Die Meister (soweit bekannt)
1712 1721



Osterhofen-Altenmarkt


Ehemaliges Prämonstratenserkloster und Stiftskirche St. Margaretha von Antiochien


Der Klosterort

Eine ottonische Königspfalz wird Chorherrenstift
Von Straubing nach Passau führt rechts der Donau ein alter Verkehrsweg. In der Ebene zwischen den Isarbrücken bei Plattling und Vilshofen an der Donau liegt im 9. Jahrhundert die Königspfalz Osterhofen. Sie wird 833 erstmals erwähnt.[1] In dieser Pfalz gründet der Herzog Heinrich V.[2] ein Chorherrenstift. Heinrich V. ist seit 1004 von seinem Schwager, dem in Bamberg residierenden König Heinrich II., als Herzog von Bayern eingesetzt. Die Gründung wird deshalb mit diesem Datum verbunden. Der Bayernherzog versieht das neue Stift mit einer grösseren Gründungsausstattung im umliegenden Donaugebiet. 1009 setzt König Heinrich II. seinen Schwager als Bayernherzog ab und übergibt Osterhofen, das im Bistum Passau liegt, als königliche Schenkung dem neugegründeten Bistum Bamberg. Trotz über hundertjährigem Bestand ist weder über die Verfassung noch über das Wirken der Kanonikergemeinschaft von Osterhofen irgendetwas bekannt.[3] Sie weicht 1138 Mönchen des neuen Ordens der Prämonstratenser, an den der Bamberger Bischof Otto I. Osterhofen übergibt.

OsterhofenApian
Ausschnitt aus den «Bairische Landtafeln» 1568 von Philipp Apian. «Osterhouen» liegt in der Mitte zwischen Isar (oben), Donau (rechts) und Vils (unten). Zwischen Osterhofen (Stadt) und Osterhofen (Kloster) ist der Mühlbach zu einem See erweitert. Dieses Gewässer ist schon im 18. Jahrhundert nicht mehr vorhanden. Bildquelle: Wikipedia.

Die Stadt Osterhofen
Das Kloster Osterhofen, erbaut an der Stelle der karolingischen Königspfalz, liegt leicht erhöht in einer Viertelstunde Entfernung von der späteren Stadt gleichen Namens. Diese wird 1378 durch den Vogt und Landgrafen Hermann von Leuchtenberg als «Neuer Markt» gegründet. Das Stadtrecht erhält sie 1428, im gleichen Jahr geht sie dauerhaft in den Besitz der bayerischen Herzöge über. Am Ort der Neugründung besteht bereits eine kleine Strassensiedlung des Klosters mit der Spitalkirche St. Antonius Abbas und einem angegliederten Spital. Diese bestehende Siedlung des Klosters wird als Vorstadt in die Neugründung integriert. Ausschlaggebend für die Gründung ist der Handelsweg, der hier durchführt.[4] Der Name des ursprünglichen Marktortes um das Kloster Osterhofen wird für die Neugründung übernommen. Für diesen nun aufgegebenen Marktort bürgert sich allmählich der Name «Altenmarkt» ein.[5]

Das Prämonstratenserkloster 1138–1783

Klostergeschichte vom 12. bis zum 16. Jahrhundert
Bischof Otto I. von Bamberg ist Förderer des 1120 gegründeten Chorherrenordens der Prämonstratenser. 1138 führt er den neuen Reformorden in Osterhofen ein. Nachdem er schon um 1130 an der Neugründung von Windberg im Bistum Regensburg beteiligt ist, wird Osterhofen das zweite von sechs Klöstern im herzoglichen Bayern, welches die Prämonstratenser-Regel übernimmt.[6] Die Regel wird durch den Zuzug von Mönchen aus dem 1125 gegründeten Kloster Ursberg im Bistum Augsburg eingeführt. Osterhofen ist jetzt ein Kloster der grossen Zirkarie Schwaben, wird aber später in die Zirkarie Bayern eingegliedert.[7] Vorerst ist es eine Propstei des Mutterklosters Ursberg. Der Grundbesitz bleibt in Bamberger Hand. Osterhofen ist damit bis ins späte 13. Jahrhundert Eigenkloster von Bamberg, allerdings unter der zentralen Leitung des Ordens. Die Führung scheint nicht einfach, denn auch der Passauer Bischof als Bistumsherr hat Ansprüche. 1240 bis 1266 resignieren acht Pröpste oder werden zum Rücktritt genötigt, meist nach kürzester Regierungszeit. In diese Zeit fallen auch Passauer Urkundenfälschungen, die Osterhofen als Mutterkloster des Stiftes Schlägl belegen.[8] Im 12. und 13. Jahrhundert kann Osterhofen zehn Pfarrkirchen inkorporieren, was trotz der erwähnten Schwächeperiode auf wirtschaftliche Stärke und einen gewachsenen Konvent hinweist. Die Klosterannalen vermelden allerdings 1287 nur 12 Mitglieder. 1288 wird die Propstei zur Abtei erhoben, 1414 gewährt der Papst dem Abt auch die Pontifikalien. Schon kurz nach der Erhebung zur Abtei entsendet Osterhofen 1309 zwei Mitbrüder in den sieben Wegstunden südlich gelegene Klosterbesitz St. Salvator bei Griesbach, um hier ein Tochterkloster zu gründen. Im 14. Jahrhundert verkauft oder verpfändet Bamberg seine Eigengüter an die Grafen von Hals und von Leuchtenberg, die im Spätmittelalter Klostervögte sind. Zu dieser Zeit verstärkt sich auch der Einfluss der bayerischen Herzöge. Osterhofen bleibt auf Dauer landsässiges Kloster. Das 15. Jahrhundert ist für Niederbayern ein wirtschaftlich goldenes Zeitalter, das auch auf Osterhofen abfärbt. Erst mit der Reformation im 16. Jahrhundert beginnt ein Niedergang. Ein Abt tritt 1557 zum reformierten Glauben über. Administrativ wird die Abtei anschliessend von Johannes Bitterl aus der Abtei Steingaden verwaltet, der 1560 zum Abt von Osterhofen gewählt wird. Als er 1578 stirbt, kann der nur noch zehn Patres umfassende Konvent keinen eigenen Abt wählen. Nun kommt aus der Abtei Ursberg Johannes Wolf als Administrator und ist 1583–1593 Abt. Dem letzten Abt des 16. Jahrhunderts, dem 1593–1604 regierenden Abt Michael Vögele gelingt die Konsolidierung der Abtei.

Das 17. Jahrhundert
Der erste Abt des 17. Jahrhunderts, Johannes Wöckhl, regiert 1604–1625. Die Abtei zählt nach seinem Ableben 19 Konventualen.[9] Der 1625 gewählte Abt Georg Greiss regiert nur vier Jahre. Sein Nachfolger Christoph Dimpfl[10] führt das Kloster durch den Dreissigjährigen Krieg. Er regiert 1630–1672. Altenmarkt und das Kloster überstehen den Krieg unversehrt. Offenbar sind die schwedischen Truppen derart in Eile, dass sie die Klöster der Region verschonen, denn das nahe Städtchen Osterhofen «ist in Anno 1632 durch feindlichen Einfall völlig in Grund abgebrennt worden».[11] Die Verschonung vor Brandschatzung und Plünderung ist Grund für den Neubau der Frauenkapelle am Hof. Abt Christoph Dimpfl lässt sie nach 1632 erbauen und 1641 auf die heutige Grösse erweitern.[12] Nach dem Ableben des verdienten Abtes wird mit Gottfried Molitor ein schon nach drei Jahren wieder resignierender Vorsteher gewählt.[13] Der letzte Abt des 17. Jahrhunderts ist Michael Steinmayr.[14] Er regiert 1675–1701. Für die Zirkarie Bayern ist er Generalvikar und Visitator. Er ist auch Landschaftsabgeordneter und bekannter Ordensschriftsteller.

OsterhofenWening
Kupferstich von Michael Wening aus der «Topographia Bavariae, Historico-Topographica Descriptio. Das ist die Beschreibung des Churfürsten- und Herzogthumbs 3.Theil: Das Rentamt Landshut» 1723.
Die Vogelschauansicht aus Westen zeigt das 1701–1717 wiederaufgebaute Kloster noch mit der alten Stiftskirche.
Bildquelle: Bavarikon

 

Bauäbte des 18. Jahrhunderts
1701 wird Ferdinand Schoeller[15] als Abt gewählt. Er stirbt schon 1717 mit 50 Jahren. Seine Regierung fällt in die Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges und der österreichischen Verwaltung Bayerns von 1704–1714. Er ist, wenn auch nicht freiwillig, der erste Bauabt des 18. Jahrhunderts. Zu Beginn seiner Regierung wird er am 24. Juni 1701 mit einem grossen Klosterbrand konfrontiert. Ein Blitzeinschlag ist Ursache. Die Konventflügel südlich der Kirche brennen aus. Die Kirche mit den Doppeltürmen ist zwar stark beschädigt, aber das Gewölbe hält stand. Der Innenraum bleibt noch nutzbar. Abt Ferdinand beginnt schnell mit dem Wiederaufbau. Sein Porträt im Fürstensaal zeigt das Kloster vor dem Brand («Dominus dedit»), als Brandruine («Dominus abstulit») und, mit der Überschrift «surgit de cinere Phoenix», das wie ein Phönix aus der Asche auferstehende Kloster. Das Bild ist über dem Wappen mit 1703 datiert. Es zeigt den in diesem Jahr bereits dreigeschossig fertiggestellten Ostflügel. Die Kriegslasten führen aber spätestens unter der österreichischen Administration ab 1704 zu einem mehrjährigen Stillstand.[16] Dass sie noch vor Friedensschluss, vielleicht um 1712, wieder aufgenommen werden können, ist sicher ein Verdienst des Abtes. Denn schon 1705 wählt ihn die kaiserliche Administration in München direkt zum Landsteurer, was die grosse Wertschätzung des Prälaten verdeutlicht und ihm auch den direkten Draht zur Administration ermöglicht. Die Leitung der Bauarbeiten hat der Misoxer Baumeister Antonio Rizzi.[17] Die Konzeptplanung könnte aber vom Abt selbst stammen, der auf dem Porträt mit einem Zirkelmass und dem Bauplan dargestellt ist. 1717 stirbt Abt Ferdinand. Wie weit die Bauarbeiten zu diesem Zeitpunkt fortgeschritten sind, ist nicht erforscht. Als neuer Abt wird Joseph Mari gewählt.[18] In seine Regierung fallen die inneren Fertigstellungen der Klosterflügel, die Ökonomiebauten im Vorhof, vielleicht auch die Rohbau-Fertigstellung des Westflügels. Darauf deutet der Text im Grabstein «qui postquam tertiae Canoniae partem errexit» hin. Dass aus diesem dritten Teil dreier Konventflügel bayerische Kunsthistoriker flugs das ganze Kloster dem seit 1717 regierenden Abt Joseph Mari zuschreiben, zeugt nicht von grossem Interesse an den Bauabläufen seit 1701.[19] Mit «dum ecclesiam de novo aedifiacare coeperat» in der Fortsetzung des gleichen Epitaphtextes wird auch auf den Beginn des Neubaus der Stiftskirche unter Abt Joseph hingewiesen. Der Geistliche Rat in München, der für alle kirchlichen Bauvorhaben zuständig ist, sendet nach mehrfachen Hinweisen des Abtes auf die Dringlichkeit eines Um- oder Neubaus der Stiftskirche 1726 den Münchener Baumeister Johann Michael Fischer[20] nach Osterhofen und erteilt auf Grund des Gutachtens und des Kostenüberschlags von Baumeister 1727 die Bewilligung zum Kirchenneubau. Als Abt Joseph im Oktober 1727 mit 53 Jahren stirbt, ist der der Bau schon auf Emporenhöhe gewachsen. Bauabt der Fertigstellung wird sein Nachfolger Paulus Wieninger.[21] Er kann nach der Rohbauvollendung 1728 die längst berühmten Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam[22] für die Raumausstattung gewinnen, die in Osterhofen 1731–1735 eines ihrer Meisterwerke erstellen. Die Kirche wird 1740 geweiht. 1741–1745 ist erneut Krieg, wieder ausgelöst durch den bayerischen Kurfürsten. Das bereits hochverschuldete Kloster muss nun weitere enorme Kriegslasten tragen.[23] Abt Paulus stirbt 1764. Er hinterlässt 225 000 Gulden Schulden, die zum Teil aus dem Kloster- und Kirchenneubau stammen, zum grösseren Teil aber Folgelasten der beiden Erbfolgekriege sind. Im Kloster leben bei der Wahl des Nachfolgers und letzten Abtes Michael Liggleder 25 Konventualen.[24]

Säkularisation 1783
1783 löst Kurfürst Carl Theodor mit Indersdorf und Osterhofen zwei grosse Abteien auf, dies 20 Jahre vor der eigentlichen Säkularisation. Das Motiv ist bei beiden Klöstern gleich. Ihr Besitz soll der Versorgung des Münchener Adels dienen. Als Grund beider Aufhebungen, bei denen Papst Pius VI. aktiv teilnimmt, wird die desolate Finanzlage aufgeführt. Beim vermögenden Chorherrenstift Indersdorf wird dies von Aussenstehenden schnell als nicht haltbare Behauptung erkannt. Anders bei Osterhofen. Hier ist eine Verschuldung vorhanden. Der klosterfeindliche Geistliche Rat in München listet als Aufhebungsgrund nebst dem Schuldenwesen auch Disziplin- und Gottlosigkeit der Mönche auf. Die Aufhebung von Osterhofen wird noch von heutigen Historikern als Gläubigerschutz-Massnahme dargestellt.
Osterhofen wird von der Kurfürstenwitwe Maria Anna von Sachsen als Fundationsgut für ihr neugegründetes adeliges Damenstift St. Anna in München gekauft. Die ehemalige Klosterherrschaft mit den weiten, bis nach Österreich reichenden Ländereien hat nun plötzlich, auch nach Bezahlung der Schulden, genügenden Ertrag zum standesgemässen Unterhalt von vorerst zehn adeligen Fräulein. Das in München von bürgerlichen Nonnen geräumte Kloster St. Anna wird jetzt adeliges Damenstift.[25] Osterhofen ist nun nur noch Gutsherrschaft zum Unterhalt der Münchener Adelsdamen und wird von einem Verwalter geführt.
Obwohl sich nie «Damen» in Osterhofen aufhalten, wird aus dem Damenstiftsgut noch im 19. Jahrhundert Osterhofen-Damenstift.[26]

Saekularisation   Mehr zur Aufhebung, der Klostergeschichte nach 1783 und den Gebäudeschicksalen siehe im Anhang


Die barocken Bauten

Neubau der Konventflügel

OsterhofenVor1701   Vorgängerbauten
Das mit 1703 datierte Porträt des Abtes Ferdinand enthält Vogelschau-Ansichten des Klosters aus Süden. Unter dem Bildtitel «Dominus dedit» ist das Kloster vor dem Brand zu sehen.[27] Abgebildet ist eine Zweihofanlage südlich der Stiftskirche. Im nördlichen Kreuzganghof ist die frühgotische Puchberger-Kapelle zu sehen, die an einen niederen Kreuzgang-Westflügel angeschlossen ist. Der zweigeschossige Ostflügel nimmt bereits die heutige Länge ein. Die dreigeschossige Prälatur von 1593 begrenzt den südlichen Hof im Westen. Ein zweigeschossiger Mittelflügel trennt die Höfe. Im Süden sind Prälatur und Ostflügel durch einen ebenfalls zweigeschossigen Bau verbunden. Die Gemäldedarstellung ist, anders als der Phantasiestich von Ertl im Chur-Bayerischen Atlas 1690, völlig zuverlässig.[28]

Die Ausschnitte aus dem Porträt von Abt Ferdinand Schöller (1703) zeigen das Kloster vor dem Brand 1701 (nebenstehend) und den Zustand nach dem Brand (unten). Auf dem Bild nach dem Brand ist der Südflügel bereits dreigeschossig wiederaufgebaut.
Bildquelle: Deggendorfer Geschichtsblätter 2002 Heft 23. ©Fotograf R. Scharf.

