen.

[22] Siehe dazu die Ausführungen «Zur barocken Architektur des Passauer Doms» unten.

[23] Die Türme tragen vermutlich bis 1680 barocke Zwiebelhauben.

[24] Jesuitenkirche Passau bis 1676/77. 1677 Sinzendorf-Kapelle in der Kapuziner-Klosterkirche der Innstadt. Gleichzeitige Arbeit in Kremsmünster, seit 1680 ist er in Garsten. Siehe auch die Biografie in AIA.

[25] Sebastian Graf von Pötting und Persing, Herr in Kittpoltenbach, Aholming und Kading (1628–1689), aus Reitpollenach, Sohn des erzherzoglichen Oberststallmeisters Ortlieb Freiherr von Pötting. Er ist um 1662 Dompropst in Passau, wird 1665 vom Salzburger Fürsterzbischof Guidobald von Thun zum Bischof von Lavant gewählt. Dieses Bistum muss er aufgeben, als er 1673 auf Empfehlung des Kaisers Leopold I. zum Fürstbischof von Passau gewählt wird. Die Nähe der Freiherren und späteren Grafen von Pötting zum Kaiserhaus zeigt sich auch darin, dass Kaiser Leopold I. sich 1676 durch Fürstbischof Sebastian mit Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg in der wiederhergestellten Hofkapelle der Residenz Passau trauen lässt. Bei der Flucht vor den Türken hält sich der Kaiser 1683 mit seinem Hofstaat für vier Monate nochmals in Passau auf. Er ernennt den Fürstbischof im gleichen Jahr zum kaiserlichen Gesandten am Reichstag in Regensburg. Fürstbischof Sebastian von Pötting zieht sich 1687 von allen Geschäften zurück und stirbt 1689 im Kloster Mariahilf.

[26] Giovanni Battista Carlone (1642–1721) aus Scaria Val d'Intelvi. Siehe zu ihm die Biografie in dieser Webseite.  Das Porträt des 37-jährigen Carlone findet man in der linken Ecke am östlichen Ende des Chorfreskos. Vor ihm ist als Schattenriss in Seccotechnik (erst 1682 zugefügt) ein stehender älterer Mann zu erkennen. Es handelt sich eher um Tencalla, der damals 59 Jahre alt ist, als um den 67-jährigen Lurago. Zu diesen Porträts sind in der Regio-Wiki (Stand 2014) falsche Angaben vorhanden.

[27] Carpoforo Tencalla (1623–1685) aus Bissone, Tessin. Er gilt mit seinen Werken in Wien, Niederösterreich und Böhmen schon 1675 (Joachim von Sandrart) als «fürtrefflicher Künstler», der die fast ganz darnieder liegende Kunst des Malens in Fresko wieder erweckt und diese mit seiner Erfahrung in hervorragenden Werken zeige. Tatsächlich ist Tencalla der erste grosse Freskant der hochbarocken Deckenmalerei nördlich der Alpen. Sein erstes erhaltenes Werk im Norden ist der 1659 im Sommerchor der Abteikirche Lambach erstellte Deckenfresken-Zyklus.
Zu Carpoforo Tencalla siehe folgende Arbeiten:
1. Diplomarbeit von Teresa Hauck, Wien 2010. Sie bezeichnet die Künstler des Tessins und des Val d'Intelvi zwar als «Austro-Italiener», ihre Arbeit «Carpoforo Tencalla. Die Wechselwirkung zwischen gemalter und gebauter Architektur» bietet aber eine gute Werkübersicht und deckt Querbeziehungen auf.
2. Der Beitrag von Jürg Ganz in ZAK 35 (1978): «Zur Tätigkeit des Malers Carpoforo Tencalla südlich der Alpen».
3. Web-Beiträge in Tessiner Künstler in Europa (mit Stammbaum) und in SIKART.

[28] Sie sind 1676 beendet, obwohl Fürstbischof Sebastian von Pötting erst 1677 den symbolischen Grundstein legt. Fürstbischof Wenzeslaus von Thun, der den Jesuiten nicht gewogen ist, verfügt 1672 sogar einen Baustopp. Der Grund des Streits von Wenzeslaus von Thun mit den Wiener Jesuiten (das Kollegium Passau gehört damals zur Österreichischen Jesuitenprovinz) dürfte im Streit um Einnahmen von St. Andrä im Bistum Levant liegen. Die «Grundsteinlegung» 1677 verführt Kunsthistoriker noch heute, dieses Datum als Baubeginn zu betrachten, obwohl genügend Dokumente den Beginn 1665 und die Fertigstellung 1676 belegen. Die Stuckaturen Carlones in der Jesuitenkirche stellen den damit den frühesten Transfer von hochbarockem italienischen Stuck in der Tradition Berninis und Borrominis dar.

