Johann Benedikt Ettl (1678–n.1748)

Baumeister in Eichstätt und Augsburg

Benediktbeuern
Der am 22. Juli 1678 in Bichl bei Benediktbeuern geborene Benedikt Ettl (oder Oettl, Öttl) dürfte identisch mit dem später bekannten Baumeister in den Hochstiften Eichstätt und Augsburg sein. Der Abt von Benediktbeuern Eliand II. Öttl ist vielleicht sein Verwandter.[1] 1695 beginnt Maurermeister Markus Hainz aus Bichl im Auftrag des Abtes und unter der Leitung von Hofbaumeister Enrico Zuccalli mit dem Neubau des «Äusseren Klosters». Ist Ettl (Öttl) hier Lehrling? 1705 wird er in München als Assistent von Hofbaumeister Giovanni Antonio Viscardi genannt. 1714 ist er nochmals in München aktenkundig. Er heiratet am 12. Februar in der Frauenkirche die Tochter des Mesmers Melchior Stoss.

Eichstätt
In den Heirats-Matrikeln wird er als «Oberbaumeister zu Eichstätt» eingetragen. Er ist tatsächlich schon seit längerer Zeit unter Jakob Engel[2] in Eichstätt tätig. 1711 wird er vom Fürstbischof dem bereits 79-jährigen Hofbaumeister zur Seite gestellt.
Ettl ist Baumeister des 1712 begonnenen und schon 1713 aufgerichteten, dreigeschossigen und wohlproportionierten Schul- und Konventbau des Klosters Notre Dame.[3] Wahrscheinlich stammt auch der Entwurf von ihm.
Gesichert ist seine Planung und Bauleitung für die von März 1714 bis 1716/17 dauernden Umbauarbeiten der Dominikanerkirche Eichstätt, deren Langhaus er bis auf die Umfassungsmauern neu erstellt.[4]
Seit kurzem wird Ettl ein bemerkenswerter Zentralbau ausserhalb des Bistums zugeschrieben. Die 1718/19 gebaute Wallfahrtskapelle Herrgottsruh in der Fuggerherrschaft Oberndorf am Lech zeugt, vor allem in der Schaufassade,[5] von überragendem Können des Entwerfers.[6]
In der Funktion als eichstättischer Landbaumeister baut er auch einfache Dorfkirchen. 1713 liefert er Pläne für die Pfarrkirche St. Michael in Titting.[7] 1714 baut er das Langhaus der Pfarrkirche von Theilenberg und 1716 die Kirche in Biesenhard. Pfarrhöfe erstellt er 1724 in Kottingwörth, 1725 in Tagmersheim und 1726 in Kipfenberg. In Tagmersheim ist Johann Gabriel der ausführende Baumeister. Ettl ist den Kindern dieses Eichstätter Baumeisters mehrfach Taufpate. Seit 1714 ist der Misoxer Gabriele de Gabrieli Hofbaumeister in Eichstätt.[8] Ettl arbeitet noch bis 1726 mit ihm zusammen, zieht aber in diesem Jahr von Eichstätt weg. Wahrscheinlich ist die Übermacht Gabrielis und seiner Landsleute im eichstättischen Baubetrieb ausschlaggebend für den Wegzug.

Augsburg
Sein Arbeitsfeld der Jahre 1726–1729 bleibt vorläufig im Dunkeln. Spätestens 1730 arbeitet Ettl für das Augsburger Domkapitel, wo er 1736 Bauinspektor und 1739–1751 Baudirektor des Domkapitels ist. 1731–1738 baut er die aussergewöhnliche Wallfahrtskirche Unseres Herrgotts Ruh in Friedberg.[9] 1737 errichtet er das Kaplanhaus in Gempfing und die Kirche St. Leonhard in Gabelbachergreut. 1739/40 folgen der Neubau der Sebastianskapelle in Grossaitingen[10] und der Umbau der Pfarrkirche St. Nikolaus in Binswangen. Hauptauftrag ist der von 1740 bis 1743 dauernde Neubau des Corps de Logis der Augsburger Residenz.[11]
Anschliessend ist er nochmals in Eichstätt anzutreffen. Bis 1746 baut er im Auftrag der Äbtissin von St. Walburg Richter- und Gästehaus der Abtei, errichtet die Vorhalle zur Kirche und den Kirchturm mit dem originellen Turmhelm in Kugelform. Er bleibt aber für diese Arbeiten weiterhin in Augsburg ansässig.
1748 erstellt er noch Pläne für den Neubau der Pfarrkirche St. Nikolaus in Grossaitingen, verliert den Auftrag zur Ausführung aber an den jüngeren Franz Xaver Kleinhans.[12]
Nach diesem letzten bekannten Auftrag ist vom inzwischen 70-jährigen Ettl nichts mehr zu hören. Er dürfte in Augsburg verstorben sein.[13]

Pius Bieri 2017

Literatur:
Neuhofer, Theodor: Die Augsburger Residenz und ihre Baumeister, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg, 53. Band, Augsburg 1938.
Mader, Felix: Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken, Band I, Stadt Eichstätt. München 1924.
Fiedler, Rembrant: Graubündner Bauleute im Hochstift Eichstätt, in: Graubündner Baumeister und Stukkateure, Lugano 1997.

