P. Joseph Guldimann SJ (1656–1736)

Jesuitenarchitekt

Herkunft, Ausbildungsweg, Professuren
Joseph Guldimann wird am 4. Juni 1656 als Sohn des Mauritz und der Anna Kappeler in Solothurn geboren. Hier besucht er wahrscheinlich das Gymnasium der Jesuitenniederlassung. Mit 18 Jahren tritt er 1674 in Solothurn in den Jesuitenorden ein und beginnt das dreijährige Noviziat in Landsberg am Lech. Er studiert anschliessend in Ingolstadt Philosophie, wo er 1682 zum Professor der Humanistik immatrikuliert wird. 1683–1687 studiert er Theologie und wird 1687 in Augsburg zum Priester geweiht. 1687–1688 ist er am Kolleg von Rottenburg am Neckar Grammatikprofessor und Prediger in der nahen Wallfahrtskirche Weggental.[1] Dann ist er bis 1689 Grammatikprofessor am Kolleg Mindelheim. Im Kolleg Altötting absolviert er 1690 das Tertiat, wie die praxisnahe Vorbereitung zur Seelsorge genannt wird. 1690–1691 ist er Logikprofessor am Kolleg Straubing. 1692 wird er im Matrikelverzeichnis der Universität Freiburg als Professor der Philosophie in Konstanz verzeichnet.[2] Hier feiert er am 15. August 1693 Profess. 1696–1698 lehrt er an der Universität Dillingen und ist auch Studienpräfekt. Sein Hauptfach ist die Metaphysik, die Nebenfächer sind Mathematik, Ethik und Hebräisch. Dann wird er an die Universität Innsbruck beordert, wo er bis 1701 Mathematik lehrt. Am Kolleg Mindelheim ist er für zwei Jahre Kontroversprofessor.[3] Hier tritt er 1702 mit der Neubauplanung der Kollegkirche erstmals als Architekt in Erscheinung. Anschliessend wird er als Professor für scholastische Theologie an das Kolleg Luzern versetzt, wo er 1709 auch Präfekt für höhere Studien ist. Er bleibt bis 1710 in Luzern und promoviert hier zum Doktor der Theologie. Während seiner Lehrtätigkeit in Luzern wird er 1706–1707 als Minister[4] im Kolleg Solothurn eingesetzt. In dieser Funktion leitet er auch die letzte Ausstattungsphase der neuen Jesuitenkirche. 1710–1715 lehrt er wieder an den Universitäten Dillingen, Innsbruck und Ingolstadt. Als Minister amtet er danach bis 1716 im Kolleg Amberg.[5]

Liebhaberarchitekt und Bauleiter

Eichstätt
1716–1719 ist er Spiritual und Professor für Moraltheologie am Kolleg Eichstätt. Von den Ordensoberen offenbar als Mathematiker,[6] Berater in Architekturfragen und Liebhaberarchitekt geschätzt, wird er gezielt zur Leitung der inneren Umbauarbeiten der Schutzengelkirche von Eichstätt eingesetzt. Er ist mit grosser Sicherheit auch Konzeptor des theologischen Programms der Deckenfresken .

Mindelheim
Nach Abschluss der Arbeiten ist er bis zum Herbst 1722 wieder in Mindelheim. Dort baut er innerhalb der Umfassungsmauern der Vorgängerkirche ein neues Langhaus als grosszügige Wandpfeilerhalle und barockisiert den gotischen Chor.[7] Nach der Fertigstellung der Hauptarbeiten wird er für ein Jahr ins Kolleg Konstanz und Ende 1723 für ein weiteres Jahr ins Kolleg Hall in Tirol versetzt.