[29] Paolo d'Allio (1655–1729) in Scaria Val d'Intelvi. Neffe von Giovanni Battista Carlone. Er arbeitet später mit Diego Francesco Carlone (zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite) in Arbeitsgemeinschaft. Zu Paolo d'Allio siehe die Biografie in AIA.

[30] Zu Torriani siehe die Biografie in dieser Webseite und die Bemerkungen zu seinen Altarblättern in Passau (1685) unten.

[31] Franz Anton, Reichsfürst von Losenstein (1642–1692), Dompropst zu Passau, Koadjutor von Olmütz und Titularbischof von Duria. Er ist 1677–1684 Dombaukommissar.

[32] Mathias Rauchmiller (1645–1686) aus Radolfzell am Bodensee, Maler und Bildhauer, seit 1675 in Wien tätig.

[33] Von Giovanni Francesco Splendore sind keine Lebensdaten und auch keine erhaltenen Werke bekannt. Die von Graf Losenstein erwähnten Fresken der Servitenkirche in der Wiener Rossau (im Stuck von Giovanni Battista Barbarino 1669/70, der den Brand 1683 unversehrt übersteht) könnten von ihm stammen.

[34] Die wenige Kunsterfahrung bezieht sich vielleicht auf das Unvermögen, die geforderte Maltechnik Tencallas und den Kolorit von Tencalla fortzusetzen.

[35] Carlo Antonio Bussi (1658–1690) aus Bissone. Siehe zu ihm die Biografie in dieser Webseite.

[36] Johann Philipp Graf von Lamberg (1621–1712) ist Diplomat am Kaiserhof, Reichshofrat, Kriegsteilnehmer am Feldzug gegen die Türken, 1673 Dr. jur. utr. der Universität Siena, ab 1686 ständiger Gesandter des Kaisers am Reichstag, relativ spät auch Domkapitular in Passau (1663), Olmütz (1668) und Salzburg (1675). Die Wahl zum Fürstbischof 1689 und auch die 1700 verliehene Kardinalswürde verdankt er den Bemühungen von Kaiser Leopold I. Er bleibt weiterhin in erster Linie Reichspolitiker. 1702 setzt er am Reichstag die Kriegserklärung gegen Frankreich und Bayern und später die Reichsacht des Kursfürsten Max II. Emanuel durch. Passau wird in der Folge von bayrischen Truppen besetzt. Als typischer Barockfürst fördert er die Künste im Hochstift und zeigt sich, ungeachtet der Schulden, als grosser Bauherr.

[37] Die Innenportale fertigt Andrea Giovanni Solari, geb. 1668/69 in Verna im Val d'Intelvi, Marmorierer und Stuckateur, Sohn des Baumeisters Francesco und Bruder des Pietro Solari (1687–1762), der als Marmorierer in der Lombardei und im Tessin bekannt wird.

[38] Der Baldachinaltar von 1684 wird nach der Säkularisation 1803 zerstört.

[39] Johann Ernst Graf von Thun-Hohenstein (1643–1709), 1687–1709 Fürsterzbischof von Salzburg. Er ist der jüngere Bruder des ehemaligen Passauer Fürstbischofs Wenzeslaus. In Salzburg löst er die Verträge mit «Welschen» auf und fördert deutsche Kräfte, darunter Johann Bernhard Fischer von Erlach.

[40] Balthasar Haggenmiller, Marmorierer, wird in den Akten als Hackhenmiller, Gipsarbeiter verzeichnet. Er stammt aus einer in Wiggensbach im Oberallgäu ansässigen Familie. Ein Hans Georg Haggenmiller (Vater?) liefert 1684 den Stuckmarmor-Hochaltar der Stiftkirche Kempten.

[41] Diego Francesco Carlone (1674–1750). Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[42] Andrea Giovanni Solari, geb. 1668/69 in Verna im Val d'Intelvi, Marmorierer, Stuckateur und Altarbauer. Sohn des Baumeisters Francesco. Bruder des Pietro Solari (1687–1762), der als Marmorierer in der Lombardei und im Tessin bekannt wird. Berühmtestes Mitglied der Familie ist der Salzburger Dombaumeister Santino Solari. 1693 erhält Andrea Giovanni auch den Auftrag für den Hochaltar der Maria-Hilf-Kirche in Vilshofen.