Osterhofennach1701   Konventneubau an alter Stelle
Abt Ferdinand Schoeller beginnt noch 1701 mit dem Wiederaufbau des Ostflügels. Vielleicht kann er aufgehende, vom Brand wenig betroffene Bauteile noch nutzen.[29] Der Grundriss lässt vermuten, dass nur gegen den Gang zum Innenhof verbreitert aufgebaut wird. Allgemein wird auf Antonio Rizzi als Baumeister hingewiesen. Rizzi ist aber zu dieser Zeit fürstlicher Baumeister in Neustadt an der Waldnaab. Vielleicht ist der Abt anfänglich Planer und Leiter des Neubaus. Auf ihn als Liebhaberarchitekt deuten das Zirkelmass in seiner Rechten und der Plan in seiner Linken hin.
Zudem lässt eine weitere Vogelschauansicht mit der Überschrift «surgit de cinere Phoenix» im Porträt von Abt Ferdinand keinen Zweifel daran, dass schon 1703 der Ostflügel an alter Lage dreigeschossig wiederaufgebaut ist. Alle anderen Flügel mit Ausnahme der Puchbergerkapelle sind noch zerstört. Den Südabschluss des Ostflügels bildet der im Bau befindliche Eckrisalit von 6 x 3 Fensterachsen.
1703, sicher aber 1704 muss der Bau kriegsbedingt eingestellt werden. Erst gegen Ende des Spanischen Erbfolgekrieges wird, nun mit Antonio Rizzi, nach dem Konzept des Abtes weitergebaut. Derart wird der Südflügel vielleicht schon ab 1712 weitergeführt und ebenfalls mit einem Eckrisalit abgeschlossen.[30] Der Flügel ist unterkellert und auch im Erd- und Obergeschoss überwölbt. Anschliessend baut Rizzi den Westflügel, der um 1717 noch nicht ganz fertiggestellt ist. Der Westflügel mit der Prälatur entspricht in seiner östlichen Fassadenlinie dem alten Kreuzgang. Mit 101 Meter Länge schiebt er sich der Kirche um 32 Meter nach Norden vor und verdeckt so die alte Doppelturmfront. Der bei Wening und auch auf Gemälden von 1742 und 1748 dargestellte nordwestliche Endrisalit ist im Uraufnahmeblatt 1827 noch vorhanden. Sein Abbruch erfolgt nach 1833.


Die Räume
Die über 200-jährige Neunutzung der Klosterflügel hat Spuren hinterlassen. Vor allem die Raumnutzung hat sich stark verändert. Zur Klosterzeit befinden sich die barocken Haupträume in den beiden Eckrisaliten. Im Erdgeschoss des südöstlichen Risalits liegt das Refektorium, drüber im ersten Obergeschoss der Rekreationsraum und im zweiten Obergeschoss die Bibliothek. Das südwestliche Pendant zur Bibliothek ist der grosse Festsaal. Viele Räume der Obergeschosse haben ihre ursprünglichen Stuckdecken der Zeit von 1710 bis 1720 bewahrt. Zartplastischer Stuck dominiert die Gewölbe und Flachdecken. Die Stuckateure sind unbekannt. Die Art der Ausführung lässt auf italienische Stuckateure aus dem Passauer Umfeld der Carlone schliessen.


Neubau der Stiftskirche


Der Vorgängerbau
Die alte Stiftskirche des späten 12. Jahrhunderts, eine dreischiffige Basilika mit Doppelturmfront, ist in der 1723 veröffentlichten Vogelschauansicht von Michael Wening, aber auch im Begleitbild des Porträts von Abt Ferdinand dargestellt. Das mittelalterliche Bauwerk ist seit 1480 eingewölbt und dürfte in dieser Zeit auch gotisch verändert worden sein. Die grossen rundbogigen Obergadenfenster bei Wening entsprechen wahrscheinlich nicht den Tatsachen, denn die Darstellungen von 1703 zeigen noch gotische Fenster. Mit dem Klosterbrand 1701 nimmt auch das Kirchenbauwerk Schaden. Schon 1721 befürchtet Baumeister Rizzi ihren endgültigen Einsturz. Der Geistliche Rat in München verhindert aber aus finanziellen Gründen den notwendigen Neubau bis 1726. Dies, weil die Finanzmittel des Klosters nach den Kriegsjahren 1701–1714 und dem gleichzeitigen Klosterneubau erschöpft sind.

Neubau 1727–1740
Die Kirche ist aber in derart schlechtem Zustand, dass ihr Neubau trotz der Finanzlage nicht verschoben werden kann. 1726 erfolgt im Auftrag des Geistlichen Rates ein erster Besuch des noch wenig bekannten Münchener Baumeisters Johann Michael Fischer in Osterhofen. Sein Gutachten über den statischen Zustand der alten Stiftskirche fällt äusserst negativ aus. Er schlägt einen Neubau vor, aber nicht nach dem vorgelegten «allzu kostbaren Riss», sondern nach seinem Überschlag. Die alten Fundamente werden von ihm berücksichtigt. Wahrscheinlich übernimmt er den alten Chor im aufgehenden Mauerwerk vollständig. Aus dem Wortlaut des Gutachtens Fischer ergibt sich auch, dass bereits ein Kirchenprojekt mit Kostenberechnungen vorliegt. Als Verfasser des ersten Projektes mit Kosten von 20 000 Gulden wird Antonio Rizzi vermutet. Obwohl der Geistliche Rat von Abt Joseph Mari noch immer Garantien verlangt, beginnt Fischer 1726 mit dem Abbruch von Teilen der alten Kirche. Er legt in München den Zeit- und Kostenplan für den Neubau vor, dessen Bau er mit 14 751 Gulden veranschlagt und der 1729 vollendet sein soll.[31] Dokumente zum Bauverlauf fehlen, die Daten dürften aber mit den Angaben Fischers übereinstimmen und 1729 mit der Einwölbung und den Putzarbeiten vollendet sein.
Seit November 1727 ist Paulus Wieninger Abt in Osterhofen. Er zieht 1731 für den weiteren Ausbau «zu jedermanns Verwunderung» die Brüder Asam bei. Bekannt sind die inzwischen berühmten Brüder auch durch die nahegelegene Stiftskirche Aldersbach, wo sie ein Jahrzehnt vorher erstmals gemeinsam tätig sind. 1730 arbeiten Cosmas Damian als Freskant und Egid Quirin als Stuckateur noch in der Kirche St. Anna im Lehel und im Schloss Alteglofsheim. Wie schon für den Rohbau, fehlen auch für die Arbeiten der Brüder in Osterhofen alle Dokumente zu Kosten und Daten.[32] Der Arbeitsablauf muss deshalb durch Jahreszahlen am Bau rekonstruiert werden. 1731 nennt das Chronogramm im Schriftband des Freskos vor dem Chorbogen den Abschluss der Arbeiten im Langhaus. Im nachfolgenden Jahr ist der Chor stuckiert und freskiert, auch der Hochaltar gebaut, denn er trägt die Jahreszahl 1732. Die Zahl 1733 im Chorgitter zeigt die Vollendung der Arbeiten im Chor an. Bis 1735 ist Egid Quirin zeitweise noch anwesend. In dieser Zeit werden zwei Seitenaltäre und vier Kapellenaltäre gebaut. Die fehlenden Geldmittel des Klosters verhindern eine vollständige Fertigstellung. Bis ins späte 19. Jahrhundert bleibt der Innenraum unverändert im Zustand von 1740.

Die Türme

Die von Ertl (1690) und Wening (1723) dargestellten Westtürme sind romanischen Ursprungs und zeigen die nach dem Turmbrand von 1512 erneuerten gotischen Helme. Fischer nimmt diese beiden noch tragfähigen Türme in sein Projekt auf, will ihnen aber barocke Obergeschosse mit Zwiebelhelmen aufsetzen. Derart ist die Kirche im Votivbild von 1742 zu sehen. Auch diese Turmobergeschosse bleiben unausgeführt. Die romanischen Geschosse werden nach 1740 bis auf Kirchendachhöhe abgebrochen. Zwischen diesen bis heute noch vorhandenen Turmstümpfen wird dann 1751, wahrscheinlich noch nach Angaben von Fischer, der mächtige barocke Dachreiter erstellt. Im Gemälde von 1748 ist der Turm bereits derart enthalten.[33]

Osterhofne1748
Das Kloster Osterhofen dient im Österreichischen Erbfolgekrieg (1741–1745) siebenmal als Unterkunft österreichischer Truppen. Das Gemälde zeigt die Ankunft des österreichischen Hauptquartiers des Prinzen Karl Alexander von Lothringen am 23. Mai 1743. Der Maler Johann Georg Käser aus Vilshofen malt es 1748. Das Gemälde zeigt die Klosteranlage mit der Frauenkapelle und der Stadt Osterhofen detailgetreu. Nur bei der Kirche hat der Maler den erst drei Jahre später gebauten Dachreiter, offenbar in Kenntnis des Projektes, schon vorweggenommen. Ein Votivbild von 1742  in der Frauenkapelle, das ebenfalls eine Besetzung des Klosters darstellt, ergänzt dagegen die damals noch turmlose Westfront mit Doppeltürmen. Das Gemälde befindet sich im Oberhausmuseum Passau.
Foto: Wolfgang Sauber 2010.

 

Die Architektur von Johann Michael Fischer

Weiterentwicklung der Wandpfeilerhalle durch Johann Michael Fischer
Johann Michael Fischer hält sich als Geselle fünf Jahre in Böhmen und Mähren auf. Er kommt hier in Kontakt mit der damals eigenständigsten Barockarchitektur Europas, die auf ganz spezifische Weise die Bauten der beiden italienischen Barockbaumeister Borromini und Guarini übersetzt.[34] In Osterhofen ist Fischer in der Grundrissplanung nicht frei, er muss den vorhandenen gotischen Chor und die Umfassungsmauern der Vorgängerkirche berücksichtigen. Er wählt für das Langhaus den bewährten Typus der Wandpfeiler-Emporenhalle. Dieser Bautypus wird in den südlichen deutschsprachigen Ländern als kostengünstige Variante zur römischen Wandpfeilerbasilika und zu den deutschen Freipfeilerhallen verwendet.[35] Fischer schildert die Vorzüge der Wandpfeilerbauweise schon in seinem Gutachten, indem er auf den Wegfall der im Innenraum stehenden Pfeiler (von Freipfeilerhallen oder Pfeilerbasiliken) hinweist und die neue Weite des Innenraums preist.[36] Die grosse Leistung Fischers in Osterhofen ist die Neuinterpretation der Wandpfeilerbauweise aufgrund seiner Erfahrungen mit dem radikal-bewegten böhmischen Barock und dessen Zentralisierungs-Tendenzen. Im vorgegebenen Rechteck-Grundriss von Osterhofen führt er diese Zentralisierung ein, indem er von fünf Jochen nur die mittleren drei Wandpfeiler-Abseiten auf die volle Höhe öffnet. Die anschliessenden Abseitenöffnungen der Joche Ost und West des Langhauses sind schmal und reichen nur bis zum Horizontalgebälk, das hier und im Chor durchgehend ist. Sie dienen in ihrer Fortsetzung den ausgerundeten Übergängen zur Choröffnung und zu den Westabschlüssen. In den drei zentralen Abseitenräumen oder Wandpfeiler-«Kapellen»[37] zeigt Fischer nicht nur die Vorteile einer Wandpfeilerhalle, sondern auch eine klare Abkehr vom Rechteckraum. Die ovalen, aus der Maurermasse herausgeschnittenen Hohlkörper sind zwar keine Neuerfindung. Fischer wendet diese Form aber erstmals konsequent in einem Wandpfeilersaal an.[38] Die Ovalform erfasst hier alles, selbst die Fenster und vor allem die sphärisch-konvex vorspringenden Bogenarkaden mit den Emporenbrüstungen zwischen den konkav ausgebildeten Wandpfeilerstirnen.
Das Tonnengewölbe im Langhaus und im Chor setzt, wie auch die zu böhmischen Kappen umgewandelten Quertonnen der Wandpfeiler, erst über einer Attika des Gebälks an. Im Langhaus ist der Innenraum 22,5 Meter hoch.