Ellwangen
Ende 1724 ist er, jetzt wieder in der Funktion als bauleitender Architekt, in der Jesuitenresidenz Ellwangen tätig. Hier ist der Jesuitenbaumeister Br. Jakob Amrhein[8] im Oktober verstorben. Sein Kirchenneubau ist erst wenig über die Fundamente gediehen. Guldimann setzt den Bau, es ist wieder eine Wandpfeilerhalle, im Wesentlichen nach den Plänen Amrheins fort. Einige Änderungen, wie die beiden hinter der Fassade aufragenden Türme oder die Seitengalerien, stammen von ihm. Er leitet hier auch die Ausstattungsphase.[9]

Rottweil
1726 wechselt er ins Kolleg Rottenburg am Neckar zur Planung eines neuen Gymnasiums. Seine Haupttätigkeit ist hier aber der Umbau der Kapellenkirche in Rottweil. Mit ihrem markanten Turm beherrscht sie das Stadtbild. Sie ist die Kirche des Jesuitenkollegs Rottweil. Guldimann ersetzt 1727 das baufällige gotische Langhaus durch eine breitere Freipfeilerhalle.[10] Nach der Rohbaufertigstellung wechselt er für 1728–1729 als Minister und Kirchenpräfekt an das Kolleg Luzern.[11]

Freiburg im Breisgau
Ende 1729 geht Guldimann als Präfekt für höhere Studien nach Freiburg im Breisgau. 1733 wird er hier Spiritual. Auch in Freiburg ist er trotz seines hohen Alters noch immer als Architekt und Bauleiter tätig. Er baut auf dem Schönberg bei Merzhausen eine bestehende zweigeschossige Dreiflügelanlage der Jesuiten zu einer dreigeschossigen, residenzähnlichen Villa suburbana um. Das «Tusculum», wie die Anlage von den Jesuiten bezeichnet wird, dient ihnen als Rückzugsort.[12]

Ein erfülltes Leben

Am 12. Mai 1736 stirbt P. Joseph Guldimann im Alter von 80 Jahren im Kolleg von Freiburg. Er wird in der Gruft unter der Jesuitenkirche begraben. In den Annuae des Kollegs wird er «in arte architectonices magister fuit in paucis peritissimus ac versatissimus», also in Baukunst bewanderter und erfahrener Meister bezeichnet.
Der Lebenslauf des Jesuitenpaters Joseph Guldimann zeigt ein aufschlussreiches Bild eines Liebhaberarchitekten der Jesuiten am Anfang des 18. Jahrhunderts. Er ist vielseitig gebildet, ist in Mehrfachfunktionen im Lehramt, als Seelsorger, als Planer und als Bauleiter tätig, und bewältigt alle Aufgaben bis ins hohe Alter mit hoher Professionalität. Gut sichtbar ist im Lebenslauf auch die straffe Führung durch die Oberen. Sie erlauben keinem ihrer Führungspersonen einen längeren Aufenthalt an Ort oder einen längeren Verbleib im Amt. Nach wenigen, meist nur zwei Jahren, muss gewechselt werden. Flexibilität und Unabhängigkeit der Ordensangehörigen ist oberstes Ziel. Nur bei baubezogenen Verpflichtungen wird, vor allem bei den Ordensbaumeistern, von der Regel abgewichen. Diese straffe zentrale Führung schürt später das Misstrauen der absolutistisch regierenden Herrscher Europas derart, dass sie 1773 die Aufhebung des Ordens erreichen.

Pius Bieri 2017

Literatur:

Braun, Joseph SJ: Die Kirchenbauten der deutschen Jesuiten. Freiburg 1910.
Schmaedecke, Michael: Das Jesuitenschloss in Merzhausen, in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins 103, Freiburg 1984.
Hofmann, Siegfried: Programm und Inhalt der Deckengemälde in der Schutzengelkirche, in: Die Schutzengelkirche und das ehemalige Jesuitenkolleg in Eichstätt, Regensburg 2011.

Anmerkungen:

[1] Die Wallfahrtskirche Weggental wird 1682–1695 durch den Vorarlberger Baumeister Michael Thumb gebaut. Zur Zeit des Aufenthaltes von P. Joseph Guldimann stuckiert Giovanni Prospero Brenni den Neubau.

