Wenig ist von der Person des umtriebigen Fraters Johann Christoph Gessinger bekannt. Umso mehr sprechen seine Werke, wie hier das Neue Schloss in Meersburg, das Gessinger 1710–1712 baut.

Johann Christoph Gessinger (um 1670–1734)

Frater OSB in der Abtei Isny 1691–1730 und Liebhaberarchitekt.

Die Herkunft von (Johann) Christoph Gessinger bleibt verschwommen. Er könnte aus der Gegend von Köln stammen. Mit dem Eintritt als Laienbruder in das Benediktinerkloster Isny hören wir das erstmals seinen Namen. Er legt dort 1691 Profess ab. Ursprünglich Schreiner und Altarbauer, bildet er sich nun autodidaktisch im Bauwesen weiter. Schon 1693 baut er als Baumeister für den Landkomtur des Deutschen Ordens, Franz Benedikt von Baden (reg. 1688–1707), im Schloss Achberg die neue Sennscheune. 1697 übernimmt er den dortigen Schlossumbau im Akkord, nachdem sich der Vorarlberger Baumeister Christian Thumb wegen zu grossen Risiken zurückgezogen hat.[1] Gessinger muss sich bewährt haben, denn der gleiche Bauherr zieht ihn noch vor 1700 für den barocken Umbau des Südflügels der Landkommende in Altshausen zu. Gessinger plant und leitet die Arbeiten, die Ausführung seiner Bauten besorgen unabhängige Maurermeister. Weiterhin plant er auch Kirchenausstattungen. So wird er 1701 als Planer von drei Altären in der zu Ochsenhausen gehörenden Kirche Tannheim mit acht Gulden bezahlt. Der rührige Frater findet die Aufmerksamkeit des Konstanzer Fürstbischofs Johann Franz Schenk von Stauffenberg. Er stellt ihn vorerst als Feldmesser ein und lobt schon 1706 seine architektonischen Fähigkeiten. Nachdem Gessinger für ihn das Neue Schloss in Meersburg 1710–1712 baut und anschliessend den Familiensitz in Wilflingen umbaut, stellt ihn der Fürstbischof 1715 als hochfürstlichen Baumeister ein. Seinen Entscheid für den Benediktiner aus Isny fällt er «als auch wegen seiner besizenden gueten Wissenschaft in der baw- und feldt-messerey kunst vor einem ober-baw-ambts inspectoren nit allein in unserem Hochstüfft Contanz, sondern auch in dem Hochstüfft Augspurg». Er wird in diplomatischen Missionen als Vertrauensmann des Fürstbischofs an fremden Höfen tätig, einen Wien-Aufenthalt schon vor 1710 muss angenommen werden. [2]  Höhere Bildung, ungemeine Belesenheit und gründliche theologische Kenntnisse kennzeichnen ihn. Er wird zum Kammerrat ernannt und hat grossen Einfluss bei Entscheidungen des Fürstbischofs. Daneben scheint er auch einen ausgeprägten Geschäftssinn zu haben, was sich in seiner erfolgreichen Tätigkeit als Weinhändler niederschlägt. Auch die Grafen von Montfort ziehen ihn als Planer und Bauleiter für das Neue Schloss in Tettnang und für die neue Kirche in Langenargen bei. 1725 kann er noch das Priesterseminar östlich des Neuen Schlosses in Meersburg beginnen und in Wilflingen wird ihm 1728 der Bau der neuen Pfarrkirche übertragen, als es 1730 zu einer jähen Wende kommt. Der Bau in Meersburg gerät wegen Geldmangels ins Stocken. Eine Hofintrige beschuldigt Gessinger finanzieller Unregelmässigkeiten und der Sympathien für den Protestantismus. Der erste Vorwurf wird später fallengelassen. Der zweite Vorwurf gründet auf seiner allgemein bekannten Hinwendung zum protestantischen Gedankengut, welche vom Fürstbischof stillschweigend toleriert wird. Als aber eine Kommission Gessinger für eine Befragung zu seinem Glauben einlädt, sucht er überstürzt in der protestantischen Schweiz Zuflucht. In Zürich tritt er 1731 aus dem Benediktinerorden aus und konvertiert zum Protestantismus. Mit dem Austritt werden in Isny auch seine Lebensspuren verwischt. 1734 stirbt der hoch gestiegene und jäh gefallene Konventuale und Liebhaberarchitekt mit ungefähr 65 Jahren in Bern.[3]
Pius Bieri 2010

Literatur:

Gubler, Hans Martin: Johann Caspar Bagnato, Sigmaringen 1985.

Anmerkungen:
[1] Nach Hans Martin Gubler: Johann Caspar Bagnato, Sigmaringen 1985, Seite 394. Dort auch die richtigen Baudaten des Südwestflügels von Altshausen.

[2] Das Neue Schloss in Meersburg zeigt profunde Kenntnis der neuesten Wiener Architektur (Fischer von Erlach, Martinelli).

[3] Das Todesdatum wird von Joachim Stolz (in: Schlösser BW Heft 4, 2010) mit 28. Oktober 1734 angegeben.

Werkliste von Johann Christoph Gessinger

Die Liste umfasst nur die wenigen aktenkundigen und ausgeführten Werke.

1693–1700 Achberg, Umbau Deutschritterschloss im Akkord, nach Rückzug von Christian Thumb.
1700–1715 Altshausen, Landkommende des Deutschen Ordens, Umbau Südwestflügel.
1701–1702 Tannheim, Neubau Pfarrkirche. Altarentwürfe und eventuell Stuckaturen.
1709–1710 Frauenzell bei Altusried im Allgäu, Neubau Pfarrkirche Unserer Lieben Frau. Ausführung durch den stiftkemptischen Maurermeister Christian Weber.
1710–1712 Meersburg, Neues Schloss.
1710–1715 Wilflingen, Schloss der Schenken von Stauffenberg, Umbau.
1712–1720 Tettnang, Neues Schloss.
1718–1722 Langenargen, Neubau Pfarrkirche St. Martin. Baumeister ist Leonhard Gmeinder.
1725–1730 Meersburg, Priesterseminar.
1728–1730 Wilflingen, Pfarrkirche St. Johann Nepomuk, Neubau.

 

Johann Christoph Gessinger (um 1670–1734)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  um 1670 unbekannt   Nordrhein-Westfalen? D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Kurfürstentum Köln?   Köln?  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  28. Oktober 1734 Bern   Bern CH  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Eigenössischer Stand Bern   (protestantisch)  
  Kurzbiografie        
  1691 tritt Johann Christoph Gessinger als Laienbruder in die Benediktinerabtei Isny ein. Der Kunstschreinergeselle ist auch in Baukunst erfahren, ähnlich der aus dem Handwerk stammenden Jesuitenbrüder. Schon schnell wird man in Adelskreisen auf den jungen Liebhaberarchitekten aufmerksam. Dass er es mit den Grossen der Zunft aufnehmen kann, beweist er mit den Schlossbauten in Meersburg und Tettnang. Jäh ist sein Fall nach der Flucht ins protestantische Zürich. In Isny werden danach auch seine Lebensspuren gelöscht.
Seine Hauptwerke:
Südflügel der Kommende (heute Schloss) Altshausen.
Neues Schloss Meersburg.
Neues Schloss Tettnang.
Priesterseminar Meersburg.
    Meersburg  
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