Der Innenraum der Brüder Asam

Die Innenraumgestaltung von Cosmas Damian und Egid Quirin Asam 1731–1735
In der allgemeinen Wertschätzung gilt Osterhofen nicht als Meisterwerk Fischers, sondern als Asamkirche. Diese höhere Wertschätzung der Maler ist schon zur Barockzeit üblich. Sie zählen zu den Künstlern, was weder für die planenden Baumeister noch für die Stuckateure gilt. Noch in der umfangreichen Klostergeschichte von 1884 werden die Arbeiten der Asam ausführlich beschrieben, ohne den Namen des Baumeisters auch nur zu nennen. Fischer ist jetzt völlig vergessen.[39] Die Kirche Osterhofen gilt noch lange als ein Werk der Brüder Asam. Heute wird Fischer selbst im offiziellen Führer mit dem Titel «Asambasilika» wieder erwähnt.
Eine Asamkirche oder -Basilika ist Osterhofen nicht, aber sie lebt im Innenraum von der unvergleichlichen Gestaltungskraft der Brüder Asam.[40] Architekturhistoriker kritisieren zwar ihre Neigung «zu pomphaftem Prunkgebaren» und die dadurch verursachte Übertönung der prägnanten Klarheit und feinen Musikalität der Fischer-Architektur.[41] Die kräftigen Vergoldungen und die flächenfüllende Zusatzornamentik der 1880er-Jahre mögen im Langhaus zu diesem Eindruck beitragen. Ohne das Raumkleid und die Ausstattung der Brüder Asam wäre Osterhofen zwar noch immer meisterhafte Architektur, aber kein Gesamtkunstwerk mehr. Der Kirchenraum muss deshalb als gemeinsame Arbeit des leitenden Baumeisters Fischer und der sensibel auf seine Architektur reagierenden Brüder Asam betrachtet werden. Zwei Hauptkomponenten des Barocks – lebendige baumeisterliche Klarheit und gefühlsreiche Bildphantasie – treffen sich in Osterhofen schöpferisch.[42]

Die Raumstuckaturen von Egid Quirin Asam
Die beiden Brüder Asam arbeiteten 1731 gemeinsam in Langhaus und Chor. Die Stuckaturen von Egid Quirin sind raumumgreifend, ordnen sich aber der Architektur von Johann Michael Fischer unter. Beginnend mit seinen phantasiereichen Kapitellen und Pfeilergebälken, etwa den Konsolen der Gesimse, sind alle Gewölbegurten mit grün hinterlegter Régence-Ornamentik versehen, die sich dann als Bänderrahmung den Rahmen der Deckenfresken anschmiegt. Die Gewölbegurten im Mittelraum des Langhauses sind in ihrer Formgebung nur noch dekorativ. Gosse vollplastische Engel stützen das Rahmenband um das Hauptfresko. Freie Fruchtgehänge, Vasen und Putten bilden weitere Blickpunkte. Über dem Chorbogen und dem westlichen Blendbogen Volutenrahmungen mit Wappenkartuschen als Bekrönung. Stuckmarmorsäulen tragen die Orgelempore, die Stuckmarmorfelder an den Wandpfeilerstirnen sind mit Medaillons unterbrochen. Die Farbigkeit wäre ohne die penetranten Goldfassungen ausgewogen. Ob sie und auch die unnötigen Ornamentmalereien in allen freien Flächen von den Asam vertreten werden könnten? Wahrscheinlich sehen wir heute eine freie Barock-Interpretation von 1879/83.

Die Deckenfresken von Cosmas Damian Asam
Cosmas Damian Asam malt 1731 in den Sommermonaten die Deckenfresken. Bildthemen der Fresken in den Gewölben des Langhauses und des Chors sind Szenen aus dem Leben des hl. Norbert. Osterhofen ist für Asam die erste und einzige Kirche mit diesen Themen. Er setzt im Hauptbild die Szenen an den Rand einer zum Himmel geöffneten Tempelarchitektur. Auch im Chor ist eine Kuppel-Scheinarchitektur Träger der Norbert-Szene. In die Abseiten malt er unter den Emporen sechs Darstellungen aus dem Marienleben, darüber sechs Christusszenen. Unter der Westempore ist die Tempelreinigung zu sehen. In der Kapelle des ursprünglichen Westeingangs zwischen den Türmen stellt sich Asam als demütiger Zöllner selbst dar. Alle Fresken sind heute, im Gegensatz zum übrigen Raumkleid, wieder von Ergänzungen der Jahre 1879/83 befreit. Mehr zum Bildprogramm siehe in den Bilderläuterungen und im Grundriss.

Ausstattung

Die Chorgestaltung mit Hochaltar und Chorgestühl, wahrscheinlich auch alle Altäre im Langhaus, sind Werke der Brüder Asam oder deren Werkstatt. Es sind vorwiegend Stuckmarmorarbeiten von Egid Quirin, der in Osterhofen mit Unterbrüchen noch bis 1735 tätig ist.[43]

Hochaltar und Chorgestühl im Psallierchor
Der tiefe Psallierchor wird von Egid Quirin Asam als Stuckateur und Altarbauer und von Cosmas Damian Asam als Maler zum eigentlichen Blickfang der Kirche umgestaltet. Hier, im von Fischer umgebauten gotischen Chor, wirkt selbst nach den nivellierenden Eingriffen von 1879/83 die Gestaltungskraft der Brüder Asam unverändert.

Chorgestühl
Schon 1731 vollendet Egid Quirin das Chorgestühl. Er erstellt beidseits des Chors 10 oder 12 einreihige Stallen mit Dorsalen und Pulten aus Stuckmarmor. Das Gestühl wird (um 1880 ?) auf der Abschluss-Seite zum Langhaus asymmetrisch verändert und hat heute je 11 Plätze.[44] Die Stuckmarmor-Dorsale sind mit vergoldeten Reliefdarstellungen versehen und verbinden damit zur gleichen Reliefgestaltung am Hochaltar.

Hochaltar
Der Baldachin-oder Ziborien-Hochaltars von 1732 steht im polygonalen, ehemals gotischen  Chorabschluss in einer gekonnten Gegenlichtregie. Er ist eines der grossen Meisterwerke des Altarbauers Egid Quirin Asam. Vier spiralig gedrehte Stuckmarmorsäulen sind in einer Tiefe von drei Metern auf hohen Sockeln frei in den Chorabschluss gestellt.[45] Im Grundriss bilden sie ein Trapezoid, das vordere Paar mit sechs Metern, das hintere mit fünf Metern Achsabstand. Dieses hintere Säulenpaar steht beidseits der freigestellten Mensa, vor dem wandgebundenen Retabel mit dem Altarblatt von Cosmas Damian Asam. Es ist der Kirchenpatronin gewidmet.[46] Die vier Säulen, die vorderen stehen völlig frei, sind über dem Gebälk mit lebhafter Figuralplastik verbunden. Das vordere Säulenpaar wird mit einer Halbbogen-Spange aus phantastisch gestalteten Evangelisten-Symbolen überbrückt. Girlanden mit darin turnenden Putti verbinden mit der Seitenwand. Über dem Altarblatt tragen Engel auf einem Wolkengebilde das stehende Lamm Gottes. Es steht im Gegenlicht des Glorienfensters. Von hier breiten sich goldene Strahlenfächer im ausgerundeten Gewölbeabschluss aus. Auf den seitlichen Sockelerweiterungen des vorderen Säulenpaars stehen polierweisse und überlebensgrosse Figurengruppen, links die Allegorie des siegenden Glaubens, rechts die Allegorie der Hoffnung. An allen Säulensockeln sind, gleich wie am Chorgestühl, goldene Reliefs mit Darstellungen des Martyriums der hl. Margaretha angebracht. Ein grosses Kunstwerk ist auch die Tabernakelgruppe von Egid Quirin Asam. Breiter als das Altarblatt, steht sie wie die Mensa frei vor dem hinteren Säulenpaar. Ein anbetender und ein rauchfassschwingender Engel seitlich des Tabernakels sind Lindenholzplastiken, ursprünglich silbergefasst und heute golden. Der Tabernakel wird von einer goldenen Gloriole hinterfangen, die auf ihm stehende Christusfigur ist eine neuere Zutat.

Stifterfiguren
Vom Kirchenbesucher kaum einsehbar, hat Egid Quirin Asam im Hochaltarbereich zwei weitere stuckplastische, nun farbig gefasste Gruppen geschaffen. In beide Chorfenster fügt er unten eine Balustradenbrüstung ein, an der links der legendäre Herzog Odilo mit seiner Gemahlin Hilmtrudis, rechts Herzog Heinrich mit seiner Gemahlin Luitgard stehen. Herzog Heinrich hält den Plan der Vorgängerkirche in der Hand, die deutlich als siebenjochige und dreischiffige Pfeilerbasilika dargestellt ist. Die beiden Herzogspaare sind in ihrer farbigen barocken Volkstümlichkeit so verschieden von den davorstehenden weissen Altar-Allegorien in der Tradition Berninis, dass sie auch deshalb überraschen.

Langhaus-Altäre und Kanzel
1732 bis 1734 baut Egid Quirin Asam auch Altäre im Langhaus. Es sind die beiden Seitenaltäre am Choreinzug, nördlich ist es der Rosenkranzaltar und südlich der Altar der Heiligen Sippe. In den mittleren Wandpfeiler-«Kapellen» legt er er die Altäre des hl. Norbert (Nord) und des hl. Nepomuk (Süd) an die Aussenwand. Diese vier Stuckmarmor-Altäre sind unten kurz beschrieben. Die weiteren vier Altäre in den Wandpfeiler-«Kapellen» östlich und westlich der Mitte könnten auch von Egid Quirin erstellt sein, weil drei Altarblätter aus der Asam-Werkstatt stammen.[47] Die ausgewogen gestalteten, einfachen Ädikula-Säulenretabel sind im Ovalraum jeweils an die Wandpfeiler gestellt. Östlich der Mitte ist dies der Altar der hll. Johannes Baptist und Johannes Evangelist (N) sowie der Schutzengelaltar (S). Ihre Altarblätter werden  Cosmas Damian Asam oder seinem Sohn Franz Erasmus zugeschrieben. Westlich der Mitte stehen die Altäre der Kirchenlehrer Augustinus und Dionysus (N) sowie der Apostel Petrus und Paulus (S). Das Blatt des letztgenannten Altars wird neuestens auch Cosmas Damian Asam zugeschrieben. Zur Lage der Altäre siehe den Grundriss.

Seitenaltäre am Choreinzug
Beide Seitenaltäre beanspruchen die volle Höhe der ausgerundeten Wandübergänge zum Chor. Auf einem hohen Predella-Sockel mit stehenden «Heiligen Leibern» (im nördlichen Altar ist der «Heilige Leib» durch einen klassizistischen Tabernakel ersetzt) sind farbig gefasste Figurengruppen platziert. Auf dem nördlichen Sockel überreicht die thronende Muttergottes den Rosenkranz an den hl. Dominikus und die hl. Katharina. Im südlichen Altar thront in der Mitte die hl. Anna mit dem Kind Maria, ihr zur Seite steht Joseph und Joachim. Eine angedeutete Stuckmarmor-Ädikula hinter den mittig thronenden Hauptfiguren geht in eine riesige goldene Spangenkrone über, die von zwei grossen Hermenengeln getragen wird. Die Altäre sind im Aufbau schwer zu verstehen. Als ob nicht bereits genügend dekorative Elemente die Tektonik verschleiern würden, hängen beidseits der Altäre, jetzt in die Pilaster übergreifend, zusätzlich je ein Dutzend Medaillons an langen Bändern.[48] Beide Altäre sind zudem stark von den Neufassungen und Vergoldungen von 1879/83 geprägt. Die damalige Auffassung barocker Farbigkeit illustriert sich auch an den Altären.[49]

Mittlere Abseitenaltäre
Klarer im Aufbau, und auch in den Bildwerken überzeugender sind die beiden mittleren Abseitenräume gestaltet. Hier zeigt Egid Quirin Asam wieder sein Können. Die Ovalräume  werden von ihm dreiseitig mit Stuckmarmor und Stuckplastiken förmlich vereinnahmt. Er stellt die Mensa in italienischer Manier an die Aussenwand. Zusammen mit den Figurenbaldachinen an den Seitenwänden gibt er den Mittelräumen eine grosse Wichtigkeit und betont damit zusätzlich die schon von Fischer beabsichtigte Zentrierung des Langraumes. Die Retabel der Queraltäre greifen in das Fensterlicht ein. Sie bestehen aus einem Glassarg mit den gemalten Leichnamen des hl. Johann Nepomuk (Süd) und des hl. Norbert (Nord), darüber eine farbig gefasste Stuckplastik dieser knienden Heiligen vor einem Altar, dessen Tabernakel bereits im Gegenlicht steht. An den seitlichen Wänden dominieren in Ädikulanischen zwischen Stuckmarmor-Spiralsäulen die Heiligen Florian und Sebastian (Süd) sowie Laurentius und Nikolaus (Nord).

Kanzel

Egid Quirin Asam stellt die Kanzel nicht mehr fertig. Erst 1879/83 erhält sie einen flachen goldenen Strahlenkranz als Schalldeckel verpasst. Auch der einfache weisse Kanzelkorb mit einem Frontrelief wird damals mit Rocaillen vervollständigt und stark vergoldet.

Klosterheraldik

Üblicherweise bringen auch Prämonstratenseräbte ihre Wappen in oder an den von ihnen vollendeten Bauten an. In der neuen Stiftkirche ist am Chorbogen stattdessen eine Kartusche mit dem Christus- und Marienmonogramm angebracht. Erhalten sind die Äbtewappen der Barockzeit vor allem auf Grabsteinen. Sie sind meist als Zwei- oder Dreischildwappen ausgeführt. Weil die Abtei kein Wappen des Konvents führt, ist bei den Dreischildwappen das dritte Schild nach demjenigen von Abtei und Abt immer ein Phantasiewappen.

Abteiwappen

OsterhofenWappen1Kloster   OsterhofenWappen3Kloster   OsterhofenWappen2Kloster   Den ersten, heraldisch rechten Platz im Mehrschildwappen erhält immer das Abteiwappen. Das Wappentier ist ein Basilisk, wie das Fabeltier aus der Mischung von Hahn und Drachen genannt wird. Es steht auf einem Dreiberg. Die Farben sind offenbar nicht überliefert und wechseln. Meist ist in Blau ein goldener Basilisk dargestellt
      Links: Der Basilisk im Grabstein Abt Ferdinand Schöller 1717
Mitte: Der Basilisk im Wappen Abt Joseph des Wening-Stiches 1723
Rechts: Der Basilisk im Grabstein von Abt Joseph Mari 1727 (der blaue Grund hier zugefügt)


Wappen der Bauäbte des 18. Jahrhunderts

OsterhofenWappenSchoeller   OsterhofenWappen1717   Abt Ferdinand Schöller (1701–1717)
An der Aussenwand des Konvent-Westflügels, an der Orgelempore der Frauenkapelle  und auch im Porträt des Bauabtes Ferdinand Schöller ist sein Dreischild-Wappen zu sehen. Sein persönliches Wappen zeigt in Blau gekreuzte goldene Ährenbüschel, überhöht mit drei goldenen Sternen. Das dritte Wappen ist freigewählt. Der auf einem Dreiberg stehende Mann  mit Federhut und Lanze und Fähnlein oder mit Stab wendet sich einem geflügelten Wesen auf seiner erhobenen rechten Faust zu.[50]
    Links: Das Mehrschildwappen des Abtes Ferdinand an der Emporenbrüstung der Frauenkapelle (1710). Foto: Bieri 2022
Rechts: Der Grabstein des Abtes Ferdinand Schöller am Konvent-Westflügel. Foto: Bieri 2016


OsterhofenWappenMari   OsterhofnenGrabsteinMari   Abt Joseph Mari (1717–1727)
Das persönliche Wappen des Bauabtes Joseph Mari ist quadriert. Über der Toreinfahrt (1722) wird es von zwei Mohren gehalten, es ist als Dreischildwappen im Wening-Stich von 1723 und auch an seinem, leider kaum mehr lesbaren Epitaph in der Frauenkapelle enthalten.[51] In Feld 1 und 4 ist in Silber ein halber schwarzer Mohr mit Pfeilbogen zu sehen. In Feld 2 und 3 liegt in Blau eine Mondsichel. In seinem dritten, freigewählten Wappen ist Maria als Immaculata dargestellt.
   