[43] Francesco Innocenzo Torriani (1648–1700) aus Mendrisio. Um 1685 liefert er für den Frauenaltar das Altarblatt der Mariä Himmelfahrt (B 3,35 m / H 6,35 m) und das Auszugsbild (B 2,40 m / H 3,10 m). Im Beitrag von Ursula Berndl in: Der Dom in Passau (1995) wird er «Turriani» geschrieben. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[44] Frans de Neve II (1632–n.1704) aus Antwerpen. Für den Valentinsaltar, heute als Altar der Bistumspatrone bezeichnet, liefert er 1687 das Altarblatt der Krankenheilung durch den hl. Valentin und der Enthauptung des hl. Maximilian (B 3,35 m / H 6,35 m) und das Auszugsbild (B 2,40 m / H 3,10 m). Zu ihm siehe die Magisterarbeit von Silvia Stillfried, Wien 2008.

[45] Johann Michael Rottmayr (1654–1730) aus Laufen an der Salzach. Für das erste Altarpaar der Seitenschiffe im fünften Joch (beim Querschiff) liefert er 1693 das Altarblatt des nördlichen Pauli-Bekehrungs-Altars (B 2,45 m / H 4,45 m) mit dem Auszugsbild (B 1,80 m / H 2,12 m) und das Altarblatt des südlichen Johannes-Enthauptungs-Altars. Blatt und Auszugsbild der Altarpaare haben jeweils gleiche Masse. 1694 signiert Rottmayr die Blätter und Auszugsbilder des Altarpaares im ersten Joch, dem Agnes- und des Sebastiansaltar, Sie haben ähnliche Grösse wie die Blätter im fünften Joch. Zu Johann Michael Rottmayr siehe die Biografie in dieser Webseite.

[46] Johann Carl von Reslfeld (1658–1735), eigentlich Ressler aus Schwaz im Tirol. Gefördert vom Abt von Garsten und dem Steyrer Freiherrn von Riesenfeld, ist er 1680–1684 Schüler von Johann Carl Loth in Venedig. Nach der Rückkehr aus Italien 1684 folgt er dem Ruf des Abtes von Garsten. Reslfeld tritt als Familiaris in das Benediktinerstift ein und wirkt dort 51 Jahre als Maler. 1692 Erhebung in den Adelsstand. In die Domkirche von Passau liefert er 1693 das Altarblatt des nördlichen Martinsaltars (B 2,50 m / H 4,45 m, Thema: Die Almosenspende des hl. Martin) und das gleich grosse Altarblatt des südlichen Katharinenaltars (Thema: Die mystische Verlobung der hl. Katharina von Alexandria). Blatt und Auszugsbild der Altarpaare weisen jeweils die gleichen Masse auf. Die Auszugsbilder sind bei diesen Altären durch stuckierte Stifterwappen ersetzt.

[47] Johann Capar Sing (1651–1729) aus Braunau am Inn, kurfürstlich bayrischer Hofmaler in München. Er liefert 1697 das Blatt des Dreikönigsaltars (B 2,50 m / H 4,45 m, Thema: Anbetung der Könige).

[48] Johann Andreas Wolff (1652–1716) aus München, kurfürstlich bayrischer Hofmaler in München. Das Blatt des Geburt-Christi-Altars ist als Pendant zum Blatt des Dreikönigsaltars entstanden. Thema: Anbetung der Hirten.

[49] Joseph Dominikus Graf von Lamberg (1680–1761) absolviert nach der Ausbildung bei den Jesuiten in Linz die übliche Kavalierstour durch Europa, studiert dann aber Jura in Besançon und Siena, anschliessend Theologie am Collegium Clementinum in Rom. 1699 erwirbt er eine Domherrenpfründe in Passau, wo sein Onkel Fürstbischof ist. 1704 feiert er hier Primiz. 1705 ist er Dompropst. 1706 erwirbt er auch eine Domherrenpfründe in Salzburg. 1712 setzt ihn der Salzburger Fürsterzbischof als Bischof von Seckau ein. 1723 wird er zum Fürstbischof von Passau gewählt. Das Bistum Seckau muss er aufgeben, die Domherrenpfründe in Salzburg kann er behalten. 1737 wird er Kardinal. In seine Regierungszeit fällt 1741/42 die Besetzung von Passau durch bayrische Truppen im Österreichischen Erbfolgekrieg. Joseph Dominikus ist kein Förderer der Künste, eher der einer rückwärtsgewandten Religiosität, das Gegenteil seines Onkels auf dem Fürstenthron von Passau. Er wird deshalb in kirchentreuen Biografien überschwänglich gelobt, mit seinem Namen sind aber keine Projekte verbunden. Die Neue Residenz lässt er vollenden, um sie beziehen zu können. Auch in der Domkirche erbt er die Aufgaben von seinen Vorgängern. An ihre heutige Erscheinung trägt er nichts bei.

