Johann Georg Kuen wird am 22. März 1642 in Bregenz als Sohn des Michael Kuen (1610–1686) und der Maria Jäger geboren. Sein Vater ist Mauermeister, der 1662 bis 1676 die Wallfahrtskirche Maria Bildstein plant und baut. Bei ihm geht Johann Georg in die Lehre. Seit 1669 arbeitet sein Vater für den Einsiedler Abt Augustin II. Reding von Biberegg und ist an der neuen Gesamtplanung für die Benediktinerabtei tätig. 1671 baut Johann Georg zusammen mit seinem Vater für das Kloster Einsiedeln das Schloss der Statthalterei in Ittendorf. Statthalter im zwischen Meersburg und Markdorf gelegenen Ittendorf ist Pater Bonifaz Tschupp. Dieser vermittelt 1672 dem jungen Baumeister den Neubau der Kirche von Freienbach am Zürichsee. Es die erste selbstständige Arbeit und gleichzeitig das «Gesellenstück» Johann Georg Kuens als Empfehlung nach Einsiedeln. 1674 heiratet er in Bregenz Anna Barbara Lorenz (1652–1691), Tochter eines Ratsherrn, Stadtleutnants und Wirtes. Von den sechs Kindern[2] wird der 1679 geborene Franz Anton bekannter Bildhauer und heiratet wieder in Bregenz, während die Söhne Johannes und Bernhard in der Ferne versterben. Als Taufpatin wird «Nob. D. Maria Elisabeth Schochin nata Reding von Biberegg», eine Verwandte des Einsiedler Fürstabtes, genannt. Mit ihm, dem ersten barocken Bauabt der grossen Benediktinerabtei, plant und baut er in den Jahren 1674–1684 die Grundlagen für die erst 20 Jahre später begonnenen einmaligen Einsiedler Klosterkomplex. Er erstellt den zuerst den Chorneubau,[3] dann die Beichtkirche mit der Sakristei[4] im ersten Obergeschoss und ab 1682 die anschliessende Magdalenenkapelle. Mit diesen Bauten ist ein wichtiger Gesamtplan des Klosters verbunden, der wohl eher ihm als seinem Vater zugeschrieben werden muss.
In seinem Vorarlberger Trupp arbeitet seit 1674 auch der Steinmetz Andreas Moosbrugger, der 1681 ins Kloster eintritt und den Namen Caspar annimmt. Caspar Moosbrugger wird Schüler von Johann Georg Kuen. Noch um 1705 schreibt er auf einen Perspektivriss der barocken Anlage mit den Eckpavillons «dess Hans Jörgg sienr riss», weist also Johann Georg oder Hans Jörg Kuen die Urheberschaft zu. Die Klosterplanungen von Br. Caspar Moosbrugger sind ohne die beiden Kuen, aber auch ohne die an Architektur interessierten Patres nicht denkbar. So bringt Pater Christopherus von Schönau (1631–1684) 1678, aus Kempten zurückkehrend, die Pläne des dortigen Neubaus mit. Er ist die treibende Kraft für den Neubau der Magdalenenkapelle und wird auch die symmetrische Klosterplanung nach Kemptener Vorbild gefördert haben. Der zweite dieser Einsiedler Baumönche, Pater Bonifaz Tschupp, der mit Vater und Sohn Kuen immer eng zusammenarbeitet, wird 1677 Abt in Pfäfers. Sofort zieht er Kuen für den dort laufenden Klosterneubau bei und überträgt ihm die Planung der Klosterkirche, die 1688–1693 durch einheimische Unternehmer nach seinen Plänen erstellt wird. Mit dem lichten, hallenkirchenartigen Innenraum gelingt ihm in Pfäfers ein grosses und wegweisendes barockes Meisterwerk, das sich dem Vorarlberger Wandpfeiler-Emporenschema entzieht und sofortige Wirkung auf Caspar Moosbrugger bei seinen Planungen für Disentis um 1695 hat.
Über die letzten Jahre Johann Georg Kuens wissen wir wenig. Er scheint die Lust am Bauen verloren zu haben. 1686 wird ihm nach dem Tod des Vaters zwar noch der Bau des Gredhauses, des heutigen Rathauses übertragen. Es ist der letzte bekannte Bauauftrag. Der Bregenzer Baumeister stirbt am 16. April 1691, im Alter von erst 49 Jahren. Im gleichen Jahr stirbt auch seine Frau. Die Kinder, der Älteste ist 16, kommen zu Verwandten oder werden als Lehrlinge verdingt. Keiner tritt das Erbe von Vater oder Grossvater an. Es wird von Baumeistern der Auer Zunft weitergeführt. Schon 1684 hat Jodok Beer I (1650–1688) in Bregenz eingeheiratet. Sein Bruder Franz Beer I, später sein Sohn Franz Anton Beer und sein Neffe Johann Michael Beer von Bildstein, sind nun die massgebenden Baumeister der Region.
Johann Georg Kuen ist für die Vorarlberger von grosser Bedeutung, obwohl er nie der Auer Zunft angehört hat. Durch die solide architektonische Grundlage, die er speziell Caspar Moosbrugger vermittelte, und durch seine feinen, lombardisch-südbündnerisch beeinflussten Freipfeiler-Hallenräume hat er, zusammen mit Michael Thumb, die Basis für den Vorarlberger Kirchenbau geschaffen.
Pius Bieri 2008
Lieb, Norbert und Dieth, Franz: Die Vorarlberger Barockbaumeister, München 1967.
Oechslin, Werner (Hrsg.): Die Vorarlberger Barockbaumeister, Ausstellungskatalog, Einsiedeln 1973.
Sandner Oscar: Die Kuen, Konstanz 1962.
[1] Nennung 1674 im Verding zum Chorneubau in Einsiedeln.
[2] 1675 Johannes, 1677 Maria Ursula, 1679 Franz Anton, 1681 Bernhard, 1685 Maria Elisabeth, 1687 Maria Antonia. Sohn Johannes wird Maler und Lackierer in Diensten des bayrischen Herzogs. Er wird vielfach verwechselt mit Johannes Kuen (1647–1708), dem Steinmetz in Einsiedeln und Hofen, der wie die Familie des Michael Kuen aus Weitnau in der Herrschaft Hohenegg stammt.
[3] Er wird 1746 verändert.
[4] Heute Studentenkapelle.
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