Links: Das Mehrschildwappen des Abtes Joseph im Wening Stich 1723.
Rechts: Der kaum mehr lesbare Grabstein des Abtes Joseph in der Frauenkapelle mit der Immaculata an erster Stelle. Foto: Bieri 2022.


OsterhofenWappenWieninger   Abt Paulus Wieninger (1727–1764)
Sein persönliches Wappen ist in Blau schrägrechts geteilt, unten zwei goldene Schrägrechtsbalken, oben ein silbernes Einhorn.
Das dritte, freigewählte Wappen zeigt das Lamm Gottes.
  Gehe zum Mehrschildwappen des Abtes Paulus aus der Klosterheraldik Altbayerns (E. Zimmermann 1930) mit dem Anklicken des nebenstehenden persönlichen Wappens.


Pius Bieri 2021

 


Literatur:

Hugo, P. OPraem Louis: Sacri et canonici Ordinis Praemonstratensis annales. Pars prima, Tomus II (p. 462–472). Nancy 1736.
Sittersperger, Johann Nepomuk: Geschichte des Klosters Osterhofen-Damenstift, Passau 1875.
Sittersperger, Johann Nepomuk: Geschichte des Klosters Osterhofen-Damenstift, Passau 1884.
Backmund, P. OPraem Norbert: Monasticon Praemonstratense, Tomi primi. Straubing 1952.
Mader, Felix und Ritz, Joseph Maria: Die Kunstdenkmäler von Niederbayern, Bezirksamt Vilshofen. München 1926.
Bushart, Bruno und Rupprecht, Bernhard (Hrsg.): Cosmas Damian Asam 1687–1739, Ausstellung im Kloster Aldersbach, Katalog. München 1986
Dischinger, Gabriele und Peter, Franz (Hrsg.): Johann Michael Fischer 1692−1766. Band I, Tübingen 1995.
Dischinger, Gabriele (Hrsg.): Johann Michael Fischer 1692−1766. Band II, Tübingen 1997.
Steiner, Peter B.: Asambasilika Osterhofen-Altenmarkt. Kunstführer, 24. Auflage. Regensburg 2016.
Wartena, Sybe: Die süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance zum Klassizismus. München 2008.
Web:
Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte:
Historischer Atlas von Bayern, Landkreis Vilshofen, 1972
https://geschichte.digitale-sammlungen.de//hab/band/bsb00007664
Störmer, Wilhelm: Heinrich II. Schenkungen an Bamberg, in: Deutsche Königspfalzen. Göttingen 1996.
https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a117448.pdf
Geschichtsverein Deggendorf. Hefte 7 (1986), 9 (1988), 10 (1989), 12 (1991), 14 (1994), 23 (2002), 35 (2013). http://www.geschichtsverein-deggendorf.de/geschichtsblaetter
 
Beiträge zur Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, sowie zur Aufhebung:
Geschichtsverein Deggendorf. Hefte 2 (1982), 10 (1989), 13-2 (1992 Professbuch Osterhofen), 27 (2005), 32 (2010), 38 (2016). http://www.geschichtsverein-deggendorf.de/geschichtsblaetter


Anmerkungen:


[1] Die Geschichte von Osterhofen beginnt mit dieser ersten Erwähnung als Königspfalz 833. Für eine ältere herzogliche Pfalz an dieser Stelle sprechen keine Quellen. Noch 1926 übernehmen die Verfasser der Kunstdenkmäler von Bayern (XIV. Bez.-Amt Vilshofen) die Überlieferung, 837/39 habe Herzog Odilo in den «Mauern seines Palastes» eine Benediktinerabtei mit einem Gründungskonvent aus der Reichenau gestiftet, die dann in den Ungarnstürmen untergegangen sei. Die heutige Geschichtsschreibung schliesst jede Gründung vor 1100 aus, lässt aber monastische Vorformen in der Pfalz als Möglichkeit gelten.

[2] Heinrich V. von Lützelburg (Luxemburg), Bruder der Königin Kunigunde, Herzog von Bayern 1004–1009. Nach der Versöhnung mit dem Bamberger Schwager ist er 1017–1026 erneut Herzog. Er lässt sich nach der Überlieferung mit der Gemahlin Luitgard in seiner Stiftung Osterhofen bestatten, wo Egid Quirin Asam 1732 das Stifter-Ehepaar im Altarraum als Logenzuschauer modelliert.

[3] Sie werden in der älteren Literatur als weltliche Kanoniker (Sittersperger 1875), später als Regularkanoniker (Stadlthanner 1983) bezeichnet. Bischof Otto I. verpflanzt die Kanoniker vielleicht nach Aldersbach, wo er ein neues Chorherrenstift fördert (das dann 1146 den Zisterzienser übergeben wird). Mehr dazu siehe unter «Aldersbach» in dieser Webseite.

[4] Die Strasse verläuft landeinwärts rechts der Donau von Regensburg über Straubing nach Passau. Nach Plattling überquert sie auf zwei Brücken die Isar. Sie folgt einem römischen Patrouillenweg. Der Warenverkehr spielt sich auf der Donau ab, die von dem neuen Markt Osterhofen eine halbe Wegstunde entfernt ist.

[5] Mehr zur städtebaulichen Struktur von Osterhofen siehe in der Dokumentation 67 der Städtebauförderung in Niederbayern [http://www.pg504.de/pdf/verkehrsplanung_strassen_wege_plaetze/broschuere_stadt_osterhofen.pdf]. Die Stadt bleibt über Jahrhunderte Kleinstadt. Sie hat Anfang des 19. Jahrhunderts 137 Anwesen, die jetzt Altenmarkt genannte Klostergemeinde zählt 83 Anwesen. 1822 schreibt Joachim Heinrich Jäck von der Stadt, dass sie sehr nett und rein sei, die Einwohner gebildet durch den häufigen Verkehr mit Reisenden, «und die schlanken Mädchen machten sich durch sanfte Mundart, holde Blicke, Bescheidenheit und schönen Kleiderschnitt sehr anziehend».

[6] Die Prämonstratenserklöster in Altbayern sind Windberg (1130), Osterhofen (1138), Schäftlarn (1140), Neustift bei Freising (1143), Steingaden (1147) und St. Salvator in Griesbach (1309). Nachdem 1628 die Oberpfalz an das kurfürstliche Bayern kommt, wird das in der Reformation aufgehobene Stift Speinshardt 1661 von Steingaden neu besiedelt. Alle sieben Klöster werden 1803 säkularisiert. Mehr zum Orden siehe im Glossar «Kirche» in dieser Webseite.

[7] Die Zirkarie ist eine Verwaltungseinheit der zentralistischen und hierarchischen Ordensstruktur der Prämonstratenser. Sie richtet sich in ihrer Grösse nach der Erreichbarkeit durch die Visitatoren. Im süddeutsch-österreichischen Gebiet sind dies im 17. und 18. Jahrhundert drei Zirkarien:
Schwaben, umfassend die Bistümer Basel, Strassburg, Konstanz, Chur und Augsburg bis zum Lech. Nach der Reformation zählt sie Zirkarie 16 Klöster, davon sechs Reichsabteien.
Bayern mit der Ausdehnung vom Lech bis Wien, umfassend die Bistümer Augsburg (östlich des Lechs), Freising, Eichstätt, Regensburg, Salzburg, Brixen und Passau. Die Zirkarie Bayern wird erst 1601 von der Zirkarie Schwaben getrennt. Sie umfasst sieben Klöster in Bayern, drei Klöster des Bistums Passau in Oberösterreich und ein einziges Kloster im grossen Bistum Salzburg (Griffen in Kärnten).
Wadgassen, umfassend die Bistümern Mainz, Trier, Worms, Speyer, Würzburg und Bamberg. Nach der Reformation zählt die Zirkarie vier Klöster.
In 17 Bistümern und drei Zirkarien sind demnach zur Barockzeit noch 30 Prämonstratenserklöster vorhanden.

[8] Schlägl (Oberösterreich, Mühlviertel), lateinisch Plaga, wird 1218 vom böhmischen Kloster Mühlhausen neu besiedelt. Es liegt im Bistum Passau und in der Zirkarie Bayern. Die Fälschungen des Passauer Bischofs, später auch des Propstes von Schlägl, dienen der beabsichtigten Loslösung vom böhmischen Mutterkloster. Fälschungen von Urkunden sind im Mittelalter weit verbreitet und vor allem im Hochmittelalter eine Spezialität der Kloster-Skriptorien. Sie sind teilweise nötig, um überlieferte Rechte gegenüber Drittansprüchen zu behaupten. Mehr zu den Fälschungen um Schlägl siehe unter [https://www.zobodat.at/pdf/JOM_149a_0327-0394.pdf].

[9] Backmund in «Monasticum Praemonstratense» 1952. Völlig andere Angaben in Sitterperger 1875, der mit 22 namentlich genannten Professen zwischen 1593–1625 wahrscheinlich die stimmberechtigen Konventualen 1604 (6) und 1625 (16) aufführt. Bei den Nennungen Backmunds werden vielleicht nur die Patres gezählt. Anlässlich der Wahl 1630 sind in der Wahlurkunde 10 wahlberechtigte Patres, 4 Fratres, 4 Novizen und 2 Konversen aufgezählt.

[10] Christoph Dimpfl (1594–1672). Profess 1611. Studien in Ingolstadt. Abt OPraem 1630–1672. Deputierter der bayerischen Landschaft für das Rentamt Landshut. Der letzte Landtag in München wird 1669 abgehalten.
[Mehr zur bayerischen Landschaftsverordnung zur Zeit der Kurfürsten siehe im Einschub].

[11] Aus der Topographia von Wening 1723. Ich habe über den Stadtbrand und seine Ursache in der zugänglichen Literatur keine weiteren Angaben gefunden. Ein Rückzug von Truppen Bernhard von Weimars ist erst Ende November 1633 aus der Gegend Vilshofen bekannt, bei der dieser die zerstörten Isarbrücken bei Plattling wiederaufbauen lässt und sie am 2. Dezember passieren kann.

[12] Die Frauenkapelle am Hof liegt rund 60 Meter nördlich des Klosters. Ein Gelübde des Klosterwirts und des Herrenkochs steht am Anfang. Sie geloben angesichts der Schwedengefahr 1632 den Bau einer Marienkapelle, falls die Gegend von Brandschatzung und Plünderung durch die Schweden verschont bleibe. Erstaunlich ist, angesichts der überlieferten Brandschatzung des Städtchens Osterhofen, dass die Kapelle bald nach 1632 gebaut und 1638 geweiht wird. Mit der «Gegend» im Gelöbnis ist offenbar nur Altenmarkt gemeint, oder die Brandschatzung des Städtchens hat nie stattgefunden. 1641 lässt Abt Christoph das heutige Langhaus anfügen. 1720 folgt die Ausmalung. Sie soll ein Spätwerk von Melchior Steidl sein. Mehr dazu siehe in [https://erdteilallegorien.univie.ac.at/erdteilallegorien/altenmarkt-deggendorf-maria-zuflucht-der-suender].

[13] Gottfried Molitor (1639–1703) aus München, Profess 1660, Studien in Dillingen. Abt OPraem 1672–1675, dann Resignation.

[14] Michael Steinmayr oder Stainmayr (1638–1701) aus Landshut. 1674–1701 Generalvikar der Zirkarie Bayern, Prälatensteurer, Landsteurer und Verordneter des Rentamtes Landshut der bayerischen Landschaft.
[Mehr zur bayerischen Landschaftsverordnung zur Zeit der Kurfürsten siehe im Einschub].

[15] Ferdinand Schoeller (1668–1717), Profess 1688, Studium in Innsbruck. Dr. theol. Abt OPraem in Osterhofen von 1701–1717. Apostolischer Pronotar, Landsteurer des Rentamtes Landshut der bayerischen Landschaft.
[Mehr zur bayerischen Landschaftsverordnung zur Zeit der Kurfürsten siehe im Einschub].

[16] In der Regel wird die zehnjährige Administration in bayrischen Geschichtsquellen als österreichische Besatzung und die Administration als Besatzungsmacht bezeichnet. Beteiligt an der Besatzung sind allerdings auch württembergische und fränkische Reichstruppen. Dass die «Besatzungsmacht» vor allem aus der bayrischen Beamtenschaft besteht und auf den Opportunismus und die Gefolgschaft der Bürger und des bayrischen Adels zählen kann, wird ausgeklammert. Leidtragende sind nur die Bauern. Sie werden mit Quartierlasten und Zusatzsteuern noch stärker als zur kurfürstlichen Zeit belastet, was auch prompt zum grausam unterdrückten Bauernaufstand von 1705 führt. Nur an ihm scheinen die bayrischen Historiker Interesse zu haben.

[17] Antonio Rizzi (1671–1725) aus San Vittore in Graubünden. Er ist Dorf- und Altersgenosse des Eichstätter Hofbaumeisters Gabriele de Gabrieli. Rizzi ist seit 1712 in Osterhofen tätig. Für die Stiftskirche erstellt er 1721 ein erstes Gutachten und auch Neubaupläne. Er kommt darin zum gleichen Schluss wie 1726 Johann Michael Fischer. Zu Antonio Rizzi siehe die Biografie in dieser Webseite.

[18] Joseph Mari (1675–1727), auch «Mary», aus Landshut. Kaufmannssohn. Profess 1690. Studien in Innsbruck. 1717–1727 Abt OPraem von Osterhofen.

[19] Bisher ist über den Neubau der Klostergebäude und der barocken Klosteranlage von Osterhofen jede Forschung ausgeblieben. Absurd und jenseits jeder Evidenz ist die Festlegung des Beginns der Wiederherstellung erst 16 Jahre nach dem Brand unter Abt Joseph Mari, wie dies im Dehio Niederbayern (1988) beschrieben ist.

[20] Johann Michael Fischer (1692–1766) aus Burglengenfeld, Baumeister («Maurermeister») seit 1723. Mehr zu Johann Michael Fischer siehe in der Biografie in dieser Webseite.

[21] Paulus Wieninger (1696–1764) aus Osterhofen. Profess 1713. Abt OPraem von Osterhofen 1727–1764. Er ist 1734 bis 1764 auch Prälatensteurer, Landsteurer und wird 1764 auch Verordneter der Landschaft.
[Mehr zur bayerischen Landschaftsverordnung zur Zeit der Kurfürsten siehe im Einschub].

[22] Zu Cosmas Damian (1686–1739) und Egid Quirin Asam (1692–1750) siehe die Biografien in dieser Webseite.