[50] Antonio Maria Nicolò Beduzzi oder Peduzzi, (1675–1735). Er ist kaiserlicher Theatral-Ingenieur und Hofbaumeister, auch Maler. Die Herkunft ist unklar. Er soll aus Bologna, nach anderen Quellen aus dem Val d'Intelvi stammen.

[51] Lorenzo Mattielli (1687–1748) aus Vicenza. Seit 1710 kaiserlicher Hofbildhauer in Zusammenarbeit mit Beduzzi. Nach 1738 Hofbildhauer in Dresden.

[52] Im «Dehio» 1988 wird die Kanzel noch Johann Lucas von Hildebrandt und Georg Raphael Donner zugesprochen. Erst Wilhelm Georg Rizzi und Ilse Schütz klären 1995 (in: Der Dom in Passau) die Meisterfrage.

[53] Johann Ignaz Egedacher (1673–1744) aus Salzburg, Orgelbauer in Passau in Nachfolge seines Schwiegervaters Leopold Freundt (†1727).

[54] Zur Definition von Hängekuppeln und ihrer Unterscheidung zur Böhmischen Kappe (auch Stutzkuppel oder Platzlgewölbe genannt) siehe das Glossar in dieser Webseite. Im «Dehio» werden die Hängekuppeln als querovale Kuppeln mit Hängezwickeln beschrieben. Ob man derart die Hängekuppel (eine reine Halbkugel mit dem Durchmesser der Grundriss-Diagonale, deren Scheidbögen halbkreisförmig ausgeschnitten sind) beschreiben darf? Die Hängekuppeln des Passauer Mittelschiffs sind keine böhmischen Kappen oder Stutzkuppeln, wie vielfach in der Literatur geschrieben wird. Erst wenn die Halbkugel-Ausbildung der Hängekuppel in der Höhe gestutzt, das heisst im untern Teil horizontal geschnitten wird, erhält man böhmische Kappen, die dann aber Segmentbogen zur Folge haben.

[55] Zur Definition der Pendentifkuppel siehe das Glossar in dieser Webseite.

[56] Die Jesuitenkirche San Fedele in Mailand wird 1569–1579 nach Plan von Pellegrino Tibaldi gebaut. Abbildung (Prospetto interiore) aus Descrizione di Milano 1737 (Quelle Universitätsbibliothek Heidelberg).

[57] Giovanni Battista Carlone (um 1580–1645), aus Verna Val d'Intelvi. Siehe die Biografie in Artisti Italiani Austria.

[58] Es sind jetzt Stutzkuppeln oder böhmische Kappen.

[59] Cornelius Gurlitt in: Geschichte des Barockstiles und des Rococo in Deutschland, Stuttgart 1889. Er bezeichnet die Stuckaturen von Passau als «eines in allen Theilen gliederfrohen und dadurch selbst in Handlung umgesetzten Kunstwerkes».

[60] Siehe zu diesem Thema: Dekor? Ein Apell für die Ächtung des Begriffs «Dekoration» bei barocken Architekturen.

[61] Die teilweise grossen Übereinstimmungen zu Arbeiten um 1660 von Gianlorenzo Bernini lassen Ralph Dobler (Italiensicher Stuck in Passau in: Archivum Historicum Societatis Iesu, 2004) vermuten, dass Carlone sich in Rom aufgehalten habe.

[62] Tutte l'opere d'architettura et prospetiva di Sebastiano Serlio Bolognese, quinto Libro. Die Doppelturmfassade der Kuppel-Basilika dürfte noch 1699 Anregung für Franz Beer in Irsee ein. Gehe zur Darstellung in Serlio 1600.

[63] Peter Paul Rubens veröffentlicht die Kirche in «Palazzi di Genova» (Antwerpen 1622). Gehe zur Fassade «Facciata della Chiesa de gli Padri Iesuti».

[64] Zuccalli plant die Fassade der Theatiner nach 1674. Zum Fassadenplan (Stich von Michael Wening 1696). Zur Fassade von Sant’Ignazio in Rom (Stich von Rossi 1683).