[2] Während der französischen Besatzung von Freiburg im Breisgau wird die Jesuitenuniversität in das Kolleg Konstanz verlegt.

[3] Die Jesuiten lehren die Frage der Ordnung, Gewichtung und des autoritativen Beweises von theologischen Thesen in kontroversen Disputationen.

[4] Der Minister (lat. für Diener, Assistent) ist Vertreter des Rektors. Ihm ist, wie beim Kellermeister der Klöster, die äussere Verwaltung des Kollegs anvertraut.

[5] Amberg gemäss Hofmann (2011). Augsburg gemäss Schmaedecke (1984).

[6] Die Lehre der Baukunst ist Bestandteil der Mathematiker-Ausbildung.

[7] Die Wandpfeilerhalle hat grosse Ähnlichkeit mit Dillingen (1610). Wie in Dillingen ist der Dachstuhl über dem Scheitelpunkt des Gewölbes angeordnet.

[8] Br. Jakob Amrhein (1673–1724) aus Beromünster plant und leitet den Neubau des Jesuitenkollegs von Ellwangen 1721–1723. Er kann den von ihm geplanten Kirchenneubau noch beginnen, stirbt dann aber im Oktober 1724. Zu ihm siehe auch die Biografie in dieser Webseite.

[9] Die Jesuitenkirche zur Unbefleckten Empfängnis Mariä ist heute Evangelische Stadtpfarrkirche.

[10] Die Kapellenkirche U. L. Frau mit dem imposanten, das Stadtbild dominierenden gotischen Turm, wird noch bis 1733 ausgestattet. Auslöser des Langhaus-Neubaus ist ein Gewölbeeinsturz des Chors 1721 (nicht 1627!) und die Feststellung statischer Schwächen des gotischen Langhauses. Quelle: Ruckgaber, Geschichte der Frei- und Reichsstadt Rottweil, Band II-1 (Rottweil 1836), Seite 322.

[11] Am Kolleg oder an der Kirche wird in diesen Jahren nicht gebaut. Die Informationen im Historischen Lexikon der Schweiz, dass er 1727–1729 am Innenausbau der Jesuitenkirche beteiligt sei, sind falsch.

[12] Das Gebäude wird nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 Adelssitz und im 19. Jahrhundert klassizistisch umgebaut. Es ist nach einem Umbau 1977/79 nur noch stark modernisiert und ohne jeden barocken Charakter erhalten.


  P. Joseph Guldimann SJ (1656–1736)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  4. Juni 1656 Solothurn   Kanton Solothurn CH  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Eidgenössischer Stand Solothurn   Lausanne (Fribourg)  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  12. Mai 1736 Freiburg   Baden-Württemberg D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Vorderösterreich   Konstanz  
  Kurzbiografie        
  Pater Joseph Guldimann SJ ist ein vielseitig gebildeter Theologe und auch in Baukunst erfahren. Anfänglich ist er vor allem als Professor an Jesuiten-Universitäten tätig, betätigt sich aber auch als Architekt. Erst in späteren Jahren ist er fast ausschliesslich Planer und Bauleiter von Neu- und Umbauten. Als wichtigste Neubauten zählen die Jesuitenkirchen von Mindelheim, Ellwangen und Rottweil. Er führt diese Bauten in einem Alter durch, in dem heute die meisten Menschen nicht mehr arbeiten. Sein Lebenslauf ist für die damaligen Jesuiten nicht ungewöhnlich und zeigt, wie gut der Orden seine Mitglieder entsprechend ihrer Qualifikation einzusetzen weiss.     Mindelheim  
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1722 baut Joseph Guldimann das neue Langhaus der Jesuitenkirche in Mindelheim. Die Wandpfeiler-Emporenhalle liegt in der Tradition der Jesuitenkirche Dillingen (1610, Hans Alberthal), die Emporen jedoch entsprechend der Jesuitenkirche Eichstätt (1617, Kurrer und Alberthal), die Guldimann 1716–1722 umbaut.
Foto:
Thomas Mirtsch in Wikipedia.