[23] Der Krieg Bayerns mit Österreich ist eine Folge der Grossmachtsgelüste des bayerischen Kurfürsten, der die Konfrontation mit Österreich durch seinen Anspruch auf die Kaiserkrone und dem Einmarsch in Österreich herbeiführt. Schon Anfang 1742 muss das Kloster 7000 Gulden Kontributionen errichten. Die Abtei dient siebenmal als Hauptquartier österreichischer Truppen mit den entsprechenden Plünderungen. 1743 bricht in der Klosterökonomie ein durch unvorsichtige Soldaten ausgelöster Brand aus. Schadensumme: geschätzte 50 000 Gulden. Zum Vergleich: Fischer baut die Kirche 1727–1729 für 14'761 Gulden (Stand Überschlag 1727). Die Gesamtkosten des Kirchenneubaus können mit 50 000  Gulden (1,7 Gulden/m3) angenommen werden. Eine Baurechnung fehlt leider ebenso wie seriöse Angaben zu den Klosterfinanzen.

[24] Michael Liggleder (1706–1784) aus Osterhofen, Sohn des Klosterrichters. Taufname Franz Ferdinand Joachim. Studium in Wilten. Abt OPraem von Osterhofen 1765–1783.

[25] Gründung 1785. Die bürgerlichen Salesianerinnen müssen ausziehen und werden nach Indersdorf disloziert. Zehn adelige Fräulein, welche das 15. Lebensjahr zurückgelegt haben und eine Probe von 16 adeligen Ahnen vorweisen können, werden in St. Anna zu München aufgenommen. Die Stelle der Äbtissin soll eine regierende Landesfürstin oder eine Prinzessin aus dem Haus Wittelsbach bekleiden. Das Damenstift überlebt auch die Säkularisation. Noch 1833 leben hier adelige Damen mit einer Präbende.

[26] Mehr dazu in den Kapiteln des Anhangs:                                

Von der Säkularisaton in die Gegenwart:
Säkularisation 1783               Adeliges Damenstift Osterhofen?       Die Englischen Fräulein
Gebäudeschicksale nach 1783:               
Die Klostergebäude nach 1783                Die Stiftskirche nach 1783       «Damenstiftskirche» und «Asambasilika»

[27] Die Datierung des Porträts befindet sich im Wappen des Abtes links seiner Schulter.

[28] Der Stecher Johann Ulrich Krauss kann das Kloster nicht gesehen haben, denn bei ihm liegt es auf der Nordseite der Kirche.

[29] Der alte Ostflügel scheint auf dem Gemälde zweigeschossig. Sein Baujahr ist unbekannt. Das Dormitorium, üblicherweise das Obergeschoss des Ostflügels, wird unter Abt Johannes IX. (1579–1593) gewölbt. Dieser erbaut auch die Prälatur.

[30] Mittels Dendrochronologie (Entnahme von Holzproben der Geschossbalken und des Dachstuhls) könnten die Bauetappen genau eingekreist werden. Das Interesse an dieser präzisen und kostengünstigen Methode (oder an ihrer Publikation) scheint aber bei der Denkmalpflege nicht vorhanden.

[31] In den Kosten des Voranschlags sind alle Maurerarbeiten, der Dachstuhl, die Gewölbe, alle Verputzarbeiten und der Wandverputz enthalten. Nicht enthalten sind Fuhr- und Eigenleistungen des Klosters. In der Regel betragen die Rohbauarbeiten mit Material- und Fuhrleistungen 40 Prozent der Baukosten. Ausbauarbeiten sind in den Baumeisterakkorden nie enthalten.

[32] Weder Akkorde noch Abrechnungen für die Arbeiten der Brüder Asam sind vorhanden. Für den hohen Schuldenstand des Kloster nach 1740 sind aber weder der Bau des Klosters noch der Kirche verantwortlich. Die Belastung durch den Kloster- und Kirchenneubau von 1701-1740 (geschätzte 158'000 Gulden bei 1,7 Gulden / m3) ergibt im Jahresdurchschnitt rund 4000 Gulden. Jedes Kloster mit Jahreseinnahmen über 20 000 Gulden (die meisten im Kurfürstentum) hätte diese Belastung gemeistert. Leider sind auch die Jahreseinnahmen von Osterhofen bisher nicht erforscht.

[33] Ausführung durch den Stadtzimmermeister von Schärding, Andreas Höretsberger.

[34] Johann Michael Fischer ist als Geselle in Brünn wahrscheinlich beim Baumeister Moritz Grimm (1669–1757) tätig, der aus Achdorf bei Landshut stammt. Grimm ist zu dieser Zeit gesuchter Baumeister für Sakralbauten. Bekannt ist sein späterer Umbau der gotischen Freipfeilerhalle von St. Peter und Paul in Brünn. Er baut diese Kathedrale 1743/46 in eine Wandpfeilerhalle um, die in Grundriss und Längsschnitt grosse Ähnlichkeit mit Osterhofen aufweist. Gehe zu https://sbirky.moravska-galerie.cz/dielo/CZE:MG.B_14855 und https://sbirky.moravska-galerie.cz/dielo/CZE:MG.B_14858.
Die Einflüsse des böhmischen kurvierten Barocks auf Fischer dürften vor allem in der zentralisierenden Tendenz der Bauten von Christoph Dientzenhofer liegen, wie zum Beispiel der Klosterkirche von Břevnov im Westen von Prag (1709–1722). Eine weitere Dientzenhofer-Kirche, die Klosterkirche von Banz, gebaut 1710–1719 durch Johann Dientzenhofer, ist nicht nur die erste Kirche des bewegten Barocks in Süddeutschland, sie könnte auch Fischer bekannt sein. Zu Christoph und Johann Dientzenhofer siehe die Biographien in dieser Webseite.

[35] Zum Typus der Wandpfeiler-Emporenhalle siehe das Glossar in dieser Webseite, Buchstabe W. Die erste Wandpfeilerhalle in Dillingen (1617) ist noch ohne Seitenemporen. Mit dem Aufkommen der Vorarlberger Baumeister setzt sich die Wandpfeilerhalle mit Emporen bei den Klosterkirchen des deutschsprachigen Südens durch. Der letzte grosse derartige Vorarlbergerbau vor Osterhofen ist die 1724 fertiggestellte Stiftskirche in Weingarten.

[36] «Betreffent ein iedoch dem Closter conform schenes Gotthaus nach aller Möglichkeit ausgedenckt habe, auch weill die allzugrosse Pfeiller genzlichen ausbleibeten, dises Gottshaus eine solche Weithe bekhommen würde, das umb ein nambhafftes mehrer Volckh weeder vorhin begreiffen würde»

[37] Üblicherweise werden die Wandpfeiler-Abseiten in der Herleitung aus der basilikalen Bauweise als Kapellen beschrieben. Ich setze hier diese Bezeichnung in Anführungszeichen, weil bei einer Wandpfeiler-Emporenhalle der Raum über den Seitenemporen nun gar nichts mehr mit einer Kapelle gemein hat.

[38] Johann Dientzenhofer öffnet in der Wandpfeilerhalle von Banz (1707) die Abseiten als Halboval, ähnlich wie Guarino Guarini in einigen seiner Kirchen (Prag, Paris, Lissabon). In der Wandpfeilerbasilika von Waldsassen (1690–1700) sind die Seitenkapellen bereits annähernd oval geformt. Im Grundriss als ovaler Hohlkörper ausgeschnitten sind auch die Kapellen im Zentralbau von Sant' Andrea al Quirinale von Bernini.

[39] Erst 1889 wird Fischer durch Cornelius Gurlitt (1850–1938), mit Hinweis auf Ottobeuren und Zwiefalten, als bedeutender Barockbaumeister wieder bekannt. Osterhofen ist Gurlitt damals noch nicht bekannt.

[40] Als Asamkirche dürfte eigentlich nur die Kirche in der Sendlinger-Strasse in München bezeichnet werden, welche die Brüder Asam als Bauherren und Entwerfer bis 1733–1739 bauen. Die Asam sind keine Architekten, auch wenn Cosmas Damian sich in Weltenburg als Maler und Architekt bezeichnet. Gehe dazu zum Exkurs «Sind die Brüder Asam auch Architekten?» in dieser Webseite. Die Nennung von sakralen Bauwerken mit Beteiligung der Brüder Asam als Asamkirche oder Asambasilika ist nur in Bayern üblich. Denn wem käme es in den Sinn, Maria-Einsiedeln als Asamkirche zu bezeichnen? Oder Weingarten als Asambasilika?

[41] Benard Schütz in «Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben» (2000)

[42] Norbert Lieb in «Barockkirchen zwischen Donau und Alpen» 1953.

[43] Er arbeitet in diesen Jahren auch in St. Emmeram Regensburg, wo er 1732–1733 den Innenraum barockisiert; ist 1733–1734 an der Asamkirche in München tätig; 1734–1735 auch in der Salesianerinnen-Klosterkirche St. Anna in München; wahrscheinlich 1734 auch im Kongregationssaal der Jesuiten in Ingolstadt.

[44] Heute ist das Gestühl mit je 11 Stallen asymmetrisch. Wahrscheinlich 1879/83 wird der Abschluss zum Langhaus neobarock verändert. Sybe Wartena vermutet in «Die Süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus» eine Zufügung nach 1783 und schreibt diese dem Damenstift zu. Das Damenstift St. Anna in München kann es aber nicht sein, weil es die Pfarrkirche seines Gutes Osterhofen nie benutzt, auch weil eine derart rekonstruierende barocke Architektursprache zu dieser Zeit längst dem strengen Klassizismus gewichen ist. Ich vermute, dass der Abschluss auf Wunsch der Englischen Fräulein bei den umfassenden neobarocken Eingriffen von 1879/83 mit der heutigen Ecklösung versehen wird und das Gestühl damit von symmetrischen je 12 Stallen auf 11 (6+5) gekürzt wird. Diese Ecklösung illustriert auch den Aufwand, der 1879/83 für die barocke Neugestaltung der Kirche aufgewendet wird. Gehe zur Beschreibung bei Sybe Wartena

[45] Eine Verwandtschaft mit dem Bernini-Tabernakel in St. Peter wird von Kunsthistorikern gesehen. Die Kombination des Kolonnadenaltars mit gedrehten Säulen mag diese Verwandtschaft erklären. Allerdings ist die Art des Ziboriums schon länger verbreitet, etwa der Hochaltar im Dom zu Fulda (1712) von Giuseppe Battista Artari. Noch länger kennt man die gedrehten Säulen, wie etwa am Hochaltar von Aldersbach (1723).

[46] Das Altarblatt des Hochaltars ist von Cosmas Damian Asam 1732 signiert. Es ist 4 Meter breit und 7 Meter hoch. Sein Thema ist die Enthauptung der heiligen Margaretha. Es zählt zu den besten Arbeiten Asams als Ölmaler.

[47] Diese vier kleineren Altäre finden in der Kunstgeschichte ausser bei Mader/Ritz (1926) kein Interesse. Im «Dehio» (1988) werden sie totgeschwiegen. Nur ihre Altarblätter finden manchmal Beachtung, auch weil drei davon der Asam-Werkstatt zugeschrieben werden. Sie ragen allerdings nicht über den Durchschnitt heraus. Das Hauptblatt des Altars der hll. Augustinus und Dionysus ist das Werk eines Münchener Malers um 1860.

[48] Im Rosenkranzaltar die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes, drei davon im Attika-Auszug unter der Krone. Im Altar der Hl. Sippe sind es Darstellungen der Kindheit Mariens und Jesu.

[49] 1879/83 werden die Altäre neu gefasst und vergoldet. Der südliche Altar der Hl. Sippe soll bis zu diesem Zeitpunkt  ohne Fassungen verblieben sein. Er wird damals übermalt und bei der Restaurierung von 1976 dem nördlichen Rosenkranzaltar angeglichen. Wir sehen also in Osterhofen Altäre mit mehrfach veränderten Fassungen, die mit Sicherheit nicht mehr dem ursprünglichen, wahrscheinlich bedeutend klarer strukturierten Bild entsprechen. Die beiden Altäre sind aber nicht nur deswegen schwer verständlich, auch ihre grossen bildhauerische Diskrepanz zu den überzeugenden Bildwerken am Hochaltar oder in den mittleren Abseiten gibt Rätsel auf.

[50] Die Wappenfigur gibt Rätsel auf. Vor allem das geflügelte Wesen auf seiner rechten Faust ist für mich nicht zu entziffern. Der Mann mit Federhut ist sicher kein Krieger, wie auch vermutet wird. Eine ähnliche Darstellung findet sich bei Cesare Ripa 1603 Seite 134. Dort ist es ein Pilger im Exil, der aber nur einen Falken trägt.

[51] Das Marmorepitaph eines hervorragenden Bildhauers ist wegen Wasserschaden und Vernachlässigung kaum mehr lesbar. Beschreibung bei Sittersperger 1875, Seite 100.

 

 

 

 

 

 

 


Die Frauenkapelle

OsterhofneFrauenkapelle   OsterhofenKapelleDecke   OsreerhofneKapelleWand
 
OsterhofneFrauenkapelleDecke
Die Kapelle «Maria Zuflucht der Sünder» oder «Frauenkapelle» nördlich der ehemaligen Stiftskirche wird 1738 gebaut und 1741 von Abt Christoph Dimpfl um das Langhaus erweitert. Mehr dazu siehe in Anmerkung 12.
Die Ausmalung von 1720 soll eines der letzten Werke von Melchior Steidl sein. An die Decke ist, umgeben von kleineren Bildern mit Engeln und Texten aus der Lauretanischen Litanei, ein grösseres Hauptfresko gemalt. Es zeigt die Verherrlichung Mariens durch die vier Erdteile. Sie sitzt mit dem Jesuskind in einem von Tauben gezogenen Triumphwagen.
Über der Architekturmalerei des Eingangs ist Maria als Immaculata gemalt. Die Immaculata ist auch immer das dritte Wappen des Abtes Joseph Mari. Deshalb halten Putti seitlich die weiteren Wappenschilde des Abtes, links den Basilik des Klosterwappens, rechts das Wappen Mari mit dem pfeilschiessenden Mohr und der Mondsichel. Darunter ist ein weiterer Schild mit dem Lamm Gottes (?) zu sehen, der aber in der Klosterheraldik unbekannt ist. Fotos: Bieri 2022.

 

 

 

 

 

 

 




Ehemaliges Prämonstratenserkloster und Stiftskirche Osterhofen-Altenmarkt
OsterhofenInnen1
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Osterhofen-Altenmarkt
Niederbayern D
Kurfürstentum Bayern

Bistum (18. Jh.) Baubeginn
Passau 1701
Bauherr und Bauträger
Abt OPraem Ferdinand Schoeller (reg. 1668–1717)
Abt OPraem Joseph Mari (reg. 1717–1727)
Abt OPraem Paulus Wieninger (reg. 1727–1764)
Fresken und Stuckaturen der Brüder Asam in den Langhausgewölben. Horizontale Untersicht von der Orgel bis zum Chor. Foto: Bieri 2022.
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Der Innenraum Richtung Hochaltar gesehen. Foto: Bieri 2016.
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OsterhofenGoogleEarth
Luftaufnahme GoogleEarth 2019. Vergleiche mit dem Lageplan 1820 unten.
OsterhofenLageplan
Lageplan der ehem. Prämonstratenserabtei um 1827, mit den blau hinterlegten barocken Gebäuden der Klosterzeit. Für die Vergrösserung mit den Erläuterungen bitte anklicken.
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Grundriss des ehemaligen Klosters (ohne Raumveränderungen nach der Säkularisation).
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Die Klosterkirche vom Innenhof gesehen. Foto: Bieri 2022.
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Der Konvent-Westflügel. Foto: Bieri 2022.