[65] 90 000 Gulden, Österreich übernimmt 2/5, Bayern 3/5. Die Summe entspricht dem 900-fachen damaligen Jahreseinkommen eines Handwerkers.

[66] Der heutige Altar ist ein Werk von Bildhauer Josef Henselmann (1898–1987) aus Laiz. Henselmann gestaltet den neuen Hochaltar 1947–1953.

[67] Heinrich von Schmidt (1850–1928) aus Köln, Architekt des Historismus. Gleichzeitig baut er die neuromanische Maximilianskirche in München. Kurz vorher (1892) baut er auch den neugotischen Rathausturm von Passau. Schmidt ist noch ein Vertreter des ausklingenden Historismus. Seit der Wiederentdeckung des Barocks durch Cornelius Gurlitt um 1890 beginnt um 1900 mit dem kirchlichen Neubarock die letzte Phase des Historismus. Die Turmoktogone von Passau und die gleichartigen Turmoktogone der Stiftskirche St. Lorenz in Kempten (1900) und der Jesuitenkirche Innsbruck (1901) sind Zeichen für den Übergang zum Neubarock im Sakralbau, der sich um 1910 mit St. Anton in Passau oder der Basilika St. Anna in Altötting (beide von Johann Baptist Schott) voll durchsetzt.

[68] Aachen, Augsburg, Bamberg, Regensburg, Speyer, Worms. In Passau wird nur die Herrenkapelle purifiziert.

 

 

Kuppelfresken von Carlo Antonio Bussi in den Seitenschiffen
Stuck Giovanni Battista Carlone, Ausführung Stuck und Fresken 1685–1688
Seitenschiff Süd. Joche 4s ▫ 3s ▫ 2s ▫ 1s (Episterlseite)
Jochlage siehe Grundrissplan. Zählung beginnt nach Emporenjoch.
SeitenschiffSued4   SeitenschiffSued3   SeitenschiffSued1
         
Joch 4, Seitenschiff Süd
Thema Kuppelbild: Die hl. Dorothea von Cäsarea mit ihren Schwestern Christina und Callista. Das Kuppelbild liegt beim Katharinenaltar.
  Joch 3 und 2, Seitenschiff Süd
Thema Kuppelbild 3. Joch: Verurteilung des hl. Quirin durch den römischen Präfekten von Pannonien, Amantius. Das Kuppelbild liegt beim Südportal.
Thema Kuppelbild 2. Joch: Der Stern von Betlehem im Kreise jubilierender Engel. Das Kuppelbild liegt beim Dreikönigsaltar.
  Joch 1, Seitenschiff Süd (bei Empore)
Thema Kuppelbild: Die mystische Vermählung der hl. Katharina im Beisein der hl. Katharina von Alexandrien. Das Kuppelbild liegt entgegen Literaturangaben (Möseneder 1995) nicht im 4. Joch, sondern beim Agnesalaltar.
         
Seitenschiff Nord. Joche 1n ▫ 2n ▫ 3n ▫ 4n (Evangelienseite)
Jochlage siehe Grundrissplan. Zählung beginnt nach Emporenjoch.
SeitenschiffNord1   SeitenschiffNord3
     
Joch 1 (bei Empore) und Joch 2, Seitenschiff Nord
Thema Kuppelbild 1:  Verherrlichung der hll. Sebastian und Rochus.  Das Kuppelbild liegt beim  Sebastiansaltar.
Thema Kuppelbild 2: Der Traum des hl. Joseph mit der Verkündigung der Geburt Christi. Das Kuppelbild liegt beim  Christi-Geburt-Altar.
  Joch 3 und 4, Seitenschiff Nord
Thema Kuppelbild 3:  Glorie des hl. Quirin. Das Kuppelbild liegt beim nördlichen Seitenportal.
Thema Kuppelbild 4:  Glorie des hl. Martin. Das Kuppelbild liegt beim Martins

 

 

 

 

 



  Domkirche St. Stephan in Passau  
  DomA1  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Passau
Niederbayern D
Fürstbistum Passau
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Passau   1668
Bauherr und Bauträger
ThunPassau Fürstbischof Wenzeslaus von Thun-
     Hohenstein (reg. 1664–1673)
     Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting
     (reg. 1673–1689)
     Fürstbischof Johann Philipp Graf von
     Lamberg (reg. 1689–1712)
 
  Der Dom von Passau, gesehen von der Feste Oberhaus.
Foto: Bieri 2017.
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DomA2
Die Doppelturmfassade des Doms.
Foto: Bieri 2017.
 
