Die Meister des Bauwerks (Konventneubau, Beichtkirche und Magdalenenkapelle)
Name Herkunft Text   Tätigkeit von   bis
Michael Kuen (um 1610–1686) Bregenz Vorarlberg ok   Baumeister-Architekt 1674   1675
Johann Georg Kuen (1642–1691) Bregenz Vorarlberg ok   Baumeister-Architekt 1674   1684
Michael Hartmann (1640–1695/99) Wasserburg am Inn, Bayern     Holzbildhauer 1675   1683
Pietro Neurone (17. Jahrhundert) Lugano Tessin     Stuckateur 1682   1684
Giovanni Battista Neurone (17./18. Jh.) Lugano Tessin     Stuckateur 1682   1718
Johannes Brandenberg (1661–1729) Zug     Maler, Freskant 1682   1718
Br. Caspar Moosbrugger (1656–1723) Au Vorarlberg ok   Baumeister-Architekt 1682   1723
Br. Vincenz Nussbaumer (1644–1697) Aegeri Zug     Kunstschlosser 1684   1686
Johann Moosbrugger (1659–1710) Au Vorarlberg     Baumeister 1704   1710

Klosteranlage   Die barocke Klosteranlage
Beichtkirche   Beichtkirche und Magdalenenkapelle
Stiftskirche   Stiftskirche Unserer Lieben Frau von Einsiedeln
Platz   Klosterplatz
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Die barocke Klosteranlage

Benediktinerkloster seit 947
Die Klosteranlage der Benediktinerabtei Maria-Einsiedeln ist ein Hauptwerk der abendländischen Barockarchitektur. Sie ist eines der ganz wenigen Beispiele einer zu Ende geführten regelmässigen, symmetrischen Kloster- und Platzanlage des Barock. Im Gegensatz zu den anderen grossen Fürstabteien des süddeutschen Raumes ist Einsiedeln zudem von säkularen Enteignungsgelüsten der Herrscher und Politiker des 18. und 19. Jahrhunderts verschont geblieben. Dieses Privileg teilt Einsiedeln noch mit den kleineren Abteien von Disentis und Engelberg.
Die Geschichte des Ortes beginnt mit dem Einsiedler Meinrad. Er wird 861 in seiner Zelle im «Finsteren Wald» von Räubern erschlagen. An der Stelle der Einsiedelei lassen sich weitere Eremiten nieder und machen die Hochebene urbar. Sie nehmen die Benediktinerregel an. Die Salvatorkapelle am Ort der Meinradsklause ist fortan Mittelpunkt des Klosters. 947 bestätigt Kaiser Otto I. die Reichsunmittelbarkeit und die freie Abtwahl. Östlich der Salvatorkapelle entsteht nun eine erste Basilika, das «Obere Münster», zu Ehren Mariae und des hl. Mauritius. Der heilige Bischof Konrad von Konstanz weiht 948 die neue Kirche, die Salvatorkapelle ist aber in der Nacht zuvor vom Allerhöchsten, umgeben von Engeln, direkt geweiht worden. Dieses Wunder der Engelweihe vom 14. September ist seither Hauptfesttag in Einsiedeln. Die Salvatorkapelle, nun «Gnadenkapelle», wird Zentrum einer Marienwallfahrt mit einem ersten Höhepunkt im 15. Jahrhundert. Zum Fest der Engelweihe von 1466  sollen über 130 000 Pilger erschienen sein. Die Gnadenkapelle ist zu diesem Zeitpunkt bereits «Haus im Haus»,  sie wird 1230 vom «Unteren Münster», einer Kirchenverlängerung wegen der aufkommenden Wallfahrt, überdacht. Anfang des 17. Jahrhunderts zeigt sich Einsiedeln als stolzes Grosskloster im spätestgotischen Gewand, die beiden Kirchtürme an der Nahtstelle der Doppelkirche sind mit Spitzhelmen gedeckt. Das Bild trügt aber: Das Kloster hat die Reformation nur knapp und dank dem Eingreifen des Landes Schwyz überlebt. 1544 zählt man sieben Mitglieder, und dies nur, weil jetzt auch bürgerliche Konventualen aufgenommen werden. Die Zahl wächst aber kontinuierlich, 1664 sind es 58 Mitglieder und 1717 zählt man 65 Patres, 12 Brüder und 6 Novizen, also 83 Mitglieder. Viele Konventualen sind nicht im Kloster wohnhaft, sondern verwalten die zahlreichen auswärtigen Herrschaften, die im 17. Jahrhundert um Freudenfels, Sonnenberg und Gachnang im Thurgau sowie Ittendorf (bei Überlingen) erweitert werden. Seit 1674 führt das Kloster auch ein Gymnasium in Bellinzona, der spätere Bauabt Maurus von Roll ist hier Lehrer und Prokurator. Diese wachsende Zahl der Konventualen, aber auch das Bedürfnis der Fürstabtei nach entsprechender Repräsentation führen zu einem steigenden Druck nach neuen Konventbauten.