Der Kirchenraum
OsterhofenKircheGrudnrissSchnitt
Grundriss und Schnitt der ehemaligen Stiftskirche. Der Plan verdeutlicht die geniale Lösung des Baumeisters Fischer, der die ursprünglich längsbetonte Wandpfeiler-Emporenhalle von fünf Jochen zu einer mittebetonten Halle von drei Jochen umgestaltet und die beiden Restjoche zu geschlossenen Oratorien umformt. Im Grundriss ist die ovale Negativform der sechs Abseiten-Nischen mit den vorgeschwungenen Emporen ablesbar, eine weitere und vom kurvierten böhmischen Barock beeinflusste Meisterleistung Fischers in Osterhofen. Die Doppelturmfront der Vorgängerkirche (siehe den Wening Stich im Text) ist heute nur noch im Grundriss sichtbar.
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Überwältigt von der schwelgerischen Stuck-, Fresken- und Altarausstattung erkennt der eintretende Besucher die architektonische Qualität des Innenraums erst auf den zweiten Blick. Der im späten 19. Jahrhundert auf zusätzlichen Prunk getrimmte «Decor» entspricht nicht mehr dem spätbarocken Innenraum von 1735. Man muss sich die allgegenwärtigen Grisaille-Flächen und das Zuviel an Gold wegdenken, um den Brüdern Asam gerecht zu werden.
Foto: Bieri 2016.
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Der Blick zur Seite, hier zu den drei nördlichen Abseiten, verdeutlicht die Abkehr von der rektangulären Wandpfeilerbauweise mittels einer alles umfassenden Kurvierung: Die Wandpfeilernischen sind auf der ganzen Höhe eine längsovale Rotunde, die Arkadenbögen und die Emporen sind konvex vorschwingend, die Wandpfeiler-Stirnen konkav gemuldet. Foto: Bieri 2016.
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Blick zur Südseite in die Wandpfeiler-Arkaden mit den an eine Theaterloge erinnernden vorschwingenden Emporen. Foto: Bieri 2016.
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Weniger spektakulär ist der Blick zur Rückseite. Eine barocke Orgel kann aus Geldmangel zur Klosterzeit nicht verwirklicht werden. Die heutige Orgel mit dem Freipfeifen-Prospekt von 1958 nutzt die Nische zwischen den beiden Turmstümpfen.
Foto: Bieri 2016.
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Die architektonische Mittebetonung des Wandpfeiler-Emporensaals wird durch die Altargestaltung von Egid Quirin Asam unterstützt. Hier die Südseite-Mitte mit dem Nepomuk-Altar. Foto: Bieri 2016.
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Der Blick an der gleichen Stelle nach oben, zum Übergang der Wandpfeiler-Arkaden in das Tonnengewölbe. Architektur, Stuck und Fresken bilden eine Einheit.
Foto: Bieri 2016.
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Egid Quirin Asam zeigt sein Können nicht nur bei den freiplastisch schwebenden Engeln und seinen Stuckmarmor-Ausstattungen, er gestaltet auch die Wandpfeilerköpfe in meisterlicher Art. Foto: Bieri 2016.
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In strenger Régence gestaltet Egid Quirin Asam die Stuckaturen der Gewölbeflächen, wie hier am letzten Gewölbejoch vor dem Chor. Das Bild von Cosmas Damian Asam zeigt die Geburt Christi und die Profess des hl. Norbert. Oben ist der Ost-Abschluss des Mittelfreskos mit der Papstaudienz des hl. Norbert sichtbar. Das Chronogramm im Spruchband ergibt die Jahreszahl 1731.
Foto: Bieri 2016.

Altäre und Fresken der Brüder Asam
OsterhofenGrundrissAusstattung
Im Kirchengrundriss sind hier (anklicken!) die Altäre und Deckenfresken der Brüder Asam erläutert.
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Der Hochaltar ist eines der grossen Meisterwerke von Egid Quirin Asam. Man betrachte den Grundriss oben, um die raffinierte Tiefenstapelung des Retabels zu erahnen. Foto: Bieri 2016.
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Cosmas Damian Asam signiert das Altarblatt des Hochaltars 1732. Das Gemälde ist 4 Meter breit und 7 Meter hoch. Sein Thema ist die Enthauptung der heiligen Margaretha. Es zählt zu den besten Arbeiten Asams als Ölmaler. Von gleicher Qualität ist der freistehende Tabernakel von Egid Quirin Asam mit den beiden anbetenden Engeln.
Foto: Bieri 2016.
Unten:
Die beiden Seitenaltäre am ausgerundeten Übergang vom Langhaus zum Chor beanspruchen die volle Raumhöhe. Im Aufbau schwer zu verstehen und viel zu bunt gefasst, werden sie zudem 1879/83 noch unnötig mit Medaillons ergänzt und umgebaut. Was wir heute sehen, ist das Ergebnis unnötiger Eingriffe.
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Die plastische Mittelgruppe im nördlichen Seitenaltar stellt die Rosenkranzübergabe der Muttergottes an den hl. Dominikus und die hl. Katharina dar. Foto: Bieri 2016.
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Im südlichen Seitenaltar ist die Gruppe der hl. Anna zu sehen. Sie hält Maria auf dem Schoss und wird vom hl. Joseph und dem hl. Joachim flankiert. Darunter ist der stehende «Heilige Leib» noch erhalten.
Foto: Bieri 2016.
OsterhofenAltar5
In den beiden mittleren oval geformten Wandpfeiler-Abseiten ist die Altarmensa an die Aussenwand gestellt, hier  der Norbert-Altar der Nordseite. Im Glassarg liegt der gemalte Leichnam des hl. Norbert. Diese beiden Altäre leben vor allem von den seitlichen Ädikulanischen und ihrer Figuralplastik (unten diejenigen des Nepomuk-Altars der Südseite).
Foto: Bieri 2016.
OsterhofenAltar5Florian
In der westlichen Nische des Nepomuk-Altars steht zwischen gedrehten Stuckmarmorsäulen der hl. Florian in Rüstung und bekämpft einen Brand.
Foto: Bieri 2016.
OsterhofenAltar5Sebastian
In der Ostnische des Nepomuk-Altars steht, ebenfalls in Rüstung, der hl. Sebastian.
Foto: Bieri 2016.
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Im westlichen Vorraum zwischen den romanischen Turmstümpfen (dem ehemaligen Zugang vom Westflügel in die Kirche), malt Cosmas Damian Asam sein Selbstporträt als reuiger Zöllner. 1731 ist er 45 Jahre alt. Foto: Bieri 2016.
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In das mittlere Gewölbe unter der Empore (über dem Otto-Oratorium) malt Asam die Tempelreinigung in grossartiger Dramatik.
Foto: Bieri 2022.
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Die Gewölbe des Langhauses und des Chors mit ihren Fresken vom Eingang gesehen. Das grosse Mittelfresko korrespondiert mit den drei mittleren Abseitenarkaden. Foto: Bieri 2016.
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Die drei Gewölbebilder des Langhauses in der Horizontalansicht, gesehen nach vorne. Unten das östliche Fresko mit der Geburt Christi und der Profess des hl. Norbert.
In der Mitte das Hauptfresko, das sich über drei Joche erstreckt. In seinem Randbereich sind vier Szenen aus der Norbert-Vita zu sehen. Sie sind nachfolgend beschrieben. Das westliche (hier obere) Fresko hat den Tod und die Glorie des hl. Norbert zum Thema. Foto: Bieri 2016.
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Hauptfresko Ost: Die Bestätigung des Ordens durch Papst Honorius II. in Rom.
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Hauptfresko Längsseite Nord: Der hl. Norbert predigt unter dem flammenden Kruzifix zum Volk.
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Hauptfresko Längsseite Süd: Der hl. Norbert bekämpft mit der Monstranz den Häretiker Tanchelin.
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Hauptfresko West: Der hl. Norbert als Berater des Kaisers Lothar.
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Im Kuppelfresko des Chors empfängt der hl. Norbert in einem scheinperspektivischen Rundtempel von der Muttergottes mit Kind das Ordensgewand, während der hl. Augustinus die Regeln überreicht.
Foto: Bieri 2016.  
Chorgestühl und Kanzel
OsterhofenI9Chor
Die Chorseitenwände der mittelalterlichen Kirche müssen von Baumeister Fischer übernommen werden. Hier die von ihm neu gestaltete Südseite gegen den Kloster-Ostflügel. Die verglasten Öffnungen dienen einem Oratorium des Ostflügels, während die nördliche, gleich gestaltete Gegenseite natürlich belichtet ist. Foto: Bieri 2016.
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Aussergewöhnlich ist das Chorgestühl (1731) von Egid Quirin Asam nicht nur wegen seines künstlerischen Wertes, es ist auch eines der wenigen Chorgestühle, deren Dorsale aus Stuckmarmor mit vergoldeten Stuckplastiken bestehen. Das ikonografische Programm der Plastiken ist Prämonstratenser-Heiligen gewidmet. Mehr dazu in Anmerkung 44 im nebenstehenden Text. Foto: Bieri 2016.
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Das Chorgestühl der Nordseite. Die Abwinkelungen mit dem zusätzlichen Stuhl sind nachträgliche neubarocke Ergänzungen von 1879/83. Siehe dazu auch die Anmerkung 44. Foto: Bieri 2016.
OsterhofenKanzel
Die Kanzel wird nicht von Egid Quirin Asam ausgeführt. Ihr Schalldeckel, die Vergoldung und der Rocaille-Stuck (!) stammen aus der «Restaurierung» von 1879/83. Man mag sich gar nicht vorstellen, was die damaligen Restauratoren noch alles vergoldet haben.
Foto: Bieri 2016.


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Von der Säkularisation in die Gegenwart

Säkularisation 1783
Die Regierung des 1765 gewählten Abtes Michael Liggleder fällt in die Zeit einer zunehmenden Feindschaft der Monarchen und Fürsten Europas gegen alle Orden mit zentralistischer, von ihnen nicht kontrollierbaren Organisation. Erstes Vorzeichen der Säkularisation ist die 1773 von ihnen betriebene Aufhebung des Jesuitenordens durch den zeitblinden Papst Clemens XIV. Der bayerische Kurfürst ist mitbeteiligt. Das Kurfürstentum ist zu dieser Zeit hoch verschuldet. Im Gegensatz zu heute kann zur Schuldentilgung nicht die Inflation angeheizt werden. Die Kurfürsten bedienen sich im 18. Jahrhundert deshalb zur Finanzierung der Staatsausgaben  gerne bei den überwiegend gut wirtschaftenden Klöstern.[1] Seit 1761 ist der klosterfeindliche Peter von Osterwald Direktor des Geistlichen Rates in München, der in Bayern über jede Angelegenheit der landsässigen Klöster entscheidet. Für Osterhofen verfügt er 1769 ein Aufnahmeverbot von Novizen. Damit sind die Zeichen für die spätere Vermögenssäkularisation schon beim Amtsantritt des Abts Michael Liggleder unübersehbar. Im Hintergrund agiert auch die Kurfürstin Maria Anna von Sachsen, die eine Auflösung von Osterhofen zugunsten eines adeligen Damenstifts begrüssen würde. Abt Michael bemüht sich vergeblich um Tilgung der Schulden, die bei seinem Amtsantritt einen Viertel des Anlagevermögens betragen. Weitere Investitionen in Bauvorhaben unterbleiben. So bleiben die geplanten Doppeltürme der Klosterkirche unvollendet. 1777 wird der pfälzische Kurfürst Carl Theodor auch Kurfürst von Bayern. Schon im August 1783 lässt er durch eine Bulle des willfährigen Papstes Pius VI. das vermögende Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf zu Gunsten des Kollegiatstifts Unserer Lieben Frau in München aufheben.[1] Kurfürst Carl Theodor ermöglicht mit diesem Schachzug eine finanzielle Absicherung des nun dem weiblichen Adel vorbehaltenen Münchener Hofstifts. Ähnliche Motive führen zur gleichzeitigen Aufhebung von Osterhofen. Am 29. November 1783 genehmigt der Papst die Aufhebung der Prämonstratenserabtei zu Gunsten der Finanzierung eines neuen adeligen Damenstifts in München. Vordergründig werden dafür die tatsächlich vorhanden Schulden angeführt.[3] In Wirklichkeit ist es aber das Entgegenkommen des Kurfürsten und seines Geistlichen Rates an die jetzt verwitwete Kurfürstin, die damit mit der Bezahlung der Schulden zu einem Aktivvermögen und zu einträglichen Einnahmen aus dem ehemaligen Klostergut kommt. Sie verwendet das Vermögen als Fundationsgut des adeligen Damenstifts St. Anna in München. Weil die 15 Chorherren des jetzt aufgehobenen Stifts Osterhofen die umliegenden Pfarreien in der Seelsorge betreuen, können sie im Kloster verbleiben. Der letzte Chorherr stirbt 1819.

Adeliges Damenstift Osterhofen?
Noch heute wird die 1783 aufgehobene Abtei mehrheitlich als Damenstift und die Stiftskirche als Damenstiftskirche bezeichnet. Dies nicht erst seit dem späteren Kauf durch die Englischen Fräulein, sondern schon im frühen 19. Jahrhundert. Die Kurfürstenwitwe setzt 1784 einen Herrschaftspfleger für die Verwaltung des Stiftungsgutes ein. Im Staatskalender 1802 wird das adelige Damenstift in München als Inhaber der Herrschaft Osterhofen (1,5 Quadratmeilen; 2490 Seelen; 511 Herdstätten; 1 Pfarrei, 3 deutsche Schulen; 11 grosse und kleine Dörfer; 21 Weiler und Einöden; 127 Höfe) beschrieben. Von einem Damenstift in Osterhofen ist keine Rede. Es ist auch schwer vorstellbar, dass vornehme adelige Fräulein aus München nach Osterhofen ziehen. Die gleichzeitigen Vorgänge in Indersdorf belegen dies.[4] Tatsächlich hat es das Adelsstift oder Damenstift im ehemaligen Kloster Osterhofen nie gegeben. Nicht einmal bürgerliche Nonnen ziehen hier ein. 1822 beschreibt Joachim Heinrich Jäck das in ein grosses Bräuhaus verwandelte Klostergebäude von 336 Fensterstöcken, das jetzt bloss von den zwei Familien des Verwalters und des Bierbrauers bewohnt werde.
Wie kommt es, dass das ehemalige Kloster Osterhofen seit den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts trotzdem als Damenstift gehandelt wird?