   
PassauFuerstentum
Der Herrschaftsbereich des Fürstbischofs von Passau bis 1803, in der Karte «Das ehemalige Fürstentum Passau, gezeichnet 1809 vom Kartographen Johann Nepomuk Diewald (1774-1830).
Bildquelle: Bibliothèque nationale de France.
Passau1493
Der doppeltürmige Dom von Passau in der Chronik von Hartmann Schedel, Nürnberg 1493. Schedel stellt den Neubau der spätgotischen Domkirche im Bauzustand um 1450 dar. Das Querschiff und mehrere Joche des Langhauses sind noch nicht gebaut. Im Hintergrund die Veste Oberhaus, im Vordergrund die Residenz mit dem Innbrucktor.
Bildausschnitt aus dem rechten Blatt der doppelseitigen Darstellung «Patavia», Seite 200.
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek
Stadtbrand1662
«Wahrhaffte in Grund gelegte Statt Passaw, in welcher den 27. April 1662. ein Fewr außkommen, dieselbige gantz jämmerlich abgebrandt, und anjetzo erschröcklich anzusehen ist». Darstellung des Stadtbrandes 1662 in einem Holzschnitt von Elias Wellhöfer, Nürnberg.
Bildquelle: Wikipedia
 
Passau1826
Plan der Stadt Passau im Zustand der Barockzeit, als Zusammenstellung der Ortsblätter 1826 und 1827. Für Vergrösserung und Legende bitte anklicken. Quelle: Wikipedia.  
PassauPanorama
Panorama der Altstadt auf der Halbinsel und der jenseits des Inns gelegenen Innstadt mit ihrer Wallfahrtskirche Maria-Hilf, gesehen von der Veste Oberhaus.
Foto: Bieri 2017.
 
PassauResidenzA3
Der Dom und die Alte Residenz mit dem Innbrucktor, vom Südufer des Inns gesehen. Foto: Bieri 2017.  
Dombezirk
Domkirche, Kreuzgang und Alte Residenz mit Zengerhof in einer Grundrissübersicht. Grundlage: Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern 1919 und aktueller Katasterplan. Für Vergrösserung und Legende bitte anklicken.  
Grundrisse
Grundrisse- und Schnitte der Domkirche (1919) mit ergänzenden Eintragungen der Deckenfresken und der Altäre. Für Vergrösserung und Legende bitte anklicken.  
PassauDom1
Das Mittelschiff des Kirchenraumes, in Richtung Chor gesehen.  Eindrücklich ist die Folge der Hängekuppeln und die wie Freipfeiler gestalteten Pilastern mit ihren Figuralplastiken..
Foto: Bieri 2017.
 
PassauDomInnen2
Deutlich wird das architektonische System beim Blick zu den durchgehenden Seitenschiffen. Anstelle des üblichen Tonnengewölbes setzen die Baumeister hier weit in den Dachraum reichende Kuppeln. Damit wird der Eindruck einer Hallenkirche verstärkt. Foto: Bieri 2017.  
SeitenschiffSued
Eindrücklich zeigt der Blick in die hohen Gewölbefolgen des südlichen Seitenschiffes die Absicht der Freistellung.
Foto: Bieri 2017
 
Gurlitt
Die Freipfeiler-Wirkung wird in einer Illustration in der Geschichte des Barockstils (1899) von Cornelius Gurlitt ausgezeichnet dargestellt.  
PassauChor3
Blick in den Chor mit der spektakulären barocken Umformung des spätgotischen Grundgerüstes durch Lurago und Carlone in einen hochbarocken, lichten Altarraum.
Foto: Bieri 2017.
 
PassauChor4
Das Gewölbefresko des Chores stellt die Steinigung und Himmelsvision des Kirchenpatrons Stephan dar. Carpoforo Tencalla malt es 1679.
Foto: Bieri 2017.
 
PassauVierung
Der Blick in den ursprünglich spätgotischen Vierungsturm, der von Lurago 1678 neu gestaltet und gewölbt wird.
Foto: Andreas Praefcke 2009
 
PassauDom5
Das Kuppelfresko im Vierungsturm stellt Gottvater in der Glorie dar. In konzentrischen Wolkenbändern umkreisen ihn Engelscharen. Im untersten, äusseren Kreis sind es musizierende Engel mit ihren Instrumenten. Zwei am Kuppelrand sitzende Engel lassen Beine über das Tambourgesims baumeln. Carpoforo Tencalla malt das Fresko 1679.
Foto: Andreas Praefcke 2009.
 