Vorbereitungen zum barocken Klosterneubau
Der regelmässige und symmetrische Klosterbau, ein geschlossenes Rechteck mit eingeschriebener Kirche, deren Fassade über der barocken Platzanlage geschickt inszeniert ist, lässt auf eine konsequente bauliche Umsetzung eines grossen «Wurfes» schliessen. Aber wie bei allen Bauwerken des Hochbarocks ist auch in Einsiedeln die Planungs- und Baugeschichte komplexer, ja geradezu beispielhaft für barocke Bauabläufe. Eine «rollende Planung», deren Wert erst heute allmählich erkannt wird, und die nicht nur in der Kompetenz von Baumeister-Architekten liegt, führt in Einsiedeln schliesslich zum genialen barocken Gesamtkunstwerk.
Am Anfang der barocken Planung steht der Jesuitenarchitekt Jakob Kurrer (1585–1645), der 1633 den ersten Anstoss für einen Neubau gibt. Der Vorarlberger Michael Kuen (ca. 1610–1686) wandelt den Kurrer-Plan vorteilhaft ab und verwirklicht 1674–1684 mit seinem Sohn Johann Georg (1642–1691) den Chorneubau, den Neubau der Beichtkirche und den Neubau der Magdalenenkapelle.

> zum Neubau des Chores, der Beichtkirche und der Magdalenenkapelle 1674–1684

Der Klosterneubau
1698 wird Maurus von Roll aus Solothurn als neuer Abt gewählt. Er beauftragt 1703 den Vorarlberger Baumeister Andreas Moosbrugger, der seit 1681 unter dem Namen Caspar als Laienbruder im Kloster lebt, mit der Planung des Klosterneubaus. Br. Caspar ist seit seinem Klostereintritt gesuchter Planer und Ratgeber anderer Benediktinerabteien und plant schon 1684 in Disentis. Seiner Planung des Einsiedler Klostergevierts von 1703 wird ein schwaches Projekt von Franz Beer II entgegengestellt, das beim Konvent zum Glück durchfällt. 1704 wird mit dem Neubau gemäss der Planung Moosbruggers begonnen. Ausführender Baumeister ist Johann Moosbrugger (1659–1710), ein Bruder des Klosterplaners. Süd- Ost und Nordflügel sind bis 1717 fertig ausgebaut. Die mehrjährige Bauzeit der neuen Konventbauten wird, wieder in der Art einer rollenden Planung, für intensivstes Variantenstudium des Kirchenneubaus genutzt. 1705 erhält Caspar Moosbrugger vom herbeigezogenen Mailänder Gutachter Graf Luigi Ferdinando Marsigli (1685–1730) wertvolle Hinweise, die sofort in die Planung einfliessen. 1717 bringt Br. Andreas Schreck, der Baumeister von Weingarten,  das Ausführungsprojekt seiner Abteikirche nach Einsiedeln. Es bewegt Br. Caspar Moosbrugger zur letzten Planungsänderung am Projekt: Eine Tambourkuppel wie Weingarten wird eingefügt. Die Grundsteinlegung der neuen Klosterkirche erfolgt 1720. 1723 lehnt der Konvent die Ausführung der Kuppel ab. Caspar Moosbrugger stirbt im gleichen Jahr, er erlebt die Vollendung seiner Kirche, die 1735 geweiht wird, nicht mehr.

> zum Neubau der Stiftskirche 1720–1734 und des Chorumbaus von 1746–1750

Die Platzgestaltung 1745–1747 und die Fertigstellung des nördlichen Westflügels 1756–1758 bedeuten die Vollendung der barocken Gesamtanlage.