Web:
Johann Benedikt Ettl in Wikipedia (Ausgabe 8. Mai 2017.

Anmerkungen:

[1] Vermutung Theodor Neuhofer. Zu Abt Eiland II., der 1690–1707 regiert, siehe die Biografie in dieser Webseite.

[2] Jakob Engel oder Giacomo Angelini (1632–1714) aus San Vittore. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[3] Siehe dazu den Baubeschrieb «Notre Dame» in dieser Webseite.

[4] Baudaten: Abbruch bis unter die Fenster im März 1714. Aufrichte 1715. 1716/17 Freskierung durch Melchior Steidl. Altarblätter Johann Georg Bergmüller. (Daten J. G. Suttner 1863). Der wertvolle barocke Innenraum brennt 1918 aus und wird nicht wieder hergestellt. Nur die Westfassade ist (1822 verändert) erhalten.

[5] Die Kapelle ist ein aussergewöhnliches Zeitdokument. Die vertikalbetonte Ädikulafassade ist mit Säulen abgeschlossen. Die hervortretende Mitte bildet eine zweite Ädikula, nun mit Pilastern, unter einem gemeinsamen Gebälk. Ein flacher Schweifgiebel und ein Dreieckgiebel bilden die Abschlüsse.

[6] Neuere Publikationen bezeichnen die Kapelle als «nach Plan» von Benedikt Ettl gebaut (Schütz 2000, Dehio 2008). Die Quelle dieses Befundes ist dem Verfasser nicht bekannt.

[7] Nur der Turm ist erhalten.

[8] Gabriele de Gabrieli (1674–1745) aus Roveredo. Zu ihm siehe die Biografie in dieser Webseite.

[9] Ein dreischiffiges und zweijochiges Langhaus ist mit Pendentifkuppeln hallenartig gewölbt. Daran schliesst eine dominierende Chorrotunde an. Stuck von Franz Xaver Feichtmayr, Fresken von Cosmas Damian Asam und Matthäus Günther.

[10] Die Kapelle weist grosse Ähnlichkeit mit der 1739 von Gabrieli gebauten Frauenbergkapelle in Eichstätt auf.

[11] 1735 verhandelt der Stadtrat mit Gabrieli, der wegen der Sommerresidenz mit dem Eichstätter Fürstbischof Differenzen hat, über einen Wechsel nach Augsburg. Gabrieli liefert in diesem Jahr auch ein Gesamtkonzept für die Neugestaltung der fürstbischöflichen Residenz. An dieses Konzept dürfte sich Ettl gehalten haben.

[12] Franz Xaver Kleinhans (1699–1776) aus Unterpinswang im Tirol, bis 1734 Palier bei Johann Georg Fischer (zu diesem siehe die Biografie in dieser Webseite). Kleinhans löst Fischer 1747 als Landbaumeister des Hochstifts ab.

[13] Die Wikipedia nennt je nach Ausgabe 1749 und 1751, als Quellenangabe die Grosse Bayerische Biographische Enzyklopädie (2005).

  Johann Benedikt Ettl (1678–n.1748)  
  Biografische Daten        
  Geburtsdatum Geburtsort     Land  
  22. Juli 1678 Bichl bei Benediktbeuern   Bayern D  
    Land 18.Jh.     Bistum 18.Jh.  
    Kurfürstentum Bayern   Augsburg  
  Sterbedatum Sterbeort     Land  
  nach 1748 Augsburg?   Bayern D  
    Land 18. Jh.     Bistum 18. Jh.  
    Reichsstadt Augsburg   Augsburg  
  Kurzbiografie        
 

Johann Benedikt Ettl ist seit 1711 in Eichstätt tätig, wo er dem betagten Hofbaumeister Jakob Engel zur Seite steht. Erste selbständige Bauwerke sind der Schul- und Konventbau Notre Dame und das neue Langhaus der Dominikanerkirche. Er ist bis 1726 Eichstätter Landbaumeister, ihm wird aber auch der querovale Zentralbau der Wallfahrtskirche in Oberndorf am Lech zugeschrieben. Die zunehmende Vormachtstellung von Gabriele de Gabrieli, dem Nachfolger Engels in Eichstätt, veranlasst ihn, an den Augsburger Hof zu wechseln. Seine Hauptwerke sind hier die aussergewöhnliche Wallfahrtskirche in Friedberg und das Corps de Logis der Augsburger Residenz. 1746 ist er als Baumeister der Abtei St. Walburg nochmals in Eichstätt tätig. Nach 1748 verlieren sich seine Spuren.

    Oberndorf am Lech  
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Der 1718 gebaute spätbarocke Zentralbau der Wallfahrtskirche Herrgottsruh in Oberndorf am Lech wird Johann Benedikt Ettl zugeschrieben. Die Kapelle ist ein aussergewöhnliches Zeitdokument. Der längsgerichtete Grundriss wird durch ein Queroval unterbrochen. Eine vertikalbetonte Ädikulafassade mit Schweifgiebel ist Eingang-Schauseite. Sie ist mit Säulen abgeschlossen. Die hervortretende Mitte ist als Pilaster-Ädikula mit Dreieckgiebel und gemeinsamen Gebälk ausgebildet.
Foto: Bieri 2018.