DomPassauFreskenLanghaus
Die Hängekuppeln der fünf Mitttelschiffjoche werden durch die Stuckfelder von Giovanni Battista Carlone zu vermeintlichen Pendentifkuppeln umgestaltet. In die ovalen Mittelfelder malt Carpoforo Tencalla  1683 und 1684 Darstelllungen zur triumphierenden Kirche und zum Neuen Testament, in die Zwickelfelder Sybillen, Propheten und Engel. Das ikonologische Programm ist derart umfassend, dass auch die Figuralplastiken Carlones einbezogen werden. Siehe dazu die Innenraumbilder oben. Bitte für Vergrösserung und Erläuterung der Bildthemen anklicken.
Fotos: Bieri 2017.
 
PassauDomInnenOrgel
Der Mittelschiffraum des Langhauses in Richtung Orgelempore gesehen. Die Wirkung der Bilddarstellungen wird mit der Figuralplastik und den Stuckaturen Carlones gesteigert. Unter die Zwickelfelder setzt er Propheten, einbezogen in die Ikonologie der Gemälde. Atlanten und Voluten tragen das Gebälk in der Frieszone über den korinthischen Kapitellen. Lustvoll demonstrieren hier Lurago und Carlone den Barock als bewusste Abkehr vom Regelkanon der Renaissance.
Foto: Bieri 2017.
 
PassauOrgelempore
Fürstbischof Sebastian von Pötting-Persing lässt an der Orgelempore sein Wappen anbringen. Es ist geviert. Feld 1 und 4 zeigen in Rot ein nach oben gerichtetes, goldenes Hufeisen mit einer goldenen Schere, Feld 2 und 3 zeigen in Rot einen aufspringenden silbernen Hund mit schwarzem Halsband. Das Herzschild ist mit der Mitra bekrönt. Es zeigt in Silber den roten Wolf des Hochstiftes Passau. Siehe auch die detaillierten Informationen zur Heraldik am Dom als PDF.
Foto: Bieri 2017.
 
BussiPassau
Auf die Untersicht der Orgelempore malt Carlo Antonio Bussi 1688 das himmlische Konzert der hl. Cäcilia. Die Patronin der Musik spielt die Orgel, die Engelschar im Hauptfresko und in den Kartuschenfresken ist mit anderen Instrumenten ausgestattet. Auf 18 Malflächen wird so das barocke Musik-Instrumentarium vorgeführt. Zu den Fresken des Malers in den Seitenschiffen siehe die Fotoserie am Seitenende.
Foto: Pius Bieri 2017.
 
PassauInnen8
Der Frauenaltar im nördlichen Querschiff wird 1684/85 von Giovanni Battista Carlone und Paolo d'Allio in Stuckmarmorarbeit ausgeführt. Das dreigeschossige Säulenretabel in Ädikulaform ist mit einem Auszug bekrönt. Die Grösse der Querschiffaltäre ist überwältigend. Sie haben eine Höhe von 20,8 Metern. Schon die beiden säulentragenden Atlantenengel sind überlebensgross. Die Altarblätter malt 1685 Francesco Innozenzo Torriani. Das Hauptgemälde zeigt die Himmelfahrt Mariens. Im Auszugsblatt ist die Dreifaltigkeit in Erwartung Mariens dargestellt. In der Wappenkartusche über dem Hauptgemälde ist das Wappen des Stifters Franz Ferdinand Graf von Herberstein gemalt. Über dem Altar ist in einer Stuckdraperie der Wappenschild mit dem roten, hier einwärts gewendeten Wolf des Hochstiftes Passau zu sehen. Carpoforo Tencalla ist Schöpfer des Freskos im Tonnengewölbe. Er malt die Marienkrönung 1679.
Foto: Bieri 2017
 
PassauInnen9
Das Pendant zum Frauenaltar ist der Valentinsaltar im südlichen Querschiff. Er wird auch Altar der Bistumspatrone genannt, weil er nebst dem hl. Valentin zusätzlich dem hl. Maximilian, den beiden Patronen des Bistums Passau, geweiht ist. Der Altar wird 1687 unter der Leitung von Paolo d'Allio aufgerichtet. Die Altarblätter malt Frans de Neve. Das Hauptgemälde stellt den hl. Valentin bei einer Krankenheilung dar. In der Wappenkartusche über dem Gemälde ist nochmals das Wappen des Fürstbischofs Sebastian von Pötting-Persing (vergleiche mit der Emporenbrüstung) zu sehen.
Foto: Bieri 2017.
 