> zur Einsiedler Platzanlage

Beichtkirche und Magdalenenkapelle

Projekte und Chorneubau 1633–1676
Ein nicht ausgeführtes Projekt des Jesuitenarchitekten Jakob Kurrer (1585–1645) steht am Anfang der barocken Neubauplanungen der Abtei U. L. Frau zu Einsiedeln. Kurrer projektiert 1633 innerhalb der alten wehrhaften Umfassungsmauer eine neue  Anlage, lässt aber die Kirchenschiffe der alten Doppelkirche mit den gotischen Türmen stehen. Chor und Querschiff des Oberen Münsters werden im seinem Projekt einem grossen Chorneubau geopfert. Die geplanten Konventbauten sind zwar durchdacht, atmen aber mit ihrer Asymmetrie noch wenig barocken Geist. Trotzdem gilt dieses Projekt als «Masterplan» der Barockplanungen Einsiedelns.
1671 erbittet Abt Augustin II. Reding ein Projekt vom Vorarlberger Michael Kuen (ca. 1610–1686). Dieser wandelt den Kurrer-Plan vorteilhaft um und präsentiert eine geschlossene Hofanlage mit vortretenden Eckgebäuden in klarer barocker Bautypologie. 1674 überträgt das Kloster den Chorneubau gemäss dem Projekt Michael Kuen an den Sohn Johann Georg Kuen (1642–1691), der als Maurermeister soeben den Kirchenneubau in Freienbach beendet hat. Der Chorneubau hat die gleiche Länge wie das verbleibende «Obere Münster». Seine Grösse ist eine Folge der zunehmenden Zahl von Konventualen. Der neue Chor wird 1717 vorerst in den Klosterneubau integriert, aber 1746 bereits umgebaut. Von der Ausstattung verbleiben nur das 1675–1684 erstellte Chorgestühl des in Luzern tätigen bayrischen Bildhauers Michael Hartmann und das perspektivische Chorgitter des Kunstschlossers und Klosterbruders Vincenz Nussbaumer, das 1686 eingebaut wird.


Beichtkirche
Kaum hat Kuen 1676 den Neubau des Chores unter Dach, beauftragt ihn der Konvent mit dem Bau der Beichtkirche. Das zweigeschossige Bauwerk, an der Nahtstelle von mittelalterlichen Basilika und dem neuen Chor rechtwinklig nach Norden gerichtet, ist der älteste Teil der heutigen Klosteranlage. Der Bau dauert von 1678 bis 1684. Im Erdgeschoss liegt das allgemein zugängliche Beichthaus, eine niedere dreischiffige Gewölbehalle mit schwarzgrauen Marmorsäulen. Im Obergeschoss wird eine grosse Sakristei eingerichtet, die auch als Disputationsraum dienen soll. Sie ist heute Oratorium. Die Westfassade, zur Erbauungszeit vom Klosterplatz her sichtbar und zugänglich, ist mit Sandstein verkleidet. Die reiche Stuckierung durch den Luganeser Pietro Neurone und die Deckenbilder des Zugers Johannes Brandenberg sind vorzüglicher früher Barock und können uns eine Vorstellung des Chores vor dem Umbau von 1746 geben.


Magdalenenkapelle
Die nördliche Fortsetzung der Beichtkirche bildet die zweigeschossige Magdalenenkapelle, die 1682 bis 1684, wieder auf den Grundlagen der Planung von Johann Georg Kuen erbaut wird. Sie kragt nun bereits weit über die Klostermauern hinaus und soll später die nördliche Fassadenflucht des neuen Klosterbaus von Br. Caspar Moosbrugger bilden. Dieser ist als Andreas Moosbrugger Steinmetz am Bau des Chores und tritt als Bruder Caspar 1681 ins Kloster ein. Er wird im Professbuch und von Linus Birchler als Erbauer der Magdalenenkapelle bezeichnet, was vermutlich nicht der Fall ist. Treibende Kraft für den Neubau der Magdalenenkapelle ist Pater Christopherus von Schönau (1631–1684), der nach einem längerem Aufenthalt in Kempten wieder in Einsiedeln ist. Deshalb wird hergeleitet, dass die Kemptener Stiftskirche das Modell für die Magdalenenkapelle sein soll.
Die Innenausstattung der Magdalenenkapelle wird den gleichen Künstlern übertragen, die Chor und Beichtkirche ausgestattet haben. Sie wird 1684 eingeweiht.


Veränderungen
1902–1903 wird die Magdalenenkapelle und das Beichthaus unter der Leitung von Pater Albert Kuhn umgebaut. Das Beichthaus wird um 65 Zentimeter abgetieft und auf das Kirchenschiffniveau gebracht. Der sechseckige Zentralbau des Magdalenenkapellen-Chores wird zugunsten eines durchgehenden Klosterganges im Nordtrakt zerstört und stark verkleinert als einfacher eingezogener Chor im neubarocken Stil wieder aufgebaut.
1998–1999 werden Beichthaus, Oratorium und Magdalenenkapelle restauriert und den Räumen wieder das originale barocke Kleid gegeben.

Pius Bieri 2008

 

 

Benutzte Literatur:

Henggeler, Rudolf: Professbuch der Fürstl. Benediktinerabtei U. L. Frau zu Einsiedeln, Zug 1934.
Böck, Hanna: Einsiedeln, das Kloster und seine Geschichte, Zürich und München 1989.
Sennhauser, Hans Rudolf: Die älteren Einsiedler Klosterbauten, in Band 13.2 der Veröffentlichungen des Institutes für Denkmalpflege, ETHZ, Zürich 1993.
Oechslin, Werner und Buschow Oechslin, Anja: Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band III.I, Der Bezirk Einsiedeln I (Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 100 der Gesamtreihe), Bern 2003.