Die Englischen Fräulein im ehemaligen Prämonstratenserkloster
1833 wird das Klostergut Osterhofen Staatsdomäne. Im gleichen Jahr schreibt es die Regierung zur öffentlichen Versteigerung aus. Nun wird das Damenstiftsgut erstmals als Damenstift Osterhofen beschrieben.
Die neuen Besitzer der ehemaligen Konvent- und Ökonomiegebäude wechseln nach 1833 mehrfach. Die Umwandlung in eine Kreisirrenanstalt scheitert 1853. Der Abbruch kann 1857 durch einen Bauern aus Altenmarkt abgewendet werden. Er kauft die Anlagen, um die Gebäude an religiöse Stiftungen weiter zu verkaufen. Dies gelingt 1858. Der Schulorden der Englischen Fräulein erwirbt die ehemaligen Klostergebäude.[5] Sie richten hier ein Pensionat mit Schulen für Töchter aus allen Ständen ein und unterrichten an den Schulen bis zur Zeit des Nationalsozialismus. 1951 eröffnen sie die Schulen erneut. Zunehmender Nachwuchsmangel führt 2015 zu Auflösung der Schule. Seither befinden sich die Gebäude in privater Hand.


Gebäudeschicksale nach 1783

Die Klostergebäude nach 1783
Die Kurfürsten-Witwe lässt als neue Besitzerin von Osterhofen ab 1784 alle Gebäude abbrechen, die keine Erträge für ihre neue Stiftung in München abwerfen. Dazu zählen die alte Pfarrkirche St. Georg aus dem 16. Jahrhundert und die Wolfgang-Kapelle mit den Grabmälern der Grafen von Hals und von Leuchtenberg. Die Stiftskirche wird jetzt Pfarrkirche. Dieses Vorgehen ist auch bei der späteren grossen Säkularisation üblich. Nur dann, wenn die alte Pfarrkirche noch genügend gross und gut erhalten ist, wird die jeweilige Stiftskirche abgebrochen. Leider ist von der alten Pfarrkirche und der Wolfgangkapelle kein Bilddokument überliefert. Ihr ungefährer Standort ist im Lageplan (oben) vermerkt.
Auch die frühgotische Puchberger-Kapelle am barocken Westflügel wird schon 1784 abgerissen. Sie ist auf dem Porträt des Abtes Ferdinand Schöller und mit Grabungen dokumentiert. Weitere, heute nicht mehr vorhandene Kapellen im engeren Klosterareal sind gemäss Sittersperger (1884) die Stephanus-Kapelle von 1693 und Jakobus-Kapelle von 1298.
In die drei Flügel des ehemaligen Klosters kommen vorerst eine Brauerei und Wohnungen für die Verwalter und Braumeister mit ihren Familien. Die Konventgebäude haben trotz dieser Unternutzung Glück. Denn nur der nordwestliche Endrisalit fällt 1833 einem Abbruch zum Opfer. Die übrigen Teile bleiben bestehen. Mit der Übernahme durch die Englischen Fräulein 1858 sind die noch bestehenden ehemaligen Klosterflügel gerettet. Erstaunlich viele Räume mit Stuckdecken haben die über hundertjährige Schulnutzung überlebt. 2002–2011 erfolgen eine statisch-konstruktive Instandsetzung des Südflügels und die Restaurierung der Innenräume mit den Stuckdecken durch das Architekturunternehmen Bergmann in Pfaffenhofen.

Die ehemalige Stiftskirche nach 1783
Die Stiftskirche der Prämonstratenser ist seit 1784 Pfarrkirche. Der Staat will sie 1833 der kleinen Pfarrgemeinde schenken. Diese wehrt sich angesichts des über Jahrzehnte vernachlässigten Unterhalts gegen die Übernahme. Für einen Abbruch ist es zu spät, weil sie jetzt Pfarrkirche ist. Erst 1844 anerkennt die Regierung die Baupflicht für die Kirche. Erstmals wird die inzwischen stark renovationsbedürftige Kirche 1860–1864 innen und aussen in die Kur genommen. Eine neue Orgel kommt 1870 anstelle der bisher benutzten ehemaligen Chororgel auf die Westempore. Schon 1879–1883 wird der Innenraum ein weiteres Mal restauriert. Sittersperger beschreibt damals den Innenraum als Renaissanceraum, der sich «in seinem etwas verschwenderischen Reichtum an Stukkaturen dem immer noch edleren Rokoko (oder Zopfstil)» nähere. Damals werden Altäre und Kanzel «mit herrlicher Malerei und Vergoldung» ausgestattet. Auch neobarocke Änderungen werden vorgenommen. So wird das Stuckmarmor-Chorgestühl für die Englischen Fräulein verändert. Das heutige Erscheinungsbild dürfte trotz der späteren Restaurierungen aus dieser Zeit stammen. 1958 weicht die Orgel von 1870 dem heutigen Instrument mit dem «Gartenzaun–Prospekt».[6] Die Sünden der beiden Eingriffe und Sicherungen des 19. Jahrhunderts werden anlässlich der (bedeutend schlechter dokumentierten) Restaurierungen (1966–1967 und 1973–1976) teilweise rückgängig gemacht.

«Damenstiftskirche» und «Asambasilika»

Die Benennung der Kirche ändert im Laufe der Zeit gewaltig. Der Verfasser der einzigen über das Mittelalter hinausgehenden «Geschichte des Klosters Osterhofen-Damenstift», Johann Nepomuk Sittersperger, beschreibt sie 1884 als die «gegenwärtige Stiftspfarrkirche zu Osterhofen-Damenstift». Noch 1926 wird sie im Kunstdenkmälerband korrekt mit «Ehem. Prämonstratenserstiftskirche St. Margaretha» betitelt. Vielleicht ist diese Bezeichnung dem modernen Leser nicht mehr zumutbar, denn erst in neuester Zeit wird sie als Damenstiftskirche bezeichnet. «Ehem. Prämonstratenser-Klosterkirche, ab 1783 Damenstifts-, heute Pfarrkirche » wird sie in der Fachliteratur mit der zudem falschen Reihenfolge genannt (korrekt wäre «ab 1783 Pfarrkirche St. Margaretha, heute Damenstiftskirche»). «1783 Aufhebung der Prämonstratenserabtei und Umwandlung in ein Damenstift» kann man noch im Kunstführer 2016 lesen, der den Titel «Asambasilika Osterhofen-Altenmarkt» trägt. «Basilika Osterhofen-Altenmarkt» ist seit 1982 die übliche Überschrift der Kunstführer. Damals erhält die keineswegs basilikale Kirche den inflationären päpstlichen Ehrentitel einer «basilica minor».[7]

Pius Bieri 2021


Anmerkungen:


[1] Die Staatschuld Bayerns kann bis 1777 von 35 Millionen Gulden auf 9 Millionen Gulden gesenkt werden, unter anderem mit Beteiligung der Klöster. Mehrfach wenden die Landstände, an denen auch Prälaten von Osterhofen mitwirken, den drohenden Staatsbankrott ab. 1777, vor der Vereinigung Bayerns mit der Pfalz, betragen die Schulden trotzdem noch 220% der Staatseinahmen. Bis 1806 erhöhen sie sich für Altbayern wieder auf 28 Millionen Gulden oder 560 % der Staatseinnahmen, dies trotz der Enteignung aller Klostervermögen 1803.

[2] Zu Indersdorf siehe die Dokumentation in dieser Webseite.

[3] Die Zahlen werden leider mit grossen Abweichungen in der Literatur aufgeführt. Gemäss einer zeitgenössischen Vermögensaufstellung des Stiftes Reichersberg beträgt der Aktivstand von Osterhofen 968 896 Gulden, die Verbindlichkeiten 367 290 Gulden oder knapp 40 % des Anlagevermögens. Allerdings ist zu dieser Zeit aus Angst vor Forderungen kein bayerisches Kloster bereit, dem praktisch bankrotten Staat reinen Wein über seine Finanzverhältnisse einzuschenken.

[4] Wie Osterhofen dient auch Indersdorf dem neuen Adelskloster der Kurfürstenwitwe Maria Anna von Sachsen in München. Zwar wird das Vermögen von Indersdorf in das adelige Kollegiatstift Unserer Lieben Frau in München inkorporiert. Damit die Kurfürstenwitwe ihr Projekt eines Adelsklosters in München durchführen kann, muss sie zuerst die Salesianerinnen aus St. Anna ausquartieren. Die bürgerlichen Nonnen von St. Anna in München können sich nicht wehren und werden nach Indersdorf abgeschoben. Die Unverfrorenheit des Adels von 1783 ist das Eine, die Blindheit der bayerischen Geschichtsschreibung gegenüber den damaligen Vorgängen das Andere. 

[5] Zur Kongregation der Englischen Fräulein siehe das Glossar Kirche, Buchstabe E, in dieser Webseite.

[6] Die Orgel von 1958 (Orgelbau Eisenbarth, 22 Register) hat zwar einen linearen Freipfeifenprospekt (despektierlich Gartenzaunprospekt genannt), der sich aber sehr zurückhaltend in die barocke Umgebung einfügt. Interessant, dass sie in allen Kunstführern und auch im Dehio Niederbayern (1988) mit keinem Wort erwähnt ist.

[7] 1830 Kirchen tragen den Titel «basilica minor», allein in den deutschsprachigen Ländern 96. Die allerwenigsten sind Basiliken im architektonischen Sinn. Inflationär ist die Titelverleihung in Italien, Frankreich, Polen und Spaniern (1027 Titel).


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Exkurs

Sind die Brüder Asam auch Architekten?

AsamCosmas   AsamEgid   Cosmas Damian Asam Pictor et Architectus[1]


So lautet die Signatur im Fresko des Kuppelgewölbes in Weltenburg. Ob Cosmas Damian Asam sich wirklich mit dem Zusatz «Architectus» anstelle der Jahreszahl 1721 verwirklicht, ist umstritten. Dies, weil die Jahreszahl heute ausserhalb der Signaturkartusche zu finden ist und der Zusatz «Architectus» seltsam gedrängt geschrieben ist. Vielleicht steht bis zu einer der frühen Freskenrestaurationen die Jahreszahl 1721 anstelle des Wortes Architectus.[2] Die Zweifel werden nicht kleiner, wenn man in Betracht zieht, dass sich sonst keiner der beiden Brüder Asam je als Architekt bezeichnet, weder in Signaturen noch in schriftlichen Dokumenten.
Selbstporträt von Cosmas Damian und Porträt von Egid Quirin Asam, beide um 1725 gemalt. Originale im Diözesanmuseum Freising.
Bildquelle: Ausstellungskataloge, überarbeitet.



Derart werden sie erst von Chronisten bezeichnet, Cosmas Damian für Weltenburg erstmals durch Abt Maurus Kammermacher 1762 und nochmals Anfang des 19. Jahrhunderts von Abt Benedikt Werner. Sein Bruder Egid Quirin wird 1721 in Rohr vom Chronisten als derjenige bezeichnet, «(d)er das Gebäu führte». Beim dritten und letzten Bauwerk, der Johann-Nepomuk- oder Asamkirche in München, würde diese für Rohr noch falsche Benennung sogar zutreffen. Tatsächlich ist Egid Quirin der vielseitigere Künstler als sein Bruder. Die Wahrnehmungen der am Baugeschehen unbeteiligten Personen sind allerdings im 18. Jahrhundert wie noch heute abweichend von den tatsächlichen Planungsvorgängen und ihrer Umsetzung in ein gebautes Werk. Vor allem die Kunstwissenschaft bevorzugt immer grosse Namen.[3] So sind aufgrund der Signatur in Weltenburg und der Nennung als Bauleiter in Rohr Cosmas Damian Asam und Egid Quirin seither nicht nur wirklich grossartige Innenraumgestalter, sondern auch die Baumeister-Architekten der beiden Kirchenbauwerke.

«Architectus ist ein Baumeister»
Dies schreibt noch 1788 Johann Ferdinand Roth in seinem Lexikon. Die Bezeichnung Architekt für den Planer und Leiter eines Bauwerks setzt sich im deutschen Sprachraum erst im späten 18. Jahrhundert durch. Der Baumeister, lateinisch architectus, ist zur Zeit der Brüder Asam für die von ihm geplanten Bauwerken technisch und kostenmässig verantwortlich, auch bei Gebäudeentwürfen von Künstlern oder Bauherren. Im architektonischen Standardwerk «De architectura libri decem» verurteilt der Verfasser Vitruvius die Trennung zwischen dem planenden und ausführenden Baumeister, wie sie in Italien und Frankreich schon im 16. Jahrhundert üblich ist.[4] Die Bezeichnung des Entwerfers als Architekten ist deshalb auch bei den lateinisch gebildeten Klosterchronisten im deutschsprachigen Raum keine Seltenheit. Bei Malern und Bildhauern, die sich als reine Entwerfer von Teilen des Bauwerks oder als Bauplaner betätigen, ist dies sogar üblich. Denn Künstler- Maler oder Bildhauerarchitekten als Baumeister im Sinne Vitruvs zu bezeichnen, ist sogar den barocken Zeitgenossen suspekt. Auch Cosmas Damian ist in Weltenburg nicht Architekt im Sinne des vitruvianischen Baumeisters, ebensowenig wie Egid Quirin Asam in Rohr. Sie wären mit ihrer Ausbildung als Maler und Bildhauer nicht in der Lage, eine Baustelle zu leiten und die Verantwortung für die Einhaltung der Regeln der Baukunst zu übernehmen. Dies schmälert nichts an ihrem architektonischen Gespür für Rauminszenierungen. Ihre Nennung als Baumeister oder als alleinige Architekten der jeweiligen beiden Sakralbauwerke in Weltenburg und Rohr ist aber falsch.

Maler und Bildhauer als Architekten
Die grossen römischen Baumeister Carlo Maderno, Gianlorenzo Bernini und Francesco Borromini entstammen wie Egid Quirin Asam dem Bildhauerhandwerk. Wie Cosmas Damian Asam ist Pietro da Cortona Maler, prägt aber gleichzeitig die römische Barockarchitektur. Auch der für das Architekturverständnis der Brüder Asam entscheidende Andrea Pozzo stammt aus dem Malerhandwerk. Eine Tätigkeit der Asam als Baumeister würde deshalb kaum besondere Beachtung verdienen, wenn sie wie die oben erwähnten Baumeister die Architektur im Sinne von Vitruv als eigenständige Gattung verständen. Sie verstehen aber Sakralbauten nicht, wie dies bis zu ihrem Auftreten üblich ist, als arbeitsteilige Aufgabe zwischen Baumeister, Stuckateur, Bildhauer und Freskanten, «sondern – jenseits damals gängiger Berufs- und Fachgrenzen – als Synthese aller Künste, bei der die malerischen, bildhaften, atmosphärischen Werte zunehmend die tektonischen, struktiven, körperhaften Qualitäten verdrängen».[5] Sie bauen Bildräume, lösen die Architektur auf. Ähnlich planen ihre Wessobrunner Zeitgenossen, die Brüder Johann Baptist und Dominikus Zimmermann. Auch sie stammen aus dem Stuckateur- und Malerhandwerk. Zu den Brüdern Asam besteht aber der entscheidende Unterschied, dass Dominikus Zimmermann auch die Verantwortung als Baumeister übernimmt, etwa in Siessen, in Steinhausen oder bei der Wieskirche.
Es gilt deshalb, von der alten Überzeugung der Kunsthistoriker abzurücken, die Brüder Asam seien die eigentlichen Baumeister-Architekten der Kirchen in Rohr und Weltenburg, auch wenn sie entscheidend deren Innenräume geprägt haben.
Dass sie als Asam-Räume bezeichnet werden, ist eine populäre, und angesichts der grossen Leistung der Asam-Werkstatt auch vertretbare Aussage. Selbst die Kunstgeschichte verdrängt aber gerne, dass die geistlichen Auftraggeber einen barocken Sakralraum viel entscheidender als die Künstler prägen und sie beachtet die übliche Kollektivplanung, die auch zum Ergebnis von Rohr und Weltenburg führt, meist nicht.