PassauInnen11PauliAltar
1690 beginnen Carlone und d'Allio mit den Altären in den Seitenschiffen. Es sind wieder Säulenretabel in Stuckmarmor, mit nun bewegten Grundrissen. Auch ihre Grösse von fast 13 Metern ist beachtlich. Als erstes wird der Pauli-Bekehrungs-Altar im fünften Joch des südlichen Seitenschiffs errichtet. Die Altarblätter sind ein Werk des später berühmten Johann Michael Rottmayr aus Laufen an der Salzach. Das 1693 datierte Hauptgemälde zeigt die Szene der Bekehrung des Saulus. Im Auszugsblatt ist der hl. Petrus in der Reue dargestellt. Das Hauptblatt wird von zwei feingliedrigen Carlone-Engeln gehalten. Als Bekrönung des Auszuges ist der Wappenschild des Fürstbischofs Johann Philipp Graf von Lamberg angebracht. Das Wappen ist gross auch über den weiteren Seitenaltären, an den beiden seitlichen Ädikulaportalen und an der Orgel angebracht. Zum Wappen siehe die Erläuterungen in Heraldik am Dom (PDF).
Foto: Bieri 2017.
 
PassauInnen10Johannesaltar
Das südliche Pendant zum Pauli-Bekehrungsaltar ist der Johannes-Enthauptungs-Altar im fünften Seitenschiffjoch. Auch hier ist Johann Michael Rottmayr der Maler beider Altarblätter. Sie sind mit 1693 datiert. Im Hauptgemälde stellt er Salome dar, wie sie vom Schergen das Haupt Johannes des Täufers auf einem Tablett erhält. Unter ihr liegt der enthauptete Johannes, über ihr reichen Engel Lorbeerkranz und Palmzweig. Rottmayr malt die vertikal betonte Komposition mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten. Das Oberblatt stellt Johannes in der Wüste dar. Der Fürstbischof lässt auch hier in nicht unbescheidener Grösse sein Wappen malen.
Foto: Bieri 2017.
 
PassauDomKanzel
Die Domkanzel wird zwar vor 1722 beim Wiener Theatralingenieur Beduzzi und dem kaiserlichen Hofbildhauer Mattielli bestellt, aber erst 1726 geliefert. Sie stellt ein typisches Produkt der Wiener Hofkunst dar.
Foto: Thomas Ledl 2015 in Wikipedia.
 
PassauOrgel
.Der Orgelprospekt der heutigen Domorgel stammt mit Ausnahme des Oberwerks noch von der Egedacher-Orgel 1733. Das dreimanualige barocke Orgelwerk mit 39 klingenden Registern und sieben Nebenzügen weicht  ist heute nicht mehr erhalten. Das Werk wird im 20. Jahrhundert mittels elektrischer Traktur ins Gigantische vergrössert.
Foto: Tobi 87 (2007) in Wikipedia.
 
PassauOrgellwappen
Kanzel und Orgel gehören zu den letzten barocken Ausstattungen des Doms. Sie fallen bereits in die Regierungszeit des Fürstbischofs Joseph Dominikus Graf von Lamberg. Auf der Orgel ist deshalb sein vergoldetes Wappen zu sehen. Zum Wappen Lamberg siehe die Erläuterungen in  Heraldik am Dom (PDF).
Foto: Schorle 2013 in Wikipedia.
 
PassauDomFassade1896
Bis 1893 haben die Türme des Doms ein einfaches flaches Pyramidendach, wie es die Jesuitenkirche (Studienkirche) noch heute besitzt. Eine Photographie um 1890 zeigt den damaligen Zustand.
Bildquelle: Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern 1919, leicht koloriert.
 
PassauDomturm2009
Nach dem Vorbild des Salzburger Domes erhalten die Türme bis 1898 nach Plänen von Architekt Heinrich von Schmidt oktogonale Aufbauten, welche mit welschen Hauben bekrönt sind. Sie stellen eine ausserordentlich glückliche und heute undenkbare Lösung im Sinne der jetzt verpönten schöpferischen Denkmalpflege dar. Die Foto zeigt den Turm noch vor der seit einigen Jahren angebrachten weissen Kalkfassung des ganzen Doms. Sie ist ausserordentlich gewagt, kaum lange haltbar und und gehört auch zum Thema der schöpferischen Denkmalpflege.
Foto: Andreas Praefcke 2009.