Links:

http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D11491-1-1.php
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Einsiedeln
http://www.kloster-einsiedeln.ch/
http://www.klosterarchiv.ch/e-archiv_professbuch.php

 

  Benediktinerabtei Maria-Einsiedeln: Die barocke Klosteranlage  
  Einsiedeln2  
Ort, Land (heute) Herrschaft (18. Jh.)
Einsiedeln, Schwyz CH
Fürststift Einsiedeln
Bistum (18.Jh.) Baubeginn
Konstanz 1674 (1704)
Bauherr und Bauträger

ok
Abt Augustin II. Reding (reg. 1670–1692).
ok Abt Maurus von Roll (reg. 1698–1714).
ok Abt Thomas Schenklin (reg. 1714–1734).
ok Abt Nikolaus II. Imfeld (reg. 1734−1773).
 
  Das Kloster von Osten gesehen. Aufnahme im Juli 2006.
{{Bild-CC-nc-by}} by wikipedia author Paebi.
  pdf  
   
EinsiedelnGrRiss
Grundriss des Klostergevierts auf Niveau 980.50 und 913.50. > Erläuterung.  
   
EinsiedelnMerian
1642 veröffentlicht Matthäus Merian seine Ansicht des Klosters und des Dorfes von Süden. Der Kupferstich zeigt die vorbarocken Klostergebäude im Zustand um 1593. Alle diese Gebäude müssen dem barocken Neubau weichen.  
Einsiedeln1713
Der revidierte Ausführungsplan, den Br. Caspar Moosbrugger 1713 zeichnet, ist zum grösseren Teil bereits ein Aufnahmeplan. Denn 1713 ist mit Ausnahme der Kirche und der Westfront schon alles gebaut. 1717 wird die Kirchenplanung nochmals grundlegend überarbeitet und das Oktogon über der Gnadenkapelle eingefügt. Vergleiche mit dem heutigen Grundriss oben!
> Mit Anklicken können alle Bilder vergrössert betrachtet werden.
 
Einsiedeln1744
1744 erstellt der ausführende Baumeister Johannes Rüeff einen Plan aller gebauten Gebäude. Die Beichtkirche und der Chor der Stiftskirche sind als älteste Bauteile des 17. Jahrhunderts heller dargestellt. Mit Ausnahme des noch fehlenden Nordwest-Flügels ist das Kloster zu diesem Zeitpunkt im heutigen Umfang vollendet. Südlich (unten) sind die vorgelagerten zweigeschossigen Gebäude der Statthalterei und der Klosterwerkstätten ersichtlich.  
Einsiedeln3
Der Ostflügel (Aufnahme im Februar 2005) ist 1710 nach der Planung von Br. Caspar Moosbrugger erstellt und hat, wie auch die anderen Flügel, seither keine Veränderungen erfahren.  
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Erst 1720 bis 1725 entsteht die westliche Kirchenfassade nach dem Vorbild der Kollegienkirche von Salzburg und der Stiftskirche von Weingarten, und erst 1758 ist die Konvent-Westfassade und der Klosterplatz vollendet.  
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Im gewölbten Gebälk-Mittelteil der Kirchenfassade ist das Wappen von Abt Thomas Schenklin angebracht. Das geviertete Wappen hat als Herzschild die Einsiedler Raben und ist mit Mitra, Abtsstab und Schwert als Symbole der geistlichen und weltlichen Gewalt überhöht.  
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Das zweistöckige Gebäude mit der Beichtkirche im Erdgeschoss und dem Disputationsraum im Obergeschoss wird 1678–1679 von Johann Georg Kuen gebaut. 1680–1684 wird die Magdalenenkapelle (links) angefügt. Die Fassade, heute im nordwestlichen Konvent-Innenhof zu sehen, wird damals als westliche Schaufassade gebaut. Beichtkirche und Magdalenenkapelle sind die ältesten Gebäudeteile im barocken Kloster.  
EinsiedelnBeichtkirche
Die ursprünglich frei nach Norden vorstehende Beichtkirche mit der Magdalenenkapelle wird in der Planung von Br. Caspar Moosbrugger in das Geviert des Neubaus eingebunden. Die Nordfassade der Kapelle ist als Risalit in der Konvent- Nordfassade sichtbar. 1902 wird der hexagonale Chor der Magdalenenkapelle zugunsten eines durchgehenden Klosterganges zerstört. Der Plan zeigt den heutigen Grundriss im Vergleich zur Ausführung 1684 im Plan Moosbrugger 1713.