Pius Bieri 2019

Literatur
Stalla, Robert: Cosmas Damian Asam und Egid Quirin Asam. Der Maler und Bildhauer als Architekt, in: Architekt und / versus Baumeister. Die Frage nach dem Meister. Zürich 2009.
Egger, Hans Christian: Die Pfarr- und Abteikirche St. Georg in Weltenburg und ihre Baugeschichte. Eine Neuinterpretation. Dissertation Wien 2010.

Anmerkungen

[1] Die lateinischen Bezeichnungen pictor, architectus für Maler und Architekt sind in der Signatur grossgeschrieben.

[2] Vergleiche die einleuchtende Fotomontage in der Dissertation Egger (2010).

[3] Fünf Beispiele für die Bevorzugung grosser Künstlernamen:
1.   Das Stadtpalais Kaunitz-Liechtenstein in Wien wird 1691-1692 von Enrico Zucalli nach eigener Planung im Rohbau erstellt. Dann übernimmt Domenico Martinelli die Leitung. Für Wiener Kunsthistoriker ist nicht der ursprüngliche Planer, sondern der in Wien bekanntere Martinelli Architekt des Palais.
2.   Balthasar Neumann wird in Würzburg als Architekt der Würzburger Residenz bezeichnet, obwohl er im Planungskollektiv von 1729–1738 nur zweiter Planer ist. Maximilian von Welsch (Mainz) und Lucas von Hildebrandt (Wien) als Hauptplaner der Residenz werden kaum genannt. Wie in Wien wird hier eine Lokalgrösse bei der Namensnennung bevorzugt.
3.   Joseph Greissing ist Planer und ausführender Baumeister vieler wichtiger Bauten der Region Würzburg, so unter anderen der berühmten Neumünsterfassade (1710), des Klosters Ebrach (1715) und vieler Kirchen mit wegweisenden Einturmfassaden. Noch lange wollen viele Kunsthistoriker diese Werke Greissing nicht zuschreiben und suchen nach bekannteren Namen wie Johann Dientzenhofer (Neumünster) oder Balthasar Neumann (Ebrach, Kirche von Steinbach). Hier liegt der Grund in der abwertenden kunsthistorischen Einreihung Greissings als Zimmermann und nicht als Baumeister-Architekt.
4.   In Zwiefalten wird 1750–1753 durch den Bildhauer Johann Joseph Christian und den Baumeistern Schneider die Westfassade der Klosterkirche gebaut. Obwohl keine Dokumente auf den Baumeister Johann Michal Fischer hinweisen, der schon 1746 Zwiefalten verlässt, und obwohl die Fischer-Biografin Gabriele Dischinger das Werk ausschliesslich Christian zuordnet, wird noch von Bernhard Schütz (2000) die Fassade als Meisterwerk Fischers bezeichnet. 
5.   Ein moderner Fall, bei dem die eigentlichen Planer verschwiegen werden, um mit einem grossen Namen zu glänzen, ist das Corbusierhaus in Berlin. Le Corbusier entwirft 1956 für Berlin eine «Unité d'habitation». Sie wird zwar gebaut, aber ohne jeden Respekt vor den Plänen und den Intentionen des grossen Architekten. Trotz seiner klaren Distanzierung vom übel geänderten Bau wird Corbusier heute als Architekt des Berliner «Corbusierhauses» bezeichnet.

[4] Vitruv verurteilt in seinem Traktat «De architectura libri decem» die Trennung zwischen einem planenden und einem ausführenden Baumeister. Er nennt den Fachmann, der das Gebäude plant, für die Einhaltung der Regeln der Baukunst verantwortlich ist und das Werk auch erstellt «architectus», im Plural «architecti». Während diese Berufsbezeichnung in den deutschen Ausgaben des Traktates vom 16. bis zum 19. Jahrhundert als Baumeister übersetzt ist, wird der rein ausführende Baumeister selbst in den lateinischen Ländern nie als Architekt bezeichnet. Er wird im deutschen Sprachraum Maurermeister genannt, dieser heisst französisch: Maître maçon (maîte bâttiseur, maître constructeur), und italienisch: Capomastro, capomaestro, capomastro muratore.

[5] Robert Stalla 2009.

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Die bayerische Landschaftsverordnung zur Zeit der Kurfürsten

Landschaft und Landtag
Wie in allen gefürsteten Ländern des Alten Reichs bilden sich im Spätmittelalter auch in den Teilherzogtümern Ober- und Niederbayern Zusammenschlüsse der drei Stände (Prälaten, Adel, Städte und Märkte)[1] der Landschaft zur Wahrung ihrer Interessen gegenüber den Landesfürsten. Sie organisieren sich in den sogenannten Landständen. Zwar haben sie auch nach der Wiedervereinigung des Herzogtums Bayern 1505 noch immer grossen Einfluss auf die Regierungsgewalt, aber im weitern Verlauf des 16. Jahrhunderts versuchen die Herzöge, diese Einflussmöglichkeiten systematisch zu unterbinden. Als der bayerische (und erste) Kurfürst Maximilian I. im Dreissigjährigen Krieg die Oberpfalz erwirbt, schafft er sofort die dortigen Landstände ab. Nur in Altbayern bleiben ihre Strukturen erhalten. Sie sind derart effizient, dass sie von den frühen Kurfürsten nicht in Frage gestellt und selbst von der zehnjährigen österreichischen Administration während des Spanischen Erbfolgekriegs als unabhängiges Gremium übernommen werden. Obwohl die Einberufung eines Landtags unter Kurfürst Maximilian nur noch 1605 und 1612 erfolgt und unter Kurfürst Ferdinand Maria 1669 gar der letzte Landtag im Kurfürstentum abgehalten wird, nutzen die Landschaftsverordneten die neue Situation von 1704–1714 nicht, um mit österreichischer Hilfe alte Privilegien zurückzuholen. Zu stark ist inzwischen ihre Bindung an das absolutistische Kurfürstentum, das am Anfang des 19. Jahrhunderts die Landschaft in mehreren Schritten als mitbestimmendes Gremium abschafft.

Gliederung der Landschaft
Die Landstände Altbayern gliedern sich in die je zwei Rentämter des Ober- und Unterlands (Oberbayern und Niederbayern). Rentämter des Oberlands sind München und Burghausen, Rentämter des Unterlands sind Landshut und Straubing.

Die Landschaftsverordnung
Sie ist trotz des Namens keine Verordnung, sondern ein Leitungs- und Entscheidungsorgan der Landschaft, wie die Vertretung der Stände gegenüber dem Landesfürsten genannt wird. Der Landschaftsverordnung werden am letzten Landtag von 1669 alle Kompetenzen der Landschaft übertragen. Die Verordnung besteht aus 16 Mitgliedern. Jedes Rentamt ist durch zwei Mitglieder des Prälatenstandes, vier Adeligen (auch Ritterstand genannt) und zwei Mitgliedern der Städte und Märkte vertreten. Sie treffen sich jedes Jahr zum «Universale» in München. Die Session dauert im Normalfall einen Monat.
Die Verordneten der Landschaft sind das eigentliche Finanzgewissen der Kurfürsten. Sie beschliessen alle Finanzausgaben. Für die beiden Kurfürsten Max II. Emanuel und seinen Sohn Karl Albrecht ist es vor allem die Schuldenverwaltung.[2] Ihre Treue zu den Kurfürsten ist allerdings derart, dass sie sich zwar gegen die Finanzpraktiken der beiden Schuldenmacher und Kriegstreiber wehren, aber in Staatsinteresse dann immer einen Kompromiss suchen. Die Landschaft wird so zum wichtigsten Bankier des Kurfürsten. Dieser Kooperationsbereitschaft der Landschaft ist es zu verdanken, dass Bayern und seine Kurfürsten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überhaupt kreditwürdig und damit politisch handlungsfähig bleiben.[3]

Herkunft und Wahl der Verordneten
Am ersten Tag der «Universale» in München finden die Neuwahlen statt. Sie sind eher ein Nachrückvorgang, denn fast immer werden bereits als Land- oder Standsteurer tätige Personen an den Platz von verstorbenen (bei Prälaten auch resignierten) Mitgliedern gewählt. Dies, weil das Vorschlagsrecht beim Orden, respektive bei der Familie des Verstorbenen liegt. Selbst versuchte Beeinflussungen durch den Kurfürsten haben in der Regel keinen Erfolg. Die Laufbahn zum Verordneten beginnt deshalb beim Land- oder Standsteurer.

Land- und Standsteurer
Das Kollegium der Land- und Standsteurer ist der Landschaftsverordnung untergeordnet. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich nur auf das jeweilige Rentamt. Jedem Rentamt sind vier Vertreter in gleicher Zusammensetzung wie in der Landschaftsverordnung zugeordnet. Der Landsteurer ist für die direkten Steuereinnahmen der nicht privilegierten Bevölkerung des jeweiligen Rentamts gemäss den Beschlüssen der Landschaftsverordnung verantwortlich. Der Standsteurer ist für die privilegierten Stände der Prälaten (Prälatensteurer), der Adeligen (Rittersteuer), sowie der Städte und Märkte zuständig. Die Steuereinnahmen der Stände betragen kaum einen Fünftel derjenigen des Landes. Das Amt des Standsteurers bedeutet die unterste Stufe der landschaftlichen Karriere, die via Landsteurer in das Gremium der Landschaftsverordnung führen kann. Es ist deswegen und auch wegen der Besoldung von rund 300 Gulden sehr gesucht. Die Wahl erfolgt durch die Landschaftsverordnung und unterliegt strengen Kriterien. Absolute Voraussetzung ist die Begüterung in einem Rentamt, bei Prälaten und Stadtbürger zudem die Ausübung eines Vorsteheramts. Entscheidend für die Aufnahme dürfte bei den vielen Bewerbungen in fast allen Fällen die Empfehlung wichtiger Persönlichkeiten, vorzugsweise aus den die Mehrheit bildenden Adelskreisen sein.

Pius Bieri 2019

 

Literatur:
Hüttl, Ludwig: Max Emanuel, der Blaue Kurfürst. München 1976.
Paringer, Thomas: Die bayerische Landschaft. München 2007.
Igelsbacher, Alois: Die staatliche Finanzkontrolle in Bayern. München 2012. Onlinefassung.

 

Anmerkungen:

[1] Die drei Stände bilden keineswegs eine demokratische Vertretung der Bevölkerung. Sie repräsentieren nur den Herrschaftsbesitz. Der Prälatenstand verfügt über 56 Prozent des gesamten Eigentums an Grund und Boden Altbayerns und übt Herrschaftsrechte über 50,4 Prozent aller in Bayern ansässigen Familien aus. Der Adel verfügt zwar nur über 26 Prozent des Bodens und entsprechend weniger direkter Untertanen, ist aber in der «Landschaft» trotzdem mit 50 Prozent vertreten. Die Städte und Märkte (um die 14 Prozent) vertreten nebst den Untertanen und Stadtbürgern die regierenden Patrizierfamilien und die Zünfte. Von den 34 Städten und 74 Märkten sind im 18. Jahrhundert nur die Städte Burghausen, München, Landshut und Straubing durch ihre Bürgermeister vertreten. Der Kurfürst selbst verfügt lediglich über 10 Prozent des Eigentums an Grund und Boden. Von den 1,1 Millionen Einwohnern Altbayerns (inklusive der Oberpfalz) sind zudem rund 700 000 Bauern, denen jegliches Mitspracherecht abgesprochen wird. Sie dienen ausschliesslich der Sicherstellung des Lebensstandards der Standespersonen und werden von Teilen des Adels dem Vieh gleichgestellt. Quelle: Ludwig Hüttl. Die Zahlen betreffen das dritte Viertel des 18. Jahrhunderts.

[2] Kurfürst Max II. Emanuel erbt 1680 von Kurfürst Ferdinand Maria einen schuldenfreien Staat. Schon 1687 muss die Landschaft einen Staatbankrott wegen seiner immensen Aufwendungen für die Türkenkriege abwenden und Zwangsanleihen verfügen. Dauernd in Kriegszügen abwesend und 1692–1701 mit doppelter Hofhaltung in Brüssel und München, übernimmt sich der Kurfürst weiterhin. Österreich begleicht während der zehnjährigen Besatzung Bayerns selbstverständlich keine seiner Schulden, führt alle bayerischen Einnahmen nach Wien ab und belegt die gutgläubigen Stände und damit die Bevölkerung mit neuen hohen Abgaben. Der Verzweiflungsaufstand der Bauern von 1705 ist eine Folge dieser Belastungen. Nach seiner Rückkehr 1715 vergrössert der Kurfürst die Schuldenlast, die 1720 schon 20 Millionen Gulden beträgt, nochmals. Er ist jetzt finanziell völlig von der Landschaft abhängig und eher Bittsteller als Landesfürst. Das neue Schuldentilgungswerk der Landschaft führt aber nur dazu, dass der Hofstaat die zur Tilgung vorgesehenen Beträge sofort für die Neuaufnahme weiterer Schulden an die Kreditgeber verwendet. So hinterlässt Max II. Emanuel seinem Sohn Karl Albrecht 26 Millionen Gulden an Staatschulden, was 700 Prozent der Staatseinnahmen bedeutet. Das landschaftliche Tilgungswerk erleidet nach dem grössenwahnsinnigen Kaiserabenteuer von Karl Albrecht 1742 einen Rückschlag. Erst unter seinem Nachfolger Max III. Joseph, der sich aus allen Kriegsabenteuern heraushält, können die Schulden Karl Albrechts von inzwischen 35 Millionen Gulden auf 9 Millionen getilgt werden. Diese Summen können nur verstanden werden, wenn man das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Handwerkermeisters von 100 bis 200 Gulden (brutto) in Vergleich zieht. Mehr zum damaligen Geldwert siehe im Glossar «Geld und Mass» in dieser Webseite.

[3] Nach Thomas Paringer in: «Die bayerische Landschaft».


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